Freitag, 10. April 2020
"Solidarität ist keine Einbahnstraße"
das hielt mir ein Don-Alphonso-Kommentator entgegen, als ich so blöd war, dort das Thema Solidarität anzusprechen. Eigentlich gut, denn so wurde mir mal bewusst, wie bescheuert dieser Satz eigentlich ist, den ich auch andernorts schon gehört und bisher kritiklos und ohne Weiteres Nachdenken hingenommen hatte.

Natürlich ist Solidarität eine Einbahnstraße - anderfalls wäre sie ja ein Tauschgeschäft. Ich meine, nichts gegen Tauschgeschäfte, wo sie sinnvoll sind, aber als Ersatz für Solidarität taugen sie nun wirklich nicht: Solidarität gibt es da, wo sich mehrere eine Verantwortung teilen und dann eben derjenige, der es tun kann, das Notwendige tut, und die Konsequenzen dieses Tuns (gut, nennen wir sie "Kosten", schließlich leben wir in einer neoliberalen Welt, wo alles auf Heller und Pfennig ausgerechnet wird) dann wieder alle gemeinsam tragen.

Na ja, solidarisches Handeln ist vielen nicht mehr geläufig - oder, wie Oliver Kalkhofe das neulich so schön ausdrückte (zum Thema Eurobonds): "Helfen ist eine schöne Sache, nur wenn man dabei kein Geld verdienen kann, macht das auch keinen Spaß mehr."

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Dienstag, 7. Januar 2020
Kleiner Ärger zwischendurch: Eben Tagesschau geguckt ...
... und sich über das Nebensächlichste aufgeregt: Ich sah Scheuer, Kramp-Karrenbauer und Söder vor den Kameras stehen und ... was soll ich sagen: Ich fand es einfach widerlich, wie die beiden Kerle da sich benehmen. Ich meine, ich habe keine Ahnung und es interessiert mich auch wenig, was da inhaltlich gelaufen ist, ich sah nur die Bilder: Ein Alphatier mit dämlichem Lächeln und Hand in der Hosentasche und sein teils unsicher blickender, teils ebenfalls dämlich lächelnder Assistent stehen wie Wachhunde rechts und links neben der offensichtlich unterlegenen Frau und kontrollieren, ob sie auch das Richtige sagt.

Nichts gegen Machtkämpfe, aber wer als Sieger darin nicht die Souveränität und den Anstand besitzt, gegenüber dem Unterlegenen ein Mindestmaß an Respekt an den Tag zu legen, sollte als Politiker im zivilisierten Deutschland eigentlich nicht wählbar sein.

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Montag, 16. Dezember 2019
Das Prinzip Verantwortungslosigkeit
Als Laie weiß man, dass die Finanzwetten großer Banken für die Weltwirtschaft von Übel sind: Finanzwette - das klingt ja auch schon irgendwie gaunerhaft und unmoralisch.

Nun sind Menschen aber in der Regel nicht per se böse, sondern es ist irgendwie dazu gekommen. Daher war ich dankbar, dass es in meinem derzeitigen Dengler-Krimi mal für Doofe erklärt wird: Das Ganze ist aus Kreditversicherungen entstanden. Für mich als absolutem Finanzlaien ist ja allein sowas schon suspekt: Da gibt also einer dem anderen einen Kredit, und dann kriegt ers doch mit der Angst und lässt das Risiko, sein Geld nicht zurückzubekommen, über ene Versicherung absichern. Was für ein Weichei muss denn das sein?! Entweder man hat den Mut, etwas zu tun (einen Kredit geben), oder man lässt es bleiben. Und in dem Fall, dass was schiefgeht, steht man halt dafür grade. So jedenfalls ginge Verantwortung.

Und damit noch nicht genug: Die Versicherung gibt die eingekaufte Angst vor dem Verlust, die Weigerung, ein Risiko einzugehen, weiter an den Nächsten und der wieder an den Nächsten und so weiter (konservativ formuliert: sie lässt sich den Schneid abkaufen). Es liegt auf der Hand, dass sich die weitergegebene Angst dabei immer weiter vergrößert (bzw. finanziell ausgedrückt: die zu bezahlende Summe wird immer größer, da ja jeder Verkäufer ein Stückchen verdienen will).

Der dumme Letzte in der Kette, der dann bezahlen muss, der steht auch dann in der Kreide, wenn alles gut geht, denn er zahlt nicht nur für die Feigheit des ersten Kreditgebers, sondern auch für die aller anderen Beteiligten. Diese ganzen Derivat-Monstrositäten - sie sind genau betrachtet nicht anderes als gesammelte, kollektive Verantwortungslosigkeit.

P.S. Interessant an der Sache finde ich, dass das Ganze aus dem Bemühen um größtmögliche Sicherheit entstanden ist. Man glaubte, mit einer cleveren Konstruktion absolute Sicherheit herstellen, die Unsicherheit irgendwohin weit weg verbannen zu können - das Gegenteil ist das Ergebnis: dass alles aus den Fugen gerät.

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Donnerstag, 7. November 2019
Kurze Unterbrechung
Ich darf meine kleine Serie mal kurz unterbrechen, um was Positives zu sagen. In der Deutschlandfunkpresseschau heute morgen verglich irgendeine Zeitung den deutschen Staat mit einem Schiff, bei dem die schwere Diesel-Maschine zuverlässig läuft, was aber keinem auffällt, da die sich auf der Brücke ständig streiten. Fand ich ganz treffend, das Bild.

Ein Beispiel dafür las ich eben (ich hab heute Schreibtischarbeit und guck in den Pausen dann doch kurz ins Internet): Detlev Scheele (ist mir noch aus Hamburger Zeiten als sympathisch in Erinnerung) im Deutschlandfunk-Interview zu dem Urteil des Verfassungsgerichts zu den Hart-IV-Sanktionen. Da macht er als Chef des Arbeitsamts am Ende deutlich, wie froh er ist, dass und wie das Verfassungsgericht entschieden hat. Das heißt, selbst der Chef der Behörde, die die verfassungswidrigen Sanktionen die ganzen Jahre im Programm hatte, hat sich über die Vorgabe geärgert und war froh, dass das Verfassungsgericht da endlich einen kleinen Riegel vorgeschoben hat. Da können wir doch froh sein über die treudoof-loyalen Sozialdemokraten wie Scheele, die derzeit so aus der Mode sind. Stellen Sie sich nur mal froh, ein Maaßen oder Höcke (um nur mal zwei Beamte unter den aktuellen Hasspredigern zu nennen) würde diese Behörde leiten.

(Übrigens betonte Scheele, dass er gar nicht der Chef der Jobcenter ist, sondern diese in gemeinsamer Trägerschaft mit den Kommunen geführt werden, also den kommunalen Haushalten unterliegen, was auch zu der Befristungssituation bei Jobcenter-Mitarbeitern und deren oft schlechter Qualifizierung/Eignung beiträgt. Das wusste ich gar nicht. Auch wieder so eine doofe Vorgabe der Politik: Die guten Arbeitslosen kriegt der Bund, die problematischen, die Hartzer, die Dreckarbeit, das dürfen die Kommunen machen. Nun hab ich doch wieder genörgelt. Na ja.)

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Samstag, 10. August 2019
Verjährung
Gordian Meyer-Plath - ich weiß nicht, ob Ihnen der Name was sagt. Damals in den wilden 90er Jahren, als im Osten die Saat gelegt wurde, die jetzt aufgeht, da arbeitete er für den brandenburgischen Verfassungsschutz, betreute so einen Messermann aus dem rechten Milieu (er hatte einen Schwarzen fast totgeschlagen) und dessen Projekt, die Herausgabe eines Skinhead-Blättchens aus dem Gefängnis heraus, sowie den Job bei einem rechten Szeneladen, damit er Freigang bekommen konnte.

Im NSU-Ausschuss ist das Meyer-Plath jetzt tatsächlich vorgeworfen worden. Deshalb ließ er durch die Staatsanwaltschaft feststellen, dass die betreffenden Taten ("aktive Beihilfe") längst verjährt sind. Was ich mich frage: Offenbar hat er doch genau durch diese beruflichen Erfahrungen die Eignung erworben, jetzt Verfassungsschutzpräsident in Sachsen zu werden. Verjährt diese Eignung denn gar nicht?

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Samstag, 27. April 2019
Kleine Testfrage
Als Sie Notre Dame brennen sahen, ist Ihnen da als Erstes der Gedanke an einen Anschlag durch den Kopf gefahren?

Wenn ja, dann haben Sie in den letzten Jahren zu viel Medien konsumiert und sollten mal an eine Reinigung Ihres Assoziationssystems denken.

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Dienstag, 12. März 2019
Bekämpfung der Fluchtursachen
Am Bahnhof gab es die „Welt am Sonntag“ kostenlos. Darin stand, dass Frau Kramp-Karrenbauer gegen einheitliche Sozialstandards in Europa oder gar einen gemeinsamen Mindestlohn ist. Eine viel bessere Idee findet sie einen europäischen Flugzeugträger.

Und was die außereuropäischen Fluchtursachen betrifft, da schlägt vor, die Grenzen für afrikanische Agrarprodukte vollkommen zu öffnen, damit sich die europäischen Privatinvestitionen in Afrika auch wirklich lohnen.

So viel zu europäischen Werten und der Bekämpfung von Fluchtursachen.

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Montag, 10. Dezember 2018
Ein antisemitischer Vorfall
Es ist schon ein paar Jahre her, es gab da eine neue Berufsschulklasse. In Deutsch ging es erstmal darum auszuprobieren, was die Neuen so können, wie es um die Rechtschreibung, wie um den Wortschatz steht, ob sie sinnvolle Sätze formulieren können und ihren Texten vielleicht sogar intuitiv Anfang und Schluss verpassen. Ich machte das mit Personenbeschreibung, sie konnten sich ein Portraitfoto ihrer Wahl aus dem Internet ziehen zur Beschreibung. Natürlich bekam ich die üblichen schrillen Gestalten zu sehen, Rapper, Glamour-Promis, gruftimäßige Figuren. Am schrillsten aber die Wahl einer wortkargen, blonden, etwas hektischen 18-jährigen mit osteuropäischem Hintergrund: Sie beschrieb das altertümliche Schwarz-weiß-Foto eines älteren Mannes mit langem Bart. Theodor Herzl, wie sich auch Nachfrage herausstellte.

Zwei Wochen später: Dieselbe Schülerin vertraut sich in ihrer Not der Schulsekretärin an, es ging um einen hässlichen Judenwitz-Post (über den Holocaust) in der Klassen-WhatsApp-Gruppe, der sie direkt traf. Die Sekretärin wandte sich zunächst an mich, da die Klassenlehrerin gerade stellvertretende Schulleiterin und eigentliche Organisatorin der ganzen Schule geworden war und ihre Klassenleitung so nebenher laufen ließ. Also organisierte ich eine Gesprächsrunde mit Klassenlehrerin und Klasse. Damit die Betroffene nicht so blöd als Opfer dasteht, hatte ich mir ausgedacht, dass vorab jeder erzählt, was ihm wichtig ist, was ihn verletzen würde, bevor sie dann drankam.

Es stellte sich nicht nur dabei nicht nur heraus, dass der Urheber des blöden Posts sich nicht ansatzweise klar gewesen war über das Hasspotential seines irgendwo aus dem Netz gezogenen Bildchens und auch angesichts von Theodor Herzl nicht geschnallt hatte, dass eine bekennende Jüdin neben ihm in der Klasse sitzt, es stellte sich auch heraus, dass von den 15 Schülern 5 heftige Mobbing-Erfahrungen mitbrachten 3 - 4 weitere familiäre Probleme, bei deren Schilderung mir der Mund offen stehen blieb. Als dann am Ende die Betroffene selbst zu Wort kam, war schon eine derart intime Atmosphäre im Raum entstanden, dass sie gar nicht mehr auf das eigentlich auslösende Problem eingehen wollte – sie schilderte stattdessen ihr persönliches Leiden, nämlich unter ihrem autoritären Vater, ihre Sehnsucht, einfach so, jenseits der Leistung, akzeptiert zu werden.

Was aus der Geschichte noch geworden ist, weiß ich nicht: Zwei Monate später ergab sich für mich eine unerwartete Karrierechance und ich verließ die Schule und damit auch diese Klasse, der ich, ohne es zu wollen, so nah gekommen war.

Was ich mitgenommen habe: die Erkenntnis, dass all die politischen Schlagwörter, der Antisemitismus, die Nation, die Migration oder was auch immer, das allerletzte sind, worum es wirklich geht, hier unten an der Basis, im wirklichen Leben. „Denke global, handele lokal!“ hieß es mal. Vielleicht sollten wir auch wieder mehr lokal reden, statt empörungsgierig Weltprobleme zu verhandeln, nur um von unseren eigenen, echten Problemen abzulenken.

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Donnerstag, 13. September 2018
Die gute, alte Stasi-Manier
Als ich zwanzig war, ein Spätpubertierender, lag ich im Clinch mit meinem Vater, der berufliche Pläne für mich hatte, die mir nicht passten. Viele haben mich damals in meiner Suche nach einem eigenen Weg bestärkt und unterstützt. Inzwischen weiß ich – dank der Aktenoffenlegung – dass eine ganze Reihe von ihnen das in geheimdienstlichem Auftrag tat: Die Stasi wollte das Zerwürfnis zwischen mir und meinem Vater vergrößern, um dessen Ruf zu schädigen. „Zersetzung“ nannte sich das: Vornerum den wohlmeinenden Freund rauskehren, tatsächlich aber destabilisieren, zersetzen.

Oder – ebenfalls damals – der Stasi-Chef meiner Armee-Einheit: Er lud mich zu Gesprächen, in seiner Rolle als Polit-Chef (dass er auch Stasi-Offizier ist, ahnte ich in meiner Naivität nicht), markierte den väterlichen Staatsfunktionär, der die Irrwege des jungen Mannes versteht und ihn mit freundlichen Worten für die Sache des Staates zu gewinnen sucht. Gleichzeitig erwirkte er insgeheim ein Studienverbot für mich. Auch hier: Nach vorne die Maske des loyalen, ehrlichen Beamten, dahinter: die Intriganz des Geheimdienstlers.

So gesehen handelt doch Hans-Georg Maaßen hochprofessionell: Er sieht eine Schwäche beim Gegner, der Kanzlerin, die eine Medienübertreibung verbal aufgegriffen hat. Nun wäre es ja dumm von ihm, ehrlich, loyal zu sein, die Umstände durch sein Amt zu überprüfen (V-Leute vor Ort wird er ja wohl genug gehabt haben, wenn sich so viele Rechte zusammenrotten) und – wenn die Übertreibung nun wirklich unverhältnismäßig gewesen sein sollte - einen Bericht an seinen Innenminister zu verfassen.

Aber das hieße, eine Chance vorbeigehen zu lassen. Nein, Zersetzung geht anders: Er behauptet erstmal wieder besseren Wissens und möglichst volksnah öffentlich, also in der BILD-Zeitung, das sei alles eine Lüge – um beim Publikum das Narrativ von der Lügenpresse zu aktivieren. Wenn er so die größtmögliche Aufmerksamkeit und Aufregung erlangt hat, rudert er halb zurück: Er sei falsch verstanden worden und habe eigentlich „Übertreibung“ gemeint und nicht „Lüge“. Und lässt den korrekten Beamten raushängen, der sich von rechten Meinungsmachern distanziert. Das kann er jetzt ja auch ruhig tun – denn die übernehmen die Staffel und erledigen den Rest. Ziel erreicht: Zersetzung des Gegners.

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Dienstag, 24. Juli 2018
Volkes Stimme
Gestern an der Tankstelle: Ein Mann ist vor mir dran mit Bezahlen und kramt seine Groschen raus. Der Tankwart, ein Türke, murmelt was von Deutscher Mark, die er haben will.
Ich: "Die wird uns auch nicht retten."
Er: "Doch! Merkel weg und die Deutsche Mark zurück, dann gehts uns wieder gut."
Ich: "So einfach isses nicht."
Er: "Doch, doch. Merkel weg und die Deutsche Mark zurück ...", er schweigt einen Moment lächelnd, "... und dann den Erdogan her!"
Ich: "Na, danke! Hitler hatten wir schon, brauchen wir nicht nochmal."
Er: "Der Hitler war gar nicht so schlecht, wie alle sagen. Zum Beispiel die KZs, die haben eigentlich die Engländer erfunden."
Ich: "Der Hitler hat gar nichts erfunden."
Er: "Doch, ganz viel. Haben Sie sein Buch gelesen? Ich hab sein Buch gelesen."
An dieser Stelle war mein Bezahlvorgang beendet und ich konnte dne Ort des Grauens verlassen.

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