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Freitag, 3. August 2007
Briefe 20 und 21 - "Idealisten"-Reaktionen auf meinen Entschluss, nach Hamburg umzuziehen
damals, 18:51h
* 11.12.89, von Thomas
Lieber Martin!
Ja,ja, die Zeiten ändern sich mit unbegreiflichem Tempo! Es ist unfaßbar, was in diesen bewegten Wochen so alles ans Tageslicht kommt, wie schnell die uns über Jahrzehnte eingetrichterten "Ideale" und "Idole" sich als kriminelle Machenschaften und Vereinigungen entpuppen. Traurig ist es, daß immer noch so viele das Handtuch werfen und "übersiedeln", aber eben durch diese Völkerwanderung und durch die Demo’s ist der ganze Sumpf ja in Bewegung geraten. Ich persönlich habe ein unwahrscheinlich schlechtes Gewissen, daß ich aus falschem Patriotismus ja, ja + immer nur ja zu allem gesagt habe. Sogar war ich für fast ein halbes Jahr Mitglied dieser ach so korrupten "Partei", aber wie so viele (z.B. sämtliche "Mitglieder" aus meinem Bekanntenkreis) habe ich diesen Verbrechern schon vor Wochen die "rote" Karte gezeigt und zurückgegeben. Dieser Schritt ist mir dann nicht mehr schwer gefallen, im Gegenteil, jetzt bin ich sogar stolz darauf.
In der vergangenen Woche habe ich gemeinsam mit meiner Frau den "sterbenden" und "faulenden" Kapitalismus in Augenschein genommen; es ist schon beeindruckend, was es da so alles zum Anschauen und Anfassen gibt. Gestaunt habe ich aber über so viele "Mitbürger", die rigoros freiwillig in die "Bananenfalle" gegangen sind. Konsumrausch gut und schön, aber das kann doch nicht das höchste aller Ziele sein?! ...
Herzlichst!
Thomas und Jana
* Dezember, Zettel bei Beurteilung durch die Seminargruppenbetreuerin zwecks Exmatrikulation
Lieber Martin!
Anbei die Einschätzung für Dich. Du könntest Frau N. bitten, daß sie dir selbige in der Sektion vervielfältigt, ja? Ich hoffe oder denke, soweit solcherart "Einschätzungen" überhaupt möglich sind, geht diese nicht ganz an Dir vorbei. Falls Du noch etwas benötigst, ich bin ab 8.1. wieder in Gwd. ... Sollten wir uns nicht mehr sehen, so wünsche ich dir noch einmal einen guten Start + ein gutes Gelingen, viel Kraft und Courage für den Neuanfang und bei der Selbstfindung/-verwirklichung.
(Du solltest keine Scheu haben, weiter etwas Kontakt zu halten und, sollte alles noch schwieriger sein, als gedacht, den Weg "zurück" nicht ausschließen - auch wenn Dir hier natürlich niemand eine Rückimmatrikulation garantieren kann + wird)
Alles Gute
R. D.
Lieber Martin!
Ja,ja, die Zeiten ändern sich mit unbegreiflichem Tempo! Es ist unfaßbar, was in diesen bewegten Wochen so alles ans Tageslicht kommt, wie schnell die uns über Jahrzehnte eingetrichterten "Ideale" und "Idole" sich als kriminelle Machenschaften und Vereinigungen entpuppen. Traurig ist es, daß immer noch so viele das Handtuch werfen und "übersiedeln", aber eben durch diese Völkerwanderung und durch die Demo’s ist der ganze Sumpf ja in Bewegung geraten. Ich persönlich habe ein unwahrscheinlich schlechtes Gewissen, daß ich aus falschem Patriotismus ja, ja + immer nur ja zu allem gesagt habe. Sogar war ich für fast ein halbes Jahr Mitglied dieser ach so korrupten "Partei", aber wie so viele (z.B. sämtliche "Mitglieder" aus meinem Bekanntenkreis) habe ich diesen Verbrechern schon vor Wochen die "rote" Karte gezeigt und zurückgegeben. Dieser Schritt ist mir dann nicht mehr schwer gefallen, im Gegenteil, jetzt bin ich sogar stolz darauf.
In der vergangenen Woche habe ich gemeinsam mit meiner Frau den "sterbenden" und "faulenden" Kapitalismus in Augenschein genommen; es ist schon beeindruckend, was es da so alles zum Anschauen und Anfassen gibt. Gestaunt habe ich aber über so viele "Mitbürger", die rigoros freiwillig in die "Bananenfalle" gegangen sind. Konsumrausch gut und schön, aber das kann doch nicht das höchste aller Ziele sein?! ...
Herzlichst!
Thomas und Jana
* Dezember, Zettel bei Beurteilung durch die Seminargruppenbetreuerin zwecks Exmatrikulation
Lieber Martin!
Anbei die Einschätzung für Dich. Du könntest Frau N. bitten, daß sie dir selbige in der Sektion vervielfältigt, ja? Ich hoffe oder denke, soweit solcherart "Einschätzungen" überhaupt möglich sind, geht diese nicht ganz an Dir vorbei. Falls Du noch etwas benötigst, ich bin ab 8.1. wieder in Gwd. ... Sollten wir uns nicht mehr sehen, so wünsche ich dir noch einmal einen guten Start + ein gutes Gelingen, viel Kraft und Courage für den Neuanfang und bei der Selbstfindung/-verwirklichung.
(Du solltest keine Scheu haben, weiter etwas Kontakt zu halten und, sollte alles noch schwieriger sein, als gedacht, den Weg "zurück" nicht ausschließen - auch wenn Dir hier natürlich niemand eine Rückimmatrikulation garantieren kann + wird)
Alles Gute
R. D.
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Freitag, 3. August 2007
Briefe 17, 18, 19. - die Mauer ist offen!
damals, 00:15h
* 24.11., Postkarte von Andi
Die DDR hat mich wieder! In Lübeck war ich eine Nacht und einen halben Tag. Ich hab schon wieder Demonstriert bei Temperaturen unter 0°C Wie geht es dir und deiner Kameradin freue mich über jeden Brief
* November, von Maria
... 1x war ich in W-Berlin. In Wertheim wollte ich Bomben legen ...
* November, von Monika
Lieber Martin. Ich schreib Dir mal wie’s bis jetzt war. Ich war in Gießen, hab das Aufnahmeverfahren gemacht und bin seit heute in HH. Habe einen vorläufigen Pass und ab morgen (1.12.) gibts Bewerbungsunterlagen. Das wars eigentlich schon. Gießen ist wirklich ganz gut, da wird alles hintereinander abgewickelt. Man bekommt den Aufnahmeschein, den man für vieles Spätere braucht, ebenso wie 200 DM Überbrückungsgeld + Fahrkarte zum zukünftigen Wohnort. 2 Tage war ich dort. In HH sind wir nicht in ein Heim überwiesen worden, sondern an ein Amt. Dort saß ich heute früh, bis jemand ein Zimmer freigemeldet hatte. Und so bin ich im Hotel Rosengarten gelandet. Das ist so, wie man es sich vorstellt, und ich hätte nicht gedacht, daß Ulla Meinecke und viele andere Berühmtheiten, die ich mir noch nicht so genau betrachtet habe, hier auch schon waren. Die Adresse steht in meinem Pass. In Gießen war ich noch bei der Benecke-Stiftung. Im März soll ich an einem 3tägigen Infoseminar in Berlin teilnehmen. Alles kostenlos (incl. Fahrt). Darauf freue ich mich, da kann ich mir dann Bln. ansehen. -
Und heute ist schon wieder ein Tag später, und ich brauche Ruhetage. Bisher ging alles so schnell, d.h., soviel ist an mir vorbeigerauscht. Biermann im Fernsehen habe ich gerade ausgemacht, der hats einfach gut, der Junge, weil er mit sich klarkommt. Mir ist immer noch schwindlig ... Jedenfallls all diese Laufereien nun ja - es funktioniert aber alles. Keiner meckert, keiner stellt sich bockig, es stöhnt nicht mal jemand, wenn ich ein Anliegen habe. Hach ja. Trotzdem bin ich noch eingefroren. Die Tränen kommen immer mal bis vor die Augen + dann ist gleich wieder gut.
Die DDR hat mich wieder! In Lübeck war ich eine Nacht und einen halben Tag. Ich hab schon wieder Demonstriert bei Temperaturen unter 0°C Wie geht es dir und deiner Kameradin freue mich über jeden Brief
* November, von Maria
... 1x war ich in W-Berlin. In Wertheim wollte ich Bomben legen ...
* November, von Monika
Lieber Martin. Ich schreib Dir mal wie’s bis jetzt war. Ich war in Gießen, hab das Aufnahmeverfahren gemacht und bin seit heute in HH. Habe einen vorläufigen Pass und ab morgen (1.12.) gibts Bewerbungsunterlagen. Das wars eigentlich schon. Gießen ist wirklich ganz gut, da wird alles hintereinander abgewickelt. Man bekommt den Aufnahmeschein, den man für vieles Spätere braucht, ebenso wie 200 DM Überbrückungsgeld + Fahrkarte zum zukünftigen Wohnort. 2 Tage war ich dort. In HH sind wir nicht in ein Heim überwiesen worden, sondern an ein Amt. Dort saß ich heute früh, bis jemand ein Zimmer freigemeldet hatte. Und so bin ich im Hotel Rosengarten gelandet. Das ist so, wie man es sich vorstellt, und ich hätte nicht gedacht, daß Ulla Meinecke und viele andere Berühmtheiten, die ich mir noch nicht so genau betrachtet habe, hier auch schon waren. Die Adresse steht in meinem Pass. In Gießen war ich noch bei der Benecke-Stiftung. Im März soll ich an einem 3tägigen Infoseminar in Berlin teilnehmen. Alles kostenlos (incl. Fahrt). Darauf freue ich mich, da kann ich mir dann Bln. ansehen. -
Und heute ist schon wieder ein Tag später, und ich brauche Ruhetage. Bisher ging alles so schnell, d.h., soviel ist an mir vorbeigerauscht. Biermann im Fernsehen habe ich gerade ausgemacht, der hats einfach gut, der Junge, weil er mit sich klarkommt. Mir ist immer noch schwindlig ... Jedenfallls all diese Laufereien nun ja - es funktioniert aber alles. Keiner meckert, keiner stellt sich bockig, es stöhnt nicht mal jemand, wenn ich ein Anliegen habe. Hach ja. Trotzdem bin ich noch eingefroren. Die Tränen kommen immer mal bis vor die Augen + dann ist gleich wieder gut.
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Mittwoch, 1. August 2007
Briefe 15 und 16 - Westreaktionen auf den 9.11.
damals, 23:51h
* von Andreas
14.11.1989 Lieber Martin!
War das schön. Telefonisch einfach kein Durchkommen. Hätte ich dich überhaupt erreicht? So ein Glücksgefühl habe ich noch nie erfahren, ich kann es brieflich auch nicht weitergeben - einfach zu viele Facetten. Nur so viel- Als die Meldung in den heute-Nachrichten des ZDF um 19 Uhr gebracht wurde, war ich die Ruhe selbst. Die Reisefreiheit war ja angekündigt. Da mußte der nächste logische Schritt einfach die Öffnung der Mauer sein. Als dann von der ARD-Tagesschau um 20 h die Bilder aus dem Bundestag gezeigt wurden, das spontane Absingen der 3. Strophe des Deutschlandliedes, blieb ich auch noch ruhig. Ist das die Hymne derer, die sich am Sonntag zuvor auf dem Alex versammelt haben? Wohl nicht, aber kann man es wissen? ...
Gerührt wurde ich durch das Bild von Willy Brandt. Daß der dies erleben durfte! Ich hatte einen Kloß im Hals. Nachts um l h, 10.11.1989. Allein vor dem Kasten, die ersten Bilder der "Besucher vom ändern Stern". Stille Tränen. Warum hat diese blöde ARD dann abgeblendet? Ich legte mich hin. Dicht neben mir das Kofferradio, RIAS auf Kurzwelle, ständig Interviews und Reportagen. Ich blieb wach bis in den frühen Morgen; dachte an dich, an Mechthild und die Deinen, an unser Volk. Deutsche Geschichte im Schnelldurchlauf, persönliche Betrachtungen. Martin, ich weinte stundenlang. Ich fühlte mich zum ersten Mal in der Bundesrepublik als Deutscher ...
* von Peter
Nürnberg, 15.11.89 Lieber Martin, kurz nach Mitternacht ein schneller Brief - die nächsten Tage komme ich nicht zum Schreiben, aber die Zeit verlangt einen Brief an dich.
Du erinnerst dich sicher, wie wir drei uns in Potsdam jener Brücke näherten, so weit wir eben konnten, einer jener abweisend-undurchdringlichen Grenzpunkte. Daran und auch an die wirklich physische Undurchdringlichkeit von Drewitz mußte ich in den letzten Tagen oft denken, wenn ich Zeitung las, mit DDR-Besuchern sprach, selbst schaute, und zwar an einem Grenzübergang nordwestlich von Coburg. Ich hatte Freunde dort besucht, und am Sonntagnachmittag fuhren wir auf Schleichwegen zum "Eisfelder Blick". Ich erwartete Schlimmes und war sehr skeptisch, weil ich mit nationalistischem Getöse, Fahnenschwingen etc. rechnete. Aber die Flachserei über die mit Handtüchern den hunderten und tausenden Trabis zuwinkenden Grenzdörfler wich bald Staunen. Ein paar hundert "Westler" standen zu beiden Seiten der StraBe im blauen Autodunst und winkten der endlos scheinenden Autokarawane zu, die in beiden Richtungen an ihnen vorbeikroch. Gelöste DDR-Grenzposten plauderten mit bayerischen Polizisten und Umstehenden, ich traute meinen Augen nicht. Und das für mich Überraschende war die freundlich-friedfertige Stimmung, die über allem lag. Zudem sah ich erstmals in meinem Leben vor Freude weinende Erwachsene persönlich.
Das Chaos in Coburg will ich nicht näher beschreiben, es wäre nur ein weiterer Bericht ...
14.11.1989 Lieber Martin!
War das schön. Telefonisch einfach kein Durchkommen. Hätte ich dich überhaupt erreicht? So ein Glücksgefühl habe ich noch nie erfahren, ich kann es brieflich auch nicht weitergeben - einfach zu viele Facetten. Nur so viel- Als die Meldung in den heute-Nachrichten des ZDF um 19 Uhr gebracht wurde, war ich die Ruhe selbst. Die Reisefreiheit war ja angekündigt. Da mußte der nächste logische Schritt einfach die Öffnung der Mauer sein. Als dann von der ARD-Tagesschau um 20 h die Bilder aus dem Bundestag gezeigt wurden, das spontane Absingen der 3. Strophe des Deutschlandliedes, blieb ich auch noch ruhig. Ist das die Hymne derer, die sich am Sonntag zuvor auf dem Alex versammelt haben? Wohl nicht, aber kann man es wissen? ...
Gerührt wurde ich durch das Bild von Willy Brandt. Daß der dies erleben durfte! Ich hatte einen Kloß im Hals. Nachts um l h, 10.11.1989. Allein vor dem Kasten, die ersten Bilder der "Besucher vom ändern Stern". Stille Tränen. Warum hat diese blöde ARD dann abgeblendet? Ich legte mich hin. Dicht neben mir das Kofferradio, RIAS auf Kurzwelle, ständig Interviews und Reportagen. Ich blieb wach bis in den frühen Morgen; dachte an dich, an Mechthild und die Deinen, an unser Volk. Deutsche Geschichte im Schnelldurchlauf, persönliche Betrachtungen. Martin, ich weinte stundenlang. Ich fühlte mich zum ersten Mal in der Bundesrepublik als Deutscher ...
* von Peter
Nürnberg, 15.11.89 Lieber Martin, kurz nach Mitternacht ein schneller Brief - die nächsten Tage komme ich nicht zum Schreiben, aber die Zeit verlangt einen Brief an dich.
Du erinnerst dich sicher, wie wir drei uns in Potsdam jener Brücke näherten, so weit wir eben konnten, einer jener abweisend-undurchdringlichen Grenzpunkte. Daran und auch an die wirklich physische Undurchdringlichkeit von Drewitz mußte ich in den letzten Tagen oft denken, wenn ich Zeitung las, mit DDR-Besuchern sprach, selbst schaute, und zwar an einem Grenzübergang nordwestlich von Coburg. Ich hatte Freunde dort besucht, und am Sonntagnachmittag fuhren wir auf Schleichwegen zum "Eisfelder Blick". Ich erwartete Schlimmes und war sehr skeptisch, weil ich mit nationalistischem Getöse, Fahnenschwingen etc. rechnete. Aber die Flachserei über die mit Handtüchern den hunderten und tausenden Trabis zuwinkenden Grenzdörfler wich bald Staunen. Ein paar hundert "Westler" standen zu beiden Seiten der StraBe im blauen Autodunst und winkten der endlos scheinenden Autokarawane zu, die in beiden Richtungen an ihnen vorbeikroch. Gelöste DDR-Grenzposten plauderten mit bayerischen Polizisten und Umstehenden, ich traute meinen Augen nicht. Und das für mich Überraschende war die freundlich-friedfertige Stimmung, die über allem lag. Zudem sah ich erstmals in meinem Leben vor Freude weinende Erwachsene persönlich.
Das Chaos in Coburg will ich nicht näher beschreiben, es wäre nur ein weiterer Bericht ...
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Mittwoch, 1. August 2007
Briefe 13 und 14
damals, 00:33h
* 25.10., von Monika
... Im Fernsehen kam gerade Egon Krenz, dessen Antrittsrede wir uns anhören wollten. Sie war mühsam und nicht lange auszuhalten. Und eigentlich war es sehr traurig. Ein Mensch redet zu Menschen in seinem Land und er redet, ohne daß man sein Herz spürt; er betont seine Stimme - es klingt blechern und scheint unaufhörlich zu scheppern ...
* 1.11., von Andreas
Lieber Martin!
Jetzt bricht mein Skeptizismus voll durch. Ich glaube nicht, daß die SED die Reisefreiheit gewähren wird. Die Devisenfrage wird als Schutzbehauptung vorgeschoben. Für mich als Historiker sind Opportunismus und Verstellung absolut nichts Neues. Aber erstaunlich ist es doch, zu sehen und zu hören, wie viele in der DDR jetzt plötzlich ganz anders reden als zuvor. Kurzum - was nutzt der Reisepaß ohne Aus- und Einreisevisum. Und dabei bleibt's doch nicht! Ich vermute, daß in Zukunft jeder Antragsteller für Westreisen noch eine Vermögensoffenbarung über Devisenbesitz beilegen muß. Das ergänzt dann die dem Antragsteller nicht unmittelbar einsichtig gemachte politische Wohlverhaltensklausel.
ALSO: wenn Du eine Einladung zur Vorlage bei der Visaabteilung brauchst, laß es mich schnell wissen. An die "Wende" in der DDR kann ich nicht glauben. Wer wen -die Frage beantwortet ein Herr Schabowski und ein Herr Modrow, ein Herr Krenz wie ein Herr Honecker letztlich gleich
Wachen Sinnes und illusionslos
Dein Andreas
... Im Fernsehen kam gerade Egon Krenz, dessen Antrittsrede wir uns anhören wollten. Sie war mühsam und nicht lange auszuhalten. Und eigentlich war es sehr traurig. Ein Mensch redet zu Menschen in seinem Land und er redet, ohne daß man sein Herz spürt; er betont seine Stimme - es klingt blechern und scheint unaufhörlich zu scheppern ...
* 1.11., von Andreas
Lieber Martin!
Jetzt bricht mein Skeptizismus voll durch. Ich glaube nicht, daß die SED die Reisefreiheit gewähren wird. Die Devisenfrage wird als Schutzbehauptung vorgeschoben. Für mich als Historiker sind Opportunismus und Verstellung absolut nichts Neues. Aber erstaunlich ist es doch, zu sehen und zu hören, wie viele in der DDR jetzt plötzlich ganz anders reden als zuvor. Kurzum - was nutzt der Reisepaß ohne Aus- und Einreisevisum. Und dabei bleibt's doch nicht! Ich vermute, daß in Zukunft jeder Antragsteller für Westreisen noch eine Vermögensoffenbarung über Devisenbesitz beilegen muß. Das ergänzt dann die dem Antragsteller nicht unmittelbar einsichtig gemachte politische Wohlverhaltensklausel.
ALSO: wenn Du eine Einladung zur Vorlage bei der Visaabteilung brauchst, laß es mich schnell wissen. An die "Wende" in der DDR kann ich nicht glauben. Wer wen -die Frage beantwortet ein Herr Schabowski und ein Herr Modrow, ein Herr Krenz wie ein Herr Honecker letztlich gleich
Wachen Sinnes und illusionslos
Dein Andreas
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Montag, 30. Juli 2007
Briefe 11 und 12
damals, 22:03h
* Postkarte mit Fotomontage: Selbstbildnis als Napoleon
Berlin, 14.Sept.*89 Hallo, Hallo!
Bin und bleibe noch hier. Besser ein Raum ohne Volk als ein Volk ohne Raum! Viele Grüße nach dirty old town. Meine Schulden bei Martin brennen immer noch heiß in der Seele, doch denke ich, wir sehen uns mal in diesem bald leeren Land. Wißt Ihr noch, wer und wo ich bin? Always M.P. ...(Adr.) diese Karte berechtigt zum Eintritt! Könnt ja auch mal Hallo sagen unter ...(Tel.) Alles Liebe an euch beide Marc
* Oktober, von Maria
... Ich hab schon das Schlimmste vermutet: Du und Budapest, Prag etc. Ich war sicher, du bleibst, aber in dieser i r r e n Zeit! und angesichts Deiner persönlichen Lage. Ach, wenn das Private und die ganze Politik so gar nicht stimmen, ist eins zu viel. Aber ich bin geistig lustvoll und produktiv. Auch habe ich ganz hinten oder unten oder wer weiß wo eine heitere Hoffnung auf Besserung von beidem ...
Berlin, 14.Sept.*89 Hallo, Hallo!
Bin und bleibe noch hier. Besser ein Raum ohne Volk als ein Volk ohne Raum! Viele Grüße nach dirty old town. Meine Schulden bei Martin brennen immer noch heiß in der Seele, doch denke ich, wir sehen uns mal in diesem bald leeren Land. Wißt Ihr noch, wer und wo ich bin? Always M.P. ...(Adr.) diese Karte berechtigt zum Eintritt! Könnt ja auch mal Hallo sagen unter ...(Tel.) Alles Liebe an euch beide Marc
* Oktober, von Maria
... Ich hab schon das Schlimmste vermutet: Du und Budapest, Prag etc. Ich war sicher, du bleibst, aber in dieser i r r e n Zeit! und angesichts Deiner persönlichen Lage. Ach, wenn das Private und die ganze Politik so gar nicht stimmen, ist eins zu viel. Aber ich bin geistig lustvoll und produktiv. Auch habe ich ganz hinten oder unten oder wer weiß wo eine heitere Hoffnung auf Besserung von beidem ...
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Freitag, 27. Juli 2007
Zwischendurch - hier ist mein Anliegen nachzulesen
damals, 23:54h
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Mittwoch, 25. Juli 2007
Briefe 9 und 10
damals, 21:43h
* von Maria
28.8.
Lieber Martin,
ich sitze hier in der Zentrale des Studentensommers, im wesentlichen rumgammelnd und mich über die grauenhafte Bürokratie aufregend. Da ich "Sekretärin" bin, von heute an 3 Wochen, bis 18.9., schreibe ich Dir auch mit der zutiefst klapprigen Maschine. Die Leute rennen hier rum, als gälte es das Leben, dabei gilt es nur der Organisation dieses grauenhaften und verlogenen Unsinns ... Mir geht es ganz gut, ich bin irritiert vom Weltgeschehen, oft voller Wut und ansonsten sehr angreifbar und dünnhäutig (wie fast immer). Meine Zukunft ist ungewiß, aber ich bin gelassen und genieße wieder die Stadt und meine Wohnung, die Einsamkeit und weniger den Trubel, der mich irgendwie nervt ...
* August, Postkarte nach Litauen (da war ich im Studentensommer) von Monika
Martin, lieber! Ich sitze bei Uschi im Sessel unter der Lampe und lausche den gleichmäßigen Atemzügen der Schlafenden im Kinderzimmer. Die Genehmigung [für die Ausreise] habe ich bekommen. Jetzt habe ich viele Laufereien. Es wird bestimmt noch einen Monat oder länger dauern. Bevor ich die Papiere bekomme, brauche ich von britischer Seite ein Einreisevisum. Das kann ich aber noch nicht beantragen, sondern muß warten, bis hier alle Formalitäten genehmigt sind. Wir können also noch einen Urlaub machen. Willst Du? Ich möchte Dich bedrängen es zu wollen ... - Kriegst du von der Politik was mit? Thema 1: Ausreise. Viele über Ungarn -> Wien. Ständige Vertretung in Bln. Ost wegen Überfüllung geschlossen. Seit Tagen - und alle sind gespannt, ob was getan wird oder nicht
28.8.
Lieber Martin,
ich sitze hier in der Zentrale des Studentensommers, im wesentlichen rumgammelnd und mich über die grauenhafte Bürokratie aufregend. Da ich "Sekretärin" bin, von heute an 3 Wochen, bis 18.9., schreibe ich Dir auch mit der zutiefst klapprigen Maschine. Die Leute rennen hier rum, als gälte es das Leben, dabei gilt es nur der Organisation dieses grauenhaften und verlogenen Unsinns ... Mir geht es ganz gut, ich bin irritiert vom Weltgeschehen, oft voller Wut und ansonsten sehr angreifbar und dünnhäutig (wie fast immer). Meine Zukunft ist ungewiß, aber ich bin gelassen und genieße wieder die Stadt und meine Wohnung, die Einsamkeit und weniger den Trubel, der mich irgendwie nervt ...
* August, Postkarte nach Litauen (da war ich im Studentensommer) von Monika
Martin, lieber! Ich sitze bei Uschi im Sessel unter der Lampe und lausche den gleichmäßigen Atemzügen der Schlafenden im Kinderzimmer. Die Genehmigung [für die Ausreise] habe ich bekommen. Jetzt habe ich viele Laufereien. Es wird bestimmt noch einen Monat oder länger dauern. Bevor ich die Papiere bekomme, brauche ich von britischer Seite ein Einreisevisum. Das kann ich aber noch nicht beantragen, sondern muß warten, bis hier alle Formalitäten genehmigt sind. Wir können also noch einen Urlaub machen. Willst Du? Ich möchte Dich bedrängen es zu wollen ... - Kriegst du von der Politik was mit? Thema 1: Ausreise. Viele über Ungarn -> Wien. Ständige Vertretung in Bln. Ost wegen Überfüllung geschlossen. Seit Tagen - und alle sind gespannt, ob was getan wird oder nicht
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Montag, 23. Juli 2007
Briefe 7 und 8
damals, 23:37h
* 10.8., von Antje
Es bedarf eines moralischen Aufschwungs, um solcher Verzagtheit Herr zu werden.
(Chr. Wolf)
Lieber Martin!
Ich muß Dich leider enttäuschen und kann Deine Anfrage nur negativ beantworten. Meine Eltern kehrten von ihrer Reise in den Westen des Landes nicht wieder in "die Heimat" zurück. Mein Freund der sich auch auf Tour durch den Wilden Westen befindet, wird sich dort entscheiden. Meine Entscheidung steht noch aus. Entschuldige, jetzt hat der Stift versagt. Die Hauptentscheidung fällt natürlich mit J.'s Ausbleiben. Denn auch bei mir macht sich Hoffnungslosigkeit breit, obwohl man mir betrieblicherseits ab Sept. '9o ein Studium angeboten hat und die Arbeit in der Galerie eigentlich auch Spaß macht ... Die ständig-neuen Meldungen entmutigen zusehends. Wer bleibt denn eigentlich noch hier. Urlaub fällt im gröBeren Sinne erst mal flach, obwohl er so nötig wäre. Die Post bitte an die Hausburgstr. senden. Bei Dir sieht es also auch nicht so rosig aus. Ist Dein Mädel schon auf und davon? Furchtbar, überall nur noch dies eine Thema, bliblublablabla, wer hätte das alles gedacht, je erwartet. Was soll werden?
Meine Schwester bekommt zu alledem auch noch ein Kind, der Vater wird auch fahren. Unsere Reise zur Nichte wurde abgelehnt, weil sie einen Treff mit Personen erwarten, die das Land unberechtigt verlassen haben. Was haben wir mit der Entscheidung der Eltern zu tun. Natürlich werden wir eine Eingabe loslassen. Sonst auf einem anderen Weg Versuche starten. Warten, warten, warten auf Godot
Liebe Grüße
von Antje
* 24.8., von Jana
Mein lieber Martin!
Dein Brief aus dem fernen Litauen kam soeben an, und ich will gleich antworten, da ich momentan untätig rumsitze und schwitze, traue mich nicht, unter die Dusche zu gehen, weil es dann klingeln könnte - ich warte auf Antje R., die vielleicht doch nicht erscheint ..., habe sie in der vergangenen Woche in Bln. besucht; nach ihrem verworrenen Brief mußte ich nach dem Rechten schauen und fand eine supernervöse, überreizte Antje, kein Wunder bei ihrer Situation - der Geliebte kommt nun auch nicht wieder! Ich weiß, Ausreisethematik ist ein Thema und damit keins für Dich. Doch du fragst nach meinem Befinden. Und hier liegt der Hund begraben! Es geht mir miserabel; ich verkrafte bald diese vielen Abschiede nicht mehr. Beim gestrigen Telefonat mit R. machte mir ihre Stimme großen Mut. Nach einwöchigem Aufenthalt in Westberlin weilt sie wieder im provinziellen P., und mir fiel ein Stein vom Herzen, ein Stein der Erleichterung, denn Man weiß ja heutzutage nie ...
Es bedarf eines moralischen Aufschwungs, um solcher Verzagtheit Herr zu werden.
(Chr. Wolf)
Lieber Martin!
Ich muß Dich leider enttäuschen und kann Deine Anfrage nur negativ beantworten. Meine Eltern kehrten von ihrer Reise in den Westen des Landes nicht wieder in "die Heimat" zurück. Mein Freund der sich auch auf Tour durch den Wilden Westen befindet, wird sich dort entscheiden. Meine Entscheidung steht noch aus. Entschuldige, jetzt hat der Stift versagt. Die Hauptentscheidung fällt natürlich mit J.'s Ausbleiben. Denn auch bei mir macht sich Hoffnungslosigkeit breit, obwohl man mir betrieblicherseits ab Sept. '9o ein Studium angeboten hat und die Arbeit in der Galerie eigentlich auch Spaß macht ... Die ständig-neuen Meldungen entmutigen zusehends. Wer bleibt denn eigentlich noch hier. Urlaub fällt im gröBeren Sinne erst mal flach, obwohl er so nötig wäre. Die Post bitte an die Hausburgstr. senden. Bei Dir sieht es also auch nicht so rosig aus. Ist Dein Mädel schon auf und davon? Furchtbar, überall nur noch dies eine Thema, bliblublablabla, wer hätte das alles gedacht, je erwartet. Was soll werden?
Meine Schwester bekommt zu alledem auch noch ein Kind, der Vater wird auch fahren. Unsere Reise zur Nichte wurde abgelehnt, weil sie einen Treff mit Personen erwarten, die das Land unberechtigt verlassen haben. Was haben wir mit der Entscheidung der Eltern zu tun. Natürlich werden wir eine Eingabe loslassen. Sonst auf einem anderen Weg Versuche starten. Warten, warten, warten auf Godot
Liebe Grüße
von Antje
* 24.8., von Jana
Mein lieber Martin!
Dein Brief aus dem fernen Litauen kam soeben an, und ich will gleich antworten, da ich momentan untätig rumsitze und schwitze, traue mich nicht, unter die Dusche zu gehen, weil es dann klingeln könnte - ich warte auf Antje R., die vielleicht doch nicht erscheint ..., habe sie in der vergangenen Woche in Bln. besucht; nach ihrem verworrenen Brief mußte ich nach dem Rechten schauen und fand eine supernervöse, überreizte Antje, kein Wunder bei ihrer Situation - der Geliebte kommt nun auch nicht wieder! Ich weiß, Ausreisethematik ist ein Thema und damit keins für Dich. Doch du fragst nach meinem Befinden. Und hier liegt der Hund begraben! Es geht mir miserabel; ich verkrafte bald diese vielen Abschiede nicht mehr. Beim gestrigen Telefonat mit R. machte mir ihre Stimme großen Mut. Nach einwöchigem Aufenthalt in Westberlin weilt sie wieder im provinziellen P., und mir fiel ein Stein vom Herzen, ein Stein der Erleichterung, denn Man weiß ja heutzutage nie ...
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Freitag, 13. Juli 2007
Nr. 5 und 6 sind Tagebucheinträge
damals, 20:50h
* Tagebuch vom 6. Juni
... Also, ich habe bei der Wahl (obwohl es meine dritte schon war) diesmal alle Namen durchgestrichen. Groß was Besondres ist das eigentlich nicht - ich bin bestimmt nicht der einzige, der gerade diesmal zum ersten Mal dagegen gewählt hat, so wie die Stimmung im Lande steht, und ich könnte mir vorhalten, mich hierin mit Kleingeistern im Verein zu finden, die sich jetzt auch trauen (<- wenn das offizielle Wahlergebnis stimmt, ist das allerdings Quatsch). Mitgespielt hat sicher; daß mir Maren beistand, auch daß die Unfähigkeit der G.er Stadtverwaltung (selbst auf der kurzen Strecke von zu Hause zum Sonderwahllokal) schlicht unübersehbar ist, und was jetzt um den Dom herum geschieht, das spottet jeder Beschreibung, aber die Hauptsache war wohl wirklich das Ablegen einer unsicheren elterlichen Position (<- auch die schämen sich sicher für ihr Ja-Wort), ein Stück mehr Ehrlichkeit ...
* Tagebuch vom 29. Juni
Ja, Tramperlebnisse: wir hatten da noch einen Volkskammersekretär für Landwirtschaft, der sich als "Bauer" bezeichnete und auf die "Gleichmacherei" schimpfte - beim Thema "Sanssouci" fielen ihm nur die viel zu niedrigen Museumspreise ein (die seiner Meinung nach die viel zu vielen Besucher erklären), dann demonstrierte er uns noch den herzlichen Kontakt zur Bevölkerung an seiner Stammtankstelle. Im Amt übrigens seit 1974 - ein Mann der doch so tollen Öffnung von "Weite und Vielfalt" der Ära Honecker ...
... Also, ich habe bei der Wahl (obwohl es meine dritte schon war) diesmal alle Namen durchgestrichen. Groß was Besondres ist das eigentlich nicht - ich bin bestimmt nicht der einzige, der gerade diesmal zum ersten Mal dagegen gewählt hat, so wie die Stimmung im Lande steht, und ich könnte mir vorhalten, mich hierin mit Kleingeistern im Verein zu finden, die sich jetzt auch trauen (<- wenn das offizielle Wahlergebnis stimmt, ist das allerdings Quatsch). Mitgespielt hat sicher; daß mir Maren beistand, auch daß die Unfähigkeit der G.er Stadtverwaltung (selbst auf der kurzen Strecke von zu Hause zum Sonderwahllokal) schlicht unübersehbar ist, und was jetzt um den Dom herum geschieht, das spottet jeder Beschreibung, aber die Hauptsache war wohl wirklich das Ablegen einer unsicheren elterlichen Position (<- auch die schämen sich sicher für ihr Ja-Wort), ein Stück mehr Ehrlichkeit ...
* Tagebuch vom 29. Juni
Ja, Tramperlebnisse: wir hatten da noch einen Volkskammersekretär für Landwirtschaft, der sich als "Bauer" bezeichnete und auf die "Gleichmacherei" schimpfte - beim Thema "Sanssouci" fielen ihm nur die viel zu niedrigen Museumspreise ein (die seiner Meinung nach die viel zu vielen Besucher erklären), dann demonstrierte er uns noch den herzlichen Kontakt zur Bevölkerung an seiner Stammtankstelle. Im Amt übrigens seit 1974 - ein Mann der doch so tollen Öffnung von "Weite und Vielfalt" der Ära Honecker ...
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Dienstag, 10. Juli 2007
Nr. 3 ist ein Urlaubsbericht aus der Provinz und Brief 4 aus Berlin
damals, 21:04h
* Tagebuch vom 23.Mai
... geschlafen haben wir im HdW, das früher "Deutscher Hof" hieß und Bismarck und dem Kaiser Unterkunft gewährte - jetzt hängt die Tapete von den Wänden und nur noch ein paar bulgarische Kellner und die Reinemachefrau Rosie bewohnen das Gebäude. Es war nicht allzu schwer, die Nachtwächter Vater und Sohn und beide Suffis - zu überreden: Als uns der Vater die Schlüssel übergab, war er so voll, daß er uns für Bulgaren hielt: "Können Sie deutsch schreiben?" und jeden Dank unter Tränen ablehnte: "Wir Deutschen haben alle was gutzumachen." ...
* 2.6., von Dörte
... Man hatte mich zum sogenannten "Mandatsträger" verdonnert und so war ich am Freitag schon in Berlin, um mich mit meiner Person an der Massenballung beteiligen zu können. Schließlich kam es wohl darauf an, daß möglichst viele Leute zu sehen waren. Ich habe wirklich mal versucht, mich in der Stadt umzutun, aber es war dermaßen voll, daß ich hinterher problemlos beim Flossenschwimmen hätte mitmachen können, weil mir, ich weiß nicht wie viele Leute, auf den Füßen rumgetreten sind. Allerdings habe ich mit Erstaunen festgestellt, zu welchen Leistungen der sozialistische Handel fähig ist. Berlin schwamm in einer Flut von Bananen, und jeder Südländer ist jetzt der festen Meinung, wir könnten uns auch sonst nicht davor retten. An jeder nur möglichen Stelle häuften sich Berge von weggeschmissenen Verpflegungsbeuteln, Pappbechern und Bockwurstresten. Feine Sache. Ich will mal nicht nur schimpfen, denn ein paar gute Sachen gab es ja wohl auch, hinsichtlich der Veranstaltungen. Dafür haben wir nur keine Karten bekommen.
Ich hoffe, Dein Pfingsten war etwas ereignisreicher als das meinige und vor allem weniger nervend ...
Übrigens sitze ich seit einer guten Stunde in einer WISO-Vorlesung (die zweite in diesem Semester) und langweile mir die Haare vom Kopf. Der Herr dort vorn berichtet gerade mit Hingabe von den "Geburtswehen des Sozialismus". Poetisch!! Das wird wohl wieder mal für lange Zeit die letzte Veranstaltung dieser Art sein, zu der ich mich
freiwillig begebe ...
So auch wenn noch bannig viel Platz ist, werde ich jetzt wohl langsam Schluß machen, denn demnächst wird diese Wahnsinns-Vorlesung zu Ende sein und ich will den Brief noch einstecken.
Laß es dir gut gehen, vergiß mich nicht und grüße alle, die du barfuß triffst!
Tschüß Deine olle Dörte
... geschlafen haben wir im HdW, das früher "Deutscher Hof" hieß und Bismarck und dem Kaiser Unterkunft gewährte - jetzt hängt die Tapete von den Wänden und nur noch ein paar bulgarische Kellner und die Reinemachefrau Rosie bewohnen das Gebäude. Es war nicht allzu schwer, die Nachtwächter Vater und Sohn und beide Suffis - zu überreden: Als uns der Vater die Schlüssel übergab, war er so voll, daß er uns für Bulgaren hielt: "Können Sie deutsch schreiben?" und jeden Dank unter Tränen ablehnte: "Wir Deutschen haben alle was gutzumachen." ...
* 2.6., von Dörte
... Man hatte mich zum sogenannten "Mandatsträger" verdonnert und so war ich am Freitag schon in Berlin, um mich mit meiner Person an der Massenballung beteiligen zu können. Schließlich kam es wohl darauf an, daß möglichst viele Leute zu sehen waren. Ich habe wirklich mal versucht, mich in der Stadt umzutun, aber es war dermaßen voll, daß ich hinterher problemlos beim Flossenschwimmen hätte mitmachen können, weil mir, ich weiß nicht wie viele Leute, auf den Füßen rumgetreten sind. Allerdings habe ich mit Erstaunen festgestellt, zu welchen Leistungen der sozialistische Handel fähig ist. Berlin schwamm in einer Flut von Bananen, und jeder Südländer ist jetzt der festen Meinung, wir könnten uns auch sonst nicht davor retten. An jeder nur möglichen Stelle häuften sich Berge von weggeschmissenen Verpflegungsbeuteln, Pappbechern und Bockwurstresten. Feine Sache. Ich will mal nicht nur schimpfen, denn ein paar gute Sachen gab es ja wohl auch, hinsichtlich der Veranstaltungen. Dafür haben wir nur keine Karten bekommen.
Ich hoffe, Dein Pfingsten war etwas ereignisreicher als das meinige und vor allem weniger nervend ...
Übrigens sitze ich seit einer guten Stunde in einer WISO-Vorlesung (die zweite in diesem Semester) und langweile mir die Haare vom Kopf. Der Herr dort vorn berichtet gerade mit Hingabe von den "Geburtswehen des Sozialismus". Poetisch!! Das wird wohl wieder mal für lange Zeit die letzte Veranstaltung dieser Art sein, zu der ich mich
freiwillig begebe ...
So auch wenn noch bannig viel Platz ist, werde ich jetzt wohl langsam Schluß machen, denn demnächst wird diese Wahnsinns-Vorlesung zu Ende sein und ich will den Brief noch einstecken.
Laß es dir gut gehen, vergiß mich nicht und grüße alle, die du barfuß triffst!
Tschüß Deine olle Dörte
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