Dienstag, 23. März 2021
Manchmal ist die Pandemie unappetitlich ...
damals, 09:51h

... und manchmal einfach zum Ko***en. Bei uns sollen die wenigen in Präsenz anwesenden Schüler ab dieser Woche getestet werden. Schon vorher in der Pause kommt die Info von der Kollegin aus der Parallelklasse: "Du, die ist ganz wild drauf da bei der Testung. Sei ganz pünktlich, sonst weist sie dich ab! Und nur mit FFP2-Masken!" Ich renn schnell zur Klassenlehrerin, die Gott sei Dank schon da ist, auch die vorgeschriebene Klassenliste mitgebracht hat: "Hol doch noch ein paar FFP2-Masken aus dem Büro! Ich komm dann 5 min vorher mit der Klasse aus dem Unterricht und wir treffen uns auf dem Flur."
Als es dann so weit ist, hat die Klassenlehrerin das Okay vom Schulleiter, dass OP-Masken (wie sonst auch) auch in Ordnung sind und ist schon voll in der Diskussion mit der Testerin, was zu geschehen hat, ob wir sie nun einlassen könen oder nicht. Dabei geht es auch um die Frage, ob wir für die minderjährigen Schüler nicht Einverständniserklärungen der Eltern bräuchten. Die für den Notfall mitgebrachten Masken hält sie in der Hand. Die Testerin wiederholt zum 1000. Mal: "Aber nicht ohne FFP2-Masken!" Ich zur Klassenlehrerin: "Gib doch schnell die Masken aus und wir fangen an." - Die Testerin: "Nein, jetzt ist es zu spät. Es ist schon 9.47 Uhr!"
Das Ende vom Lied: keine Testung, übermorgen erneute Beratung beim Schulleiter. Denn das Virus einfach machen lassen, das geht auch ohne Einverständniserklärung.
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Samstag, 6. Februar 2021
Versteinerte Feindschaften
damals, 13:32h
Wenn Feindschaften Jahrzehnte unbenutzt liegen bleiben, dann versteinern sie, und was einst als böser Witz formuliert wird, kann durch gedankenlose Wiederholung irgendwann zu erinnerter Realität werden:. „Als wir jung waren“, meinte mein Vater, „hab ich immer zum Geburtstag so eine hübsches Schmuckglas aus Lauscha bekommen. Aber außer einem sind die ja alle nicht mehr da, die haben die Katzen so nach und nach runtergeschmissen, die liefen doch immer auf den Schränken lang. Also, jedenfalls der Paul, der war doch so beschämt, als er auf die Katze aufpassen sollte, und dann schmiss die das Glas vom Schrank.“ - „Wer war denn Paul?“, frage ich verwundert, denn ich wüsste niemanden in der Bekanntschaft, der so heißt. „Na, der Paul eben! … weißt du nicht mehr: Paul und Paula! Ich weiß jetzt nicht mehr, wie der richtig hieß.“ Da fällt es mir auch ein: Unsere Nachbarn K. - das Ehepaar wurde nach der Wende als IM-Paar enttarnt – ihre Decknamen: Paul und Paula.
Aber während alte Feindschaften fossilieren, geht das Leben weiter. Neulich bin ich mit meiner Schwester am Krempelausräumen, trage Sachen über den Hof, da steht Nachbarin M. (die Wohnungsnachfolgerin der K.s) mit Bekannten da im Gespräch. Ich grüße und man grüßt zurück, die Fremde, eine blonde Mutter mit halbwüchsigen Kindern, schaut mir irritiert ins Gesicht und nickt mir dann auch zu. Später an der Mülltonne verwickelt mich M. In ein Gespräch. „Weißt, wer das eben war? Die Cornelia K.“ Ach. Dunkel erinnere ich mich, dass ich der circa 7-Jährigen einst aus „Nussknacker und Mausekönig“ vorgelesen hab.
Für mich fühlt sich das alles an wie Klotz am Bein. Ich wünschte mir, das wäre verrottet mit den Jahren. Aber was nicht ordentlich begraben wird, verrottet auch nicht. Es versteinert.
Aber während alte Feindschaften fossilieren, geht das Leben weiter. Neulich bin ich mit meiner Schwester am Krempelausräumen, trage Sachen über den Hof, da steht Nachbarin M. (die Wohnungsnachfolgerin der K.s) mit Bekannten da im Gespräch. Ich grüße und man grüßt zurück, die Fremde, eine blonde Mutter mit halbwüchsigen Kindern, schaut mir irritiert ins Gesicht und nickt mir dann auch zu. Später an der Mülltonne verwickelt mich M. In ein Gespräch. „Weißt, wer das eben war? Die Cornelia K.“ Ach. Dunkel erinnere ich mich, dass ich der circa 7-Jährigen einst aus „Nussknacker und Mausekönig“ vorgelesen hab.
Für mich fühlt sich das alles an wie Klotz am Bein. Ich wünschte mir, das wäre verrottet mit den Jahren. Aber was nicht ordentlich begraben wird, verrottet auch nicht. Es versteinert.
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Donnerstag, 7. Januar 2021
Mein Arbeitsalltag ...
damals, 18:13h
... als Lehrer im Moment. Es nervt.


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Freitag, 6. November 2020
Bonmot des Tages - aus dem Erfahrungshorizont meiner Schüler
damals, 14:17h
Derzeit ist ja Lüften angesagt. Als ich während der Stunde die Fenster zu Vorplatz/Straße aufriss, kam mir entsetzlicher Fäkal-Gestank entgegen. Spontan rief ich: "Von wo stinkts denn hier so?" Ebenso spontane Antwort eines Schülers: "Wahrscheinlich kiffen die wieder."
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Samstag, 31. Oktober 2020
Fliegen heißt Landen
damals, 15:10h
So heißt es bei den Piloten, wenn sie über die Fähigkeit reden, ein Flugzeug sicher zu führen. Das hab ich jedenfalls mal gehört. Auf jeden Fall aber trifft das auch auf Menschen zu, denen es vergönnt ist, ihr Leben einigermaßen regulär zuendezuführen.
Meine neunzigjährige, inzwischen demente Schwiegermutter, die ich sehr mag und die das mit dem Lebensende bisher recht gut hinbekommen hat, ist jetzt ins Krankenhaus gekommen, da sie nicht mehr aus dem Bett kam und auch fast nichts mehr aß. Und dort, im Krankenhaus, hat man dann festgestellt, dass das natürlich eine romantische Illusion war, unsere Beobachtung ihres langsamen, wohlgeordneten Dahinschwindens, das keine Medikamente und keinen Arzt benötigt, sondern dass da schon konkrete Krankheiten vorhanden sind, die man auch behandeln muss (auch wenn diese nicht die Ursache des Dahinschwindens sind, sondern dieses nur begleiten). Jetzt herrscht bei den Kindern natürlich Angst: das Schreckbild eines Sterbens im Krankenhaus, denn es ist sehr die Frage, ob ihr geschwächter Körper mit den aktuellen Herausforderungen klarkommt.
Anderseits, das sage ich mir als erst in zweiter Linie beteiligter Angehöriger: Es gehört zum Lebensende, dass der Raum, das Lebensumfeld, in dem man sich bewegt, immer kleiner wird. Und sie hat ja in den letzten Monaten auch ihre kleine Wohnung nicht mehr aktiv bespielen können. Wenn man krank im Bett liegt, ist ein Tod im unter ärztlicher Aufsicht im sauberen Krankenhausbett vielleicht wirklich angemessener als alleine in der Wohnung. Zumal die Angehörigen da wie dort nicht per se da sind, sondern zu Besuch kommen müssen.
Und wieder andererseits: Vielleicht kommt sie ja doch wieder auf die Beine und kann noch für eine (vielleicht sogar längere) Zeit mit ihrer Katze in ihrer Wohnung umhergehen. Denn das wissen wir alle aus eigener Erfahrung: dass jeder Tag, den wir auf dieser Erde leben dürfen, eine Kostbarkeit ist.
Oder mit anderen Worten gesagt, nämlich denen von Arno Geigers ebenfalls dementen Vater (in dessen wunderbarem Buch „Der alte König in seinem Exil“): Auf die Ansage eines Heim-Mitbewohners, dass oben bei Gott noch Wohnungen frei wären, meinte der: „Nein, ich möchte noch ein bisschen hier die Straße auf und ab wandern.“ Ja, das wollen wir doch alle. Und das Flugzeug dennoch irgendwie ohne Bruchlandung auf die Erde zu bringen, das ist gar nicht so einfach.
Meine neunzigjährige, inzwischen demente Schwiegermutter, die ich sehr mag und die das mit dem Lebensende bisher recht gut hinbekommen hat, ist jetzt ins Krankenhaus gekommen, da sie nicht mehr aus dem Bett kam und auch fast nichts mehr aß. Und dort, im Krankenhaus, hat man dann festgestellt, dass das natürlich eine romantische Illusion war, unsere Beobachtung ihres langsamen, wohlgeordneten Dahinschwindens, das keine Medikamente und keinen Arzt benötigt, sondern dass da schon konkrete Krankheiten vorhanden sind, die man auch behandeln muss (auch wenn diese nicht die Ursache des Dahinschwindens sind, sondern dieses nur begleiten). Jetzt herrscht bei den Kindern natürlich Angst: das Schreckbild eines Sterbens im Krankenhaus, denn es ist sehr die Frage, ob ihr geschwächter Körper mit den aktuellen Herausforderungen klarkommt.
Anderseits, das sage ich mir als erst in zweiter Linie beteiligter Angehöriger: Es gehört zum Lebensende, dass der Raum, das Lebensumfeld, in dem man sich bewegt, immer kleiner wird. Und sie hat ja in den letzten Monaten auch ihre kleine Wohnung nicht mehr aktiv bespielen können. Wenn man krank im Bett liegt, ist ein Tod im unter ärztlicher Aufsicht im sauberen Krankenhausbett vielleicht wirklich angemessener als alleine in der Wohnung. Zumal die Angehörigen da wie dort nicht per se da sind, sondern zu Besuch kommen müssen.
Und wieder andererseits: Vielleicht kommt sie ja doch wieder auf die Beine und kann noch für eine (vielleicht sogar längere) Zeit mit ihrer Katze in ihrer Wohnung umhergehen. Denn das wissen wir alle aus eigener Erfahrung: dass jeder Tag, den wir auf dieser Erde leben dürfen, eine Kostbarkeit ist.
Oder mit anderen Worten gesagt, nämlich denen von Arno Geigers ebenfalls dementen Vater (in dessen wunderbarem Buch „Der alte König in seinem Exil“): Auf die Ansage eines Heim-Mitbewohners, dass oben bei Gott noch Wohnungen frei wären, meinte der: „Nein, ich möchte noch ein bisschen hier die Straße auf und ab wandern.“ Ja, das wollen wir doch alle. Und das Flugzeug dennoch irgendwie ohne Bruchlandung auf die Erde zu bringen, das ist gar nicht so einfach.
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Dienstag, 27. Oktober 2020
Auch ich trauere
damals, 13:44h
Wer mir fehlen wird, das ist mark793. In seinem letzten Beitrag spottete er noch über die weißen, alten Männer wie ihn, auf wie schmalen Reifen sie dahin rollen. Und ein paar Tage später war er tot. Ich hatte wirklich Tränen in den Augen, als ich die Nachricht seiner Frau las. Ich hatte nämlich Minuten vorher am Küchentisch meiner Frau erzählt von den nachrufartigen Kommentaren unter seinem Alte-Männer-Post, die mich ängstigten. Das sagte sie: „Du stehst jetzt auf, machst den Computer an und fragst nach!“ Das machte ich und das las ichs.
Ich frage mich auch manchmal, was wohl aus den anderen „alten Männern“ geworden ist, die – wohl aus Altersgründen? - eines Tages kommentarlos aufgehört haben, aus Stubenzweig und dem hinkenden Boten. Wie es denen wohl geht und ob die noch leben.
Aber mit mark, das war nochmal anders. Erstens mal war er ja noch gar nicht so alt, sondern erst so wie ich. So dass schon von daher, auch was die Familiensituation betrifft, eine Nähe da war, ich ihn immer instinktiv sofort verstand und nachfühlen konnte, auch wenn er oft anderer Meinung war. Und dann natürlich seine Bedeutung für blogger.de insgesamt! Da fragt man sich, wie das ohne ohne ihn einigermaßen sinnvoll weitergehen soll in den Kommentarspalten. Ich wüsste keinen, der die Kompetenz und das Engagement hätte, so wie mark793 für Niveau und Bodenhaftung zu sorgen.
Wie gesagt: Er wird fehlen!
Ich frage mich auch manchmal, was wohl aus den anderen „alten Männern“ geworden ist, die – wohl aus Altersgründen? - eines Tages kommentarlos aufgehört haben, aus Stubenzweig und dem hinkenden Boten. Wie es denen wohl geht und ob die noch leben.
Aber mit mark, das war nochmal anders. Erstens mal war er ja noch gar nicht so alt, sondern erst so wie ich. So dass schon von daher, auch was die Familiensituation betrifft, eine Nähe da war, ich ihn immer instinktiv sofort verstand und nachfühlen konnte, auch wenn er oft anderer Meinung war. Und dann natürlich seine Bedeutung für blogger.de insgesamt! Da fragt man sich, wie das ohne ohne ihn einigermaßen sinnvoll weitergehen soll in den Kommentarspalten. Ich wüsste keinen, der die Kompetenz und das Engagement hätte, so wie mark793 für Niveau und Bodenhaftung zu sorgen.
Wie gesagt: Er wird fehlen!
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Montag, 3. August 2020
Augenblicksemotion
damals, 17:34h
Eben beim Kochen nebenher Deutschlandfunk: Gespräch mit einem Fotografen, Jahrgang 1977: Der hat in den USA gelebt und sich für "Pop" interessiert, was bedeutet, Portraits von Popmusikern mit Zitaten von diedrich Diederischen oder Heinz Bude zu kombinieren, er hat die einstigen Machtzentren in Bonn fotografiert, erstaunt über und fasziniert von dem verblüffend Kleinstädtischen dieser Macht, von einer Zeit, in der er lieber gelebt hätte.
Mir fremd mir das alles ist: die USA, Bude und Diederichsen, das alte Bonn! Ich bin so froh und dankbar, in der "Berliner Republik" zu leben, die von so vielen Wessis und Ossis emotional (aus unterschiedlichen Perspektiven) abgelehnt wird. Bin ich schon wieder in der Minderheit?
Mir fremd mir das alles ist: die USA, Bude und Diederichsen, das alte Bonn! Ich bin so froh und dankbar, in der "Berliner Republik" zu leben, die von so vielen Wessis und Ossis emotional (aus unterschiedlichen Perspektiven) abgelehnt wird. Bin ich schon wieder in der Minderheit?
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Freitag, 12. Juni 2020
Speichel trinken?
damals, 01:05h
Kurz vor dem Zensurenschluss ist für mich als Lehrer natürlich zeitlich alles sehr eng und wenig Zeit zum Bloggen, stattdessen viel zu korrigieren – und coronabedingt liegt mir diesmal besonders viel digital vor. Daher kann ich Ihnen heute anstatt tiefsinniger Gedanken zwei besonders schöne Zitate aus dem thematisch weit gefächerten Schatz der in meinem Unterricht entstandenen Texte präsentieren.
Erstens die Interpretation einer Szene aus dem Roman „Herr Lehmann“ (Sven Regener, der sich in einem Interview mal missmutig über die Aussicht geäußert hat, seine Romane könnten zum Opfer schulischer Interpretationsübungen werden, hätte an diesem Versuch hier vermutlich dennoch seine Freude):

Zweitens ein Ausschnitt aus der Zusammenfassung einer Diskussion im Politikunterricht:

Wie wahr.
Erstens die Interpretation einer Szene aus dem Roman „Herr Lehmann“ (Sven Regener, der sich in einem Interview mal missmutig über die Aussicht geäußert hat, seine Romane könnten zum Opfer schulischer Interpretationsübungen werden, hätte an diesem Versuch hier vermutlich dennoch seine Freude):

Zweitens ein Ausschnitt aus der Zusammenfassung einer Diskussion im Politikunterricht:

Wie wahr.
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Dienstag, 28. April 2020
Ich weiß, der Witz ist alt,
damals, 13:45h
er gibt aber dennoch gut meine mentale Situation wieder (und der E-Mail-Betreff ist natürlich auch echt - ganz frisch aus meinem Postfach).


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Donnerstag, 30. Januar 2020
Gedächtnis und Gefühl
damals, 12:34h
Ich bin immer voll Bewunderung, wenn Leute Bescheid wissen. Hier auf blogger.de z.B. mark793 oder arboretum, die kommen immer mit Informationen, die mir ganz neu sind – oder bei che, wenn dann bersarin wieder ausholt mit seinem Wissen, das find ich total spannend (während ich bersarins eigenes Blog uninteressant finde – offenbar braucht er den Widerspruch und den Dialog, um zur Hochform aufzulaufen). Die Leute müssen eine Fülle an Details im Kopf haben, das könnte ich mir nie merken.
Im Herbst hab ich zum Beispiel den Essayband „Das andere Ende der Geschichte“ von Philipp Ther gelesen, es ging da um die Veränderungen der westlichen Welt seit 1989, ein richtig kluges Buch, das ich regelrecht verschlungen habe. Und schon jetzt weiß ich nichts mehr davon, als dass das richtig gut ist und ich mal wieder nachblättern sollte.
Oder ein Jahr davor „Erwachsenensprache“ von Robert Pfaller, das Buch hat mich, obwohl es klug ist, genervt wegen seiner Verachtung für Weicheier und Gutmenschen, also meinesgleichen, und dieses negative Gefühl hat mir immerhin geholfen, dass ich mir wenigstens einen der klugen Gedanken daraus gemerkt habe: dass nämlich die Anwendung überholter linker Denkweisen oft zur Stärkung des Neoliberalismus führt. Aber vielleicht hab ich mir das nur gemerkt, weil ich es im Alltag, wo ich wirklich lebe, öfter bestätigt gesehen habe.
Die intellektuelle Distanz zu den Fakten, die manche Leute, etwa die oben genannten Blogger, beflügelt, bei mir führt sie zu Gedächtnisverlust. Stattdessen krieg ich manchmal Komplimente dafür, wie viele Details aus Büchern und Filmen ich mir merken kann, irgendwelche ästhetischen und psychologischen Kleinigkeiten, die nun wiederum für andere unwichtig und ein Grund zum Vergessen sind, mich aber im Herzen mehr berühren als die großen Bewegungen der Weltgeschichte …
… sag ich jetzt mal aus Zwecken der Selbstbeweihräucherung (denn dafür sind Blogs ja da) – und hab auch ein aktuelles Beispiel dafür: Ein Freund erzählt mir kürzlich, dass sein Vater am Vortag gestorben ist. Ich frage ihn, wies ihm damit geht: „Ach, der hat uns doch schon lange nicht mehr erkannt. Mein Onkel meinte immer, wir sollen ihn öfter besuchen. Aber wozu? An Weihnachten war ich zuletzt da, da sagt ihm mein Onkel, dass heute Weihnachten ist, und da hat tatsächlich sein Gesicht noch einmal aufgeleuchtet. Aber sonst ...“ Das mag tragisch sein, dass Weihnachten bei ihm tiefer verankert ist als das Gesicht seines Sohnes, aber es ist völlig normal. Nur: Die weniger tief verankerten Sachen, die würd ich eben auch gern festhalten.
Im Herbst hab ich zum Beispiel den Essayband „Das andere Ende der Geschichte“ von Philipp Ther gelesen, es ging da um die Veränderungen der westlichen Welt seit 1989, ein richtig kluges Buch, das ich regelrecht verschlungen habe. Und schon jetzt weiß ich nichts mehr davon, als dass das richtig gut ist und ich mal wieder nachblättern sollte.
Oder ein Jahr davor „Erwachsenensprache“ von Robert Pfaller, das Buch hat mich, obwohl es klug ist, genervt wegen seiner Verachtung für Weicheier und Gutmenschen, also meinesgleichen, und dieses negative Gefühl hat mir immerhin geholfen, dass ich mir wenigstens einen der klugen Gedanken daraus gemerkt habe: dass nämlich die Anwendung überholter linker Denkweisen oft zur Stärkung des Neoliberalismus führt. Aber vielleicht hab ich mir das nur gemerkt, weil ich es im Alltag, wo ich wirklich lebe, öfter bestätigt gesehen habe.
Die intellektuelle Distanz zu den Fakten, die manche Leute, etwa die oben genannten Blogger, beflügelt, bei mir führt sie zu Gedächtnisverlust. Stattdessen krieg ich manchmal Komplimente dafür, wie viele Details aus Büchern und Filmen ich mir merken kann, irgendwelche ästhetischen und psychologischen Kleinigkeiten, die nun wiederum für andere unwichtig und ein Grund zum Vergessen sind, mich aber im Herzen mehr berühren als die großen Bewegungen der Weltgeschichte …
… sag ich jetzt mal aus Zwecken der Selbstbeweihräucherung (denn dafür sind Blogs ja da) – und hab auch ein aktuelles Beispiel dafür: Ein Freund erzählt mir kürzlich, dass sein Vater am Vortag gestorben ist. Ich frage ihn, wies ihm damit geht: „Ach, der hat uns doch schon lange nicht mehr erkannt. Mein Onkel meinte immer, wir sollen ihn öfter besuchen. Aber wozu? An Weihnachten war ich zuletzt da, da sagt ihm mein Onkel, dass heute Weihnachten ist, und da hat tatsächlich sein Gesicht noch einmal aufgeleuchtet. Aber sonst ...“ Das mag tragisch sein, dass Weihnachten bei ihm tiefer verankert ist als das Gesicht seines Sohnes, aber es ist völlig normal. Nur: Die weniger tief verankerten Sachen, die würd ich eben auch gern festhalten.
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