Donnerstag, 7. November 2019
Meine merkwürdigen Sozialkontakte, Teil 3
Seit diesem Zeitpunkt, T. kam immer noch am Freitagabend mit den aktuellen Filmen für meinen Beamer, oft mit einer familienfreundlichen Alternative, damit meine Frau mitgucken kann, und für damals jr. schnitt er sogar eine kindertaugliche Star-Wars-Zusammenfassung, seit diesem Zeitpunkt guckte nur noch ich mit ihm allein, und es war auch von meiner Seite mehr ein Liebesdienst, kein wirkliches Vergnügen mehr, denn das Jammern und Wehklagen wurde mehr und mehr zu seinem Mono-Thema. Sicher gings ihm schlecht, der tagelang allein in seiner Wohnung saß, die Fenster fest geschlossen (gegen die in der Tat geräusch- und abgasseitig ätzende Straße), und seinen Ängsten beim Wachsen zusah.

Aber er tat nichts dagegen, schlug wohlmeinende Ratschläge aus (Mach eine Psychotherapie! Geh mit der Gitarre zu den Jam-Sessions von Kumpel Y.! Hilf mit bei der Kleiderkammer für Flüchtlinge!) und unternahm nur Kontraproduktives: Statt zum Therapeuten ging er zum Heiler (bezahlen mussten das seine Eltern), der ihm immerhin eine Beschäftigung anbot, indem er ab jetzt aufwändig ayurvedische Essensvorschriften einhielt. Ansonsten brachte es nichts. Immer, wenn er kurz davor war, bei der Jam-Session mitzumachen, spielte wieder sein Daumen verrückt, und bei der Kleiderkammer passten ihm die Öffnungszeiten nicht. Noch wütender als mein Satz über die Katze machte ihn die Aussage des Amtsarztes, er sei 4 Stunden pro Tag arbeitsfähig. (Die Behörden machten sich aber letztendlich nicht den Stress, sondern verrenteten ihn und waren ihn los.)

Irgendwann sagte meine Frau, dass auch die dem Videoabend vorgeschalteten Abendbrote unzumutbar würden, auch für damals jr., jedenfalls wöchentlich sei das wohl nicht die richtige Inspiration. Ich bot T. an, statt der wöchentlichen Familienabendbrote mit anschließendem Video-Abend vielleicht öfter Abende zu zweit bei ihm mit einzuschalten. Für T. aber bedeutete jede Herunterdosierung des Beruhigungsmittels „Familienabendbrot bei damals&Co.“ einen weiteren Kontrollverlust und das löste Panik aus. Er reagierte erbost, nein, er brach den Kontakt ab, nach 20 Jahren, nein, er setzte mir die Pistole auf die Brust: entweder Freitage wie immer oder gar keinen Kontakt mehr. Das wiederum machte mich bockig und nach mehreren gescheiterten Ausspracheversuchen am Telefon nahm er nicht mehr ab, wenn ich anrief. Irgendwann hab ich das auch akzeptiert.

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Da kanns'de nix machen!
Wir als Außenstehende können unserem Gegenüber nur ein paar Gedankenanstösse geben. Ob er sie annimmt liegt bei ihm. In der Beziehung hat das Leben mir auch schon ein paar Übungen "geschenkt".

Tja, und dann muss man für sich selber entscheiden, wie weit man das (mehr oder weniger) verrückte Spiel mitspielen will. Ich frage mich in solchen Situationen, was sie mit mir machen und ob ich das will. - Wobei sich die Wirkung bestimmter Einflüsse schwer bestimmen lässt, wenn man noch Teil der Situation ist, so meine Erfahrung. Wie diese auf einen gewirkt hat verstehe ich oft erst, wenn ich aus ihr heraus bin.

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