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Samstag, 15. Juni 2024
Gelangweilt im Supermarkt
damals, 13:12h
Wenn ich meinen alten Vater zum Supermarkt fahre, habe ich immer viel Wartezeit. Während er im Schneckengang seinen Wagen durch die Reihen schiebt und alles nach Sonderangeboten abschnobert, lese ich gelangweilt Etiketten.
Da wirbt zum Beispiel eine Firma aus dem Spreeewld mit regionalen Produkten:
Natürlich schwimmen in den Spreewaldkanälen keine Heringe (die kommen aus Norwegen, wie hinten im Kleingedruckten verzeichnet ist) - regional ist also nicht das Produkt, sondern der Ort, wo der Gewinn eingestrichen wird, und das kann beim Kaufen durchaus Sinn ergeben, wenn mensch nicht möchte, dass eine Firma "aus dem Westen" den Reibach macht.
Für andere ist dann weniger die Region, mehr das Vegane wichtig. Deshalb gibt es jetzt auch vegane Kuhbonbons:
Mensch fühlt sich ökologisch auf der sicheren Seite, wenn die Milch nicht der regionalen Kuh, sondern den Kokospalmen im globalen Süden abgezapft wird. Immerhin: Auch hier wird der Gewinn regional, in Deutschland, eingestrichen.
Und da wir uns im Supermarkt eines Wohnggebiets befinden, das in den 1970er Jahren für Armee und Polizei errichtet wurde, dürfen natürlich auch diese Produkte nicht fehlen:
Na ja, jedem, was er mag ...
Da wirbt zum Beispiel eine Firma aus dem Spreeewld mit regionalen Produkten:
Natürlich schwimmen in den Spreewaldkanälen keine Heringe (die kommen aus Norwegen, wie hinten im Kleingedruckten verzeichnet ist) - regional ist also nicht das Produkt, sondern der Ort, wo der Gewinn eingestrichen wird, und das kann beim Kaufen durchaus Sinn ergeben, wenn mensch nicht möchte, dass eine Firma "aus dem Westen" den Reibach macht.
Für andere ist dann weniger die Region, mehr das Vegane wichtig. Deshalb gibt es jetzt auch vegane Kuhbonbons:
Mensch fühlt sich ökologisch auf der sicheren Seite, wenn die Milch nicht der regionalen Kuh, sondern den Kokospalmen im globalen Süden abgezapft wird. Immerhin: Auch hier wird der Gewinn regional, in Deutschland, eingestrichen.
Und da wir uns im Supermarkt eines Wohnggebiets befinden, das in den 1970er Jahren für Armee und Polizei errichtet wurde, dürfen natürlich auch diese Produkte nicht fehlen:
Na ja, jedem, was er mag ...
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Dienstag, 4. Juni 2024
Was immer Spaß macht ...
damals, 18:50h
... sind die Nachrichten, die ich von den Schülern so bekomme. Hier die schönsten Entschuldigungen, die letzte Woche eingetrudelt sind:
Und hier noch ein schöner Chatverlauf von dem Sonntagabend, an dem die Ferien endeten:
Und hier noch ein schöner Chatverlauf von dem Sonntagabend, an dem die Ferien endeten:
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Freitag, 31. Mai 2024
Beginnendes Alter
damals, 19:29h
Nachts aufwachen mit Harndrang, leichter Schwindel beim Aufstehen, Gang zur Toilette, dann in die Küche um ein Glas Wasser. Ich genieße das Trinken. Vorm Fenster Regen, üppiges Laub in den Vorgärten, merkwürdig glänzend beleuchtet. Auf der Straße ein Rettungswagen mit offenen Türen, zwei kräftige junge Männer schieben einen alten hinein. Zurück ins Bett, wohlige Wärme umfängt mich, neben mir regt sich die Frau im Schlaf. Wie schön! Ich hab noch ein bisschen Zeit.
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Freitag, 10. Mai 2024
Nationalitäten - und wie sie empfunden werden
damals, 23:28h
Ich hatte grad keinen Roman zum jeden Abend lesen, das macht mich ganz unruhig, wenn das so ist. Also schaute ich in mein Bücherregal, ob da nicht was wäre zur Zweitlektüre - und griff zu Lumilla Ulitzkaja, "Die Lügen der Frauen". Ich weiß noch, dass mich das Buch vor gut zehn Jahren sehr erfreut hat, den Inhalt hatte ich aber völlig vergessen.
Und was stellt sich nun heraus? Das Ganze ist präzise und farbig erzählt, ohne Zweifel qualitätvolle Literatur. Aber die wie selbstverständlich dem Text innewohnende Arroganz künstlerisch-intellektuell Schaffender gegenüber dem einfachen Volk nervte mich schon sehr (und komisch, dass mich das vor zehn Jahren offenbar nicht oder nicht spürbar genervt hat). Weg mit dem Ding, ab zu Boo****ker!
Es ist schon verrückt, wie manche Kunsterlebnisse bestehen bleiben, andere vergehen. Ich hab mir ein paar alte Schallplatten aufs Handy überspielt, um sie im Auto oder zwischendurch gut hören zu können. "Unicornio" von Silvio Rodriguez, damals sehr geliebt, kann bei mir nur noch sentimental-nostalgische Gefühle erzeugen ("Ach ja, damals ..."), während die Lieder von Miriam Makeba, ebenfalls absolute Schmachtmusik meiner Jugendjahre, mich immer noch direkt packen.
Auch mein Sohn findet Miriam Makeba toll, während ihn die ganzen Rock- und Blues-Sachen, die ich sonst so höre, ziemlich kalt lassen.
Ist es jetzt wirklich so, dass Afrika im Kommen ist, während Russland und Lateinamerika kulturell erstmal vergeigt haben? Oder ist das nur meine persönliche Wahrnehmung?
Und was stellt sich nun heraus? Das Ganze ist präzise und farbig erzählt, ohne Zweifel qualitätvolle Literatur. Aber die wie selbstverständlich dem Text innewohnende Arroganz künstlerisch-intellektuell Schaffender gegenüber dem einfachen Volk nervte mich schon sehr (und komisch, dass mich das vor zehn Jahren offenbar nicht oder nicht spürbar genervt hat). Weg mit dem Ding, ab zu Boo****ker!
Es ist schon verrückt, wie manche Kunsterlebnisse bestehen bleiben, andere vergehen. Ich hab mir ein paar alte Schallplatten aufs Handy überspielt, um sie im Auto oder zwischendurch gut hören zu können. "Unicornio" von Silvio Rodriguez, damals sehr geliebt, kann bei mir nur noch sentimental-nostalgische Gefühle erzeugen ("Ach ja, damals ..."), während die Lieder von Miriam Makeba, ebenfalls absolute Schmachtmusik meiner Jugendjahre, mich immer noch direkt packen.
Auch mein Sohn findet Miriam Makeba toll, während ihn die ganzen Rock- und Blues-Sachen, die ich sonst so höre, ziemlich kalt lassen.
Ist es jetzt wirklich so, dass Afrika im Kommen ist, während Russland und Lateinamerika kulturell erstmal vergeigt haben? Oder ist das nur meine persönliche Wahrnehmung?
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Donnerstag, 25. April 2024
Alles an einem Tag
damals, 17:31h
Vor drei Tagen mache ich morgens das Radio an und höre, dass Anne Brorhilker, die berühmte Staatsanwältin in den Cum-Ex-Verfahren, keine Lust mehr hat und ihren Beamtenstatus aufgibt. Viel zu oft sei es möglich, sagte sie dem WDR, dass sich Cum-Ex-Profiteure per Gelbuße oder Vergleich aus ihrer Schuld freikaufen können. Es wird also nicht rechtsstaatlich, sondern pragmatisch gehandelt: Der Staat kann so schnell ein paar Millionen rausschlagen und sich die weitere mühsame und kostenintensive Strafverfolgung sparen.
Am selben Tag hörte ich, dass die FDP Alarm schlägt, weil es der Wirtschaft zu schlecht geht: Es fehlt an Arbeitskräften. Deshalb soll der Staat Menschen, die nicht arbeiten, dazu drängen, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Nicht gelten soll die Maßnahme allerdings für Menschen, die nicht arbeiten, weil sie ihr Geld für sich arbeiten lassen. Es geht der FDP also nicht um die Arbeitskraft, die angeblich so dringend benötigt wird, sondern um die Rendite, die diese erwirtschaftet – wer die Rendite anders, durch Investition seines Kapitals, erzielen kann, muss nicht zum Arbeiten gedrängt werden. Dass so eine fragwürdige Ungleichbehandlung von Menschen entsteht – geschenkt. Hauptsache, der Laden läuft, wer fragt da noch nach Recht und Gerechtigkeit?
Wiederum am selben Tag fragt mich ein Schüler, der einige unentschuldigte Fehlstunden hat und – da über 18 – seine baldige Abschulung befürchten muss, ob er nicht einige seiner Fehlstunden streichen lassen kann, indem er eine entsprechende Geldbuße bezahlt. Eigentlich eine vernünftige Überlegung, wenn man sich das Verhalten seiner Vorbilder am anderen Ende der Einkommensskala betrachtet.
Am selben Tag hörte ich, dass die FDP Alarm schlägt, weil es der Wirtschaft zu schlecht geht: Es fehlt an Arbeitskräften. Deshalb soll der Staat Menschen, die nicht arbeiten, dazu drängen, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Nicht gelten soll die Maßnahme allerdings für Menschen, die nicht arbeiten, weil sie ihr Geld für sich arbeiten lassen. Es geht der FDP also nicht um die Arbeitskraft, die angeblich so dringend benötigt wird, sondern um die Rendite, die diese erwirtschaftet – wer die Rendite anders, durch Investition seines Kapitals, erzielen kann, muss nicht zum Arbeiten gedrängt werden. Dass so eine fragwürdige Ungleichbehandlung von Menschen entsteht – geschenkt. Hauptsache, der Laden läuft, wer fragt da noch nach Recht und Gerechtigkeit?
Wiederum am selben Tag fragt mich ein Schüler, der einige unentschuldigte Fehlstunden hat und – da über 18 – seine baldige Abschulung befürchten muss, ob er nicht einige seiner Fehlstunden streichen lassen kann, indem er eine entsprechende Geldbuße bezahlt. Eigentlich eine vernünftige Überlegung, wenn man sich das Verhalten seiner Vorbilder am anderen Ende der Einkommensskala betrachtet.
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Mittwoch, 10. April 2024
Populistische Frage
damals, 17:40h
Ich weiß ja nicht, um welche Waffen es sich konkret handelt (in den Medien las ich nur von Panzerfäusten und Korvetten) - aber wäre es nicht eine Überlegung wert, die deutschen Waffenlieferungen nach Israel in die Ukraine umzuleiten? (Wenn Deutschland das schreckliche Zeug schon produzieren muss, dann sollte es es wenigstens dahin liefern, wo ein Nutzen für die Menschehit damit erreicht werden kann.)
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Samstag, 6. April 2024
Kunstrezension: Stolpersteine oder schwarzer Block
damals, 20:09h
Angesichts von Ereignissen, die nichts damit zu tun haben, wird ja dieser Tage auch wieder über das Holocaust-Gedenken diskutiert, und es kann sein, dass die Tatsache, dass ich heute über ein Denkmal „für die verschwundenen Juden Altonas“ schreibe, auch damit etwas zu tun hat, vielleicht aber auch nicht.
Jedenfalls zeigte mir vor ein paar Jahren ein Bekannter dieses Kunstwerk und meinte, das sei mal eine gelungene Form des Gedenkens, so minimalistisch und eindringlich. Ich stand eher ratlos vor dem schwarzen Klotz, ich verstand nicht, was das sollte.
Inzwischen habe ich das Denkmal öfter wiedergesehen, aber erst dieser Tage, als ich es mal in Ruhe betrachtete und auch die zugehörige Platzgestaltung mit Treppenanlage bemerkte, ging mir ein Licht auf: Ja, da spürte ich die Eindringlichkeit schon: Der Klotz steht ziemlich massiv im Raum und stört – und er will ja auch stören, verstören.
Aber wie das Ding erhaben mit einer Treppenanlage versehen, wie es staatstragend in eine Achse mit dem dahinterliegenden Rathaus gesetzt ist (nicht anders als das dahinter stehende alberne Kaiserdenkmal, das den dortigen „Platz der Republik“ verunziert) – nein, also, das gefällt mir nicht. Zumal derselbe Staat, dieselbe Kommune wenige hundert Meter entfernt ermöglichte, dass ein Einkaufszentrum auf einem von den Nazis verwüsteten jüdischen Friedhof mitsamt dort noch herumliegenden Toten errichtet wurde (nur eine versteckte Tafel im Kellergeschoss erinnert daran) – eine solche Öffentlichkeit sollte dann nicht vor dem Rathaus anfangen, Gedenken zu spielen.
Wie anders dagegen das Konzept der Stolpersteine, die mich so oft im Alltag innehalten lassen! Die Dinger blitzen auf, wenn mensch sich in der Selbstverständlichkeit des Alltagstrotts verliert, und erinnern: Mensch, denk nach! Bei mir jedenfalls funktioniert das, besser als bei dem dicken Denkmal dort in der Zentralachse.
P.S. ... und wie immer funktionieren meine Fotos nicht: Das Denkmal sieht auf meinen Schnappschüssen elegant, angemessen, stimmig aus, gar nicht so klotzig, wie ich es vor Ort erlebte.
Na ja, vielleicht ist es ja auch so - und ich mag einfach Stimmigkeit und Angemessenheit nicht - ich will überrascht, bewegt sein.
Jedenfalls zeigte mir vor ein paar Jahren ein Bekannter dieses Kunstwerk und meinte, das sei mal eine gelungene Form des Gedenkens, so minimalistisch und eindringlich. Ich stand eher ratlos vor dem schwarzen Klotz, ich verstand nicht, was das sollte.
Inzwischen habe ich das Denkmal öfter wiedergesehen, aber erst dieser Tage, als ich es mal in Ruhe betrachtete und auch die zugehörige Platzgestaltung mit Treppenanlage bemerkte, ging mir ein Licht auf: Ja, da spürte ich die Eindringlichkeit schon: Der Klotz steht ziemlich massiv im Raum und stört – und er will ja auch stören, verstören.
Aber wie das Ding erhaben mit einer Treppenanlage versehen, wie es staatstragend in eine Achse mit dem dahinterliegenden Rathaus gesetzt ist (nicht anders als das dahinter stehende alberne Kaiserdenkmal, das den dortigen „Platz der Republik“ verunziert) – nein, also, das gefällt mir nicht. Zumal derselbe Staat, dieselbe Kommune wenige hundert Meter entfernt ermöglichte, dass ein Einkaufszentrum auf einem von den Nazis verwüsteten jüdischen Friedhof mitsamt dort noch herumliegenden Toten errichtet wurde (nur eine versteckte Tafel im Kellergeschoss erinnert daran) – eine solche Öffentlichkeit sollte dann nicht vor dem Rathaus anfangen, Gedenken zu spielen.
Wie anders dagegen das Konzept der Stolpersteine, die mich so oft im Alltag innehalten lassen! Die Dinger blitzen auf, wenn mensch sich in der Selbstverständlichkeit des Alltagstrotts verliert, und erinnern: Mensch, denk nach! Bei mir jedenfalls funktioniert das, besser als bei dem dicken Denkmal dort in der Zentralachse.
P.S. ... und wie immer funktionieren meine Fotos nicht: Das Denkmal sieht auf meinen Schnappschüssen elegant, angemessen, stimmig aus, gar nicht so klotzig, wie ich es vor Ort erlebte.
Na ja, vielleicht ist es ja auch so - und ich mag einfach Stimmigkeit und Angemessenheit nicht - ich will überrascht, bewegt sein.
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Montag, 18. März 2024
Getroffene Hunde bellen ...
damals, 11:55h
... obwohl Strack-Zimmermann ehrlich gesagt schon vorher gebellt hat.
Dennoch wäre es ein schöner Zug gewesen, wenn sie jetzt, da sie ertappt ist, dass sie wider besseren Wissens gegen Scholz gepoltert hat (oder wusste sie das wirklich nicht, das wär ja noch peinlicher), dass sie da einfach mal ein paar Tage den Mund hält.
Dennoch wäre es ein schöner Zug gewesen, wenn sie jetzt, da sie ertappt ist, dass sie wider besseren Wissens gegen Scholz gepoltert hat (oder wusste sie das wirklich nicht, das wär ja noch peinlicher), dass sie da einfach mal ein paar Tage den Mund hält.
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Donnerstag, 14. März 2024
Scham und Schreiben
damals, 17:29h
Ich vergrab mich schon wieder in virtuelle Welten, im Moment ist meine täglich Begleiterin „Die Wunde“, ein Buch der russischen feministischen, lesbischen Autorin Oxana Wassjakina über den Tod ihrer Mutter (ein Tipp der FAZ übrigens) – nicht alles darin gefällt, aber vieles fesselt mich, und geschrieben ist es sowieso wunderbar …
Über die Probleme weiblichen literarischen Schreibens bemerkt sie: „In ‚Das Lachen der Medusa‘ bemerkt Hélène Cixous, wir würden immer nur ein bisschen, im Geheimen, schreiben. Und natürlich käme deswegen nicht Gutes heraus, und weil wir es heimlich tun und uns auch noch dafür bestrafen, dass wir die Sache nicht zu Ende bringen; weil wir so schreiben würden wie wir masturbieren, nicht, um immer weiter zu gehen, sondern gerade so viel, um die Anspannung zu lösen. Doch sobald die Entspannung einträte, würden wir uns schuldig fühlen, uns Vergebung und Vergessen wünschen, und dieses Gefühl vergraben bis zum nächsten Mal.“
Treffend bemerkt. Vielleicht kennen Sie es ja auch als Blogger, dieses Gefühl der Schuld, der Scham, ich jedenfalls kenne es: Wie oft musste ich gepostete statements nachträglich verbessern, ergänzen, inhaltlich zurücknehmen oder ganz löschen, insbesondere unter Alkohol geschriebene, wenn es ungefiltert, unkontrolliert, also eigentlich besonders ehrlich aus mir rausplatzt. Und deshalb schreib ich in der Regel auch kontrolliert, gehemmt, gerade nur so viel, wie ich eben schreiben muss, um die Anspannung der Schreiblust loszuwerden und wieder eine Weile ohne die hässlichen Schriftsteller- und „Ich bin wichtig“-Gelüste leben zu können. Und die Bloggerei ist da sogar besonders geeignet, denn sie erzieht zum hastigen, kurzen, erfolglosen Schreiben.
So sehr ich mich also in den Qualen der Frauen wiedererkenne, sind sie doch anders. Wassjakina schreibt weiter: „Immer, wenn ich schrieb, tat ich es zwischendurch, als sei das Schreiben etwas Unnötiges, Schäbiges und Sinnloses. Ich schrieb in der Metro, in der Pause zwischen der Arbeit und dem Essen, beim Essen. Ich wies dem Schreiben einen Platz zu, der zweitrangig war, damit seine Bedeutungslosigkeit nicht so offensichtlich wurde.“
Also: Die Scham und das Sich-selbst-Verbannen in die Bedeutungslosigkeit, das haben wir gemeinsam. Was aber anders ist: Wassjakina traut der Wichtigkeit ihrer Worte nicht, hält es nicht für wichtig, sich und ihre Wahrheit der Welt mitzuteilen, nimmt also ihre Diskriminierung als Frau selbst schon vorweg. Aber dass ihre Wahrheit Wahrheit ist, daran zweifelt sie nicht.
Ich als bildungsbürgerlich sozialisierter Mann erlebe es umgekehrt. Ich zweifle nicht daran, dass ich schreiben muss, dass es wichtig ist, dass ich schreibe, dass ich den genialischen Impuls habe zu schreiben, dass ich zu schreiben berufen bin und dass das zu mir gehört. Mein Schreiben ist nicht in Gefahr, in meinen Augen zweitrangig zu werden (ich bin ja ein Mann) – es ist in Gefahr unwahr zu sein. Ich kann gut schreiben, also kann ich gut belügen, andere wie mich selbst. Wenn ich schreibe, gerate ich unversehens in narzisstische Selbststilisierung – und muss befürchten, beim Tricksen ertappt zu werden (wie hier schon oft geschehen) – und nie das sagen zu können, was ich innersten Herzen ausdrücken will. Immer nur Prätentiöses oder scheinrationale Debatten. Das ist meine, die männliche Schreibscham, sie verhält sich spiegelbildlich zu der der russischen Feministin auf ihrer Reise durch Sibirien.
-
Auf der allerletzten Seite meines damals analog geführten Tagebuchs hab ich mich dazu schon mal geäußert, ich zitierte Wolfgang Hilbigs genialen Satz darüber: „Jetzt war er zum Schriftsteller erklärt worden, und plötzlich war ihm die Sprache, die er früher mitbewohnt hatte, zu einem Raum geworden, aus dem er ausgeschlossen war.“ („Ich“, S. 131)
Über die Probleme weiblichen literarischen Schreibens bemerkt sie: „In ‚Das Lachen der Medusa‘ bemerkt Hélène Cixous, wir würden immer nur ein bisschen, im Geheimen, schreiben. Und natürlich käme deswegen nicht Gutes heraus, und weil wir es heimlich tun und uns auch noch dafür bestrafen, dass wir die Sache nicht zu Ende bringen; weil wir so schreiben würden wie wir masturbieren, nicht, um immer weiter zu gehen, sondern gerade so viel, um die Anspannung zu lösen. Doch sobald die Entspannung einträte, würden wir uns schuldig fühlen, uns Vergebung und Vergessen wünschen, und dieses Gefühl vergraben bis zum nächsten Mal.“
Treffend bemerkt. Vielleicht kennen Sie es ja auch als Blogger, dieses Gefühl der Schuld, der Scham, ich jedenfalls kenne es: Wie oft musste ich gepostete statements nachträglich verbessern, ergänzen, inhaltlich zurücknehmen oder ganz löschen, insbesondere unter Alkohol geschriebene, wenn es ungefiltert, unkontrolliert, also eigentlich besonders ehrlich aus mir rausplatzt. Und deshalb schreib ich in der Regel auch kontrolliert, gehemmt, gerade nur so viel, wie ich eben schreiben muss, um die Anspannung der Schreiblust loszuwerden und wieder eine Weile ohne die hässlichen Schriftsteller- und „Ich bin wichtig“-Gelüste leben zu können. Und die Bloggerei ist da sogar besonders geeignet, denn sie erzieht zum hastigen, kurzen, erfolglosen Schreiben.
So sehr ich mich also in den Qualen der Frauen wiedererkenne, sind sie doch anders. Wassjakina schreibt weiter: „Immer, wenn ich schrieb, tat ich es zwischendurch, als sei das Schreiben etwas Unnötiges, Schäbiges und Sinnloses. Ich schrieb in der Metro, in der Pause zwischen der Arbeit und dem Essen, beim Essen. Ich wies dem Schreiben einen Platz zu, der zweitrangig war, damit seine Bedeutungslosigkeit nicht so offensichtlich wurde.“
Also: Die Scham und das Sich-selbst-Verbannen in die Bedeutungslosigkeit, das haben wir gemeinsam. Was aber anders ist: Wassjakina traut der Wichtigkeit ihrer Worte nicht, hält es nicht für wichtig, sich und ihre Wahrheit der Welt mitzuteilen, nimmt also ihre Diskriminierung als Frau selbst schon vorweg. Aber dass ihre Wahrheit Wahrheit ist, daran zweifelt sie nicht.
Ich als bildungsbürgerlich sozialisierter Mann erlebe es umgekehrt. Ich zweifle nicht daran, dass ich schreiben muss, dass es wichtig ist, dass ich schreibe, dass ich den genialischen Impuls habe zu schreiben, dass ich zu schreiben berufen bin und dass das zu mir gehört. Mein Schreiben ist nicht in Gefahr, in meinen Augen zweitrangig zu werden (ich bin ja ein Mann) – es ist in Gefahr unwahr zu sein. Ich kann gut schreiben, also kann ich gut belügen, andere wie mich selbst. Wenn ich schreibe, gerate ich unversehens in narzisstische Selbststilisierung – und muss befürchten, beim Tricksen ertappt zu werden (wie hier schon oft geschehen) – und nie das sagen zu können, was ich innersten Herzen ausdrücken will. Immer nur Prätentiöses oder scheinrationale Debatten. Das ist meine, die männliche Schreibscham, sie verhält sich spiegelbildlich zu der der russischen Feministin auf ihrer Reise durch Sibirien.
-
Auf der allerletzten Seite meines damals analog geführten Tagebuchs hab ich mich dazu schon mal geäußert, ich zitierte Wolfgang Hilbigs genialen Satz darüber: „Jetzt war er zum Schriftsteller erklärt worden, und plötzlich war ihm die Sprache, die er früher mitbewohnt hatte, zu einem Raum geworden, aus dem er ausgeschlossen war.“ („Ich“, S. 131)
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Dienstag, 20. Februar 2024
Warum nicht auch mal Diplomatie?
damals, 18:27h
Wenn jetzt Deutschland nach dem Tod von Nawalny den russischen Botschafter einbestellen würde, da hätte ich überhaupt nichts dagegen ...
(... es müssen nicht immer Raketen sein.)
(... es müssen nicht immer Raketen sein.)
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