Samstag, 5. Juni 2021
Naive Freude
Es mag ja naiv sein, aber es erfüllt mich mit Freude, dass in Israel so viele verschiedene, ja gegensätzliche Parteien es geschafft haben, eine Koalition gegen den Irrsinn zu bilden. Und dass es niemandem gelungen ist, einen Bürgerkrieg herbeizubomben.

Überhaupt fand ich - als zugegeben weit Außenstehender - die Rede von der Zwei-Staaten-Lösung schon immer befremdlich: Wie sollen denn zwei (noch dazu seit vielen Jahrzehnten verfeindete) Völker auf einem so winzigen Landstrich zwei Staaten bilden? Das wissen wir doch spätestens seit dem Versuch in Bosnien, dass das nicht funktionieren kann. Ich kann mir eine Lösung des Nahostkonflikts nicht anders vorstellen, als dass alle Bewohner des betreffenden Landstrichs als gleichberechtigte Bürger eines gemeinsamen Staates irgendwie miteinander klarkommen.

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Also Israel - äh - auflösen oder vergrößern? (Nein! - Doch! - Oh!) Übrigens sind ein Fünftel bis ein Viertel der Israelis von Haus aus Araber.

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Eben das meine ich. Warum nicht die restlichen Palästinenser auch noch mit ins Boot holen und dann eben alle rechtlich gleichstellen? Es scheint mir sinnvoller, wenn ein bereits bestehender demokratischer und wirtschaftlich funktionierender Staat halt auf ein paar Regelungen mit rassistischem Geschmäckle verzichtet und im Gegenzug noch ein paar Gebiete samt Bevölkerung dazukriegt, als noch so ein winziges zweigeteiltes und vermutlich nicht lebensfähiges Palästina zu schaffen.

(Als wiedervereinigter Deutscher würde ich bei einer solchen Lösung aber den Tipp geben, dass man dabei nicht unseren Fehler wiederholen sollte: nämlich zu versäumen, die Verfassung des wirtschaftlich dominierenden Teils auch für die Neubürger akzeptabel anzupassen.)

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Aber meinen Sie, dass dadurch wirklich Frieden herrschen würde? Dann würde doch auch die Hamas mit zu Israel gehören und deren Gründungscharta liest sich wie der Stürmer und strotzt nur so vor Hass gegen die Juden. Für Ihre Idee spricht allerdings wiederum, dass es nicht wenige Araber gibt, die tatsächlich offen zugeben, dass sie lieber unter einer jüdischen als unter einer arabischen Regierung leben. Und was das Zusammenleben der Araber und Juden in Israel betrifft, so war ich bei meinen Israelreisen erstaunt, wie gut dies teilweise funktioniert.
Aber trotzdem - ein Zusammenleben als gleichberechtigte Bürger würde meines Erachtens sowohl an den muslimischen Fundamentalisten als auch an den jüdischen Nationalisten scheitern, bzw. von beiden bekämpft werden.

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Natürlich werden die, die vom Hass leben, nicht erfreut sein, wenn man sie ihrer Existenzgrundlage beraubt. Aber wenn das alles ein Staat gleichberechtigter Bürger wäre, dann wäre das Abschießen von Raketen auf Wohngebiete, das Erschießen randalierender Jugendlicher durch Soldaten und manches andere erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich. Sicher würden fundamentalistische Gruppierungen nicht aufhören zu existieren, sie könnten aber weniger Unheil anrichten.

Ich bin sicher, dass man Frieden erreichen kann, wenn man nur will, ich bin auch sicher, dass die Bevölkerungsmehrheiten in Israel und Palästina das wollen.

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Nehmen Sie es nicht übel. Das sind typisch deutsche Blütenträume. Von Deutschen, die - sinnbildlich - eine zu lange Zeit ihres Lebens damit verbracht haben, Biozigaretten auf Lunge zu rauchen und im Lotussitz Bongos zu trommeln.

Für den Anfang könnte der deutsche Staat aufhören, die Hamas zu finanzieren, die als einziger beteiigter Player ohne Krieg nicht existieren kann.

Als Sahnehäubchen könnten deutsche Qualitäts-Hassbolzen wie ARD und Spiegel sich verkneifen, Standardüberschriften wie "Israel erschießt Jugendlichen" zu verlügen, wenn die korrekte Überschrift wäre "Anschlag auf israelischen Grenzposten, Terrorist konnte gestoppt werden".

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Um mal im Sinnbild zu bleiben: ohne Blütenträume keine Früchte. Sicherlich wird nicht aus jeder Blüte eine Frucht, nicht aus jeder Friedensbemühung ein Frieden - aber wenn es nichtmal Friedensbemühungen gibt, dann ist halt sicher, dass es keinen Frieden gibt ... na ja, so hat eben jeder seine Feindbilder: Ihre offenbar friedliebende Hippies, meine eher die sogenannten knallharten Realisten, denen es mit messerscharfer Logik und einer Fülle sogenannter Fakten immer gelingt nachzuweisen, dass friedliche Einigungen nicht möglich sind ...

Aber mal im Ernst: Dass die Hamas ein existenzielles Interesse am Krieg hat, darin stimmen wir offenbar überein. Aber da gibt es doch noch mehr. Nach den Ereignissen der letzten Jahre lässt es sich z.B. kaum leugnen, dass auch der vorige Präsident Israels ein ebensolches Interesse hatte. Und Itzak Rabin wurde auch nicht gerade von der Hamas erschossen.

Die erschossenen Jugendlichen meinte ich wirklich im Plural, und es ist wohl kaum glaubhaft, dass die alle Terroristen waren (also Leute, die organisiert Terrorakte vorbereitet oder durchgeführt haben). Und im Übrigen pflegen demokratische Staaten Terroristen durch Verhaftung und Verurteilung zu stoppen, nicht durch Erschießen. Dieses Vorgehen lässt sich nur legitimieren, indem man den Konflikt als Krieg imaginiert (was bei beiden Konfliktparteien leider viele tun, aber da sind wir eben wieder beim Punkt ...)

Was die von Ihnen erwähnte "Finanzierung der Hamas" betrifft, da frage ich mich, wo die Unterstützung einer notleidenden Bevölkerung in Gaza aufhört und wo die Finanzierung der Hamas anfängt. Wenn man in solchen Grauzonen argumentiert, kann man auch behaupten, dass Elliott Abrams den Erfolg der Hamas organisiert hat. Aber da wären wir schon wieder in der gegenseitigen Schuldzuweisung, und tut mir leid: das ist das erste, was aufhören muss, damit nur irgendwas besser wird.

Ich bin nämlich ganz gern Deutscher, und ich finde nicht, dass es uns zu gut geht, nur weil wir die Folgen des vorigen Krieges grade mal überwunden haben (in meiner Familie hat er genug Leid angerichtet, in Ihrer sicher auch). Und wenn man historisch noch ein bisschen weiter zurückgeht, da gab es hierzulande einen noch schlimmeren, weil 30 Jahre langen Krieg, der ganze Landstriche entvölkerte. Beendet wurde der durch zehn Jahre lange zähe Verhandlungen. Die muss man wollen und die muss man durchstehen. Anders gehts nicht.

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Späte Genugtuung: Dass ich natürlich nicht der erste war, der diese naheliegende Idee hatte - der israelische Philsoph Omri Boehm hat sie 2020 in dem Buch "A future for Israel: beyond the two-state solution" dargelegt.

Siehe hier
https://de.wikipedia.org/wiki/Omri_Boehm

Ich selbst bin in einem sehr lesenswerten Interview in der Online-Zeitung republik.ch drauf gestoßen:
https://www.republik.ch/2021/05/29/ein-gemeinsamer-binationaler-staat-ich-nenne-ihn-die-haifa-republik

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