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Montag, 30. April 2012
Heute: Eine sentimentale Erinnerung
damals, 02:11h
Heute mal wieder eine Geschichte von damals, denn manchmal blitzt im Alltag irgendeine Assoziation auf und führt einen zurück – und mich komischerweise fast immer in dieselbe Zeit, in die Mitte der achtziger Jahre.
Ich war Soldat und verbrachte die Sonntage gelangweilt auf dem blau-weiß karierten Bett, bevorzugte Lektüre: „neues leben“, die Bravo der DDR. Da verliebte ich mich – da andere Objekte nicht verfügbar waren - in eines der Mädchen aus so einem Heft, in ihre Lippen, ihre sehnsüchtigen Gedichte, ihren träumerischen Blick. Es war eine Förderpreisträgerin des FDJ-Poetenseminars.
Ihr zu schreiben, verbot sich natürlich, denn sie war in meinen Augen „berühmt“ und „DDR“, ich war ein Nichts und von meinen Vorgesetzten auch schon als Tunichtgut identifiziert. Ich schrieb ihr trotzdem, unter falschem Namen. „Ernst Kuhlbitter“ nannte ich mich, meinem sentimentalen Selbstverständnis folgend. Die Sensation war, dass – ein paar Wochen später, ich musste als „Gehilfe des Unteroffiziers vom Dienst“ in der Poststelle am Eingang der Kaserne die fehlerhaft adressierten, unzustellbaren Briefe durchsehen, ob da nicht was für unsere Einheit dabei war – dass da tatsächlich ein Brief für „Soldat Ernst Kuhlbitter“ lagerte. Sie schrieb mir wirklich nett zurück.
Die Freude dauerte nicht lange. Es gab eine Schrankkontrolle, der Brief wurde beschlagnahmt und ich des Diebstahls fremder Briefe bezichtigt. An eine Aufklärung des Irrtums dachten weder ich noch meine Vorgesetzten; es kam auch nicht darauf an, die Vorgänge überschlugen sich ohnehin. Nur dass ich mir über alldem die Adresse nicht richtig gemerkt hatte! Ich vergaß bzw. versuchte zu verdrängen. Aber als ich ein paar Monate später in einer richtigen Literaturzeitschrift ein paar Gedichte von ihr las, voller kryptischer Metaphern und Gestalten, und eine davon nannte sie „den einsamen Soldaten“ , da fühlte ich mich gemeint und schöpfte wieder Hoffnung.
Es ergab sich, dass ich bald darauf – ich war inzwischen unehrenhaft entlassen – beruflich in ihrer Stadt zu tun hatte. Ich durchforstete den Stadtplan, und als ich ihren Straßennamen las, erkannte ich ihn natürlich wieder. Kurz darauf stand ich vor ihrem Haus in der Vorstadt. Die Eltern öffneten. Ich erzählte irgendeine erfundene Geschichte und sie wunderten sich, dass ich von ihrer Hochzeit nichts gehört hatte. Sie gaben mir ihre Adresse in Berlin mit.
Ich war zerschmettert. Las immer wieder ihren neuen, ausländisch klingenden Familiennamen. Ich verfasste ein Gedicht des Inhalts, dass der böse Ausländer sie mir geraubt hätte, und heftete es an einen Baum in ihrem Viertel in Berlin. Bis vor ihre Haustür wagte ich mich nicht. Sondern beschloss für mich, dass diese Berliner Szene-Typen mich nicht interessieren. Dass das sowieso alles Stasitypen sind, wie mein Vater auch immer meinte. Verliebte mich stattdessen in ein Mädchen mit ebensolchen sinnlichen Lippen, einer ebensolchen süßen Mädchennase, nur hatte die keinen Ausländer zum Heiraten, sie stellte einen Ausreiseantrag. Es ergriff eben jede(r) den Strohhalm, der zu kriegen war. Ich blieb wieder allein.
Und warum mir das heute wieder einfällt? Weil ich heute müßig und allein zu Hause rumsaß, schon am Vormittag im Fernsehen rumzappte und natürlich bei einem Interview mit einer dieser Ex-DDR-Dissidenten hängen blieb. Als ich das dann schnell im Internet nachrecherchieren wollte, stieß ich unvermutet auf den Namen des einst verhassten Ausländers. Und musste feststellen, dass er wohl ziemlich privilegiert, aber alles andere als ein Stasityp gewesen ist. Obwohl auch er zusammen mit zusammen mit seiner Frau, eben ihr, so eine Underground-Zeitschrift rausgegeben hat damals in der DDR. Ist schon ganz in Ordnung, was die beiden gemacht haben. Auch wenn es schmerzt zu sehen, wie sie spannende Zeiten erlebten in den späten Achtzigern, während ich und alle, die ich kannte, in Frust und Illusion und Chaos fast ertranken.
Eigentlich wäre es jetzt Zeit, von diesen Erinnerungen Abschied zu nehmen. Sich ein eigenes Leben zu gestalten, so wie die beiden es schon damals taten. Die Bodenhaftung hätte ich inzwischen, nur ... das Fliegen hab ich verlernt.
Ich war Soldat und verbrachte die Sonntage gelangweilt auf dem blau-weiß karierten Bett, bevorzugte Lektüre: „neues leben“, die Bravo der DDR. Da verliebte ich mich – da andere Objekte nicht verfügbar waren - in eines der Mädchen aus so einem Heft, in ihre Lippen, ihre sehnsüchtigen Gedichte, ihren träumerischen Blick. Es war eine Förderpreisträgerin des FDJ-Poetenseminars.
Ihr zu schreiben, verbot sich natürlich, denn sie war in meinen Augen „berühmt“ und „DDR“, ich war ein Nichts und von meinen Vorgesetzten auch schon als Tunichtgut identifiziert. Ich schrieb ihr trotzdem, unter falschem Namen. „Ernst Kuhlbitter“ nannte ich mich, meinem sentimentalen Selbstverständnis folgend. Die Sensation war, dass – ein paar Wochen später, ich musste als „Gehilfe des Unteroffiziers vom Dienst“ in der Poststelle am Eingang der Kaserne die fehlerhaft adressierten, unzustellbaren Briefe durchsehen, ob da nicht was für unsere Einheit dabei war – dass da tatsächlich ein Brief für „Soldat Ernst Kuhlbitter“ lagerte. Sie schrieb mir wirklich nett zurück.
Die Freude dauerte nicht lange. Es gab eine Schrankkontrolle, der Brief wurde beschlagnahmt und ich des Diebstahls fremder Briefe bezichtigt. An eine Aufklärung des Irrtums dachten weder ich noch meine Vorgesetzten; es kam auch nicht darauf an, die Vorgänge überschlugen sich ohnehin. Nur dass ich mir über alldem die Adresse nicht richtig gemerkt hatte! Ich vergaß bzw. versuchte zu verdrängen. Aber als ich ein paar Monate später in einer richtigen Literaturzeitschrift ein paar Gedichte von ihr las, voller kryptischer Metaphern und Gestalten, und eine davon nannte sie „den einsamen Soldaten“ , da fühlte ich mich gemeint und schöpfte wieder Hoffnung.
Es ergab sich, dass ich bald darauf – ich war inzwischen unehrenhaft entlassen – beruflich in ihrer Stadt zu tun hatte. Ich durchforstete den Stadtplan, und als ich ihren Straßennamen las, erkannte ich ihn natürlich wieder. Kurz darauf stand ich vor ihrem Haus in der Vorstadt. Die Eltern öffneten. Ich erzählte irgendeine erfundene Geschichte und sie wunderten sich, dass ich von ihrer Hochzeit nichts gehört hatte. Sie gaben mir ihre Adresse in Berlin mit.
Ich war zerschmettert. Las immer wieder ihren neuen, ausländisch klingenden Familiennamen. Ich verfasste ein Gedicht des Inhalts, dass der böse Ausländer sie mir geraubt hätte, und heftete es an einen Baum in ihrem Viertel in Berlin. Bis vor ihre Haustür wagte ich mich nicht. Sondern beschloss für mich, dass diese Berliner Szene-Typen mich nicht interessieren. Dass das sowieso alles Stasitypen sind, wie mein Vater auch immer meinte. Verliebte mich stattdessen in ein Mädchen mit ebensolchen sinnlichen Lippen, einer ebensolchen süßen Mädchennase, nur hatte die keinen Ausländer zum Heiraten, sie stellte einen Ausreiseantrag. Es ergriff eben jede(r) den Strohhalm, der zu kriegen war. Ich blieb wieder allein.
Und warum mir das heute wieder einfällt? Weil ich heute müßig und allein zu Hause rumsaß, schon am Vormittag im Fernsehen rumzappte und natürlich bei einem Interview mit einer dieser Ex-DDR-Dissidenten hängen blieb. Als ich das dann schnell im Internet nachrecherchieren wollte, stieß ich unvermutet auf den Namen des einst verhassten Ausländers. Und musste feststellen, dass er wohl ziemlich privilegiert, aber alles andere als ein Stasityp gewesen ist. Obwohl auch er zusammen mit zusammen mit seiner Frau, eben ihr, so eine Underground-Zeitschrift rausgegeben hat damals in der DDR. Ist schon ganz in Ordnung, was die beiden gemacht haben. Auch wenn es schmerzt zu sehen, wie sie spannende Zeiten erlebten in den späten Achtzigern, während ich und alle, die ich kannte, in Frust und Illusion und Chaos fast ertranken.
Eigentlich wäre es jetzt Zeit, von diesen Erinnerungen Abschied zu nehmen. Sich ein eigenes Leben zu gestalten, so wie die beiden es schon damals taten. Die Bodenhaftung hätte ich inzwischen, nur ... das Fliegen hab ich verlernt.
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Mittwoch, 25. April 2012
Denkfehler beim Betreuungsgeld
damals, 12:13h
Da wollten die konservativen Schnarchnasen das Betreuungsgeld doch tatsächlich nach dem veralteten Gleichheitsgrundsatz auszahlen! Dann könnte es aber passieren, dass das Geld auch in Familien fließt, die es wirklich brauchen können. Das darf natürlich nicht sein!
Aber zum Glück fiel ihnen dann ja noch der alte Trick mit der Hartz-IV-Verrechnung ein, so dass die erforderliche Ungleichheit Gott sei Dank gewahrt bleibt.
Aber zum Glück fiel ihnen dann ja noch der alte Trick mit der Hartz-IV-Verrechnung ein, so dass die erforderliche Ungleichheit Gott sei Dank gewahrt bleibt.
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Donnerstag, 29. März 2012
Genossenschaftliches Bauen – einst und jetzt
damals, 20:01h
Ich wohne mit Frau und Kind in drei 1907 gebauten Zimmern auf 67m², recht beengt für heutige Verhältnisse; vor allem fehlt uns ein Wohnbereich fürs Fernsehen, Ausspannen, Freunde empfangen. Was als Wohnzimmer gedacht war, wird von meinem Computerarbeitsplatz, von Bücherregalen und oft auch vom Wäscheständer dominiert, die Familienmahlzeiten finden in der engen Küche statt, die Ausspannzeiten zu dritt auf dem Ehebett. Meine Frau nerven auch der völlig asymmetrische Wohnungsgrundriss (ich find ihn eher lustig) und das dreieckig irgendwo dazwischengequetschte Bad.
Das große Plus, das sind die Fensterausblicke. (hier der von Zeitnehmer, der einige Jahre lang gleich um die Ecke gewohnt hat). Denn unsere Wohnanlage ist ein sympathisches Projekt aus einer sympathischen Zeit: das Vorzeigeprojekt einer Wohnungsgenossenschaft, die hier versuchte, das bürgerliche Gartenstadtmodell auf ihr Handwerker- und Arbeiter-Klientel herunterzubrechen – verwinkelte, billig gebaute Wohnungen, aber großzügige Fassaden, dörflich anmutende Straßenkreuzungen und idyllische Höfe – ein Musterbeispiel für ein architektonisch unsauberes, aber umso menschenfreundlicheres Bauen.
Als nun gegenüber zwei Häuser abbrannten und ein Neubau geplant wurde, witterten wir unsere Chance: ein moderner Neubau hinter historischer Fassade, direkt am schönsten der Höfe gelegen – und größer sollten die Wohnungen auch sein.
Aber es war wohl nichts mit „Chance“ – was heutzutage großzügiges Bauen und Vorzeigeobjekt einer Wohnungsgenossenschaft ist, das eignet sich nicht für kleinbürgerliche Mieter wie uns. Erstens richtet sich der Mietpreis offenbar an eine andere Einkommensgruppe, als hier im Viertel normalerweise wohnt: 1200 kalt soll die kleinste, die 3-Zimmer-Wohnung, kosten. Und eine Familienwohnung ist die nun auch gerade nicht: ein riesiges Wohnzimmer quer durchs Haus, mit Blick auf den Vorgarten an der Straße, und hinten eine schöne Terrasse, dazu zwei kleine Zimmer. Da kriegen wir weder meinen Computerarbeitsplatz noch den Schreibtisch meiner Frau unter, wenn noch ein Kinderzimmer bleiben soll. Und Kinder- und Schlafzimmer sind auch nicht größer als jetzt bei uns gegenüber für den halben Preis. Als ich den Grundriss sah, hatte ich den Gedanken: Das ist doch eine Wohnung für ein kinderloses Doppelverdienerpärchen! Die können sich die Wohnung leisten, das Zimmerchen hinter dem Schlafzimmer richten sie je nach Freizeitvorliebe als Bibliothek oder Gästezimmer ein – oder sie gestalten das gleich als „Zimmer für ihn“ und „Zimmer für sie“ („A room of one`s own“), und die vielen freien Abende verbringen sie mit Freunden im großen Wohnzimmer vor dem Flachbildfernseher ...
Nein, ich will nicht ungerecht sein gegen unsere Genossenschaft: Sie hat uns ja schon zweimal das für uns Passende, das uns Zustehende angeboten: schöne 4-Zimmer-Wohnungen für zweihundert Euro weniger als dieses Snob-Teil und auch genügend Quadratmetern, mit Trockenboden und Fahrradkeller im Haus, wie man es sich wünscht. Nur eben in einem dieser quadratisch-praktisch-guten Backsteinblöcke der dreißiger bis fünfziger Jahre. Meine Frau hat sich sogar geweigert, die Wohnungen überhaupt zu besichtigen: „In der Straße will ich nicht wohnen.“ Recht hat sie!
Und so bleiben wir halt wohnen in unserem Altbau von 1907, dem Haus aus der Zeit, als man sich noch bemühte, ästhetisch ansprechendes Wohnen auch für Menschen zu ermöglichen, die sich das eigentlich nicht leisten können.
Das große Plus, das sind die Fensterausblicke. (hier der von Zeitnehmer, der einige Jahre lang gleich um die Ecke gewohnt hat). Denn unsere Wohnanlage ist ein sympathisches Projekt aus einer sympathischen Zeit: das Vorzeigeprojekt einer Wohnungsgenossenschaft, die hier versuchte, das bürgerliche Gartenstadtmodell auf ihr Handwerker- und Arbeiter-Klientel herunterzubrechen – verwinkelte, billig gebaute Wohnungen, aber großzügige Fassaden, dörflich anmutende Straßenkreuzungen und idyllische Höfe – ein Musterbeispiel für ein architektonisch unsauberes, aber umso menschenfreundlicheres Bauen.
Als nun gegenüber zwei Häuser abbrannten und ein Neubau geplant wurde, witterten wir unsere Chance: ein moderner Neubau hinter historischer Fassade, direkt am schönsten der Höfe gelegen – und größer sollten die Wohnungen auch sein.
Aber es war wohl nichts mit „Chance“ – was heutzutage großzügiges Bauen und Vorzeigeobjekt einer Wohnungsgenossenschaft ist, das eignet sich nicht für kleinbürgerliche Mieter wie uns. Erstens richtet sich der Mietpreis offenbar an eine andere Einkommensgruppe, als hier im Viertel normalerweise wohnt: 1200 kalt soll die kleinste, die 3-Zimmer-Wohnung, kosten. Und eine Familienwohnung ist die nun auch gerade nicht: ein riesiges Wohnzimmer quer durchs Haus, mit Blick auf den Vorgarten an der Straße, und hinten eine schöne Terrasse, dazu zwei kleine Zimmer. Da kriegen wir weder meinen Computerarbeitsplatz noch den Schreibtisch meiner Frau unter, wenn noch ein Kinderzimmer bleiben soll. Und Kinder- und Schlafzimmer sind auch nicht größer als jetzt bei uns gegenüber für den halben Preis. Als ich den Grundriss sah, hatte ich den Gedanken: Das ist doch eine Wohnung für ein kinderloses Doppelverdienerpärchen! Die können sich die Wohnung leisten, das Zimmerchen hinter dem Schlafzimmer richten sie je nach Freizeitvorliebe als Bibliothek oder Gästezimmer ein – oder sie gestalten das gleich als „Zimmer für ihn“ und „Zimmer für sie“ („A room of one`s own“), und die vielen freien Abende verbringen sie mit Freunden im großen Wohnzimmer vor dem Flachbildfernseher ...
Nein, ich will nicht ungerecht sein gegen unsere Genossenschaft: Sie hat uns ja schon zweimal das für uns Passende, das uns Zustehende angeboten: schöne 4-Zimmer-Wohnungen für zweihundert Euro weniger als dieses Snob-Teil und auch genügend Quadratmetern, mit Trockenboden und Fahrradkeller im Haus, wie man es sich wünscht. Nur eben in einem dieser quadratisch-praktisch-guten Backsteinblöcke der dreißiger bis fünfziger Jahre. Meine Frau hat sich sogar geweigert, die Wohnungen überhaupt zu besichtigen: „In der Straße will ich nicht wohnen.“ Recht hat sie!
Und so bleiben wir halt wohnen in unserem Altbau von 1907, dem Haus aus der Zeit, als man sich noch bemühte, ästhetisch ansprechendes Wohnen auch für Menschen zu ermöglichen, die sich das eigentlich nicht leisten können.
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Sonntag, 4. März 2012
Gauck und Wulff – eine Verschwörungstheorie
damals, 17:33h
Mir ist ja Joachim Gauck nicht so unsympathisch wie den meisten hier in Bloggersdorf, einfach aus biografischen Gründen: ich habe mehr Nachsicht mit einem weicheierigen, konservativen Protestanten als mit einer bestimmten Art von spitzfindigem Links-Rationalismus, der ihm entgegenschlägt. Jetzt hat mich aber einer dieser Kritiker doch ins Grübeln gebracht mit seiner Theorie: Da war doch diese widerliche Bild-Kampagne gegen den letzten Bundespräsidenten (eine Kampagne, wie man sie dem windigsten Wulff nicht an den Hals wünscht), von der niemand so recht verstand, was eigentlich dahinter steckt.
Wenn es also wirklich stimmen sollte, dass der Springer-Konzern die Entfernung Wulffs auch oder vor allem deshalb betrieb, um Joachim Gauck auf den Posten zu hieven (schon bei der letzten Präsidentenwahl kam ja Gauck auf Springer-Initiative ins Spiel), ja, dann wären alle Reden Gaucks über Freiheit und Demokratie (an sich ja sehr sympathische Prinzipien, da geb ich Gauck Recht) mit einem Schlag ad absurdum geführt.
Natürlich konnte mir mein Gesprächspartner zwar einleuchtende Plausibilitäten mitteilen, hatte aber keinerlei Beweise, so ist das nun mal bei Verschwörungstheorien. Und ich weiß jetzt nicht, was ich glauben soll. Am liebsten würd ich ja Gauck selbst fragen, ob da was dran ist an dem Gerücht. Hat jemand seine Adresse?
Wenn es also wirklich stimmen sollte, dass der Springer-Konzern die Entfernung Wulffs auch oder vor allem deshalb betrieb, um Joachim Gauck auf den Posten zu hieven (schon bei der letzten Präsidentenwahl kam ja Gauck auf Springer-Initiative ins Spiel), ja, dann wären alle Reden Gaucks über Freiheit und Demokratie (an sich ja sehr sympathische Prinzipien, da geb ich Gauck Recht) mit einem Schlag ad absurdum geführt.
Natürlich konnte mir mein Gesprächspartner zwar einleuchtende Plausibilitäten mitteilen, hatte aber keinerlei Beweise, so ist das nun mal bei Verschwörungstheorien. Und ich weiß jetzt nicht, was ich glauben soll. Am liebsten würd ich ja Gauck selbst fragen, ob da was dran ist an dem Gerücht. Hat jemand seine Adresse?
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Montag, 27. Februar 2012
Anlässlich eines Films über die Odenwaldschule
damals, 21:56h
Am Wochenende sah ich auf Phoenix einen Dokumentarfilm über die Odenwaldschule. Sie erinnern sich bestimmt: der Missbrauchsskandal an dem Eliteinternat. Ein sehr guter Film, der gekonnt die Waage zwischen persönlichem Engagement und distanzierter Sachlichkeit hält und eindringlich schildert, was da vor sich ging: Ein Schulleiter installierte ein allgemeines Laisser-Faire-System, um den eigenen kriminellen pädophilen Neigungen ungestört nachgehen zu können.
Aber darüber wollte ich gar nicht schreiben. Mir fielen zwei Kleinigkeiten auf, die der Film andeutete, aber nicht vertiefte: nämlich erstens die merkwürdige Zurückhaltung, mit der dieser Schulleiter, Gerold Becker, von den Behörden behandelt wurde. Unklar ist nicht nur, wie Becker 1967 auf den Schulleiterposten kam, obwohl der zuständige Bildungspolitikerschon von einem sexuellen Übergriff dieses Mannes auf einen Schüler wusste. Noch viel unklarer sind die Umstände seiner Ablösung 1985. Irgendetwas musste ruchbar geworden sein, irgendjemand musste ihn gedrängt haben, sich unter Ausreden von seinem Posten zurückzuziehen. Ein loyaler Nachfolger wurde – ohne Ausschreibung oder Auswahlverfahren – gefunden und eingesetzt, um die Schule wieder auf geregelte Bahnen zu bringen, ohne dass irgendjemand draußen etwas mitkriegt. Und so blieben auch später alle Anschuldigungen in der deutschen Öffentlichkeit ungehört, solange die Straftaten nicht verjährt waren.
Die andere Kleinigkeit war, dass ich über Hartmut von Hentig nachdachte, der nicht nur ein bekannter Pädagoge und Bildungsforscher ist, sondern auch Gerold Beckers Lebensgefährte war. Müsste der das nicht wenigstens als Untreue und mit einiger Eifersucht aufgenommen haben, wenn sein Freund und Partner die Passfotos der missbrauchten Jungen wie Trophäen in den gemeinsamen Wohnungsflur hängt? Oder konnte er das kompensieren, da er als der Berühmtere, der preußische Adlige, die stärkere Position hatte gegenüber Becker – so dass im Vergleich dazu ein paar „kleine Jungen“ nicht ins Gewicht fielen?
... aber hier überschreite ich endgültig die Grenze zu Spekulation und Verschwörungstheorie und spare mir den geplanten letzten Absatz dieses Textes, der die merkwürdige Liebe der alten Bundesrepublik zu den preußischen Adligen und also meine sozialen Vorurteile als Nachfahre anhaltinischer Proleten zum Inhalt haben sollte.
Aber darüber wollte ich gar nicht schreiben. Mir fielen zwei Kleinigkeiten auf, die der Film andeutete, aber nicht vertiefte: nämlich erstens die merkwürdige Zurückhaltung, mit der dieser Schulleiter, Gerold Becker, von den Behörden behandelt wurde. Unklar ist nicht nur, wie Becker 1967 auf den Schulleiterposten kam, obwohl der zuständige Bildungspolitikerschon von einem sexuellen Übergriff dieses Mannes auf einen Schüler wusste. Noch viel unklarer sind die Umstände seiner Ablösung 1985. Irgendetwas musste ruchbar geworden sein, irgendjemand musste ihn gedrängt haben, sich unter Ausreden von seinem Posten zurückzuziehen. Ein loyaler Nachfolger wurde – ohne Ausschreibung oder Auswahlverfahren – gefunden und eingesetzt, um die Schule wieder auf geregelte Bahnen zu bringen, ohne dass irgendjemand draußen etwas mitkriegt. Und so blieben auch später alle Anschuldigungen in der deutschen Öffentlichkeit ungehört, solange die Straftaten nicht verjährt waren.
Die andere Kleinigkeit war, dass ich über Hartmut von Hentig nachdachte, der nicht nur ein bekannter Pädagoge und Bildungsforscher ist, sondern auch Gerold Beckers Lebensgefährte war. Müsste der das nicht wenigstens als Untreue und mit einiger Eifersucht aufgenommen haben, wenn sein Freund und Partner die Passfotos der missbrauchten Jungen wie Trophäen in den gemeinsamen Wohnungsflur hängt? Oder konnte er das kompensieren, da er als der Berühmtere, der preußische Adlige, die stärkere Position hatte gegenüber Becker – so dass im Vergleich dazu ein paar „kleine Jungen“ nicht ins Gewicht fielen?
... aber hier überschreite ich endgültig die Grenze zu Spekulation und Verschwörungstheorie und spare mir den geplanten letzten Absatz dieses Textes, der die merkwürdige Liebe der alten Bundesrepublik zu den preußischen Adligen und also meine sozialen Vorurteile als Nachfahre anhaltinischer Proleten zum Inhalt haben sollte.
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Dienstag, 14. Februar 2012
Der Freitagabend (Rezension zu „The Happening“)
damals, 18:26h
Vor zwei Wochen haben meine Frau und ich uns für dem Freitagabend getrennt: Sie raus in die Welt - mit ihrer besten Freundin ins Kino zu dem Film, den derzeit jeder gesehen haben muss („Ziemlich beste Freunde“); ich blieb in der Drei-Zimmer-Höhle und bekam wie jeden Freitagabend von meinem besten Freund einen herausragenden Spielfilm aus dem Fernsehprogramm der vorigen Woche nach Haus geliefert, um ihn gemeinsam auf dem Beamer zu gucken.
Wir sahen „The Happening“ von M. Night Shyamalan, diesem von den Cineasten und sogar schon vom SPIEGEL geschmähten Regisseur und waren bewegt: ein herrlicher Mainstream-Gruselfilm, der aber (Shyamalans esoterischer Ader sei‘s gedankt) auf die übliche Hollywood-Plattheit verzichtet. Irgendwo im Internet hab ich gelesen, der Regisseur hätte für einen groß angelegten Öko-Thriller keine Produktionsfirma gefunden und wäre daher gezwungen gewesen, das große Thema auf eine private Geschichte zurechtzustutzen. Na, Gott sei Dank! Das Schöne des Films besteht ja gerade darin, dass er eine Menschheitskatastrophe anhand einer kleinen, menschlichen Geschichte erzählt.
Diese ist einfach geradezu simpel: Als mehrere Großstädte an der Ostküste der USA von einem Nervengift lahmgelegt werden, das die Menschen massenweise in den Selbstmord treibt, verzichtet der Regisseur auf eine Gesamtschau, sondern erzählt von einem einzelnen Ehepaar, das aus sich wie alle anderen auf die Flucht begibt. Die beiden sind ein bisschen naiv, ein bisschen spießig und aufgrund ihrer Unreife in einer Ehekrise. So wie sie (gespielt von Zooey Deschanel) eiskalt und verständnislos in die Welt guckt mit ihren bewegungslos stahlblauen Augen, das ist großartig, es erinnert mich an meine Frau, als sie zwanzig war und ich nicht an sie heran kam. Er dazu passend naiv und ebenso ahnungslos aufrichtig. Im Laufe der Flucht übernehmen sie das Kind eines Kollegen (der seine Frau nachholen will, und – natürlich – in den Tod geht), und an ihrer Zuneigung zu diesem Kind wird sie erwachsen, während er von einem alten Gärtner, einer Hippie-Helden-Figur, lernt, dass es nicht Terroristen sind, die da angreifen, sondern die gepeinigten Pflanzen selbst. Tapsig (einmal versucht er, mit einer Plastik-Pflanze zu kommunizieren), aber letztendlich erfolgreich nimmt er die Herausforderung an und versucht, seine kleine Kunstfamilie möglichst gut durch die Gefahr zu bringen. Die drei kommen durch – und man freut sich für sie, auch wenn das unvermeidliche Ende den nächsten Pflanzen-Angriff andeutet.
Ja, ich weiß, das ist kitschig, aber das ist halt mein Kitsch: gegenüber der Natur sind wir im Unrecht, als Einzelindividuen sind wir lächerlich, aber wachsen an den Herausforderungen, das Glück ist vorübergehend und findet sich irgendwo bei Liebe und Vertrauen. Eigentlich doch naheliegend, dass ein großer Mainstream-Kinofilm nach so einer privaten, einfachen Geschichte als Ausgleich verlangt; das wusste schon David Lynch, als er „Eine einfache Geschichte“ drehte. Nur kann ich eben mit dessen Klischees von Männerfreundschaft und „God bless America“ weniger anfangen als mit Shyamalans Mann-Frau-Kind-und-Liebe-Klischee.
Und folgerichtig bin ich eine Woche später am Samstag dann auch mit meiner Frau in „Ziemlich beste Freunde“ gewesen und hab mich total wohl gefühlt. (Auch da gings um Zuneigung und Vertrauen, und das auch noch in französicher Eleganz dargestellt!) Einfach im Zeise-Kino um die Ecke und keine weiteren Ausgehabenteuer, auch keinen Sex, wir sind danach einfach ins Bett gegangen und eingeschlafen. Und im Traum gratulierte mir M. – die uns beide damals vor 25 Jahren kannte und die inzwischen schon längst tot ist – dass ich die verehrte Frau doch noch errungen hab, und ich sagte nur: „Ja, ich bin glücklich.“
Wir sahen „The Happening“ von M. Night Shyamalan, diesem von den Cineasten und sogar schon vom SPIEGEL geschmähten Regisseur und waren bewegt: ein herrlicher Mainstream-Gruselfilm, der aber (Shyamalans esoterischer Ader sei‘s gedankt) auf die übliche Hollywood-Plattheit verzichtet. Irgendwo im Internet hab ich gelesen, der Regisseur hätte für einen groß angelegten Öko-Thriller keine Produktionsfirma gefunden und wäre daher gezwungen gewesen, das große Thema auf eine private Geschichte zurechtzustutzen. Na, Gott sei Dank! Das Schöne des Films besteht ja gerade darin, dass er eine Menschheitskatastrophe anhand einer kleinen, menschlichen Geschichte erzählt.
Diese ist einfach geradezu simpel: Als mehrere Großstädte an der Ostküste der USA von einem Nervengift lahmgelegt werden, das die Menschen massenweise in den Selbstmord treibt, verzichtet der Regisseur auf eine Gesamtschau, sondern erzählt von einem einzelnen Ehepaar, das aus sich wie alle anderen auf die Flucht begibt. Die beiden sind ein bisschen naiv, ein bisschen spießig und aufgrund ihrer Unreife in einer Ehekrise. So wie sie (gespielt von Zooey Deschanel) eiskalt und verständnislos in die Welt guckt mit ihren bewegungslos stahlblauen Augen, das ist großartig, es erinnert mich an meine Frau, als sie zwanzig war und ich nicht an sie heran kam. Er dazu passend naiv und ebenso ahnungslos aufrichtig. Im Laufe der Flucht übernehmen sie das Kind eines Kollegen (der seine Frau nachholen will, und – natürlich – in den Tod geht), und an ihrer Zuneigung zu diesem Kind wird sie erwachsen, während er von einem alten Gärtner, einer Hippie-Helden-Figur, lernt, dass es nicht Terroristen sind, die da angreifen, sondern die gepeinigten Pflanzen selbst. Tapsig (einmal versucht er, mit einer Plastik-Pflanze zu kommunizieren), aber letztendlich erfolgreich nimmt er die Herausforderung an und versucht, seine kleine Kunstfamilie möglichst gut durch die Gefahr zu bringen. Die drei kommen durch – und man freut sich für sie, auch wenn das unvermeidliche Ende den nächsten Pflanzen-Angriff andeutet.
Ja, ich weiß, das ist kitschig, aber das ist halt mein Kitsch: gegenüber der Natur sind wir im Unrecht, als Einzelindividuen sind wir lächerlich, aber wachsen an den Herausforderungen, das Glück ist vorübergehend und findet sich irgendwo bei Liebe und Vertrauen. Eigentlich doch naheliegend, dass ein großer Mainstream-Kinofilm nach so einer privaten, einfachen Geschichte als Ausgleich verlangt; das wusste schon David Lynch, als er „Eine einfache Geschichte“ drehte. Nur kann ich eben mit dessen Klischees von Männerfreundschaft und „God bless America“ weniger anfangen als mit Shyamalans Mann-Frau-Kind-und-Liebe-Klischee.
Und folgerichtig bin ich eine Woche später am Samstag dann auch mit meiner Frau in „Ziemlich beste Freunde“ gewesen und hab mich total wohl gefühlt. (Auch da gings um Zuneigung und Vertrauen, und das auch noch in französicher Eleganz dargestellt!) Einfach im Zeise-Kino um die Ecke und keine weiteren Ausgehabenteuer, auch keinen Sex, wir sind danach einfach ins Bett gegangen und eingeschlafen. Und im Traum gratulierte mir M. – die uns beide damals vor 25 Jahren kannte und die inzwischen schon längst tot ist – dass ich die verehrte Frau doch noch errungen hab, und ich sagte nur: „Ja, ich bin glücklich.“
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Donnerstag, 2. Februar 2012
Lichtenhagen
damals, 19:31h
Den Namen "Lichtenhagen" hörte ich das erste Mal, als wir 1979 dorthin eine Klassenfahrt unternahmen. Und nun guckt euch doch mal diese verqueren, verlorenen Gesichter an auf unserem Klassenfoto vor der Lichtenhagener Schule! Damit ist doch wohl alles klar!
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Irrtümer
damals, 19:22h
Manchmal ist man sich seiner selbst sehr sicher und dennoch im Irrtum. Das fiel mir ein, als ich bei der schönen Diskussion über meinen letzten Beitrag an mein Schulpraktikum 1992 in Rostock erinnert wurde.
Ich schmunzelte damals ziemlich überlegen in mich hinein, als ich im Sozialkundeunterricht hospitierte, wo eine ehemalige Staatsbürgerkunde-Lehrerin versuchte, die aktuellen Ereignisse für ihre sechzehnjährigen Schüler fassbar zu machen. Sie gab ihnen ein Zitat von Freud über den Aggressionstrieb – mit dem Unterrichtsziel, dessen bürgerliche Haltung als falsch zu erkennen, weil ja immer das Soziale, also Politische, also die Existenz eines rechtsradikalen Milieus, den Kern eines Konflikts darstellt. Eine Schülerin, erkennbar aus gutbürgerlichem Haus, meldete sich und meinte, Freud sei ja ein Arzt für Geisteskranke gewesen. Für Geisteskranke möge das ja stimmen, dass der Mensch an sich aggressiv ist. Für Normalbürger ergäbe das keinen Sinn. Und war sich unausgesprochen mit der Lehrerin einig, dass es die Faschos und die Ausländer sind, also die Abartigen verschiedener Coleur, die das Lichtenhagener Vorstadtidyll rings um das Sonnenblumenhaus zerstört haben.
Da wähnte ich mich auf der sicheren Seite, lächelte über die Leute, die nicht mal von Freud eine Ahnung haben, dessen Thesen schon seit hundert Jahren bekannt sind, aber vor allem verteidigte ich mit diesem Lächeln mein eigenes Neben-der Spur-Sein: Natürlich fühlte ich mich selber eher als „Fascho oder Ausländer“ denn als Lichtenhagener. Hatte einen Hass auf alles und die Spießer, insbesondere die ostdeutschen Spießer. (Und später, als ich das begriff und therapeutische Hilfe in Anspruch nahm, da war es ganz schnell klar, dass das nur eine klassische Psychoanalyse sein könnte, kein rationalistischer Verhaltenstherapie-Schnickschnack oder gar westdeutsch-modischer Bioenergetik-Quatsch.) Noch später, die Wogen glätteten sich langsam, las ich, dass Freuds These vom Aggressionstrieb tatsächlich überholt ist. Man weiß inzwischen, dass Aggression tatsächlich so eine Art Fehlfunktion ist, nämlich eine in der Sache verschobene Reaktion auf eine anderswo erlittene Demütigung. An sich eine ziemlich einleuchtende Erklärung; komisch, dass einen erst die Neurowissenschaft darauf hinweisen muss.
Es gab also keinen Grund, mich über die Stabü-Lehrerin und die ostdeutsche Schülerin zu erheben, aufgrund irgendeines gesicherten Wissens, nein, die hatten schon Recht. Ihre Argumente stimmten. Was nicht stimmte, das war der ideologische Zusammenhang, nämlich die Idee, dass der Mensch als solcher einfach nur den Normen gehorchen muss, und schon ist alles in Ordnung.
Denn wenn es so wäre, dann wäre ja tatsächlich der Mensch eine Maschine, wie es im 18. Jahrhundert schonmal jemand behauptet hat, dann wäre der Mensch nichts als eine sehr entwickelte Hardware, auf die die richtige Software einfach nur aufgespielt werden muss. Und dann wäre es in der Tat entscheidend, ob die richtige frühkindliche Frühförderung passiert und in den frühen Jahren, in denen sich das Gehirn bekanntermaßen entwickelt (also so ca. bis vier), möglichst viel und Sinnvolles auf die Festplatte gespielt wird. Ja, davon träumen sie, die von der Leyens und Linken – Gott sei Dank ist es nicht so, wenn mir dieser persönliche Hassausbruch gestattet ist.
Und vor allem: Wenn es so wäre, dann würde jeder Hardware-Fehler bedeuten, dass das betreffende Individuum minderwertig wäre. Dann wäre die Präimplantantionsdiagnostik nicht nur bei künstlicher Befruchtung sinnvoll, sondern immer.
Zum Glück wissen wir durch die Neurowissenschaft nicht nur, dass es den Aggressionstrieb nicht per se gibt und dass er praktisch von jedem durch Erlittenes erworben wird, wir wissen auch, dass erlerntes Wissen in den genetischen Code eingehen kann, und vor allem wissen wir, dass wir nicht wissen, welche Eigenschaften unserer Gattung langfristig nützlich sein werden. Kurz: Es ist alles komplizierter und weniger schwarz-weiß, als wir gemeinhin denken.
Also überlassen wir doch die strategischen Überlegungen Gott, der Natur oder wie auch immer wir das nennen wollen, misstrauen weiter den Datensammlungen im Schutt dieses Zwickauer Hauses, in Pullach oder bei Standards & Poor’s und orientieren uns weiter an der Liebe zu uns selbst und denen, die uns begegnen (und das sollten natürlich möglichst verschiedene sein).
Ich schmunzelte damals ziemlich überlegen in mich hinein, als ich im Sozialkundeunterricht hospitierte, wo eine ehemalige Staatsbürgerkunde-Lehrerin versuchte, die aktuellen Ereignisse für ihre sechzehnjährigen Schüler fassbar zu machen. Sie gab ihnen ein Zitat von Freud über den Aggressionstrieb – mit dem Unterrichtsziel, dessen bürgerliche Haltung als falsch zu erkennen, weil ja immer das Soziale, also Politische, also die Existenz eines rechtsradikalen Milieus, den Kern eines Konflikts darstellt. Eine Schülerin, erkennbar aus gutbürgerlichem Haus, meldete sich und meinte, Freud sei ja ein Arzt für Geisteskranke gewesen. Für Geisteskranke möge das ja stimmen, dass der Mensch an sich aggressiv ist. Für Normalbürger ergäbe das keinen Sinn. Und war sich unausgesprochen mit der Lehrerin einig, dass es die Faschos und die Ausländer sind, also die Abartigen verschiedener Coleur, die das Lichtenhagener Vorstadtidyll rings um das Sonnenblumenhaus zerstört haben.
Da wähnte ich mich auf der sicheren Seite, lächelte über die Leute, die nicht mal von Freud eine Ahnung haben, dessen Thesen schon seit hundert Jahren bekannt sind, aber vor allem verteidigte ich mit diesem Lächeln mein eigenes Neben-der Spur-Sein: Natürlich fühlte ich mich selber eher als „Fascho oder Ausländer“ denn als Lichtenhagener. Hatte einen Hass auf alles und die Spießer, insbesondere die ostdeutschen Spießer. (Und später, als ich das begriff und therapeutische Hilfe in Anspruch nahm, da war es ganz schnell klar, dass das nur eine klassische Psychoanalyse sein könnte, kein rationalistischer Verhaltenstherapie-Schnickschnack oder gar westdeutsch-modischer Bioenergetik-Quatsch.) Noch später, die Wogen glätteten sich langsam, las ich, dass Freuds These vom Aggressionstrieb tatsächlich überholt ist. Man weiß inzwischen, dass Aggression tatsächlich so eine Art Fehlfunktion ist, nämlich eine in der Sache verschobene Reaktion auf eine anderswo erlittene Demütigung. An sich eine ziemlich einleuchtende Erklärung; komisch, dass einen erst die Neurowissenschaft darauf hinweisen muss.
Es gab also keinen Grund, mich über die Stabü-Lehrerin und die ostdeutsche Schülerin zu erheben, aufgrund irgendeines gesicherten Wissens, nein, die hatten schon Recht. Ihre Argumente stimmten. Was nicht stimmte, das war der ideologische Zusammenhang, nämlich die Idee, dass der Mensch als solcher einfach nur den Normen gehorchen muss, und schon ist alles in Ordnung.
Denn wenn es so wäre, dann wäre ja tatsächlich der Mensch eine Maschine, wie es im 18. Jahrhundert schonmal jemand behauptet hat, dann wäre der Mensch nichts als eine sehr entwickelte Hardware, auf die die richtige Software einfach nur aufgespielt werden muss. Und dann wäre es in der Tat entscheidend, ob die richtige frühkindliche Frühförderung passiert und in den frühen Jahren, in denen sich das Gehirn bekanntermaßen entwickelt (also so ca. bis vier), möglichst viel und Sinnvolles auf die Festplatte gespielt wird. Ja, davon träumen sie, die von der Leyens und Linken – Gott sei Dank ist es nicht so, wenn mir dieser persönliche Hassausbruch gestattet ist.
Und vor allem: Wenn es so wäre, dann würde jeder Hardware-Fehler bedeuten, dass das betreffende Individuum minderwertig wäre. Dann wäre die Präimplantantionsdiagnostik nicht nur bei künstlicher Befruchtung sinnvoll, sondern immer.
Zum Glück wissen wir durch die Neurowissenschaft nicht nur, dass es den Aggressionstrieb nicht per se gibt und dass er praktisch von jedem durch Erlittenes erworben wird, wir wissen auch, dass erlerntes Wissen in den genetischen Code eingehen kann, und vor allem wissen wir, dass wir nicht wissen, welche Eigenschaften unserer Gattung langfristig nützlich sein werden. Kurz: Es ist alles komplizierter und weniger schwarz-weiß, als wir gemeinhin denken.
Also überlassen wir doch die strategischen Überlegungen Gott, der Natur oder wie auch immer wir das nennen wollen, misstrauen weiter den Datensammlungen im Schutt dieses Zwickauer Hauses, in Pullach oder bei Standards & Poor’s und orientieren uns weiter an der Liebe zu uns selbst und denen, die uns begegnen (und das sollten natürlich möglichst verschiedene sein).
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Montag, 16. Januar 2012
Spezifisch ostdeutsch
damals, 18:58h
Viele Ost-Experten empören sich darüber, dass der Neonazi-Terror im Westen vielfach als ein spezifisch ostdeutsches Problem angesehen wird, und weisen gekonnt nach, dass so auch das eigene Entsetzen relativiert werden kann – indem man das Problem nach Osten abschiebt.
Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass dieses Phänomen schon eine ostdeutsche Komponente hat. Anders jedenfalls wäre es nicht zu erklären, dass die NPD in mehreren ostdeutschen Parlamenten sitzt, aber in keinem westdeutschen, ganz zu schweigen vom Zulauf für frei herumlaufende „Kameradschaften“. Sabine Rennefanz hat das in ihrem Artikel „Uwe Mundlos und ich“ sehr gut gezeigt. Sie hat auch gezeigt, dass das wohl weniger mit Sozialismus und Kindergärten als mit dem Umbruch von 1990 zu tun hat. Ja, man konnte schon abdriften nach 1990 als junger Ostdeutscher. Das ging mir damals auch so – und unterschied mich von meinen westdeutschen Freunden.
Was mich von meinen westdeutschen Freunden jetzt unterscheidet, ist, dass mich die Geschichte um die drei Jenaer Rechtsterroristen nicht nur schockiert hat, sondern auch weiter umtreibt – immer wieder durchforste ich das Internet nach neuen Meldungen (was ich wegen eines Wulff-„Skandals“ nie tun würde), will wissen, wer wem welche Gelder zahlte, warum keine der Konkurrenzunternehmen Verfassungsschutz und Polizei die Leute verhaftete, auch als sie ihren Aufenthaltsort kannten, und weshalb die Staatsanwaltschaft Erfurt nicht nur die Stasi im Fall Domaschk, sondern auch den Verfassungsschutz im Fall Mundlos schützte, als der Vater Mundlos gegen die Helfer seines Sohnes Anzeige erstattete.
Könnte es vielleicht sein, dass die Wahrheit auch ein linkes westdeutsches Selbstverständnis kränken könnte, ein Selbstbewusstsein machohafter Machtphantasien, das den linken Terrorismus insgeheim tolerierte , ein Schläger-Alphatier zum Außenminister machte und über die aufputschende Rolle der Geheimdienste in der ganzen Sache lieber nicht so genau Bescheid wissen wollte? Wird deshalb so gebetsmühlenartig der „Rechtsextremismus“ verdammt und nicht zuerst dessen Gewalt?
Was mich jedenfalls auf die Palme bringt, sind nicht irgendwelche von V-Leuten verfassten Ideologie-Papiere - es ist das kriminelle Netzwerk von Gewalttätern, deren Auftraggebern und Helfern, das die Behörden offenbar nicht zu fassen bekommen, weil die Ausläufer dieses Netzwerks längst bis in die Behörden hinein gewuchert sind.
Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass dieses Phänomen schon eine ostdeutsche Komponente hat. Anders jedenfalls wäre es nicht zu erklären, dass die NPD in mehreren ostdeutschen Parlamenten sitzt, aber in keinem westdeutschen, ganz zu schweigen vom Zulauf für frei herumlaufende „Kameradschaften“. Sabine Rennefanz hat das in ihrem Artikel „Uwe Mundlos und ich“ sehr gut gezeigt. Sie hat auch gezeigt, dass das wohl weniger mit Sozialismus und Kindergärten als mit dem Umbruch von 1990 zu tun hat. Ja, man konnte schon abdriften nach 1990 als junger Ostdeutscher. Das ging mir damals auch so – und unterschied mich von meinen westdeutschen Freunden.
Was mich von meinen westdeutschen Freunden jetzt unterscheidet, ist, dass mich die Geschichte um die drei Jenaer Rechtsterroristen nicht nur schockiert hat, sondern auch weiter umtreibt – immer wieder durchforste ich das Internet nach neuen Meldungen (was ich wegen eines Wulff-„Skandals“ nie tun würde), will wissen, wer wem welche Gelder zahlte, warum keine der Konkurrenzunternehmen Verfassungsschutz und Polizei die Leute verhaftete, auch als sie ihren Aufenthaltsort kannten, und weshalb die Staatsanwaltschaft Erfurt nicht nur die Stasi im Fall Domaschk, sondern auch den Verfassungsschutz im Fall Mundlos schützte, als der Vater Mundlos gegen die Helfer seines Sohnes Anzeige erstattete.
Könnte es vielleicht sein, dass die Wahrheit auch ein linkes westdeutsches Selbstverständnis kränken könnte, ein Selbstbewusstsein machohafter Machtphantasien, das den linken Terrorismus insgeheim tolerierte , ein Schläger-Alphatier zum Außenminister machte und über die aufputschende Rolle der Geheimdienste in der ganzen Sache lieber nicht so genau Bescheid wissen wollte? Wird deshalb so gebetsmühlenartig der „Rechtsextremismus“ verdammt und nicht zuerst dessen Gewalt?
Was mich jedenfalls auf die Palme bringt, sind nicht irgendwelche von V-Leuten verfassten Ideologie-Papiere - es ist das kriminelle Netzwerk von Gewalttätern, deren Auftraggebern und Helfern, das die Behörden offenbar nicht zu fassen bekommen, weil die Ausläufer dieses Netzwerks längst bis in die Behörden hinein gewuchert sind.
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Freitag, 6. Januar 2012
Kleine Sprach-Kritik: Meint das grammatische Geschlecht auch ein biologisches?
damals, 19:31h
Dass ich voreingenommen bin, merke ich daran, dass ich zu Trömel-Plötz immer Revolver assoziiere. Ich mag halt das revolutionäre Element daran nicht. Denn Revolutionen wachsen aus tatsächlich vorhandenen Ungerechtigkeiten, führen aber in der Regel nicht zu mehr Gerechtigkeit. Natürlich ist es ungerecht, dass sehr lange Zeit die männliche Form einer Bezeichnung (z. B. „der Politiker“) ganz selbstverständlich Männer und Frauen meinte – ja, man kann das sogar diskriminierend nennen, wenn man auf politische Katagorisierungen steht. Nur kann man dagegen nichts tun (Gott sei Dank – das wäre ja noch schöner, wenn man in der Realität bestehende Ungerechtigkeiten – wie hier die Ungleichbehandlung von Mann und Frau – in der Sprache einfach so wegreden könnte!) Jedenfalls funktionieren die vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten nicht: „Auszubildende“ und „Studierende“ statt „Lehrlinge“ und „Studenten“ geht bloß im Plural, also in der Masse, also in öffentlichen Zusammenhängen. (Man merkt das daran, dass das politisch unbrauchbare, private Wort „Liebling“ ganz selbstverständlich auch heute noch für Männer und Frauen Anwendung findet.) Und noch schlimmer ist es mit den Bäcker_innen oder BäckerInnen. Das funktioniert gar nicht, weil man es nicht sprechen kann, nur schreiben, und also nur in Positionspapieren oder anderem Zettelkram anwenden.
Die eigentlich gewollte Revolution, nämlich endlich geschlechtsübergreifende, neutrale Wörter zu finden, hat also nicht geklappt. Was geklappt hat, ist der zerstörerische Teil der Revolution: Männliche Formen werden heute nicht mehr geschlechtsübergreifend verstanden – man muss die Frauen immer extra dazu nennen. Herausgekommen bei der ganzen Kampagne ist also eine überflüssige Sexualisierung und vor allem: der Ausschluss weiblicher Personen aus den allgemeinen Begriffen und damit eine noch stärkere Normierung von Frauen als weiblich. Bis die Leute am Ende gar keine geschlechtsneutralen, allgemein menschlichen Eigenschaften mehr gelten lassen und allen Ernstes glauben, dass „Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“.
Die eigentlich gewollte Revolution, nämlich endlich geschlechtsübergreifende, neutrale Wörter zu finden, hat also nicht geklappt. Was geklappt hat, ist der zerstörerische Teil der Revolution: Männliche Formen werden heute nicht mehr geschlechtsübergreifend verstanden – man muss die Frauen immer extra dazu nennen. Herausgekommen bei der ganzen Kampagne ist also eine überflüssige Sexualisierung und vor allem: der Ausschluss weiblicher Personen aus den allgemeinen Begriffen und damit eine noch stärkere Normierung von Frauen als weiblich. Bis die Leute am Ende gar keine geschlechtsneutralen, allgemein menschlichen Eigenschaften mehr gelten lassen und allen Ernstes glauben, dass „Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“.
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Mittwoch, 4. Januar 2012
Um 20.15 Uhr ist Showtime ...
damals, 23:06h
... und Schau-Prozesse mag ich nicht. Jedenfalls hab ich das Gespräch mit Wulff heute nach der Hälfte ausgemacht, es war zu peinlich: peinlich das sich windende Würstchen Wulff, noch peinlicher aber die scheinheilige Empörung der Journalisten. Ich meine, wer diese gespielte Entrüstung für echt hält, der glaubt auch, dass Wulff wegen besonderer Wohlanständigkeit zum Bundespräsidenten aufgestiegen ist.
Ich fühle mich von dem Affentheater auf Bildzeitungsniveau ringsherum verschaukelt, und es soll mir keiner, der dabei mittut, noch irgendwann mal wieder versuchen, den seriösen Politiker oder Journalisten vorzuspielen – kein Deppendorf, keine Roth und auch keine igitt Lengsfeld.
Ich fühle mich von dem Affentheater auf Bildzeitungsniveau ringsherum verschaukelt, und es soll mir keiner, der dabei mittut, noch irgendwann mal wieder versuchen, den seriösen Politiker oder Journalisten vorzuspielen – kein Deppendorf, keine Roth und auch keine igitt Lengsfeld.
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