Samstag, 9. Juli 2022
Politische Kannegießerei mit dem Besuch aus Sachsen-Anhalt
Wir sprechen übers Baden. "Wir fahrn dann immer an den M.er See," (ein verfüllter Tagebau), "das ist nur doof mit den Parkplätzen - und die ganze andere Seite, das ist alles Naturschutzgebiet - also, die spinnen, die Grünen. Weißt du, hier aufm Balkon, wie viele Vögel es da früher gab und Schmetterlinge, und jetzt: nur noch Tauben und Elstern, und einen Schmetterling siehst du auch so gut wie nie. Also, früher, bei dem Dreck" (gemeint ist das "Chemiedreieck Halle-Bitterfeld") "da haben sich die Viecher wohler gefühlt. Überhaupt der Habeck! Jetzt will er die Atomkraftwerke nicht weiterlaufen lassen, jetzt, wo alles teurer wird." - "Na ja", sag ich, "mit dem Weiterlaufenlassen ist das so eine Sache. Es ist ja nicht so, dass man die Atomkraftwerke einfach ein Jahr später abschaltet und nichts weiter tun muss. Die brauchen schon neue Brennstäbe, wenn du die weiter betreiben willst. Und dann gibt es wieder neuen Atommüll." - "Ja, das mit dem Atommüll und mit dem Endlager, das versteh ich sowieso nicht. Ich meine, unten bei der Wismut, da haben sie die alten Stollen - das waren riesige Stollen - einfach mit Bauschutt verfüllt. Hätte man da nicht den Müll reintun können? Kommt doch eh nicht drauf an." - "Weiß nicht, obs da nicht drauf ankommt. Da möchte ich erstmal ne Krebsstatistik sehen." - "Ja, klar, die haben sehr gut verdient bei der Wismut. Aber alt geworden sind die alle nicht."

Worauf wir Gott sei Dank wieder auf persönliche Themenfelder zurück wechseln. Aber zum Schluss meint er: "Also, eins wollte ich dich noch fragen: Gibts denn bei euch in Hamburg auch schon Proteste gegen die Regierung?" - "Nein. Zu welchem Thema denn?" - "Also, bei uns gibt es jetzt immer so Autokorsos mit russischen Fahnen. Gegen die Waffenlieferungen, die sie mit unseren Steuergeldern bezahlen." - "Aber verteidigen müssen die sich ja auch irgendwie in der Ukraine." - "Ja, aber wenn man das so liest, mit dem Asov-Regiment und den ganzen Nazis da ?" Ich werd langsam ärgerlich: "Wenn einer zu Boden geschlagen wird, fragst du den erstmal nach seinem Führungszeugnis? Nein, du hilfst ihm. Also ich als ein Linker" (ich weiß, das auch er sich als links begreift) "bin auf der Seite der Angegriffenen, der Unterdrückten." - "Sicher, aber damals, bei den Falklandinseln. Oder beim Irakkrieg: Da hat auch niemand demonstriert." - "Also, hier in Hamburg schon, und nicht zu knapp." erwidere ich - und erst nach dem Gespräch fällt mir ein, was ich zur Bekräftigung hätte sagen können: Dass, als der Irakkrieg anfing, hier nicht grade Autokorsos mit US-Fahnen zu beobachten waren. (Nur die allergrößten Kälber ... usw.)

Aber eine Einigkeit stellt sich dann doch noch her: Als ich, meinem Ärger Luft zu machen, auf die inszenierten "Volksrepubliken"-Rebellen im Donbass zu sprechen komme. "Ja", sagt er, "das ist doch wie damals mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak." - "Ja, genau so". Mit Propaganda-Lug-und-Trug sind wir Ossis vertraut. Das leuchtet uns sofort ein.

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Donnerstag, 30. Juni 2022
Zum aktuellen Skandal im Wasserglas
"Antisemitismus bei der documenta" - da haben Sie bestimmt auch schon davon gehört. Ich hatte heute eine Stunde Zeit mal nachzugoogeln, was da eigentlich passiert ist. Also: Schon vor ein paar Monaten war ein Kasseler Aktionsbündnis, das den Antideutschen nahesteht, mit dem Warnruf "Antisemitismus" an die Öffentlichkeit getreten. Besonders schlimm fanden sie, dass eine palästinensische Künstlergruppe mit dezidiert politischer Kunst vertreten ist, jedoch keine israelischen Künstler.

Und das ist richtig, jedoch per se erstmal kein Antisemitismus. Sodass sich in der Öffentlichkeit die Meinung durchsetzte, man möge die Eröffnung abwarten und sich die Werke dann genau angucken. Aber natürlich rumorte die Diskussion weiter und zur Eröffnung durch den Bundespräsidenten Steinmeier positionierte sich dieser vorsichtshalber gegen Antisemitismus, ohne konkrete Werke zu nennen.

Vielleicht muss man dazu wissen, wie die Ausstellung konzipiert ist: Sie wird von einem indonesischen Künstlerkollektiv kuratiert. Man will so eine Sicht auf die Welt ermöglichen, die nicht aus der ersten Welt stammt. Da kann man natürlich keine Ausgewogenheit erwarten - Ausgewogenheit war ja auch nie das Markenzeichen der documenta, wenn man an deren Gründung und ihre Rolle im Kalten Krieg zurück oder später an die Fluxus-Angriffe auf den tradierten Kunstmarkt denkt. Nun also mal Unausgewogenheit aus Dritter-Welt-Sicht, warum nicht. Allerdings verwundert da auch nicht, dass israelkritische Kunst prominent vertreten ist.

Aber das war ja auch nicht das Thema, sondern der Antisemitismus. Und der ließ sich (soweit ich mich über veröffentlichte Meinung ganz verschiedener Art informieren konnte, gesehen hab ich die Ausstellung nicht) bei den palästinensischen Künstlern nicht unbedingt finden. Allerdings woanders: Im Rahmen der documenta wird ein Propaganda-Video einer japanischen Terroristen-Gruppe aus den 70er Jahren gezeigt, die auch einen üblen Anschlag mit vielen Toten auf den Flughafen von Tel Aviv verübt hat. Hübsch versteckt als angebliche Filmforschung unter dem allerdings verräterischen Titel "Subversive Film". Wie wahr.

Und jetzt kommt das Überraschende: Eine Kiste mit Kunstwerken aus Indonesien kommt verspätet an, und aus dieser einen Kiste muss speziell ein Bild nochmal restauratorisch überarbeitet werden, sodass keiner der Kuratoren die Zeit findet, sich das Bild nochmal anzugucken, und so kommt es, dass eine Woche nach Eröffnung den Kameras der Welt eine klassische antisemitische Hasskarikatur gezeigt werden kann. Also, wenn das nicht subversiv ist!

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Sonntag, 26. Juni 2022
Eine wichtige Geste
Es ist wirklich Zufall, dass das Buch mir dieser Tage in die Hände fiel. Meine Frau hat es nach dem Tod ihrer Mutter aus dem Wegschmeißstapel gezogen, weil eine Widmung an ihren längst verstorbenen Vater drinsteht, konnte sich aber nicht entschließen, die alte Schwarte zu lesen.


Und als ich jetzt mein "Dunkelblum" ausgelesen hatte und lesetechnisch auf dem Trocknen saß, da erbarmte ich mich halt.

Es ist eine blutrünstige Geschichte rings um die Schrecken der Bartholomäusnacht, erzählt von einem protestantischen Schweizer Ich-Erzähler, der nach Paris eilt, begierig, als Soldat mit den Seinen in die Niederlande einzumarschieren und diese mit militärischer Gewalt von den spanisch-katholischen Besatzern zu befreien. Stattdessen gerät er in Paris in die fürchterliche Mordnacht - und wird errettet durch seinen katholischen Freund und dessen Amulett mit der Jungfrau Maria.
Weil menschliche Zuneigung mehr zählt als religiös-ideologische Überzeugung und Maria, wenn sie wirklich die Mutter Gottes ist, ihre Zauberkraft auch für die Feinde ihrer Schützlinge einsetzt.

Ein Verwandter also hat das meinem Schwiegervater zu Weihnachten 1944 geschenkt, als dieser sechzehnjährig als Flakhelfer eingezogen wurde - eine eindeutige und wichtige Geste.


Erinnern wir uns daran, jetzt, wo das Kriegsgeschrei allerorten wieder zunimmt.

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Montag, 4. April 2022
Frage zum Tage
Hat eigentlich Frank-Walter Steinmeier das Minsker Abkommen ausgehandelt oder hat er es gebrochen?

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Donnerstag, 2. Dezember 2021
Derzeit mein Lieblingsblog:
https://maz.blogger.de/stories/2832650/
Kann man es besser sagen?

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Mittwoch, 3. November 2021
Selbstbezüglich
Oh ja, der Bassinplatz - der Platz, der sich dadurch auszeichnet, dass er seit Generationen kein Bassin hat, sondern einfach leere Fläche -



über den bin jetzt nach vielen Jahren mal wieder gegangen, und ich erinnere mich, wie ich mit 18 hier entlanggestolpert bin: unglücklich verliebt, einsam, orientierungslos. Im Vergleich fühlt sich das richtig gut an: der Platz immer noch so leer, aber ich mit einiger Bodenhaftung. Zwar nicht glücklich, aber etwas Besseres: orientiert. Jetzt könnte das Leben anfangen, mit diesem Gefühl könnte manches besser laufen - nur hab ich, um zu diesem Gefühl zu kommen, zwei Drittel des Lebens verbraucht.

Also, wenn man mal ehrlich drüber nachdenkt, dann gibt es nur eins, was man den Jüngeren mitgeben sollte: dieses Gefühl, angenommen, da zu sein.

So wie es in der Politik nur eins geben dürfte: für Frieden zu sorgen, zwischen den Ländern, zwischen den Gesellschaftsschichten. Alles andere können die Leute dann selber machen.

(Die Betrachtung mag ein bisschen unscharf sein, so wie das Foto - im Abenddämmer sieht man halt nicht mehr so gut. Das Wesentliche ist aber schon zu erkennen.)

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Freitag, 8. Oktober 2021
Einfache Antwort
Woher nehmen die Grünen und die FDP eigentlich das Selbstbewusstsein, sich in Bezug auf Inhalte späterer Koalitionsverhandlungen erstmal miteinander abzustimmen und die größeren Verhandlungspartner SPD und CDU außen vor zu lassen?
Die Antwort ist einfach: Sie fühlen sich gestärkt durch die Tatsache, dass sie im Wahlkampf deutlich mehr Großspenden erhalten haben als die CDU, von der SPD ganz zu schweigen. (Quelle)

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Donnerstag, 29. Juli 2021
Müsste nicht ...
... nachdem es die digitale Gesichtserkennung gibt, das Vermummungsverbot zumindest überarbeitet, wenn nicht abgeschafft werden?

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Dienstag, 6. Juli 2021
Wahlkampfirrsinn
Vor ein paar Wochen hat ein Tagesschausprecher einen Roman veröffentlicht, in dem er ein düsteres Bild der Zukunft malt. Er warnt vor einer Zeit, in der sich linksgrünes Gedankengut und "Cancelculture" schon so weit verbreitet haben, dass z. B. öffentliche Angestellte sich einer "Peinlichen Befragung" stellen müssen, in der ihre Einstellungen und Kontakte auf rechte Einflüsse geprüft werden und was dergleichen ideologisierte Maßnahmen mehr sind. Als es gar nicht mehr anders geht, greift eine moralisch aufrechte, blonde, christliche Ostdeutsche zur Waffe und schießt auf die grüne Kanzlerkandidatin.

Der CDU-Politiker Hans-Georg Maaßen las den Roman und war entsetzt über das Gedankengut von Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er forderte öffentlich, die Biografien dieser Journalisten, insbesondere der Tagesschau, auf Verbindungen ins linksextremistische Lager zu überprüfen. Und jetzt regen sich alle über ihn auf. Dabei hat er doch nur in der Aufregung rechts und links verwechselt.

Na ja, das kann jedenfalls noch heiter werden mit diesem Wahlkampf, wenn das so weiter geht.

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Samstag, 5. Juni 2021
Naive Freude
Es mag ja naiv sein, aber es erfüllt mich mit Freude, dass in Israel so viele verschiedene, ja gegensätzliche Parteien es geschafft haben, eine Koalition gegen den Irrsinn zu bilden. Und dass es niemandem gelungen ist, einen Bürgerkrieg herbeizubomben.

Überhaupt fand ich - als zugegeben weit Außenstehender - die Rede von der Zwei-Staaten-Lösung schon immer befremdlich: Wie sollen denn zwei (noch dazu seit vielen Jahrzehnten verfeindete) Völker auf einem so winzigen Landstrich zwei Staaten bilden? Das wissen wir doch spätestens seit dem Versuch in Bosnien, dass das nicht funktionieren kann. Ich kann mir eine Lösung des Nahostkonflikts nicht anders vorstellen, als dass alle Bewohner des betreffenden Landstrichs als gleichberechtigte Bürger eines gemeinsamen Staates irgendwie miteinander klarkommen.

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