Dienstag, 13. Juni 2017
An ihren Werbesprüchen sollt ihr sie erkennen ...
n Ottensen steht ein Bürogebäude, das ist für lokalpolitisch Interessierte ein Hassobjekt ersten Grades. Wenn man arglos daran vorbeifährt, fragt man sich, wieso, denn es sieht nicht besser und nicht schlechter aus als andere Häuser, die heute so gebaut werden. Wer weiß schon, dass hier eigentlich Wohnungen gebaut werden sollten? Das aber konnte eine Investitionsfirma mit so legalen wie unfairen Mitteln verhindern, um die besagten Büros zu errichten, da diese eine höhere Rendite versprachen. Man versuchte es der Bevölkerung mit der Behauptung schmackhaft zu machen, hier werde Platz für "Kreativjobs" entstehen.
Da aber in Ottensen nichts die Kreativität so sehr lähmt wie der Gewinn, der sich mit dem Verzicht auf sie erzielen lässt, hat man das Haus sicherheitshalber an eine Versicherung weiterverkauft.
Mir jedenfalls fällt morgens beim Vorbeiradeln zur Arbeit auf, dass als Erstes ein Imbiss darin eröffnet hat, namens "Kaiserwetter" - ein Begriff, den man zuletzt um 1910 positiv besetzt gehört hat - aus dem Munde konservativer Nationalisten. Für wen bedeutet ein "Lunchpaket" von "Kaiserwetter" das besondere Flair des Quartiers, von dem die Bauherren aus ihrer WEbseite schwärmen?

P.S. Und ein paar Meter weiter, in St. Pauli, haben die Werber die Auslandseinsätze der Bundeswehr kommentiert, indem sie eine Fregatte mit folgendem Spruch verzierten:

Auch nicht schlecht.

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Montag, 1. Mai 2017
Manchmal ist es auch schön ...
... wie man zugucken kann, wie sich das grammatische Verständnis entwickelt, additiv aus aufgeschnappten Floskeln: In der betreffenden Klasse hatte der Lernplan den Schülern noch nicht zugemutet, Vergangenheitsformen zu lernen. Aber natürlich hatten sie's tausendmal aufgeschnappt.

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Montag, 10. April 2017
Heute mal eine Gastrokritik: Auf dem Energiebunker
Auf seinen „Energiebunker“ ist Hamburg stolz – das ist ein riesiger alter Luftschutzbunker, der vor einigen Jahren aufwändig renoviert wurde und jetzt eine große Solaranlage mit Wärmespeicher beherbergt, nebst Aussichtsplattform und Café. Das haben wir heut besichtigt, genossen auch eine sehr informative Führung und den herrlichen Ausblick auf Hamburg von der sonnigen Terrasse. So umgestaltet lässt man sich Weltkriegserinnerung gern gefallen.
Nur das Café war einigermaßen daneben. Schon sein grün-schickimickiges Outfit mit den entsprechenden überteuerten Preisen nervte etwas. Dann auch noch: Stromausfall! Auf dem Energiebunker! Das setzte nicht nur die Kaffeemaschine außer Kraft, auch die Kellner: Da diese nicht in der Lage waren, die jeweilige Zeche mit Papier und Stift oder gar im Kopf auszurechnen, blieben auch Saft und Kuchen unverkauft und das Ganze wurde geschlossen.
Nach unserer Führung dann war der Schaden wohl behoben. Meine Frau verlangte eine Limo. „Möchten Sie Himbeerlimonade?“ fragte die junge Frau an der Theke. Meine Frau: „In Ordnung - ich nehme Himbeerlimonade.“ –„Die haben wir nämlich nicht.“ Sie hielt ihr einen Zettel unter die Nase. „Was hier draufsteht, das haben wir alles nicht.“ –„Ach. Und was ...“ – Die Frau kramte noch einmal und brachte einen weiteren Zettel zum Vorschein. „Sie müssen hier aussuchen.“ Auf dieser Karte fanden sich Maracuja- und Zitronenlimonade. „Ich nehme Maracuja.“ – „Die haben wir auch nicht.“
Na ja. Meine Frau nahm dann Zitronenlimonade und ich Kaffee, der aus einer Thermoskanne gezapft wurde und auch so schmeckte: grundsolide und ein bisschen billig. Also nicht wie sein Preis. Dafür war er „wasserneutral“, wie uns ein großes Plakat belehrte. Und wenigstens der Kuchen war so lecker, wie er teuer war.

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Dienstag, 4. April 2017
Saaleck
Zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen gehören die Ausflüge zur Rudelsburg, zwei oder drei waren es, die wir Geschwister mit den Großeltern unternahmen.

Die Großeltern wohnten in Leuna, und weil Großvater ein ehemaliger Leuna-Werker war, durften wir vom Werksbahnhof abfahren. Der Fußmarsch durch das Werk zum Bahnhof, vorbei an grauen Werkhallen, aus denen es dröhnte, unter Rohrbrücken hindurch und zu Füßen der dampfenden Kühltürme – das war schon die erste Attraktion. Später in Kösen gab es eine Fähre über die Saale und danach einen stundenlangen Aufstieg am auf dieser Seite felsigen, waldigen Saaleufer. Am Ende oben: die Rudelsburg, eine malerische Ruine mit Biertischen und Faßbrause im Burghof und einem wunderbaren Ausblick über das Saaletal.

„An der Saale hellem Strande stehen Burgen stolz und kühn ...“ stand an einer Tafel geschrieben. Zur Seite hin gab es nämlich noch eine zweite Burg, eigentlich nur noch zwei Türme: Saaleck. Die Auskunft, dort sei geschlossen, da könne man nicht hin, ließ mich immer etwas unbefriedigt.
Aber als ich letztes Jahr auf unserer Wohnmobiltour unbedingt auch die Rudelsburg sehen wollte, da ergab es sich. Den Wohnmobilstellplatz in Kösen, den fanden wir irgendwie nicht und landeten in dem Dörfchen Saaleck, wo ein geschäftstüchtiger Einheimischer ehemaliges LPG-Gelände erworben und dem Tourismus erschlossen hatte; allerdings wurde dies nicht angenommen (die einzigen Touristen außer uns waren Fahrradtouristen entlang der Saale), sein Projekt lebte von polnischen Fremdarbeitern, die dort auf Dauer kampierten.

Also, wir stiegen hinauf zur Burg Saaleck und besichtigten die kleine Ausstellung. Und dort erfuhr ich, dass sich in den zwanziger Jahren die Rathenau-Mörder dort versteckt hatten. Ich war perplex: Warum wusste ich das nicht? Und beim Wiederabstieg fiel uns ein besonderes, jetzt teilweise verfallenes Anwesen auf, über das ich mit meiner Frau in Streit geriet: War das jetzt ein Hotel und frühes 20. Jahrhundert oder ein herrschaftliches Anwesen aus dem frühen 19.? Ich war ja für Ersteres. Die Auflösung gab uns kurz darauf mein Vater: Das waren die „Saalecker Werkstätten“ des formal modernen, ideologisch rechts-außen Architekten Paul Schultze-Naumburg, also hatte ich mit dem frühen 20. Jahrhundert schon Recht gehabt, auch wenn das kein Hotel war im engeren Sinne.
Denn ein Treffpunkt war Saaleck schon in den 20er Jahren, das wurde mir jetzt klar, als ich in der Krabbelkiste des Antiquariats, an der ich nach der Arbeit in Ottensen immer vorbeikomme, ein Buch über die Rathenau-Mörder fand (Martin Sabrow: Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1999), das zwar wissenschaftlich spröde (keine Gefahr, bei Übermüdung abends im Bett zu lesen), aber sehr sachlich und genau die damaligen Verhältnisse darstellte.
Und jetzt versteh ich auch meine eigene Familiengeschichte besser: Über die Geschichte meines Vaters und seiner Leunaer Familie, da weiß ich sehr viel. Die waren immer schon SPD, im Wohnzimmer meiner Eltern hängt eine Reliquie, ein mit roten Fahnen umsticktes August-Bebel-Foto, ein Werk meiner Urgroßmutter.
Über die Familie meiner Mutter, die eher kleinbürgerlich-rechts zu verorten ist, weiß ich weniger. Aber als ich über die Bürgersöhne las, deren Eltern, in der Kaiserzeit kaisertreu und wohlhabend geworden, Anfang der 20er und insbesondere 1923 verarmten, und die dann Rechtsterroristen wurden, da war mir klar: Da ist meine Oma doch die zugehörige Bürgertochter. Ich erinnerte mich daran, dass sie erst beim Wandervogel war und dann Lehrerin lernte und anschließend auf einem thüringischen Gutshof die Kinder der Herrschaft erzog. Sie hatte eine Affäre mit dem Verwalter, mit dem sie morgens immer ausritt. Aber als sie dann neben dem Verwalter zu Pferde blieb, als dieser die Dienerschaft antreten ließ, da wurde es der Herrschaft zu bunt und die beiden wurden entlassen. Der Verwalter trollte sich und meine Oma musste zu ihren Eltern zurück, die sie panisch schnell verheirateten, da die Verarmung von 1923 nahte (was ja nun im 20. Jahrhundert nicht unbedingt mehr ein Grund war).
Als ich meine Mutter darauf ansprach, gab sie mir Recht: Ja, die Ereignisse von Saaleck hätten meine Oma schockiert, sie habe sich doch diesen Leuten zugehörig gefühlt, und nun stellte sich heraus, dass es Mörder sind; Mörder des Außenministers. Das habe sie beschämt. Nach der Nothochzeit mit meinem Opa führte sie die Hochzeitsreise dennoch nach Kösen, zu Rudelsburg und Saaleck.

Meine Mutter, ihre Tochter, hatte dann ihre Gründe, auf die andere Seite, die kommunistische, zu wechseln. Auch da wurde sie bitter enttäuscht. Aber wenn sie jetzt manchmal melancholisch anmerkt, die Kommunisten hätten eben damals, in den 20ern, mannhaft zupacken und die Herrschaft an sich reißen müssen, da spüre ich in ihren linken Träumen die viel älteren, nicht viel anders lautenden Wünsche ihrer rechtsgerichteten Mutter und der Ihrigen.

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Sonntag, 26. März 2017
Wo man die Türen nicht schließen kann
Manchmal begegne ich Menschen, die ich einfach nicht leiden kann, obwohl sie mir gar nicht feindlich gegenübertreten, die einfach nur Signale aussenden, die das meinige auf Rot stellen.
Heute hab ich nach langer Zeit mal wieder die Sprachprüfung für Ausländer abgenommen, was ich aus Sentimentalität an alte Billig-Lehrer-Zeiten manchmal noch tue - A., der ich damals über eine Freundin den Job in der Vorstadt vermittelt hatte, ist dort, bei diesem „freien Bildungsträger“, inzwischen fest angestellt und fand mich im Internet, als sie einen Prüfer auf Honorar suchte. Wie schön! Aber als 2. Prüfer fand sie leider L., die ich auch von damals noch flüchtig kenne. Sie war mir irgendwie unangenehm, sie wirkte auf mich lehrinnenhaft kühl und streng, ohne dass ich von ihr irgendwas wusste. Wie sich heute herausstellte, war das Gegenteil von Strenge der Fall: Sie prüfte im Detail zwar pingelig und leidenschaftlich, kontrollierte jedes Prüfungsergebnis nochmal genau nach, war aber im Ergebnis sehr wohlwollend bis zur Grenze des Möglichen. Immerhin waren wir uns bei den Fällen, die wirklich durchfallen wussten, einig, so dass es keine echten Konflikte gab.
Aber was sie sonst so erzählte: Fast gleichzeitig mit dem Bekenntnis, aus Donezk zu stammen, kam sie mit der (so finde ich) offensichtlichen Propagandalüge, Angela Merkel habe die Flüchtlinge aus Syrien ins Land geholt, um der syrischen Regierungsarmee die Soldaten zu nehmen und dadurch das Kriegsgeschehen zuungunsten Assads zu beeinflussen – na super: Man kennt sie ja, diese rechtsdeutsche Anti-Merkel-Fremdenfeindlichkeit in Mischung mit prorussischer Assadfreundlichkeit, sowas kann mich auf die Palme bringen. Als ich leise protestierte, meinte sie: „Doch, doch, du kennst doch noch C.“ und erzählte von den Pass-Schwierigkeiten dieser Deutschestin, von den Gemeinheiten der Esten gegen ihre dort lebenden Russen (für die sie die Verantwortung natürlich ausschließlich bei der EU sah), ohne die vorher geschehenen Gemeinheiten der Russen an den in Estland lebenden Esten zumindest zu erwähnen – als ich sie darauf hinwies, schwieg sie, um die Atmosphäre nicht noch ungemütlicher zu machen.
Sie erzählte dann von ihrem Berufsweg der letzten Jahre (wir haben uns ja 2 – 3 Jahre nicht gesprochen), das war nett gemeint, weil wir so ja das Politische beiseitelassen, uns über gemeinsamen Beruf unterhalten konnten. Aber gleich traf sie wieder bei mir ein Fettnäpfchen: Sie berichtete stolz, wie sie durch Zufall in maßgebliche Schulorganisationskreise gelangt sei, ständig hieß nur „Kennst du Marina X., kennst Susanne Y.?“ usw. Ich sagte nur „Du, Netzwerken ist nicht so mein Talent.“ Na, und dann erzählte sie noch von den tollen pädagogischen Konzepten ihrer Schule – „Wir haben jeden Dienstag Hospitationsmöglichkeiten, da musst du mal kommen. Wir haben gar keine Türen, und alles funktioniert über individualisiertes Lernen.“ -„Ja, aber weißt du, was mein Problem dabei ist“, sagte ich diplomatisch (denn in mir begann es schon zu brodeln), „bei der Individualisierung geht das Gemeinschaftsgefühl verloren. Bei meinen Alphaschülern muss die Tür zu sein, sonst trauen sie sich nicht, mal was zu wagen. Jede Öffnung, jede Öffentlichkeit bringt Chaos, Aggressivität ...“ – „Also, bei uns gibt es keine Türen“ wiederholte sie stolz.“ Ich sagte nichts, auch als sie anschließend klagte, dass ihre Alphaschüler so unselbstständig seien und all ihr „individualisiertes“ Lernen nicht funktioniert.
Kurz: In meinen Augen war das eine unschöne Mischung zwischen alter staatstragender Ideologie (Putinphilie und Fremdenfeindlichkeit, die ja auch in dem realsozialistischen russischen Imperialsystem gepflegt wurde) und neuer staatstragender Ideologie (offener Unterricht, Behördenverehrung).

P.S.: Natürlich ist das mit dem offenen Unterricht nicht ganz verkehrt – gerade deutsche Loser-Schüler der sogenannten Ausbildungsvorbereitung, die in der Regel eine vermurkste Schulkarriere und mangelhaftes Selbstbewusstsein aufgrund mangelhafter sozialer Fähigkeiten haben, für die können die „offenen Türen“ eine gute Möglichkeit sein, wieder Vertrauen in sich zu fassen und die Füße auf den Boden zu bekommen. Aber die Migranten, die meist aus autoritären, engen Verhältnissen kommen und durch die Flucht plötzlich jedes Bezugssystem verloren haben, die brauchen doch alles andere als noch mehr Freiheit und Bindungslosigkeit, die brauchen Ruhe, Routine, menschliche Nähe, Verlässlichkeit, um überhaupt langsam zu begreifen, wo in Deutschland oben und unten ist. Und eine Lehrerin, die – anders als ihre bewunderten Vorbilder in der Behörde - weiß, was Migration ist, dürfte, finde ich, denen nicht ihre Fehler nachahmen.
Und das hab ich ihr alles nicht gesagt. Daher bin ich so sauer.

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Samstag, 4. März 2017
Mal wieder das generische Femininum
Vor ein paar Tagen belehrte mich ein weiblicher Vormund, sie sei eine Vormundin. Ich war verärgert. Demnach müsste ja Steinmeier ein bekannter Personer des öffentlichen Lebens sein und Merkel eine Mitgliedin des Bundestags. Und was mich selbst betrifft: Wie lange darf das männliche Glied noch sächlich bleiben?
So viel zum Thema Toleranz und Diversität.

(P.S. Da war mir ja die letzte noch lieber, die das Wort zur "Vormünderin" verballhornte: In der Formulierung klingt wenigstens noch das Mündel selber mit - sowie das aktive Bemündeln ihres Schützlings. Und tatsächlich: Im Gegensatz zu der agilen Vormünderin tut die Vormundin gar nichts - außer Abwiegeln.)

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Samstag, 18. Februar 2017
Wo man die Fenster nicht öffnen kann
Samstagvormittag allein zu Haus, wozu nutz ich die Zeit? Natürlich, indem ich im Bet bleib und schön einen Film von der Festplatte weggucke, der dort schon seit Wochen auf Abruf wartet. Heute "Die Falschspielerin" ("The Lady Eve" ist der schönere Originaltitel), eine berühmte Screwball-Komödie, die ich noch nicht kannte. Und tatsächlich: Sie gefiel mir sehr, da sie mit Witz und Tempo wieder wettmachte, was an Screwball-Komödien eigentlich immer ein bisschen nervt: die Null-Erotik der Hauptdarstellerin, das lächerlich Konstruierte und Holzschnitthafte der Romantik-Szenen, die Sprödigkeit und und das völlige Fehlen einer irgendwie glaubhaften Gefühlsebene ...
Ein Detail aus dem Gag-Feuerwerk fiel mir auf: "Sie wird ihn aus dem Zugfenster werfen!" - "In Zügen kann man die Fenster nicht öffnen". Aha, dachte ich, in den USA war das also schon 1941 so. Ich bin noch in 80ern den Kopf aus dem Zugfenster haltend ans Schwarze Meer gefahren. Die Zeit der Klimaanlagen und versiegelten Zugfenster begann für mich erst 1990. Inzwischen ist mir auch das vertraut.
Und deshalb schreckt mich auch ein öffentliches Klima nicht, das von maschinellen Meinungen und postfaktischem Schwachsinn beeinflusst wird. Dreistes Lügen und Meinungsmache sind mir noch aus DDR-Zeiten bekannt, inszenierten Jubel kennt man auch von Samstagabend-Fernsehshows. Wer den Wind um die Nase spürt, muss das nicht ernst nehmen.
Da lese ich zum Beispiel grade einen sehr schönen Unterhaltungsroman, "Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels" von Stefan Moster, und staunte nicht schlecht, wie gut und stimmig ein Wessi-Autor mit DDR-Tristesse und Stasi-Thematik umgehen kann. An einem winzigen Detail erkannte ich dann, warum dem Autor das gelang: Er erwähnt die Stasi-Hochschule in "Potsdam-Gollen". Tatsächlich heißt der Ort Golm, ich komm ja aus der Gegend. Offenbar hat der Autor also sein Wissen per Hörensagen erworben, nicht im Internet recherchiert. Auf diesem Übertragungsweg scheint das Wissen seine Echtheit zu behalten. "Die Macht kommt aus den Mündern, die kommt aus den Mündungen nicht." dichtete Wolf Biermann einst über Gewehrmündungen, die ihn als alten Kommunisten vielleicht doch etwas zu stark faszinierten. Recht hat er trotzdem.
Und daher müssen Sie auch nicht ernst nehmen, was ich hier ins Internet tippe.

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Mittwoch, 25. Januar 2017
Winter

Draußen vor dem Fenster schneit das Wohnmobil ein und hier drinnen in mir ist es Winter. An dem einzelnen Ferientag trink ich schon mittags zwei Bier, damit ich es schaffe, noch einen Abschnitt von meiner Erzählung zu schreiben, die mir immer kitschiger gerät. Mein Freund T. hat sich in die Psychiatrie einweisen lassen, meinen Freund S. verliere ich an PI-News, die er neuerdings statt der bisher umfangreich konsumierten Tageszeitungen frequentiert. A. und E. habe ich seit Wochen nicht gesehen und rufe auch nicht an. Ich habe keine Freude an meiner Frau, keine Freude an meinem Sohn. Bin auch in sonst niemanden verliebt. In meine Arbeit auch nicht. Es ist Winter und ich warte.

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Samstag, 21. Januar 2017
"Der Trump in mir"
So oder so ähnlich hat Don Alphonso neulich getitelt. Ja, natürlich, ich kenn meinen inneren Trump auch, und ich mag ihn auch, ich weiß aber, dass ich ihm nicht trauen kann. Dazu eine Erinnerung aus meinen Billig-Lehrer-Zeiten. Ich habe sie bewusst etwas pauschalisierend zugespitzt, wie das heute so üblich ist.
Wie berichtet, arbeitete ich da in einer Firma, einem sogenannten freien Bildungsträger. Die Firmengruppe war hervorgegangen aus gewerkschaftlichen Initativen in den achtziger Jahren, die sich immer weiter professionalisiert hatten. Man pflegte weiter einen lockeren, kollegial wirkenden Stil, man liebte die Sozialkitsch-Vorstellungen der alten Bundesrepublik, aber im tatsächlichen Handeln lebte man schon den Neoliberalismus der 90er/2000er. Jeder erzählte jedem gleich, wie sehr er oder sie soziale Arbeit liebt. Und wenn man sich näher kannte, gestand man sich irgendwann, wie und warum man aus der normalen Berufskarriere rausgeflogen war und wie froh, jetzt wenigstens überhaupt wieder Arbeit zu haben.
Die Bezahlung war miserabel, die Strukturen intransparent, es gab viel Mauschelei und Missgunst. Als z. B. der Geschäftsführer von einer der Tochter-GmbHs der Mutterfirma Mist baute und seinen Job verlor, veranstalteten einfach alle Geschäftsführer einen Ringtausch. Auf der Ebene hielt man schon zusammen. Einfache Mitarbeiter betraf das nicht: Eine Kollegin wurde befristet für ein halbes Jahr eingestellt, in ihrem Vertrag fand sich ein Hinweis auf eine sechmonatige Probezeit. Auf ihre Frage, wie das zu verstehen sei, bekam sie die freche Antwort, man sei ja schon daran interessiert, die Befristung eventuell zu verlängern.
Mich widerte die Doppelmoral an und ich glaubte zunächst, beim nächsten Bildungsträger besser dran zu sein. Dieser war vom Unternehmerverband gegründet worden. Der Geschäftsführer (wie bei der anderen Firma waren die Geschäftsführerposten durch Männer, die Abteilungsleiterposten durch Frauen besetzt) trug einen schicken Anzug und war sehr eloquent, ganz anders als die kumpelhaften Biedermännner bei der Konkurrenz. Er betonte bei jeder Gelegenheit, dass seine gGmbH ein Wirtschaftsunternehmen sei. Ich mochte das und fand das ehrlich. Meine Chefin war Ole-von-Beust-Fan und glaubte, dass Tüchtigkeit sich auszahlt. In ihrem Gehalt schlug sich das allerdings nicht wieder. Allerdings war sie ja auch alles andere als eine professionelle Chefin, betriebswirtschaftlich ging alles drunter und drüber. Ihr Talent bestand darin, mit ihrem Engagement und inhaltlichem Verständnis für die Sache gute Honorarkräfte an die Firma zu binden, trotz des lausigen Honorars. Als die Abteilung dennoch im Minus blieb, kündigte sie freiwillig. Erst später stellte sich heraus, wie das Minus zustande kam: durch Fehlbuchungen. Ungenau annoncierte Überweisungen von Ämtern, die unsere Bildungsleistungen bezahlten, hatte der Geschäftsführer, wenn er sie nicht auf den ersten Blick unserer Abteilung zuordnen konnte, halt einfach genommen, um jeweils dort Löcher zu stopfen, wo anderswo in der Firma Not am Mann war. Wie auch immer, nach dem Weggang der Chefin blieben dann auch die Honorarkräfte nach und nach weg, danach die fest Angestellten wie ich. Die Abteilung schloss. Alles, was der Firma blieb, war der Gewinn, den sie mit uns gemacht hatte. (Ja, ich weiß, gGmbHs dürfen nominell keinen Gewinn machen, sie müssen ihn halt in Immobilienbesitz o.ä. umwandeln.)
Fazit: Ich fürchte, es wird uns ähnlich gehen mit dem trumpismo, der jetzt überall in der westlichen Welt heraufdämmert - im ersten Moment spürt man Erleichterung, weil "die" es "denen" mal gezeigt haben. Im zweiten Moment merkt man dann, dass "die" auch nicht besser sind - sondern schlimmer.

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Samstag, 7. Januar 2017
Flucht vor Google gescheitert
Geht Ihnen das auch manchmal so, dass Sie sich auf die Flucht vor den Datenkraken begeben und dabei scheitern?
Bei mir ist ist es das Thema "Kalender". Ich hasse Pläne, Termine und Kalender - aber man brauchts nunmal. Das handschriftliche Führen eines Kalenders ist mir noch nie gelungen, spätestens im Februar bleiben die Seiten leer, die Termine finden sich verstreut auf Zetteln, und die jeweils kommende Woche hab ich in der Regel ja auch ganz gut im Kopf. Für weiter im Voraus liegende Termine (die ich sonst grundsätzlich vergessen würde) hat sich mein Kalender in Thunderbird bewährt, der mich rechtzeitig erinnert. Nur hätte man diese Termine manchmal auch ganz gern auf der Arbeit dabei. Deshalb bin ich schwach geworden und hab ich mir nach zwei Jahren Abstinenz doch wieder ein kleines Smartphone gekauft. Mithilfe meines Sohnes gelang es mir auch, innerhalb eines Nachmittags ein Thunderbird-Android-Synchronisierungssytem zu installieren, das ohne Internet einfach über den WLAN-Router funktionert. Es kam auch die Systemmeldung, dass sich die beiden Kalender erkennen. Daten kamen aber keine, weder in die eine noch in die andere Richtung. Da wurde ich schwach und gab der wiederholten Forderung meines neuen Handys nach, doch meine Daten mit dem Kalender zu synchronisieren, den ich bei meiner meistens brach und für Notfälle bereitliegenden Googlemail-Adresse einrichten könne. Das klappte natürlich sofort. Google hat wieder gewonnen. Leider.

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