Dienstag, 20. September 2022
Wie Christian Lindner die Korruption im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekämpfen will
Eben höre ich in den Nachrichten, dass Christian Lindner den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren will, indem der Rundfunkbeitrag "gedeckelt", also (in den heutigen Zeiten des Wertverlusts von Geld) allmählich reduziert wird. Er nennt Beispiele von Verschwendung, um dies zu begründen.

Das ist der alte neoliberale Denkfehler: Man glaubt, dass Kostendruck einen Anreiz schafft, die Dinge vernünftiger zu organiseren. Das funktioniert aber nur in den seltenen Fällen, in denen größere Effizienz auch zu sinnvolleren Ergebnissen führt.

Meines Erachtens sind die von Lindner genannten Beispiele für Verschwendung (mehrfache Berichterstattung über dasselbe Ereignis durch verschiedene Sendeanstalten, zu hohe Intendantengehälter) nur ein Nebenprodukt von Pfründesicherung und Korruption. Erhöht man den finanziellen Druck, werden Sendeanstalten oder einzelnen Personen ihre Privilegien nur umso verbissener verteidigen, die Korruption wird zu-, nicht abnehmen.

Ein sinnvoller Reformvorschlag ist das nicht.

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Mittwoch, 31. August 2022
Letzte Woche in den Nachrichten
Letzte Woche habe ich mal wieder Tagesschau geguckt. Da war zu hören, dass der Typ, der den Mord an Walter Lübcke organisiert und wahrscheinlich auch dessen Ausführung überwacht hat, wiederum und nun endgültig freigesprochen wird. In der nächsten Meldung erfuhr ich dann, was der Bundespräsident währenddessen gemacht hat: nämlich eine Blume niedergelegt in Rostock-Lichtenhagen. So sehen wir verschiedene Gewalten der Bundesrepublik vereint im effektiven Kampf gegen den Rechtsradikalismus.

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Montag, 15. August 2022
Zurück aus dem Urlaub
Alle paar Monate guck ich mal nach, ob der groß angekündigte Prozess gegen die übrigen NSU-Mitglieder (mit welchem Hinweis man diese Verdächtigen aus dem ersten Prozess herausgehalten hatte) nun endlich begonnen hat, aber die Suchmaschinen zeigen wie immer und seit Jahren fast wörtlich gleichlautende Meldungen:


Ansonsten kann man nicht sagen, dass sich nichts verändert: vor zehn Jahren war ich im Urlaub in Griechenland und schwor, nie wieder in ein Land zu fahren, in dem es im Sommer so heiß ist. Aber diesmal war ich in Sachsen, und es war nicht besser, die Hubschrauber flogen den ganzen Tag


Immerhin komme ich mit dem Wortschatz ostdeutscher Kreuzworträtsel gut klar - ich kenne noch das "Nicki"


und nach langem Nachdenken fällt mir auch ein, dass mit "nicht ausführbarer Plan" die "Utopie" gemeint sein könnte.


Und letzteres veranlasst mich zu diesem Post: Wer glaubt, eine Utopie sei ein konkreter Plan, der 1 zu 1 in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann und soll, der kann natürlich sämtliche politischen Richtungen, die ihr Handeln mit politischen Vorstellungen von der Gesellschaft begründen, für gefährlich halten.

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Sonntag, 24. Juli 2022
Von der Fehlbarkeit des Papstes
Als der Papst Franziskus sein Amt antrat, war ich wie viele begeistert von dessen sympathischer Ausstrahlung und der offenkundigen Reformwilligkeit. Ich bin zwar kein Christ, aber als Europäer ist mir doch die christliche Kultur nahe, und wenn es da positive Entwicklungen gibt, freut mich das. Natürlich gab es ein wütendes Aufheulen unter den konservativen Katholiken, und der Ratzinger wollte auch nicht raus aus seinem Gehäuse da im Vatikan, als wollte er trotz Rücktritt lieber mal noch kontrollieren, ob der der Neue da keinen Unfug macht. Ich dachte aber: Das macht er schon, der Franziskus, der stößt jetzt Veränderungen an.

In letzter Zeit jedoch werden die Proteste der Papst-Gegner leiser und vor allem: Von Franziskus selbst kommen deutliche Zeichen sturer Reformunwilligkeit. Zuletzt vor kurzem, als der Vatikan verlauten ließ, dass dem Synodalen Weg in Deutschland untersagt ist, irgendwelche strukturell relevanten Vorschläge zu machen. (Das kam jetzt zwar nicht vom Papst persönlich, aber von der Behörde, der er vorsteht, die seine Position vertritt.) Von jemandem, der außerhalb der katholischen Kirche steht, ist das kaum fassbar: Die Verlautbarungen des Synodalen Wegs kommen so ängstlich, so devot daher, immer bemüht, keinen Bischof in seiner Macht auch nur ansatzweise in Frage zu stellen, vom Papst ganz zu schweigen. Schwer zu glauben, dass schon diese leisen Regungen demokratischer Willensbildung eine Abmahnung des obersten Dienstherren hervorrufen.

Habe ich mich also in Franziskus getäuscht? Dazu muss man natürlich den Menschen selber hören: Ich las dieses Interview des Papstes zum Thema, und mir wurde klar: Nein, der Mann ist nett, er ist auch grundsätzlich offen für Neuerungen, nur hat er im Moment gänzlich andere Probleme - die er auch deutlich ansprach: Ein nennenswerter, offensichtlich einflussreicher Teil des katholischen Establishments will zurück ins 19. Jahrhundert, erkennt die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht an. Und der Papst ist nicht in der Lage, die zu stoppen! Er kann nichtmal den seit 70 Jahren bestehenden Status Quo sichern (übrigens auch dank der Zersetzungsarbeit seiner Vorgänger Wojtyla und Ratzinger), da ist an Neuerungen natürlich gar nicht zu denken.

Und hier ist der Punkt, wo Franziskus meiner Meinung nach falsch handelt: Er will den Laden zusammenhalten, das Schlimmste verhindern. Sehr ehrenhaft, aber meines Erachtens vergebliche Liebesmüh. Er erinnert mich an Intellektuelle im Realsozialismus, wie zum Beispiel Christa Wolf. Auch die wusste irgendwann genau, dass das Projekt nicht zu retten ist, dem sie sich verschrieben hatte und dem sie ihren Status verdankte. In einem ZEIT-Interview von 2005 sagte sie, dass in ihrer Kritik einen Schritt weiterzugehen bedeutet hätte, dass sie das Land verlassen muss, und das wollte sie nicht. In dieser Situation sehe ich auch Franziskus. Und wenn ich mal träumen darf: Was wäre das für ein Zeichen, wenn der Mann sich mal ehrlich machen würde und sagen: Ich schaffe es nicht, ich verlasse diese Kirche!

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Samstag, 9. Juli 2022
Politische Kannegießerei mit dem Besuch aus Sachsen-Anhalt
Wir sprechen übers Baden. "Wir fahrn dann immer an den M.er See," (ein verfüllter Tagebau), "das ist nur doof mit den Parkplätzen - und die ganze andere Seite, das ist alles Naturschutzgebiet - also, die spinnen, die Grünen. Weißt du, hier aufm Balkon, wie viele Vögel es da früher gab und Schmetterlinge, und jetzt: nur noch Tauben und Elstern, und einen Schmetterling siehst du auch so gut wie nie. Also, früher, bei dem Dreck" (gemeint ist das "Chemiedreieck Halle-Bitterfeld") "da haben sich die Viecher wohler gefühlt. Überhaupt der Habeck! Jetzt will er die Atomkraftwerke nicht weiterlaufen lassen, jetzt, wo alles teurer wird." - "Na ja", sag ich, "mit dem Weiterlaufenlassen ist das so eine Sache. Es ist ja nicht so, dass man die Atomkraftwerke einfach ein Jahr später abschaltet und nichts weiter tun muss. Die brauchen schon neue Brennstäbe, wenn du die weiter betreiben willst. Und dann gibt es wieder neuen Atommüll." - "Ja, das mit dem Atommüll und mit dem Endlager, das versteh ich sowieso nicht. Ich meine, unten bei der Wismut, da haben sie die alten Stollen - das waren riesige Stollen - einfach mit Bauschutt verfüllt. Hätte man da nicht den Müll reintun können? Kommt doch eh nicht drauf an." - "Weiß nicht, obs da nicht drauf ankommt. Da möchte ich erstmal ne Krebsstatistik sehen." - "Ja, klar, die haben sehr gut verdient bei der Wismut. Aber alt geworden sind die alle nicht."

Worauf wir Gott sei Dank wieder auf persönliche Themenfelder zurück wechseln. Aber zum Schluss meint er: "Also, eins wollte ich dich noch fragen: Gibts denn bei euch in Hamburg auch schon Proteste gegen die Regierung?" - "Nein. Zu welchem Thema denn?" - "Also, bei uns gibt es jetzt immer so Autokorsos mit russischen Fahnen. Gegen die Waffenlieferungen, die sie mit unseren Steuergeldern bezahlen." - "Aber verteidigen müssen die sich ja auch irgendwie in der Ukraine." - "Ja, aber wenn man das so liest, mit dem Asov-Regiment und den ganzen Nazis da ?" Ich werd langsam ärgerlich: "Wenn einer zu Boden geschlagen wird, fragst du den erstmal nach seinem Führungszeugnis? Nein, du hilfst ihm. Also ich als ein Linker" (ich weiß, das auch er sich als links begreift) "bin auf der Seite der Angegriffenen, der Unterdrückten." - "Sicher, aber damals, bei den Falklandinseln. Oder beim Irakkrieg: Da hat auch niemand demonstriert." - "Also, hier in Hamburg schon, und nicht zu knapp." erwidere ich - und erst nach dem Gespräch fällt mir ein, was ich zur Bekräftigung hätte sagen können: Dass, als der Irakkrieg anfing, hier nicht grade Autokorsos mit US-Fahnen zu beobachten waren. (Nur die allergrößten Kälber ... usw.)

Aber eine Einigkeit stellt sich dann doch noch her: Als ich, meinem Ärger Luft zu machen, auf die inszenierten "Volksrepubliken"-Rebellen im Donbass zu sprechen komme. "Ja", sagt er, "das ist doch wie damals mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak." - "Ja, genau so". Mit Propaganda-Lug-und-Trug sind wir Ossis vertraut. Das leuchtet uns sofort ein.

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Donnerstag, 30. Juni 2022
Zum aktuellen Skandal im Wasserglas
"Antisemitismus bei der documenta" - da haben Sie bestimmt auch schon davon gehört. Ich hatte heute eine Stunde Zeit mal nachzugoogeln, was da eigentlich passiert ist. Also: Schon vor ein paar Monaten war ein Kasseler Aktionsbündnis, das den Antideutschen nahesteht, mit dem Warnruf "Antisemitismus" an die Öffentlichkeit getreten. Besonders schlimm fanden sie, dass eine palästinensische Künstlergruppe mit dezidiert politischer Kunst vertreten ist, jedoch keine israelischen Künstler.

Und das ist richtig, jedoch per se erstmal kein Antisemitismus. Sodass sich in der Öffentlichkeit die Meinung durchsetzte, man möge die Eröffnung abwarten und sich die Werke dann genau angucken. Aber natürlich rumorte die Diskussion weiter und zur Eröffnung durch den Bundespräsidenten Steinmeier positionierte sich dieser vorsichtshalber gegen Antisemitismus, ohne konkrete Werke zu nennen.

Vielleicht muss man dazu wissen, wie die Ausstellung konzipiert ist: Sie wird von einem indonesischen Künstlerkollektiv kuratiert. Man will so eine Sicht auf die Welt ermöglichen, die nicht aus der ersten Welt stammt. Da kann man natürlich keine Ausgewogenheit erwarten - Ausgewogenheit war ja auch nie das Markenzeichen der documenta, wenn man an deren Gründung und ihre Rolle im Kalten Krieg zurück oder später an die Fluxus-Angriffe auf den tradierten Kunstmarkt denkt. Nun also mal Unausgewogenheit aus Dritter-Welt-Sicht, warum nicht. Allerdings verwundert da auch nicht, dass israelkritische Kunst prominent vertreten ist.

Aber das war ja auch nicht das Thema, sondern der Antisemitismus. Und der ließ sich (soweit ich mich über veröffentlichte Meinung ganz verschiedener Art informieren konnte, gesehen hab ich die Ausstellung nicht) bei den palästinensischen Künstlern nicht unbedingt finden. Allerdings woanders: Im Rahmen der documenta wird ein Propaganda-Video einer japanischen Terroristen-Gruppe aus den 70er Jahren gezeigt, die auch einen üblen Anschlag mit vielen Toten auf den Flughafen von Tel Aviv verübt hat. Hübsch versteckt als angebliche Filmforschung unter dem allerdings verräterischen Titel "Subversive Film". Wie wahr.

Und jetzt kommt das Überraschende: Eine Kiste mit Kunstwerken aus Indonesien kommt verspätet an, und aus dieser einen Kiste muss speziell ein Bild nochmal restauratorisch überarbeitet werden, sodass keiner der Kuratoren die Zeit findet, sich das Bild nochmal anzugucken, und so kommt es, dass eine Woche nach Eröffnung den Kameras der Welt eine klassische antisemitische Hasskarikatur gezeigt werden kann. Also, wenn das nicht subversiv ist!

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Dienstag, 28. Juni 2022
Umwidmung von Begriffen
Es ist Mode geworden, vermeintlich schöne, alte Begriffe, die der Otto-Normal-Kunde nicht mehr braucht oder nutzt, relativ beliebig für neue Marketing-Zwecke einzusetzen. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Hier ein schlechteres Beispiel:




Wahrscheinlich hatten die Vermarkter im Sinn, dass in dem Laden ja kleine Stücke von großen Portionen in die Taschen der Kunden wandern. Und sicher schwang bei der Namensgebung auch die Erinnerung mit, dass der Begriff "Stückgut" in seiner ursprünglichen Bedeutung irgendwas mit der Frage der Verpackung zu tun hatte. Was sie nicht erinnern: dass er ja gerade die einzeln verpackte Ware bezeichnet. Aber "Schüttgut" hätte als Namen für einen Einzelhändlertresen auch nicht so gut geklungen.

Zu unterscheiden ist solcherlei Gedankenlosigkeit vom bewusst falschen Einsatz zu Täuschungszwecken. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Angebot von Streamingdiensten, einen Film zu "leihen" oder zu "kaufen", wobei Letzteres keineswegs bedeutet, dass der Kunde die Filmdatei erwirbt und nach eigenem Gutdünken verwenden kann. Es ist kein Verkauf, es ist eine Dauerleihgabe. Der Begriff "kaufen" schmeichelt dem Kunden einen Besitzerstatus zu, den er nicht hat.

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Sonntag, 26. Juni 2022
Eine wichtige Geste
Es ist wirklich Zufall, dass das Buch mir dieser Tage in die Hände fiel. Meine Frau hat es nach dem Tod ihrer Mutter aus dem Wegschmeißstapel gezogen, weil eine Widmung an ihren längst verstorbenen Vater drinsteht, konnte sich aber nicht entschließen, die alte Schwarte zu lesen.


Und als ich jetzt mein "Dunkelblum" ausgelesen hatte und lesetechnisch auf dem Trocknen saß, da erbarmte ich mich halt.

Es ist eine blutrünstige Geschichte rings um die Schrecken der Bartholomäusnacht, erzählt von einem protestantischen Schweizer Ich-Erzähler, der nach Paris eilt, begierig, als Soldat mit den Seinen in die Niederlande einzumarschieren und diese mit militärischer Gewalt von den spanisch-katholischen Besatzern zu befreien. Stattdessen gerät er in Paris in die fürchterliche Mordnacht - und wird errettet durch seinen katholischen Freund und dessen Amulett mit der Jungfrau Maria.
Weil menschliche Zuneigung mehr zählt als religiös-ideologische Überzeugung und Maria, wenn sie wirklich die Mutter Gottes ist, ihre Zauberkraft auch für die Feinde ihrer Schützlinge einsetzt.

Ein Verwandter also hat das meinem Schwiegervater zu Weihnachten 1944 geschenkt, als dieser sechzehnjährig als Flakhelfer eingezogen wurde - eine eindeutige und wichtige Geste.


Erinnern wir uns daran, jetzt, wo das Kriegsgeschrei allerorten wieder zunimmt.

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Montag, 20. Juni 2022
Befindlichkeitsnotiz
Heute ein bisschen narzisstische Selbstbetrachtung, das muss ja auch sein beim Bloggen: Gestern sagte jemand ungewollt etwas Kränkendes, besser: etwas, das eine uralte Kränkung wieder aufrief, und schwupp, war der Schalter umgelegt (hängt sicher auch mit körperlicher Erschöpfung zusammen - normalerweise kann ich sowas ab), und ich versank in Selbstmitleid. Heute morgen nach unruhigen Träumen ist das immer noch nicht weg. Alles fühlt sich zäh an, wie Durch-Schlamm-Laufen. Ich weiß aber (ich kenn ja diese Zustände), dass ich in solchen Situationen einfach weiter vorwärts gehen muss, dem Sog ins Sich-Zusammenkrümmen und Aufgeben nicht nachgeben darf, schon bald wird sich der Schlamm dünner anfühlen, vermutlich ist er heute Nachmittag schon ganz weg - und dann kann ich auch gefahrlos die ersehnte Pause nachholen, ein bisschen nachgrübeln oder weinen.

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Samstag, 18. Juni 2022
Ein Zitat
Die familiäre Situation erfordert es, dass ich wieder öfter übers Wochenende bei den Eltern bin. Ich übernachte dann im ehemaligen Kinderzimmer, das schon vor Jahrzehnten zum Gästezimmer mutierte und in das im Lauf der Jahre die Massen der jeweils weniger relevanten Bücher eingelagert wurden, die in der elterlichen Bibliothek von Wichtigerem verdrängt wurden. Überproportional vertreten: Schriften aus dem aufklärerischen Zeitalter. Vor dem Einschlafen greif ich mir dann oft einen Band heraus, neulich hab ich mir sogar ein Zitat rausfotografiert, das ich außerordentlich treffend fand, ich weiß leider nicht mehr, von wem es ist.



Nun, der Tag, von dem hier die Rede ist, der geht offensichtlich dem Ende entgegen, eigentlich sind sich alle einig, dass dunklere Zeiten anbrechen. Aber wenn dem so ist, dann sind die europäischen Intellektuellen (denen ich mich als akademisch Ausgebildeter auch zurechne) für die Zukunft eher schlecht ausgerüstet mit ihrer rationalen Faktenfinderei und Religionsverachtung.

Ein gutes Beispiel: der Roman "Dunkelblum" von Eva Menasse, den ich heute Morgen zuende las. Das Buch umkreist die Schrecken der nationalsozialistischen Vergangenheit mit prächtiger Sprachkunst, mit herrlichem Wortwitz und elegantem Spiel mit der Mundart sowie mit außerordentlich geschickt eingesetzten Andeutungen, aber letztlich wie die Katze den heißen Brei. Die Erzählstimme des Buchs reflektiert das sogar: Es ist die Rede von einem "tief eingewurzelten Misstrauen ... gegen Geschichten, die gut ausgehen" sowie auch davon, wie die Einheimischen den regionalen Jungnazi "verspotteten und in seinem Furor lächerlich machten", ihm "insgeheim jedoch recht" gaben. Aus dieser Tradition kann sich auch das Buch selbst nicht lösen: Die Starken sind in ihm mächtig und furchteinflößend, die Schwachen hilf- und orientierungslos und gern auch ein bisschen debil, und auf das Volk blickt der Text mit einer teils mitleidigen, teils gleichgültigen Arroganz, wie sie eben nicht nur den Nazis, sondern auch den gebildeten Aufgeklärten eigen ist. Und aus dieser Arroganz entspringt die Hilflosigkeit, mit der die Wahrheitssucher und Sympathieträger des Romans auf die Nazis starren.

Das Schönste an diesem ebenso klugen wie unsympathischen Roman: dass er das alles selber weiß. Er endet damit, dass die Figur des Grünen (aus der aufgeklärten Sicht des Buches natürlich nicht gerade ein Sympathieträger) in der örtlichen Kirche Schutz sucht und angesichts des Altarbildes zu der Überzeugung gelangt, dass die im Roman ausgebliebene Aufklärung der Verbrechen unausweichlich kommen wird, wenn es nur gelingt, sich nicht auf die Teufel zu fixieren und sie gerade dadurch teuflisch zu machen. Wie Recht er hat!

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