Donnerstag, 30. Juni 2022
Zum aktuellen Skandal im Wasserglas
"Antisemitismus bei der documenta" - da haben Sie bestimmt auch schon davon gehört. Ich hatte heute eine Stunde Zeit mal nachzugoogeln, was da eigentlich passiert ist. Also: Schon vor ein paar Monaten war ein Kasseler Aktionsbündnis, das den Antideutschen nahesteht, mit dem Warnruf "Antisemitismus" an die Öffentlichkeit getreten. Besonders schlimm fanden sie, dass eine palästinensische Künstlergruppe mit dezidiert politischer Kunst vertreten ist, jedoch keine israelischen Künstler.

Und das ist richtig, jedoch per se erstmal kein Antisemitismus. Sodass sich in der Öffentlichkeit die Meinung durchsetzte, man möge die Eröffnung abwarten und sich die Werke dann genau angucken. Aber natürlich rumorte die Diskussion weiter und zur Eröffnung durch den Bundespräsidenten Steinmeier positionierte sich dieser vorsichtshalber gegen Antisemitismus, ohne konkrete Werke zu nennen.

Vielleicht muss man dazu wissen, wie die Ausstellung konzipiert ist: Sie wird von einem indonesischen Künstlerkollektiv kuratiert. Man will so eine Sicht auf die Welt ermöglichen, die nicht aus der ersten Welt stammt. Da kann man natürlich keine Ausgewogenheit erwarten - Ausgewogenheit war ja auch nie das Markenzeichen der documenta, wenn man an deren Gründung und ihre Rolle im Kalten Krieg zurück oder später an die Fluxus-Angriffe auf den tradierten Kunstmarkt denkt. Nun also mal Unausgewogenheit aus Dritter-Welt-Sicht, warum nicht. Allerdings verwundert da auch nicht, dass israelkritische Kunst prominent vertreten ist.

Aber das war ja auch nicht das Thema, sondern der Antisemitismus. Und der ließ sich (soweit ich mich über veröffentlichte Meinung ganz verschiedener Art informieren konnte, gesehen hab ich die Ausstellung nicht) bei den palästinensischen Künstlern nicht unbedingt finden. Allerdings woanders: Im Rahmen der documenta wird ein Propaganda-Video einer japanischen Terroristen-Gruppe aus den 70er Jahren gezeigt, die auch einen üblen Anschlag mit vielen Toten auf den Flughafen von Tel Aviv verübt hat. Hübsch versteckt als angebliche Filmforschung unter dem allerdings verräterischen Titel "Subversive Film". Wie wahr.

Und jetzt kommt das Überraschende: Eine Kiste mit Kunstwerken aus Indonesien kommt verspätet an, und aus dieser einen Kiste muss speziell ein Bild nochmal restauratorisch überarbeitet werden, sodass keiner der Kuratoren die Zeit findet, sich das Bild nochmal anzugucken, und so kommt es, dass eine Woche nach Eröffnung den Kameras der Welt eine klassische antisemitische Hasskarikatur gezeigt werden kann. Also, wenn das nicht subversiv ist!

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