Freitag, 21. Juni 2024
Rübergemacht
Jemand sei "rübergemacht", nämlich aus der DDR in die BRD, diese Formulierung habe ich bisher nur aus westdeutschem Munde gehört, auch mein eigenes Schicksal hörte ich öfter so bezeichnen, was mir immer ein irgendwie unangenehmes Gefühl bereitete, aber ich habe nie etwas gesagt.

Jetzt lese ich die Formulierung zum ersten Mal von einem Ostdeutschen, von Jurek Becker, in seinem Roman "Irreführung der Behörden". Und auch da kommt sie aus dem Mund einer Figur (einem DDR-Flüchtling), die als affektiert westdeutsch sprechend charakterisiert werden soll. Das war 1973. In einem Roman, der auch in Westdeutschland erschienen ist und viel gelesen wurde.

Aber "rübergemacht" sagen die Westdeutschen noch heute. So viel zur Verständigung zwischen Ost und West.

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Dienstag, 28. Juni 2022
Umwidmung von Begriffen
Es ist Mode geworden, vermeintlich schöne, alte Begriffe, die der Otto-Normal-Kunde nicht mehr braucht oder nutzt, relativ beliebig für neue Marketing-Zwecke einzusetzen. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Hier ein schlechteres Beispiel:




Wahrscheinlich hatten die Vermarkter im Sinn, dass in dem Laden ja kleine Stücke von großen Portionen in die Taschen der Kunden wandern. Und sicher schwang bei der Namensgebung auch die Erinnerung mit, dass der Begriff "Stückgut" in seiner ursprünglichen Bedeutung irgendwas mit der Frage der Verpackung zu tun hatte. Was sie nicht erinnern: dass er ja gerade die einzeln verpackte Ware bezeichnet. Aber "Schüttgut" hätte als Namen für einen Einzelhändlertresen auch nicht so gut geklungen.

Zu unterscheiden ist solcherlei Gedankenlosigkeit vom bewusst falschen Einsatz zu Täuschungszwecken. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Angebot von Streamingdiensten, einen Film zu "leihen" oder zu "kaufen", wobei Letzteres keineswegs bedeutet, dass der Kunde die Filmdatei erwirbt und nach eigenem Gutdünken verwenden kann. Es ist kein Verkauf, es ist eine Dauerleihgabe. Der Begriff "kaufen" schmeichelt dem Kunden einen Besitzerstatus zu, den er nicht hat.

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Dienstag, 13. Juni 2017
An ihren Werbesprüchen sollt ihr sie erkennen ...
n Ottensen steht ein Bürogebäude, das ist für lokalpolitisch Interessierte ein Hassobjekt ersten Grades. Wenn man arglos daran vorbeifährt, fragt man sich, wieso, denn es sieht nicht besser und nicht schlechter aus als andere Häuser, die heute so gebaut werden. Wer weiß schon, dass hier eigentlich Wohnungen gebaut werden sollten? Das aber konnte eine Investitionsfirma mit so legalen wie unfairen Mitteln verhindern, um die besagten Büros zu errichten, da diese eine höhere Rendite versprachen. Man versuchte es der Bevölkerung mit der Behauptung schmackhaft zu machen, hier werde Platz für "Kreativjobs" entstehen.
Da aber in Ottensen nichts die Kreativität so sehr lähmt wie der Gewinn, der sich mit dem Verzicht auf sie erzielen lässt, hat man das Haus sicherheitshalber an eine Versicherung weiterverkauft.
Mir jedenfalls fällt morgens beim Vorbeiradeln zur Arbeit auf, dass als Erstes ein Imbiss darin eröffnet hat, namens "Kaiserwetter" - ein Begriff, den man zuletzt um 1910 positiv besetzt gehört hat - aus dem Munde konservativer Nationalisten. Für wen bedeutet ein "Lunchpaket" von "Kaiserwetter" das besondere Flair des Quartiers, von dem die Bauherren aus ihrer WEbseite schwärmen?

P.S. Und ein paar Meter weiter, in St. Pauli, haben die Werber die Auslandseinsätze der Bundeswehr kommentiert, indem sie eine Fregatte mit folgendem Spruch verzierten:

Auch nicht schlecht.

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