Donnerstag, 26. Mai 2011
Aus gegebenem Anlass: Lesetipp Hans Fallada
Beim Aufbau-Verlag ist eine „vollständige“ Ausgabe von „Jeder stirbt für sich allein“ erschienen. Das Beiwort verspricht so eine Art Directors-Cut-Atmosphäre, obwohl ich glaube, dass der Schein trügt. Aber das ist vermutlich noch gar nicht der „gegebene Anlass“. Vielmehr scheint es eine Neu-Übersetzung desselben Romans ins Englische zu sein, die zum Bestseller wurde und so dazu führte, dass man sich auch im deutschen Sprachraum Hans Falladas erinnert. Nun, auf diese Aufmerksamkeitswelle möchte ich aufspringen.
Meine letzte Fallada-Lektüre ist ein paar Jahre her. Auf dem Bücherflohmarkt der örtlichen Gemeinde fiel mir ein Taschenbuch mit kurzen Fallada-Erzählungen in die Hände. Und diese Texte waren großartig: einfach, aber intensiv erzählt, realititätsnah, nachdenklich machend. Ich habe dann die „Geschichten aus der Murkelei“ zu Gute-Nacht-Geschichten für meinen Sohn gemacht mit großem Erfolg und mir auch ein paar Fallada-Romane vorgenommen: zunächst einmal „Kleiner Mann, was nun?“, das ich schonmal als Jugendlicher gelesen hatte, dann „Bauern, Bonzen, Bomben“ (weil das meine Mutter immer empfiehlt) und endlich “Wir hatten mal ein Kind“. So richtig überzeugt hat mich keiner der Romane, so dass Nr. 4 meiner Liste, „Der Trinker“, ungelesen liegen blieb.
Aber alle drei Bücher waren nur so halb gut: In „Wir hatten mal ein Kind“, das ich als Ganzes gesehen etwas sentimental fand, gibt es viele wunderbare Einzelepisoden. In „Kleiner Mann, was nun?“ finde ich den Beginn, die pommersche Kleinstadt-Atmosphäre, sehr gut getroffen. Und in „Bauern, Bonzen, Bomben“ hat mich weniger das historisch sicher interessante Thema (eine Revolte von rechts) berührt (anders als Göbbels, der davon begeistert war), sondern viel mehr das alter ego des Autors, das sich als arme, aufrecht sich bemühende, aber moralisch etwas zweifelhafte Person durchs Leben müht und natürlich genau dort scheitert, wo sie glaubt, das große Los gezogen zu haben. Ab dem Moment, wo sie stirbt, hatte mir das Buch nichts mehr zu sagen.
Also, was ich toll finde an Fallada, das ist sein Grundthema: das Elend des kleinen Mannes, das gar nicht in seiner Armut besteht, sondern in der gemeinen Tatsache, dass seine moralische Standfestigkeit viel leichter in Versuchung gerät als die des saturierten Normalbürgers . Und dieses Thema lässt sich vermutlich viel intensiver in kleinen Skizzen darstellen als in großen Romanen. Lesen Sie mal „Länge der Leidenschaft“ (eine Geschichte über die Liebe einer jungen Frau zu einem Betrüger) oder „Schmuggler und Gendarm“ (über einen vitalen Ganoven und eine arme Wurst von einem Gendarmen).
Oder machen Sie`s wie ich: Lesen Sie eine Fallada-Biografie. Wenn es eine gute ist wie die hier, werden Sie gerührt sein. Falladas Leben hat Romanqualitäten, und er war selbst dieser immer wieder strauchelnde kleine Mann: Er kam von oben (sein Vater war Richter am Reichsgericht), fiel nach ganz unten (Schießerei, Drogen, Betrügereien und Gefängnis), rappelte sich einigermaßen auf (fand eine robuste Frau aus dem Arbeitermilieu und sogar einen wohlwollenden Lektor – Rowohlt), aber blieb zeitlebens versucht vom Bösen (glaubte z.B. , Goebbels überlisten zu können, was natürlich schief ging), konnte von den Drogen nicht lassen (vielleicht auch dadurch erwarb er sich die Verehrung Johannes R. Bechers, der ebenso wie Fallada durch Drogen aus seiner großbürgerlichen Existenz gestürzt war einst und Fallada an seinem Lebensende vor den Karren der sowjetischen Kulturpolitik spannte).
Merkwürdig, dass es nun gerade dieses, vom späteren DDR-Kulturminister Becher in Auftrag gegebene, Buch ist, das nun zum Besteller wird: „Jeder stirbt für sich allein“. Ich werd es nicht nochmal lesen. Fallada hat Wichtigeres zu sagen als getreuliche Nazi-Aufarbeitung. Ich probiere es demnächst mit dem „Trinker“, der schon zum Lesen auf meinem Nachttisch bereit liegt. Und ich werde Ihnen berichten, ob sich meine Hoffnung erfüllt, dass er es nun endlich ist, der lang gesuchte, richtig gute Fallada-Roman.

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Eitle Träume
Da hat also Andreas Dresen sich mal wieder einen Film ausgedacht, über den Tod diesmal, und ihm den schönen Titel „Halt auf freier Strecke“ gegeben. Genau wie ich meiner Erzählung über den Tod vor ein paar Jahren. Jetzt kann ich träumen, dass Andreas Dresen von mir inspiriert wurde. Na ja, das war immer ein Traum von mir, „als namenloses Lied ins Volk zu gehen“, wie es Johannes R. Becher so schön kitschig formuliert hat. Als ich in der 11. Klasse war, wurde für die Jungen ein monatlicher Nachmittag mit Wehrsportübungen und Exerzieren eingeführt, unser Russischlehrer fungierte als Kommandeur, die Offiziersbewerber als Unteroffiziere. Natürlich bemühten wir uns, die Sache so gut wie möglich durch den Kakao zu ziehen. Es kam zum Eklat. Und vor dem Elternbeirat erklärte der Russischlehrer: "Der K., der tritt offen in Aktion, aber der damals, das ist der eigentliche Rädelsführer." Auch wenn er damit meinen Einfluss sicher überschätzt hat – ich war sehr stolz, als ich davon hörte.

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Dienstag, 3. Mai 2011
Wir-Gefühl
Da scheint es also schon Kleinkinder zu geben, die mit ihren Müttern besprechen, für welche Handy-Flatrate sie sich entscheiden wollen!



Oder gibt es vielleicht doch nur Mütter, die Kinder deshalb in die Welt setzen, damit sie auch mal majestätisch „Wir“ sagen können, wo sie „Ich“ meinen – so wie sonst eben der Arbeitgeber mit seiner corporate identity, die man kreuzbrav befolgt?
Man muss der Werbung dankbar sein, dass sie die üblichen Lebenslügen so wunderbar bebildert: „Wir“ bekommen die Werbung, die wir verdienen.

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Montag, 11. April 2011
Feminismus von rechts
... oder sogar „Völkischer Feminismus“, das wären angemessene Überschriften für meine Rezension zu Sofi Oksanens „Fegefeuer“.
Es geht um zwei Schwestern, Ingel und Aliide, die das Schicksal Estlands im 20. Jahrhundert verkörpern. Ingel, die ältere, trägt einen blonden Haarkranz, wie er damals in ländlich-völkischen Kreisen üblich war, und kann alles, was eine estnische Bauersfrau so können muss, einkochen, putzen, sticken usw., aus einer unerklärlich Rundumbegabung heraus perfekt, und sie bekommt natürlich auch den Wunder-Super-Mann Hans. Aliide ist ihre kleine Schwester und Neiderin. Sie wirbt vergeblich um Hans, kriegt auch sonst nichts auf die Reihe und führt Böses im Schilde.
An den Feminismus, wie er hierzulande üblich ist, erinnerte mich, dass es um Frauenprobleme geht und alle Männer blasse Nebenfiguren bleiben – außerdem, dass das Herz der Autorin an der Hexe hängt. Insofern bietet sich eine erfrischende Sicht auf die Welt: endlich mal eine Geschichte jenseits der üblichen männlichen Bildungsroman- oder Western-Erzählstruktur. Anders als im üblichen Feminismus verbindet sich diese Sicht aber in keiner Weise mit irgendeiner kritischen Einstellung, nicht in einem aufklärerischen und erst recht nicht in einem mystisch-ganzheitlichen Sinne. Denn das Herz der Autorin hängt zwar an der Hexe, aber die Hexe ist wirklich böse - einsam, Opfer und böse. Irgendeine Art überindividuellen Bezugs (der ja meines Erachtens jede Hexe auszeichnet) – zum Kosmos, zum Schicksal, zur Natur oder wenigstens zu irgendwelchen anderen Kreaturen – gibt es nicht. Der einzige gültige überindividuelle Maßstab ist ein reaktionärer Nationalismus – die Esten sind alle an sich gut (sofern sie sich nicht den Russen andienen), die Russen stinken grundsätzlich nach Zwiebeln und entbehren jeder schöpferischen Fähigkeit, sie können nur zerstören. Und die Juden – gibt es gar nicht, es sei denn als servile Russendiener.
Und so passiert, was passieren muss. Ingel heiratet Hans, übernimmt den Hof und wirtschaftet erfolgreich. Aliide bleibt als Hilfskraft und Neiderin im Haus geduldet. Erst als die Russen kommen, beginnt ihre Zeit. Sie hilft Ingel, Hans (der sich den Partisanen angeschlossen hat) zu verstecken, um diesen so doch noch für sich gewinnen zu können. Nach der Folterung und Vergewaltigung durch Russen, die Hans suchen, den sie aber nicht verrät, wird sie KGB-Spitzel, heiratet einen moskautreuen Esten (der – als Kennzeichen seiner verräterischen Gesinnung – ebenfalls nach Zwiebeln stinkt) betreibt die Deportation ihrer Schwester und Nichte nach Ostsibirien, übernimmt den Hof und versorgt Hans alleine weiter, ohne dass dieser etwas von der Deportation seiner Familie mitbekommt. Als Hans sich weigert, mit ihr gemeinsam ein neues Leben unter einer neuen Identität in Tallin (also der bösen Großstadt) zu beginnen, tötet sie ihn. Ihre Rehabilitation als Figur wird bewerkstelligt, indem sie in einem zweiten Handlungsstrang an ihrem Lebensende die Enkelin Ingels rettet, die auf der Flucht aus der Zwangsprostitution in Deutschland bei ihr Schutz sucht, indem sie deren Zuhälter, ehemalige russische Geheimdienstoffiziere, erschießt.
Was für eine gemeine, schmeißfliegenhafte Geschichte! (Die penetrante, fleischgierige Fliege ist das Zentralsymbol des Buches.) Es verleidet einem die Genugtuung darüber, dass auch einmal die stalinistischen Verbrechen – bis hin zu deren Folgeelend in Form von Russenmafia und Menschenhandel – in den Blickwinkel des westlichen Lesepublikums geraten. Denn was hat man von dem überdeutlichen Ausmalen der Verbrechen, wenn dem nichts gegenübersteht als vorgestriger, nationalistischer Kitsch?! Wie viel Schreckliches kann man erleben, ohne auch nur irgendetwas zu kapieren?

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Rassentrennung im sowjetischen Estland
Sozusagen passend als Vorprogramm zu der Rezension von Sofi Oksanens „Fegefeuer“, die ich schon seit Wochen schreiben will, lieferte mir am Freitag eine Kollegin einige Informationen über Estland in sowjetischer Zeit.
Erst kürzlich hatte ich erfahren, dass diese schöne, zurückhaltend-gepflegte, sehr russisch aussehende Sprachlehrerin mittleren Alters gar keine richtige Russin ist, sondern eine halbe Estin. Jetzt gab sie mir einige sehr interessante Informationen dazu.
Ihre Mutter ist Russin, nach Estland, in die estnische Teilrepublik, eingewandert und dort als Ingenieurin tätig gewesen. Sie ging eine Liebesbeziehung mit einem estnischen Kollegen ein. Als sie schwanger wurde, musste er alles seiner Familie beichten, die eine Verbindung mit einer Russin strikt ablehnte. Er brach den Kontakt ab, erkannte die Vaterschaft nicht an. Seine Tochter hat ihn nie kennen gelernt. So war das damals, erklärte mir meine Kollegin, die Bevölkerungsgruppen lebten nebeneinander her, hasserfüllt und auf Abstand. Es gab Betriebe, die waren in estnischer Hand, die wichtigen Industriebetriebe aber alle russisch – auch wenn ein estnischer Ingenieur, wie im vorliegenden Fall, durchaus auch dort eine Chance hatte. „Na klar, ich war ja auf einer russischen Schule, wir haben ab der dritten Klasse Estnisch gehabt – auch wenn`s die meisten nie wirklich sprechen lernten – wir hatten natürlich auch estnische Schüler, das war schon möglich für Esten, man konnte natürlich mehr erreichen als Absolvent einer russischen Schule. Also, den X., den Y., den Z. Iwanow ... ja, der war wirklich Este, manche Esten nahmen halt einen russischen Namen an, man konnte dann mehr erreichen ..“
Mit dem Jahr 1990 änderte sich dann die Richtung der Diskriminierung. Die Russen bekamen die neue estnische Staatsbürgerschaft nicht nach dem Ende der sowjetischen – sie bekamen von den Russen die russische, sofern sie dort geboren waren. Die Jüngeren mussten auf eigene Kosten einen Sprachkurs machen und einen Test bestehen, einige sind bis heute staatenlos (mit einem Schengen-Pass). Meine Kollegin hätte ja die estnische gleich bekommen, mit einem nachgewiesenermaßen estnischen Vater. Aber der, längst mit einer Estin verheiratet, ließ sich verleugnen, und sie machte, bei ihrem Sprachtalent kein Thema, die Prüfung, um Estin zu werden. Inzwischen hat sie einen deutschen Pass. „Ich hätte ja die estnische Staatsangehörigkeit drangegeben, aber man hat mir direkt angeboten ...“ Jetzt hat sie eine doppelte Staatsbürgerschaft. „Schön“, sagte ich, „da haben Sie wenigstens noch etwas von Ihrem Vater – die Staatsbürgerschaft.“

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Sonntag, 3. April 2011
Manche nehmens mit Humor


... heute an einer Haustür in Hamburg gesehen und schnell aus der Hüfte mit dem Handy geknipst ...

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Sonntag, 20. März 2011
Die Schönheit von Potsdam

Dieses Foto zeigt den Werderschen Weg. Die Straße mag Ihnen ein bisschen vergammelt vorkommen – mir ging das Herz auf, als ich sie letzte Woche entlanglief.
Ich war ja ein paar Tage bei meinen Eltern. Eltern sind das eine, das andere ist die Heimat. Einmal bin ich einfach rausgelaufen und wusste schon, wo entlang: zum Werderschen Weg. Dort konnte ich aufatmen, das erste Mal seit langem. Allein schon der Name der Straße macht glücklich: das altmodische "sch" als Adjektivendung. Und außerdem geht es von dort aus nach Werder, durch den Wildpark, am Kuhpfort vorbei. Ich bin oft mit dem Rad da lang, ein Schulfreund wohnte in Werder. Ich musste nur in Wildpark-West über die Eisenbahnbrücke, ein idyllischer Weg, denn die Militäranlagen versteckten sich im Wald, man konnte sie getrost übersehen, aber der Blick über die Havel nach der Werder-Insel, das ist einfach ... na ja, und dann hieß es Kirschen pflücken und stundenlang Tonbänder hören und abends im Dunkeln zurück durch den Wildpark.
Wenn Sie in Potsdam sind, besuchen Sie nicht nur die Schlösser! Das sind nur die Sahnehäubchen. Aber eine Torte kann nicht besser schmecken als ihr Tortenboden. Besorgen Sie sich ein Fahrrad und fahren Sie raus nach Caputh oder Werder. Oder lieber nach Petzow oder Marquardt, da sind weniger Touristen. Ich hätte das letzte Woche auch tun sollen, aber als Medien- und Stubenhocker nahm ich nur eine kleine DVD aus dem Buchladen meines Schwagers mit und sah dann abends mit den Eltern 50er-Jahre-Amateuraufnahmen vom Potsdamer Stadtschloss und der Innenstadt. Wir saßen da und glotzten Ewigkeiten auf Radfahrer und Straßenbahnen, die sich zwischen Schutthaufen und Ruinen durchschlängelten. Warum nur war das so schön? Meine Frau brachte es auf den Punkt: „Mensch, diese Straßen und Bäume! Das ist ja noch richtig ländlich!“ Damals sah es auch in der Potsdamer Innenstadt noch aus wie am Werderschen Weg.

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Mittwoch, 16. März 2011
Warum ist das, was schrecklich ist, eigentlich immer besonders spannend? (Rezension meiner aktuellen Lektüren)
Das fragte gestern mein Sohn, der die Frühjahrsferien bei seinen politikbegeisterten Großeltern verbringt und zu jeder Mahlzeit von diesen ehrlich entsetzte Kommentare zur jeweils aktuellen Weltkatastrophe erhält. Ja, warum eigentlich? Warum ist der Freiheitswillen des lybischen Volkes gestern ein Grund, gebannt auf den Fernsehschirm zu starren, aber heute explodiert ein Atomkraftwerk in Japan und Lybien ist vergessen? Meine Eltern würden hier sicher widersprechen, natürlich sind ihre Gedanken „auf Seite 2“ immer noch bei Lybien – und bei den Palästinensern sowieso, wo schon wieder illegale Häuser errichtet werden. Aber das blanke Entsetzen, das immer da ist, das kann immer nur an einem Ort sein, und das ist eben im Moment Japan.
Zum Glück funktioniert Literatur nicht immer so – und damit wäre ich bei der Besprechung meiner derzeitigen Lektüren. Ich hatte mir nämlich letztes Jahr anhand des Feuilletons ein paar Wunschbücher zusammengesucht und mich dann zu Weihnachten beschenken lassen. Da ich derzeit nur abends im Bett ein paar Minuten zum Lesen komme, gehörten der Januar und der Februar vollständig Melinda Nadj Abonjis „Tauben fliegen auf“, dem autobiografisch gefärbten Roman über zwei ungarisch-stämmige Schwestern aus der jugoslawischen Vojvodina, die als Kinder mit ihren Eltern in die Schweiz auswandern, den Jugoslawien-Krieg nur noch von außen, als Entronnene, durch unsichere Nachrichten aus der verlorenen Heimat, mitbekommen. Da geriet ich am Ende tatsächlich wieder in die oben beschriebene Politik-Falle: Ich ließ mich zwar hinreißen vom ungelenk-schwungvollen Charme des balkanesischen Wortschwalls (der Titel „Tauben fliegen auf“ charakterisiert diesen deutlich), war gerührt von der eindringlichen Darstellung, wie es ist, in der Fremde zu leben (wo ja niemand, auch der nicht der coolste Wirtschaftsflüchtling, als der der Vater der Familie sich gern ausgibt, ganz freiwillig ist) ... Ich ließ mich rühren und blieb dennoch unzufrieden, weil man so rein gar nichts erfährt über die Vorgänge in Jugoslawien – und dann auch noch verspottet wird, weil man das wissen will: „und wahrscheinlich würde Herrn Tognoni, Herrn und Frau Berger und die Schärers das, was ich von meinem Land erzählen wollte, nicht interessieren, es wäre gut möglich, dass sie mich etwas verlegen und mitleidig anschauen würden: Fräulein, wir dachten da an etwas Anderes, wir wollten etwas über die Kultur, die Geschichte, die Sprache, die Probleme erfahren – und nicht über die Luft zwischen den majestätischen Pappeln und Akazien, die winzigen Blumen, die zwischen den Pflastersteinen wachsen, ...“ (S. 241). Dabei hätte die Geschichte durchaus Anlass gegeben, gesellschaftlich konkreter zu werden: Der Cousin der Ich-Erzählerin wird zum Kriegsdienst gezwungen und abgeführt - und verschwindet einfach aus der Geschichte. Das ist realistisch, aber lässt den Leser unbefriedigt. Es bleibt eine Leerstelle.
Vielleicht hängt es auch mit dieser Leerstelle zusammen, dass die Erzählerin sich später in einen offenbar traumatisierten Jungen aus Sarajewo verliebt. Aber auch der erzählt nichts. Verständlich, aber unbefriedigend. Was bleibt, ist das hilflose Mitgefühl der Erzählerin, z. B. gegenüber ihrem Vater: „einen Moment lang schaue ich meinem Vater in die schutzlosen Augen, und ich würde gern einen Trost finden, mein Herz würde ihn gern geben, diesen Trost, jetzt, da mein Vater ein hilfloses Kind ist, aber ich, ich bin auch ein hilfloses Kind, seines, wenigstens das würde ich ihm gern sagen, ich stehe auf, verschwinde rasch in Richtung Toilette.“ (S. 163).
Welche Größe in dieser Selbstbescheidung liegt, in diesem Verzicht, die Schrecklichkeiten alle zu benennen, das begriff ich erst, als ich zum nächsten Buch griff: Sofi Oksanen „Fegefeuer“, Thema: eine andere Menschheitskatastrophe am Rande des russischen Imperiums: Estland zwischen den dreißiger Jahren und heute. Hier wird alles deutlich ausgesprochen, überdeutlich sogar. Jedes Verbrechen, jede Gemeinheit. Selbst die Fliege, die auch das Cover des Buches ziert, fliegt in ausführlich beschriebener Scheußlichkeit durch die Küche der Protagonistin und legt ihre Eier in jedes erreichbare Stückchen Fleisch. Diese Erzähltechnik lässt den Leser in Schockstarre verfallen, gebannt das Geschehen verfolgen. Zumal immer irgendetwas passiert – Spannung garantiert. Aber ehrlich gesagt: Historisch Neues erfährt man trotz Überdeutlichkeit nicht – dass erst die Russen die Esten deportierten, dann die Deutschen die Juden, dass erst die Kommunisten die national gesinnten Esten, dann diese wiederum die Kommunisten verfolgten und dass heutzutage mafiöse Organisationen, die sich teilweise auch aus ehemaligen KGB-Leuten rekrutieren, den Menschenhandel von Russinnen zur Prostitution nach Deutschland organisieren, das ist eigentlich schon bekannt. Das Wie hätte mich interessiert. Aber Psychologie ist nicht die Sache der Autorin. Das ärgert mich. Und dennoch: Ich bin erst bei der Hälfte, ich werde weiterlesen, wahrscheinlich sogar schneller als Nadj Abonji. So funktioniert es eben, das Geschäft mit dem Schrecken.

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Montag, 21. Februar 2011
Zwei Fragen zur Hamburg-Wahl
Zunächst, was das Prozedere betrifft: Da sind die beiden Favoriten ja diesmal bis in die Nähe der magischen 50%-Marke vorgedrungen: die SPD mit 48% und die Nichtwähler mit 43%. Das Ergebnis der SPD gilt als absolute Mehrheit. Aber ab wann gilt ein Wahlboykott als erfolgreich?
Auch die Aussagen, mit denen diese Ergebnisse erzielt wurden, finde ich fragwürdig. Offenbar gab es ja einen Wettkampf darum, wer am wenigsten davon verrät, was er nach der Wahl vorhat. Olaf Scholz von der SPD hat diesen Wettkampf bravourös gewonnen: Selbst ein „Ich sage gar nichts.“ war ihm für seine Wahlplakate zu viel – er titelte einfach: „Klarheit“. Dass sich die CDU entschlossen hat, tatsächlich typische CDU-Wahlziele auf ihre Plakate zu schreiben („Weniger Kriminalität“, „Starke Unternehmer, schwache Schüler“) – war diese Entscheidung schon eine vorweg genommenes Eingeständnis ihrer gewiss kommenden Niederlage?

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Mittwoch, 2. Februar 2011
Stimmungsbild vom 31. Januar
Gestern saß ich - firmenintern ausgeliehen – in einem Büro in Auflösung: Die Abteilung schließt zu Ende Januar, die beiden Kollegen gehen (nachdem ihre Arbeitsverträge jahrelang je dreimonatig „projektbezogen“ verlängert wurden – dass sowas überhaupt erlaubt ist!) in wenigen Tagen in die Arbeitslosigkeit. Die Stimmung kann man sich vorstellen, die Tätigkeit auch: Es ist Papierchaos zu ordnen, man vervollständigt Eintragungen und Unterschriften, heftet Zettel ab und versucht irgendwie das Bild einer geordneten „Übergabe“ (Übergabe wohin, an wen?) herzustellen, während man mit den Gedanken woanders ist.
Mein Part war die Korrektur eines Packens von Berichten zur „Biografiearbeit“ – Jugendliche hatten Informationen von alten Menschen in Pflegeheimen gesammelt. Solche Lektüre kann die Stimmung runterziehen, auch ohne die Gesichter der Kollegen und das Grau vorm Fenster. Immerhin war da von Menschen die Rede, die kaum älter als meine Eltern, aber doch schon krank, gebrechlich, am Ende sind. Da die Zeit drängte, las ich die Berichte schnell nacheinander weg, so dass sich die negativen Eindrücke gegenseitig verstärkten und selbst die lustigen Rechtschreibnaivitäten der jungen Autoren (eine Kindheit in Trafel münde, eine Kommode schippen Dill, ...) eher zur Verdeutlichung des tristen Bildes beitrugen. Immer die gleiche Reihenfolge: Krieg, später zu viel Arbeit (im Beruf, im Haushalt), endlich Krankheit und Heim. Nur bei einigen wenigen der Texte leuchtete etwas Positives, Warmes auf und das war, wenn jemand eine gute Ehe geführt hatte. Nirgends wurden Kinder als Grund für das Glück angegeben, manchmal aber der Ehepartner. So sieht es wohl aus, wenn man aufs Leben zurückschaut.
Ich dachte daran, dass auch meins ja schon einigermaßen fortgeschritten ist. Am Morgen im Radio hatten sie angesagt, dass es jetzt ganz offiziell losgeht mit der Maloche im Rentenalter, die wir alle ja schon als feste Zukunftsgröße eingeplant haben. Wird es nie aufhören mit der Ackerei?
Fünf Minuten vor Feierabend klingelte mein Handy, meine Frau rief an (was sie fast nie tut): „Ich hab jetzt meinen ganzen freien Tag lang saubergemacht und aufgeräumt und damals jr. war heut noch gar nicht draußen – wollen wir nicht einfach mal nach Blankenese fahren, wenn du kommst?“ Wir haben das gemacht, sind durchs Treppenviertel gestiefelt (eine Gegend, in der das Hamburger Griesegrau und die frühe Dämmerung noch am besten aussehen), einfach rumgelaufen und auf dem Süllberg die feine Toilette benutzt und wieder zurück gefahren. Später stellte sich heraus, dass diese kleine Flucht auch eine Flucht meiner Frau vor einer stressigen, angstbesetzten Schreibtischarbeit war, sie hat dann spät abends noch ihren nächsten Arbeitstag vorbereitet.
Trotzdem war es richtig. Diese paar Stunden zusammen im Abenddämmer – wenn man nachher zurückblickt, daran wird man sich vermutlich erinnern.

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Sonntag, 9. Januar 2011
Plädoyer für eine Aussetzung des Wortes „Kommunismus“ (weil leicht verschwindet, wofür Worte kommen)
Wie ich sicher schon erwähnt habe, befand sich im Wohnzimmertisch meiner Eltern einige Jahre lang eine Wanze, die die Gespräche an diesem Tisch getreulich aufzeichnete – und mir später dank BStU erlaubte, Elemente meiner Erziehung genau zu rekonstruieren. Da spricht z. B. meine Mutter gegenüber meinem Vater von der Enttäuschung, dass ihre Kinder die marxistischen Begriffe nicht mehr ernst nehmen, weil sie ihnen durch den geistlosen und verlogenen Staatsbürgerkundeunterricht beigebracht wurden. Richtig. Schon damals ist das Kind in den Brunnen gefallen und die entsprechende Terminologie unbrauchbar geworden. Und das ist dreißig Jahre her.
Seitdem ist die Sinnentleerung dieser Begriffe weiter fortgeschritten. Meine Fernschüler schreiben oft und gern aus diesem Internettext ab, in dem behauptet wird, Bertolt Brecht sei in den dreißiger Jahren vor dem kommunistischen Regime in Deutschland ins Ausland geflohen – „Kommunismus“ gilt ihnen als unspezifische Bezeichnung für das schlechthin Böse in der Politik. Nun hat Gesine Lötzsch daran erinnert, dass es auch Leute gibt, die den Kommunismus ebenso unreflektiert für das Gute halten. Was er eigentlich ist, wissen offenbar beide nicht.
Jedenfalls habe ich Gesine Lötzsch vor ein paar Tagen im Deutschlandfunk-Interview gehört und sie war nicht in der Lage, dem Interviewer zu erklären, inwiefern Rosa Luxemburg demokratisch dachte (Ich hab das richtige Argument gleich eingeworfen, aber leider funktioniert ein Radio nicht als Sender und niemand hörte mich.) Und dann stritt sie sich mit dem Interviewer, ob sie sich für die Verbrechen des Kommunismus entschuldigen sollte. Als ob es auf diese Höflichkeitsgeste ankäme.
Wollte man den Begriff „Kommunismus“ wirklich ernsthaft in einem aktuellen Kontext verwenden, dann müsste man doch zuerst über die strukturellen Schwächen nachdenken, die der Kommunismus (wie jede Ideologie) hat und die die besagten Verbrechen erst ermöglicht haben. Aber daran scheinen weder Antikommunisten noch Kommunismus-Fans ein Interesse zu haben.
Auf „Kommunismus“ als hohlen Kampfbegriff kann ich getrost verzichten. Neulich fand ich in einer „Zu-verschenken“-Kiste am Straßenrand Rosa Luxemburgs politische Schriften. Ich nahm das Buch mit, schlug es zu Hause auf und stellte fest, dass es unlesbar ist – sofern man 100 Jahre altes Partei-Chinesisch nicht simultan übersetzen kann. Ich bin sicher, dass Luxemburg zu den ehrenhaftesten Politikern der letzten 100 Jahre gehört. Aber ich habe das Buch weggeworfen. Damit habe ich ihrem Andenken vermutlich die meiste Ehre angetan.

Und da heute doch der Gedenktag ist, will ich das durch ein Günter-Kunert-Gedicht aus den achtziger Jahren erklären:

Am Landwehrkanal

Durch Zeiten schwammen sie: Die Toten
Getragen von Kanälen unsrer Stadt.
Doch als sie uns erreichten, hat
Ihr Stummsein Schweigen uns geboten.

Weil leicht verschwindet, wofür Worte kommen:
Die bleiben, während ihr versinkt,
und ohne dass euch eines wiederbringt.
Sie haben euere Stelle eingenommen.

Gedenke sprachlos: Bilderfetzen,
von blinder Oberfläche absorbiert,
bevor auch solch Erinnern sich verliert
mit Wut und Ohnmacht und Entsetzen.

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Mittwoch, 5. Januar 2011
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (ein Feminismus-Bericht)
Meine Schwiegermutter ist eine stille, schmale Frau von 80 Jahren, die Medikamente verabscheut, Umarmungen und herzliche Nähe meidet und normalerweise mit Fontane, Siegfried Lenz und einer Katze in ihrer altersgerechten Wohnung bleibt. Meine Frau hätte ja lieber eine richtige Mutter, aber mir ist sie gerade recht so. Diesmal war sie zu Weihnachten bei uns, eine sehr entspannte Angelegenheit, da wir meine harmoniesüchtigen Eltern auf das emotional weniger aufgeladene Silvester verschieben und einfach mit einem pflegeleichten Gast zu Hause bleiben konnten. Ich war schon am zweiten Weihnachtsfeiertag so ausgeschlafen, dass ich vor meiner Frau wach wurde und schonmal bei Deutschlandfunk in der Küche mit den Frühstücksvorbereitungen anfing.
Im Radio war von der heiligen Familie die Rede. Barbara Vinken, deren Beruf mit „Postfeministin“ angegeben wurde, lieferte eine spannende Kritik einer typisch deutschen, protestantischen Familienvorstellung, die der Frau das Körperliche als heilig, häuslich und moralisch zuweist, während der Mann ins feindliche Leben hinauszutreten hat. Das leuchtete mir gleich ein – ich kenne es gut aus meiner Kindheit: Meine Mutter war immer zu Hause und die einzige in der Familie, die immer sagte und sagen durfte, was sie dachte – denn sie vertrat ja die Moral (als wir Kinder aufgeregt und ängstlich aus der Schule kamen: „Breschnew ist gestorben!“, meinte sie nur: „Ach, ist die alte Ratte tot.“), während mein Vater als Berufstätiger und Angestellter immer tendenziell im Unrecht war, sobald er das Haus verließ. Wenn er abends zurückkam, besprach er mit meiner Mutter, ob und inwieweit sein Handeln als Direktor eines staatlichen Unternehmens moralisch vertretbar war. An dieser Konstellation war also nicht nur die DDR schuld, sondern auch der Protestantismus.
Also, dass dieses Familienmodell nervt, verstehe ich. Wie aber anders? Vinken empfahl, wie für eine deutsche Prostentantenhasserin üblich, die französische Alternative. Dort sind, erklärte sie, aus historischen Gründen Elemente der Adelskultur stärker ins moderne Selbstverständnis eingeflossen: die Vorstellung von der edlen Frau, die sich nicht übers Kinderkriegen, sondern über ihre Rolle als Herrin definiert, zu der eine intellektuelle Ausbildung und gesellschaftliches Handeln gehören – in heutiges Deutsch übersetzt: die Frau als Berufstätige, die Aufgaben der Kinderaufzucht minimiert und delegiert. („Ich bin eine Französin. Wir stillen nicht!“ erklärte mir vor Jahren eine Kollegin, als ich sie fragte, wie sie den Berufseinstieg so schnell nach der Geburt hingekriegt habe.) Die Frau also, die sich wie der Mann durch die Berufskarriere legitimiert. Allerdings ist diese Selbstdefinition nicht weniger protestantisch als die als heilige Mutter, wie die Interviewerin ganz richtig anmerkte.
Sie merken schon: Ich stehe dem Postfeminismus (schon das Wort ist schrecklich) von Barbara Vinken skeptisch gegenüber. Da scheint sich ein guter Grundimpuls (die Empörung über die Ungleichbehandlung von Frauen) ins Uneigentliche und Akademische zu verflüchtigen. Als ich im Internet nachblätterte, fiel mir wieder ein, dass ich schonmal eine Magisterarbeit bei Barbara Vinken lektoriert habe, eine ehrgeizige, sehr kluge, aber ziellose Arbeit über Kleist, bei der am Ende rauskam, dass die Marquise von O. an ihrer Vergewaltigung selber schuld war: Feminismus, der sich vor lauter Intellektualität in sein Gegenteil verkehrt. Natürlich kann man eine Professorin nicht für die Arbeiten ihrer Studenten verantwortlich machen. Aber es ist so ein Eindruck.
Mir fiel im Internet auch auf, dass Vinken nur die Nr. 2 gewesen war – vor ihr (da hatte ich das Radio noch gar nicht angehabt) war natürlich ein männlicher Professor interviewt worden, Albrecht Koschorke, ein ebenso kluger, akademischer, aber sehr defensiver Mensch. Nicht mal, als die Interviewerin den groben Fehler beging zu behaupten, das Patriarchat sei vorbei, widersprach er – sondern flocht nur sanft relativierende Äußerungen in die folgenden Antworten ein. Und zur Vorherrschaft des Mannes meinte er, nicht der Mann habe die Vorherrschaft, sondern nur der Mann, der sich perfekt ins patriarchalische System einfüge. Richtig.
Nur: Ist es nicht auffällig, wie sich die Protagonisten verhalten? Die Frau kämpferisch, in einer Hassliebe dem herrschenden patriarchalen Protestantismus verfallen (ihr Hass und ihre Wut sind die Eintrittskarte in dieses System) – der Mann dagegen defensiv, relativierend, abwartend (diese Defensive ist, wie er selber bekennt, seine Eintrittskarte als Mann).
Das sind seit den sechziger Jahren die eingeübten Geschlechterrollen: Zum familiären Weihnachtsprogramm gehörte auch „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Sie kennen es vielleicht: Aschenbrödel ist eine mädchenhafte Schönheit, eine adlige, ganz unfrauliche Erscheinung, die das Schönheitsideal meiner Generation geprägt hat. Als Mutter kann man sich dieses Aschenbrödel wahrlich nicht vorstellen, als Königin schon eher.
Ja, aber, lieber Prager Filmstudio, liebe Barbara Vinken – was sollen wir machen: Wir sind erwachsen geworden und keine Könige, stattdessen Väter und Mütter, die auf bürgerliche Weise ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Verachtung von Körper und Fraulichkeit bringt uns wenig, am wenigsten bringt sie uns irgendeine Befreiung der Frau. Und wenn es um das revolutionäre Potential im Weiblichen geht – dann doch bitte nicht „Berufstätigkeit“ oder gleichberechtige Karriere. Sondern eher so wie mein Freund T. nach „Drei Haselnüsse ...“ bemerkte: „Saxana ist doch besser.“ Saxana, das Mädchen auf dem Besenstiel. Deren Naturell könnte auch im Berufsalltag nützlich sein.

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