Donnerstag, 30. Januar 2020
Gedächtnis und Gefühl
Ich bin immer voll Bewunderung, wenn Leute Bescheid wissen. Hier auf blogger.de z.B. mark793 oder arboretum, die kommen immer mit Informationen, die mir ganz neu sind – oder bei che, wenn dann bersarin wieder ausholt mit seinem Wissen, das find ich total spannend (während ich bersarins eigenes Blog uninteressant finde – offenbar braucht er den Widerspruch und den Dialog, um zur Hochform aufzulaufen). Die Leute müssen eine Fülle an Details im Kopf haben, das könnte ich mir nie merken.

Im Herbst hab ich zum Beispiel den Essayband „Das andere Ende der Geschichte“ von Philipp Ther gelesen, es ging da um die Veränderungen der westlichen Welt seit 1989, ein richtig kluges Buch, das ich regelrecht verschlungen habe. Und schon jetzt weiß ich nichts mehr davon, als dass das richtig gut ist und ich mal wieder nachblättern sollte.

Oder ein Jahr davor „Erwachsenensprache“ von Robert Pfaller, das Buch hat mich, obwohl es klug ist, genervt wegen seiner Verachtung für Weicheier und Gutmenschen, also meinesgleichen, und dieses negative Gefühl hat mir immerhin geholfen, dass ich mir wenigstens einen der klugen Gedanken daraus gemerkt habe: dass nämlich die Anwendung überholter linker Denkweisen oft zur Stärkung des Neoliberalismus führt. Aber vielleicht hab ich mir das nur gemerkt, weil ich es im Alltag, wo ich wirklich lebe, öfter bestätigt gesehen habe.

Die intellektuelle Distanz zu den Fakten, die manche Leute, etwa die oben genannten Blogger, beflügelt, bei mir führt sie zu Gedächtnisverlust. Stattdessen krieg ich manchmal Komplimente dafür, wie viele Details aus Büchern und Filmen ich mir merken kann, irgendwelche ästhetischen und psychologischen Kleinigkeiten, die nun wiederum für andere unwichtig und ein Grund zum Vergessen sind, mich aber im Herzen mehr berühren als die großen Bewegungen der Weltgeschichte …

… sag ich jetzt mal aus Zwecken der Selbstbeweihräucherung (denn dafür sind Blogs ja da) – und hab auch ein aktuelles Beispiel dafür: Ein Freund erzählt mir kürzlich, dass sein Vater am Vortag gestorben ist. Ich frage ihn, wies ihm damit geht: „Ach, der hat uns doch schon lange nicht mehr erkannt. Mein Onkel meinte immer, wir sollen ihn öfter besuchen. Aber wozu? An Weihnachten war ich zuletzt da, da sagt ihm mein Onkel, dass heute Weihnachten ist, und da hat tatsächlich sein Gesicht noch einmal aufgeleuchtet. Aber sonst ...“ Das mag tragisch sein, dass Weihnachten bei ihm tiefer verankert ist als das Gesicht seines Sohnes, aber es ist völlig normal. Nur: Die weniger tief verankerten Sachen, die würd ich eben auch gern festhalten.

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Danke, sehr gerne gelesen<3

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Bitte, gern. Freut mich, wenn jemand Spaß dran hat.

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Die intellektuelle Distanz zu den Fakten

Ich habe zunächst gelesen "Die intellektuelle Distanz zu den Faxen" - und darunter konnte ich mir sofort was vorstellen, Intellektuelle haben ja häufig eine Distanz zu Faxen.

Aber was ist eine intellektuelle Distanz zu Fakten? Da ich Ihnen nicht unterstellen möchte, solche nickeligen, kleinen Bösartigkeiten (Chapeau übrigens, ich mag so was ja) so en passant im Vorbeischlendern unters Volk zu werfen, suche ich nach einer positiven Erklärung, finde aber keine, sondern muss immer wieder nur Grinsen.

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Ja eh!

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Das war gar nicht bösartig gemeint, sondern bezog sich auf die Angewohnheit, mit sachlichkeiten Fakten auch sachlich - eben mit intellektueller Distanz - umzugehen.
... aber jetzt, wo Sies sagen, fällt mir auch auf, dass da sicher unbewusst eine kleine Aggression drin war in der Formulierung: indem ich nämlich daran zweifle, ob ein solcher Umgang mit den Fakten überhaupt möglich ist.

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Bösartig nicht, boshaft oder? Entschuldigung!,!

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Ja, stimmt, bösartig meinte ich auch nicht.
Guter Hinweis auf einen entscheidenden Unterschied.

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