Sonntag, 12. März 2023
Kontakte zu den üblichen Verdächtigen
In Hamburg hat ein Amokläufer mit einer halbautomatischen Pistole etliche Menschen erschossen, allesamt Zeugen Jehovas. Natürlich rätselt man jetzt über die Motive des Täters. Es heißt, er habe im Internet krude religiöse Ansichten vertreten, und die Frage ist, ob er vielleicht psychisch krank war und man ihm daher die Waffe und die vielen hundert Schuss Munition hätte entziehen müssen, die er in seiner Wohnung lagerte.

Dabei muss natürlich die Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Auch Zeugen Jehovas vertreten krude religiöse Thesen – das weiß jeder, bei dem sie schon mal an der Haustür geklingelt haben, und der sich mit ihnen in ein Gespräch eingelassen hat. Allerdings erschießen sie in der Regel keine anderen Menschen. Das könnte vielleicht daran liegen, dass sie keine Waffen und keine Munition in ihren Wohnungen horten.

Außerdem frage ich mich, wieso die psychische Gesundheit ein Kriterium dafür sein soll, ob jemand Waffen und Munition in seiner Wohnung anhäufen darf. Ist ein psychisch gesunder Mensch, der mehrere hundert Schuss Munition und eine Waffe in seiner Wohnung liegen hat … ja, kann so einer überhaupt als psychisch gesund bezeichnet werden? Und selbst wenn, ist er dann ungefährlich? Wenn er seine Amoktat nicht aus irrationalen religiösen oder politisch extremistischen Motiven, sondern nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchführt – ist das dann vielleicht sogar erlaubt?

Unsinnig finde ich auch die Ansicht, einem Sportschützen müsse es erlaubt sein, eine Waffe zu Hause zu haben. Wieso eigentlich? Wenn ich rudern gehe, nehme ich den Einer auch nicht mit nach Hause. Weil ich zum Rudern ein Gewässer brauche. Nicht anders beim Sportschützen: Braucht der nicht zum Schießen einen Schießstand? Oder darf der zu Hause überm Sofa eine Zielscheibe aufhängen und dann gehts los?

Acht tote Menschen, einer davon ein Fötus von 7 Monaten … wie jetzt? Kann jemand schon vor seinem Geburtstag sterben, als Mensch? Natürlich weiß ich, dass ein Fötus sterben kann, die meisten tun das gleich zu Beginn der Schwangerschaft. Auch abgetriebene Föten sterben. Und sie sollen, müssen betrauert werden, wenn die Sache wieder ins Gleichgewicht kommen soll. Aber es sind keine Menschen, sie werden keine Toten. Andernfalls müsste man das Abtreibungsrecht ändern.

Also, Sie merken, worum es mir geht: Wenn etwas Schreckliches passiert, dann finde ich es zu einfach zu sagen: Ach ja, die Religiösen, die Extremisten, die Fanatiker warens, die anderen eben. Wir selber sind völlig rein, völlig unschuldig, einer von uns könnte sowas nie tun. Jan Böhmermann hat mit Entsetzen festgestellt, dass es Kontakte von Waldorf-Lehrern zu Querdenkern gibt. Ist das wirklich so schrecklich oder zeigt es vielleicht nur, dass die Lehrerschaft dort in verschiedene politische Richtungen offen ist. So what?

Es gibt auch grüne Politiker, die Kontakte zu Kriegstreibern haben. Einer von denen war sogar mal Außenminister (und der jetzigen traue ich auch nicht so recht über den Weg). Da könnte ich mich jetzt auch wie Böhmermann hinstellen und wegen solcher Kontakte die ganze grüne Partei als Macht des Bösen hinstellen, wie das manche machen. Aber auch das oder das ist Politik grüner Politiker. Es lebe die Vielfalt.

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Ihre Theorien mögen krude sein, aber militant sind sie wohl eher nicht. Immerhin kamen "Bibelforscher" in der Zeit des Nationalsozialismus unter anderem wegen ihrer konsequenten Weigerung, Kriegsdienst zu leisten, ins KZ...

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Meine Rede! Mein Ziel war es, ironisch aufzuzeigen, wie arrogant und diskriminierend es ist, Menschen allein schon aufgrund abseitiger Ansichten oder psychischer Abwege für potentielle Mörder zu halten.
Ja, Zeugen Jehovas konnten ins KZ kommen, während gleichzeitig im Euthanasie-Programm nach ernsthafter wissenschaftlicher Überzeugung Massenmord betrieben wurde.

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