Samstag, 22. Juli 2023
Wenn aufklärerisches Denken sich in sein Gegenteil verkehrt
In Schweden ist ein Gericht der Meinung, dass eine Bücherverbrennung als Akt der freien Meinungsäußerung aufzufassen ist.

In den Niederlanden darf eine Frau gegen ihren deutlich geäußerten Willen getötet werden, weil sie früher einmal schriftlich einen Sterbewunsch niedergelegt hat (hab ich zufällig hier gelesen). Die demente Frau konnte sich an ihre Niederschrift nicht erinnern und offenbar ist der aktuell geäußerte Willen eines nicht gänzlich rational sprechenden Wesens nichts wert gegen ein amtliches Dokument.

In Deutschland, in St.Peter Ording fand ich im Gästebuch einer Ausstellung über die Leiden von Heimkindern den schönen Kommentar: "Voltaire sagt dazu: Wenn jemand etwas berichtet, was gegen die normale Auffassung spricht, dann sind solche Zeugenaussagen wertlos."



(Hat jemand eine Idee, wie das Zitat wirklich lautet - ich kann mir nicht vorstellen, dass Voltaire je solchen Schwachsinn von sich gegeben hat.)

Was mich an den genannten Ereignissen nervt, ist nicht, dass ignorant eine Auffassung durchgesetzt wird (das gab es schon immer), sondern dass diese Auffassung behauptet, liberal und aufklärerisch zu sein.

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Sonntag, 25. Juni 2023
… und eine Geschichte, an der alles stimmt: "Das Buch vom Verschwinden" von Ibtisam Azem
(Kopie meines Kommentars bei mir selber - wenn ich meine Texte schon auf so einer Winkelplattform wie blogger.de veröffentliche, muss ich sie ja nicht auch noch zusätzlich in den Kommentaren verstecken)

Ich habe jetzt noch einen Roman einer Palästinenserin gelesen, „Das Buch vom Verschwinden“ von Ibtisam Azem, der mich begeistert, und ich sollte doch, wenn ich schon über die nur so halb guten Bücher abnörgele (während ich die belanglosen Lektüren wie neulich „Melody“ von Martin Suter in der Regel gar nicht erwähne), dann auch Loblieder auf die richtig guten verfassen.

Ich lese den schon 2014 erschienen und leider jetzt erst ins Deutsche übersetzten Roman jetzt gleich zum zweiten Mal, weil ich den wunderbar melancholischen Grundton beim ersten Lesen gar nicht genießen konnte, denn ich musste ich musste ständig unterbrechen und in Wikipedia nachblättern, weil ich von den als bekannt vorausgesetzten Hintergründen keine Ahnung hatte.

Eigentlich passiert nicht viel in dem Buch. Es geht um einen arabischstämmigen Bewohner von Tel Aviv, der die lückenhafte Erinnerung an die Geschichte seiner Familie nicht zu fassen kriegt: Deren Heimatstadt Jaffa ist längst von ihrem einstigen Vorort Tel Aviv geschluckt und zu einem nachgebauten Künstler- und Touristenviertel gemacht worden; der größte Teil seiner Familie wurde schon vor seiner Geburt vertrieben. Und die geliebte Großmutter, Hüterin der Familienerinnerung, ist gerade gestorben. Aber auch sein jüdischstämmiger Freund weist eine solche lückenhafte Familienerinnerung auf und treibt wie er wurzellos durch Tel Aviv. Dann lösen sich auf einmal und auf mystische Weise alle palästinensischen Menschen (inklusive der Hauptfigur) aus Israel und den besetzten Gebieten in Luft auf und nach einigen Tagen des Schocks gibt sich das Land seiner über Nacht gewonnenen Reinrassigkeit und damit dem Vergessen, der Erinnerungslosigkeit und der Leere der kapitalistischen Gegenwart hin.

Eine einfache, aber kluge Parabel, geschrieben in einem traurigen Tonfall, der mich jedenfalls sofort sehr berührte. Jetzt beim zweiten Lesen beginne ich auch langsam die ersten Anspielungen zu verstehen: Da sind zum Beispiel zwei Freunde, ein Jude und ein Araber, die einst als Tagelöhner bei den Gurkenverkäufern auf dem Markt arbeiteten – die Gurken waren köstlich, sie hatten so gelbe Blütenkrönchen, wie kleine Türkenfeze. Die beiden arbeiten da längst nicht mehr, die Gurken schmecken auch nicht mehr, nur noch wässrig. Und eine Palästinenserin aus dem Westjordanland bringt ihre Familie durch, indem sie auf israelischen Gebiet in einem Gewächshaus voller Chemiedunst Gewürznelken pflückt, während ihr aus dem Gefängnis entlassener Mann bewegungslos zu Hause am Küchentisch sitzt und Löcher in die Luft starrt. Oder die von der Schuld ihrer Vorfahren besessene Deutsche, die auf einer Party ihrem Kollegen den Quoten-Araber ihres Freundeskreises vorstellt, in aschkenasischem Hebräisch – worauf dieser betont mizrachisches Hebräisch anstimmt. Oder die alte Jüdin aus Bagdad, deren Familie nach Tel Aviv vertrieben wurde, dort aber gesellschaftlich ausgeschlossen bleibt, wie sie sich freut, als der palästinensische Arzt sie mit einer arabischen Höflichkeitsfloskel beruhigt.

Und natürlich das dominierende Symbol der „weißen Stadt“ Tel Aviv mit ihren neusachlichen Bauhausbauten. Für mich, der kommunistisch erzogen wurde, und für den das Bauhaus der Inbegriff des Guten war und der sich als Kind schon wunderte, weshalb er das Bauhausgebäude in Dessau eigentlich nicht schön finden konnte – für mich war das Symbol der weißen Stadt sehr eindringlich und einleuchtend, die weiße Stadt als künstlich erdachter Fremdkörper (mit dem künstlichen erdachten und aller Geografie widersprechenden Namen Tel Aviv), der die Erinnerungslosigkeit mit sich bringt und die alte Stadt Jaffa auffrisst und deren Reste in die Erinnerungslosigkeit verstößt.

Lesen Sie dieses Buch!

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Donnerstag, 22. Juni 2023
Gelungene Werbung ...
... wurde mir gestern auf dem Startbildschirm angezeigt:

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Erinnern Sie sich noch an Herrn Borowski und Frau Brandt?
Ich hab sie eine Weile ganz gern gesehen im Kieler Tatort. Und als es später mit diesem bergab ging, glaubte ich lange, dass das mit dem Fortgang von Sibel Kekilli tun hat, dass der verklemmte alte weiße Mann (Axel Milberg als Borowski) von Folge zu Folge immer allwissender wird und seine junge Assistentin immer ahnungsloser. Mit der Präsenz von Kekilli wäre das nicht möglich gewesen, so dachte ich.

Tatsächlich verhält es sich wohl eher umgekehrt: Gestern geriet ich zufällig in die letzte Folge mit Kekilli als Frau Brandt - unerträglich, wie da Borowski zu 120 Prozent "Herz und Verstand" verkörpert, während Brandt so ahnungs- und empathielos umherstolpern muss, dass ich sie während der ganzen Sendung gar nicht als Kekilli erkannt habe. Es verwundert nicht, dass sie nach dieser Folge die Serie verlassen hat.

Es ist also nicht so, dass sich die Serie durch den Fortgang einer Schauspielerin anders, nach rechts entwickelt hat, sondern umgekehrt: die Serie entwickelte sich sowieso in diese Richtung, und die Schauspielerin zog nur die Konsequenzen.

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Dienstag, 9. Mai 2023
Hauptsache ideologische Fronten ...
... damit man schön meckern kann.

Diese Gegenüberstellung fand ich in meiner lokalen Boulevardzeitung:



Also, wo ist da der Gegensatz? Da eine ist so vernünftig wie das andere: Natürlich kann man nicht alle reinlassen nach Europa, die moralisch gesehen ein Recht darauf haben - sondern muss sich beschränken auf die, deren Recht auch irgendwie verbrieft ist. Und das muss da geschehen, wo es nach Europa reingeht.

Und bei denen, die schon da sind, da hlft es gar nichts, sie zu piesacken und zu quälen, in der Hoffung, dass sie das vielleicht den Angehörigen in der alten Heimat erzählen und dann vielleicht (aber nur sehr vielleicht) ein paar weniger hierherkommen wollen. Denn abgesehen davon, dass das ziemlich unfreundlich ist, führt es nur dazu, dass es mehr Schwarzarbeit und Parallelgesellschaften, mehr Ärger gibt. (Und wer das will, sollte offen zugeben, dass es ihm darum geht.)

Also bitte: etwas mehr Vernunft und etwas weniger Showkämpfe!

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Donnerstag, 13. April 2023
Den Empörungsreflex überwinden
Eben auf dem Weg zum Buchladen, fand ich diesen Spruch an der Wand:



Er gefiel mir sehr gut, zeigt er doch in wenigen Worten, was an der ganzen 68er-Sache falsch war: die Lust an der Zerstörung.

Denn wenn man ärgerlich ist – und oft zu Recht ärgerlich – dann liegt es nahe, das Ärgernis beseitigen zu wollen oder (wo das nicht möglich ist) in Anklage und Empörerei zu verfallen. Helfen tut das aber in der Regel nicht, denn Ärgernisse entstehen nur selten durch aggressive Akte böswilliger Akteure, die man einfach verhindern oder beseitigen muss. (Und selbst dann bringt das Kaputtmachen der Ärgernisse langfristig wenig.) Meist entstehen Ärgernisse durch Unzulänglichkeiten im System, die man durch Zerstören nur noch vergrößert. Heilemachen ist schwieriger als Kaputtmachen, aber fast immer das Mittel der Wahl. Auch wenn es nur um Gedanken geht.

Vor kurzem las ich, dass ein Buch über Matthias Domaschk erschienen ist. Das verwunderte mich sehr – ich dachte, da ist alles gesagt. Ich hatte von dem Fall in DDR nichts mitbekommen, vielleicht war ich damals zu brav – oder einfach nur ein paar Jahre zu jung. Erst in "Magdalena" von Jürgen Fuchs las ich davon und war erschüttert: der mysteröse Tod in Stasi-Räumen und die aktive Vertuschung aller Begleitumstände, sogar noch nach der Wende, vor den Augen einer sich ahnungslos gebenden Staatsanwaltschaft. Entsprechend fand ich es sehr verdienstvoll, dass die Regierung Ramelow das nochmal untersuchen ließ: Allerdings blockten die Ex-Stasi-Leute weiter und anhand der Akten ließ sich außer allerhand Ungereimtheiten nichts Neues herausfinden. Der Abschlussbericht ist so hilf- und erfolglos, dass er nicht mal in den Wikipedia-Artikel zu Domaschk Eingang fand.

Jetzt also ein neues Buch über Domaschk, das – im Unterschied zu den eben verlinkten Büchern – ein erfolgreiches Marketing aufweist, das damit wirbt, dass auch Stasi-Leute in ihm zum Reden gebracht werden, und das zu der Erkenntnis kommt, dass Domaschk sich tatsächlich selbst umgebracht hat und dass „viele Menschen“, auch außerhalb der Stasi, an seinem Tod schuld seien.

Das wirft in mir natürlich sofort den alten Wut- und Empörungsmechanismus in Gang: Ich meinte sofort, die Stasis sich hinter einer Kollektivschuldthese verstecken zu sehen; ich sah die Stasi-Legende von den Umständen des Selbstmords aus dem Jahr 81 wiederbelebt; ich war wütend – und stürzte mich ins Internet, um Argumente zu finden, die meinen Verdacht bestätigen.

Und saß nach zwei Recherche-Stunden ziemlich belämmert da: Der Autor scheint keineswegs ahnungslos oder gar ein Stasi-Freund zu sein, im Gegenteil: Offenbar wurde er aus dem engsten Jenaer Kreis einstiger Domaschk-Freunde beauftragt – und scheint sich mit der Materie auch sonst ziemlich gut auszukennen, sodass eine unbewusste Manipulation durch andere auszuschließen ist.

Es scheint um etwas anderes zu gehen: Der wirkmächtige Mythos vom gezielten Stasi-Mord an Domaschk, er ist eh nicht haltbar, das war er schon für Jürgen Fuchs nicht. Und das ergebnislose Suchen nach der Wahrheit, das Aufzählen der Ungereimtheiten und Indizien, der Nachweis der Vertuschungsstrategie durch die Stasi, all das ist passiv, mager, medial letztlich nicht erzählenswert. Der empörende Tod des Matthias Domaschk in der Stasi-Haft – er hat diese Kleinpusseligkeit nicht verdient. Der SPIEGEL-Autor Wensierski hat sich die Mühe gemacht, er hat jahrelang recherchiert und er schreibt jetzt die große Erzählung, die Domaschk auch verdient hat.

Ich hab mir das Buch heute gekauft.

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Sonntag, 2. April 2023
Ich nehme es als Bestätigung meines Vorurteils
Ich lese mal wieder ein Sachbuch, und es begeistert mich: "Transithandel" von Lea Haller. Da erfährt man so viele überraschende, aufschlussreiche Dinge, und manchmal bestätigt es auch Dinge, die ich irgendwie geahnt habe - zum Beispiel, dass die neoliberale "Deregulierung" gar keine Deregulierung ist, die uns hilflos irgendwelchen naturgegebenen Marktkräften überlässt, sondern einfach eine andere Art von Regulierung, da ja schließlich jede Art von Handel und Markt nach irgendwelchen Vereinbarungen "konfiguriert" sein muss (wie es Haller nennt), sonst könnte ja gar kein Geschäft zustande kommen.

Oder eben heute Morgen im Bett, als ich das inhaltlich interessante, aber gedanklich dünne "Essay und Diskurs" im Radio ausschaltete und lieber zum Buch griff:

In meiner naiven Art habe ich die Ökonomie schon lange für so etwas Ähnliches gehalten wie den Marxismus-Leninismus in meiner ostdeutschen Jugendzeit: eine Hilfswissenschaft, bestellt die herrschenden Verhältnisse zu legitimieren - und also ein Gebiet, von dem man sich möglichst fernhält.

Haller zeigt historische Zusammenhänge auf, die meine private Abneigung stützen: "Timothy Mitchel hat gezeigt, dass das Konzept einer abgeschlossenen Sphäre, die man 'die Wirtschaft' nennt, erst in den Jahren zwischen 1930 und 1950 aufgekommen ist, insbesondere im Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Möglich war das durch die radikale Umstellung vom Energierträger Kohle - einem begrenzten Rohstoff, dessen Abbau und Transport arbeitsintensiv waren und der deshalb die Entstehung nationaler Demokratien befördert hatte - auf den Energieträger Öl. Ö ist flüssig und scheinbar unbegrenzt vorhanden, weshalb 'die Wirtschaft' auf einmal als etwas Abstraktes vorstellbar wurde, das losgelöst von der politischen Sphäre exisitert. Dieser Prozess ging Hand in Hand mit dem Aufstieg der Wirtschaftswissenschaften zur relevanten Instanz steuerungspolitischer Extertise."

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Freitag, 31. März 2023
Zwei Arten Lehrerinnen – eine Augenblicksbeobachtung mit pauschalisierendem Titel
Neulich kam ich auf einer Party mit einer Frau ins Gespräch – hoch gewachsen, Pagenschnitt mit Mittelscheitel, darunter eine lange spitze Nase und zwei helle, kluge Augen. Natürlich Lehrerin, so wie ich, wie sich schnell herausstellte, sie am Gymnasium, ich an der Berufsschule. Aber mit Migrantenunterricht haben wir beide zu tun. Ich schnitt also zwecks Small Talk ein Thema an, das bei Migranten Unterrichtenden grad aktuell ist und auch mich im Moment beschäftigt: warum nämlich ukrainische Geflüchtete in extra Klassen unterrichtet werden, während alle anderen Nationalitäten sich in allgemeinen Migrantenklassen wiederfinden. Aber sie mochte das Thema gar nicht so gern.

„Ja, ich weiß“, sagte sie, „ich hab davon gehört, dass das diskutiert wird, die eventuell gemeinsam zu unterrichten. Aber das muss man doch mal sehen, dass das ganz was anderes ist …“ und nein, sie kam jetzt nicht mit dem Argument von der kulturellen Nähe als Europäer, sie war ja keine rechte Dumpfbacke, sie sprach ganz ehrlich: „… also, die Ukrainer sind doch viel strukturierter, die kommen doch aus Mittelschichtsfamilien, und dann die Mütter, die da hinterher sind, dass die Kinder was lernen – ich meine, viele von denen machen den deutschen Schulabschluss und den ukrainischen online gleichzeitig auch noch, das ist doch enorm – während die anderen, ja, also schon allein mit ihren Aufenthaltsproblemen, das sind doch Lernhindernisse …“ … dass es mit den Unterschichtlern aus der dritten Welt eh zwecklos ist, wagte sie so direkt nicht zu sagen.

Also aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass die aufenthaltsrechtlichen Schikanen (um das Ding mal beim Namen zu nennen) wirklich ein erhebliches Lernhindernis darstellen können. Die Leute sind vor Angst wie blockiert und kriegen nichts mehr rein in den Kopf. Allerdings kann ein unter Lebensgefahr an der ukrainischen Front befindlicher Vater ganz ähnliche Blockaden hervorrufen, auch das hab ich erlebt. Bringt nicht halt jeder seine Probleme mit? Oder, wie eine afghanische Schülerin angesichts eines Konflikts mit der Ukrainerklasse sagte (und dieser Konflikt entstand meines Erachtens genau aus dieser Klassentrennung): „Die denkt wohl, ich hab noch keine Leiche gesehen, was weiß die denn ...“

Zum Glück gibt es dann die Lehrerinnen mit dem Herz für die Unterschichtler. Ich denke an eine Kollegin, wie sie mit ihrer großen Kladde ankommt, in die sie die Ergebnisse aus den vielen individuellen Schülergesprächen einträgt, ihr knochiges Gesicht mit der billigen lila Lesebrille. Die paddingtonartige Kunstfellmütze, wenn sie ihre Schützlinge zu den Ämtern begleitet. Sie kennt alle Förderprogramme des Jobcenters mit ihren jährlichen wechselnden Namen und Rahmenbedingungen und den immer gleichen Inhalten. Ihre überschießenden Spekulationen zu den Ursachen der Probleme: „Dass die Schülerin immer so müde ist, so unkonzentriert, das könnte natürlich auch an der Schilddrüse liegen, eine Verwandte von mir hat das, da gibt es ein gutes Medikament, aber sie, sie verweigert sich ja jedem Arztbesuch …“ oder „… in der Diagnose von der KJP (Kinder- und Jugendpsychologin) steht ja was von mittelschwerer Depression – also, auf mich wirkt der Schüler eher autistisch, ich weiß nicht, wie die da drauf kommen …“ Natürlich hasst diese Kollegin Baerbock und die NATO – sie kommt halt aus einem andern Milieu als die erstgenannte Kollegin.

Ach so, und da wir grad beim Sozialen sind: Natürlich ist die erstere Beamtin, die andere keine „echte“ Lehrerin, sondern outgesourcte Billigkraft mit halbjährlich verlängertem Vertrag. Ich vergleiche mal wieder Äpfel mit Birnen. Ist aber beides Obst.

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Sonntag, 12. März 2023
Kontakte zu den üblichen Verdächtigen
In Hamburg hat ein Amokläufer mit einer halbautomatischen Pistole etliche Menschen erschossen, allesamt Zeugen Jehovas. Natürlich rätselt man jetzt über die Motive des Täters. Es heißt, er habe im Internet krude religiöse Ansichten vertreten, und die Frage ist, ob er vielleicht psychisch krank war und man ihm daher die Waffe und die vielen hundert Schuss Munition hätte entziehen müssen, die er in seiner Wohnung lagerte.

Dabei muss natürlich die Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Auch Zeugen Jehovas vertreten krude religiöse Thesen – das weiß jeder, bei dem sie schon mal an der Haustür geklingelt haben, und der sich mit ihnen in ein Gespräch eingelassen hat. Allerdings erschießen sie in der Regel keine anderen Menschen. Das könnte vielleicht daran liegen, dass sie keine Waffen und keine Munition in ihren Wohnungen horten.

Außerdem frage ich mich, wieso die psychische Gesundheit ein Kriterium dafür sein soll, ob jemand Waffen und Munition in seiner Wohnung anhäufen darf. Ist ein psychisch gesunder Mensch, der mehrere hundert Schuss Munition und eine Waffe in seiner Wohnung liegen hat … ja, kann so einer überhaupt als psychisch gesund bezeichnet werden? Und selbst wenn, ist er dann ungefährlich? Wenn er seine Amoktat nicht aus irrationalen religiösen oder politisch extremistischen Motiven, sondern nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchführt – ist das dann vielleicht sogar erlaubt?

Unsinnig finde ich auch die Ansicht, einem Sportschützen müsse es erlaubt sein, eine Waffe zu Hause zu haben. Wieso eigentlich? Wenn ich rudern gehe, nehme ich den Einer auch nicht mit nach Hause. Weil ich zum Rudern ein Gewässer brauche. Nicht anders beim Sportschützen: Braucht der nicht zum Schießen einen Schießstand? Oder darf der zu Hause überm Sofa eine Zielscheibe aufhängen und dann gehts los?

Acht tote Menschen, einer davon ein Fötus von 7 Monaten … wie jetzt? Kann jemand schon vor seinem Geburtstag sterben, als Mensch? Natürlich weiß ich, dass ein Fötus sterben kann, die meisten tun das gleich zu Beginn der Schwangerschaft. Auch abgetriebene Föten sterben. Und sie sollen, müssen betrauert werden, wenn die Sache wieder ins Gleichgewicht kommen soll. Aber es sind keine Menschen, sie werden keine Toten. Andernfalls müsste man das Abtreibungsrecht ändern.

Also, Sie merken, worum es mir geht: Wenn etwas Schreckliches passiert, dann finde ich es zu einfach zu sagen: Ach ja, die Religiösen, die Extremisten, die Fanatiker warens, die anderen eben. Wir selber sind völlig rein, völlig unschuldig, einer von uns könnte sowas nie tun. Jan Böhmermann hat mit Entsetzen festgestellt, dass es Kontakte von Waldorf-Lehrern zu Querdenkern gibt. Ist das wirklich so schrecklich oder zeigt es vielleicht nur, dass die Lehrerschaft dort in verschiedene politische Richtungen offen ist. So what?

Es gibt auch grüne Politiker, die Kontakte zu Kriegstreibern haben. Einer von denen war sogar mal Außenminister (und der jetzigen traue ich auch nicht so recht über den Weg). Da könnte ich mich jetzt auch wie Böhmermann hinstellen und wegen solcher Kontakte die ganze grüne Partei als Macht des Bösen hinstellen, wie das manche machen. Aber auch das oder das ist Politik grüner Politiker. Es lebe die Vielfalt.

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Mittwoch, 1. März 2023
Wo soll ich jetzt langfahren?
Also, mal das Positive vorweggeschickt: Ich freue mich, dass man in Hamburg neuerdings darüber nachdenkt, wie der Fahrradverkehr sinnvoll geregelt werden könnte. Die Horrorstrecke Reeperbahn zum Beispiel hab ich seit Jahren vermieden – heute fuhr ich sie mal wieder, und war begeistert: Die neue Bus- und Radspur war ein echtes Erlebnis (und die Autos können auf die verlorene zweite Spur wirklich verzichten, da ja niemand die Reeperbahn als Hochgeschwindigkeits- und Durchrasestrecke verwendet oder verwenden sollte.)

Als allerdings am Spielbudenplatz ein Bus hinter mir auflief, bin ich dann doch wieder wie gewohnt auf den Fußgängerweg ausgewichen (zumal dort nur völlig orientierungslose Menschen den Fußgängerweg direkt an der Straße benutzen anstatt des gemütlichen Schlenderwegs entlang der vereinigten Littmannschen Lokalitäten) …



Aber wie soll ich mich nun hier verhalten? Ich weiß, hinter der nächsten Kurve, das wird’s echt eng, sowohl auf der Fahrbahn wie auf dem Fußgängerweg, wie das eben so ist in Altstadtstraßen. Soll ich den alten Radweg (rechts: rot) benutzen und wie gewohnt den Fußgängern in die Parade fahren? Oder soll ich der neuen Empfehlung folgen und mich in den Kampf mit den Autos um die enge Fahrbahnfläche begeben?

Zumal mir bewusst ist, dass ein – zwei Sträßchen weiter der Kampf gegen die Autos nicht gerade dem Ausgleich verschiedener Interessen, sondern der Verdrängung der allerletzten Einzelhändler zugunsten von noch mehr Gastro-Kommerz dient.

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Sonntag, 26. Februar 2023
Naiver Vorschlag
Mein naiver Vorschlag: eine breite entmilitarisierte Zone in Osteuropa durch die baltischen Staaten, Ostpolen und die Ukraine und auf der anderen Seite der russisch/weißrussischen Grenze ebenso breit. International kontrolliert. Wie wäre das? (müsste natürlich so schmal sein, dass Moskau nicht berührt wird - und ebenso so schmal auf der andren Seite, sodass die genannten Länder nicht gänzlich entmilitarisiert würden) Und Polen und baltischen Staaten bliebe ja auch bei weitgehender Entmilitarisierung die NATO-Mitgliedschaft als zusätzliche Garantie, die Ukraine müsste sich dann ohne weitere Garantie mit dem Abzug der russischen Truppen begnügen und Putin könnte seinem Volk wenigstens den überwiegenden Abzug von NATO-Truppen aus Osteuropa als Erfolg verkaufen.

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