Freitag, 14. November 2008
Griechenland, Teil 8 und endlich der Schluss
So war so ziemlich alles anders als gedacht, nur die letzten zwei Tage in Thessaloniki – das war wirklich Orient, wie ich ihn mir erträumt hatte: knatternde Mopeds und struppige Katzen unter unerträglich heißer Sonne, Blumentöpfe vor den Häusern in abschüssigen Gassen, spröde Neubauten durchmischt mit byzantinischen Kirchen und römischen Ruinen. An einer Stelle war ein ganzer großer Platz aufgebuddelt, man konnte runtersteigen und zwischen den Mauern eines römischen Kaiserpalastes umherwandeln, die aus den Kellern der umliegenden Hochhäuser herauswuchsen. Und unter dem Palast – das war in hier und da extra gegrabenen und schön verglasten Löchern zu besichtigen – schlummern die Fußböden noch älterer römischer Häuser. Dicht gedrängt um die Ausgrabung Straßencafés, Ramschläden, Taubenviehzeugs, ein herrliches Durcheinander, zu dem auch die verstrickte Familienstruktur im marmorgefliesten Haus der Gastgeberfamilie passte (das in der Tat die Nachbarhäuser um einiges überragte und einen entsprechend herrlichen Panoramablick auf Thessaloniki bot von diversen Balkons).
Als uns das Taxi zum Flughafen brachte, im Gepäck unter anderem etliche Tupperdosen mit Essbarem für den Schwiegersohn in Deutschland, fuhren wir an einer Stelle über einen simplen Wassergraben. Mich durchzuckte ein Heimatgefühl, und ich wusste wieder, was mir die zweieinhalb Wochen gefehlt hatte: die unscheinbaren Ufer deutscher Binnengewässer. Wasser, Kühle, Stille.

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Donnerstag, 23. Oktober 2008
Griechenland, Teil 7
Aber wahrscheinlich mecker ich bloß aus Neid, weil die es einfach probieren ... beispielsweise Geld zu machen. So wie F.s Vater, der abends beim Bier (dessen Menge seine Frau streng überwachte, „wegen der Medikamente“) kichernd erzählte, welche Schleich- und Schmiergeldwege er gegangen ist, um auf seinem Grundstück das Klohäuschen zu errichten oder sein Haus in Thessaloniki aufzustocken, um für seine Tochter eine Wohnung zu bauen. Während ich mich nicht mal traute, das teuer gemietete Motorrad richtig zu nutzen, weil meine Frau und mein Sohn sich nicht trauten, mit aufzusitzen – oder jedenfalls nur, wenn wir mit ca. 30 km/h durch die Gegend tuckerten.
Und dann kam auch noch Besuch! Da darf man sich ja eigentlich nicht beschweren, denn wir waren ja auch selber welcher und wurden umsorgt und bekocht hinten und vorne, das einzige Problem war, dass wir es oft nicht schafften, die aufgetischten Speisen auch vollständig zu verzehren. Und in gleicher Fülle wie das Essen stellte sich eben auch Besuch ein, hielten Autos vor dem Gartentor, wurde sich hingesetzt und palawert. Einmal blieben unangemeldete Gäste sogar mehrere Tage (genau genommen länger als wir) – wir reagierten genervt, blieben die letzten zwei Tage auch über Mittag am Strand. Und wie immer hatte meine Frau die richtige Idee: Die letzte Nacht verbrachten wir auf Luftmatratzen hinten unter den Olivenbäumen. Ich war etwas ängstlich, aber es wurde eine herrliche Mondnacht und es kam keine Schlange und kein Skorpion – den fand ich am folgenden Tag im leeren Zelt.

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Freitag, 17. Oktober 2008
Griechenland, Teil 6
F.s Vater erläuterte einiges zum Hintergrund: 5000 Euro im Jahr zahlt die Bar an die Forstverwaltung – das muss erst mal wieder reinkommen. Delikaterweise steht die Bar überdies gar nicht auf öffentlichem Gelände, sondern auf einem hinter dem Strand liegenden Grundstück, das einer Gruppe von achtzig Besitzern gehört, die aber unorganisiert und handlungsunfähig ist – daher wohl auch die vielen Wildcamper, von denen die meisten schon seit vielen Jahren hierher kommen.
Diese Wild-Camper, überwiegend Griechen, Ungarn und Bewohner der Jugoslawien-Nachfolgestaaten, auch ein paar Italiener und Bulgaren, umlagerten auch die beiden kleineren, etwas steinigeren Nachbarbuchten, beschallten den Wald mit Balkanrock aus den Autoradios und durchzogen das Unterholz mit „Klopapier-Alleen“. Immerhin war es üblich, den Müll in Plastiktüten zu sammeln und – am spitzen Finger aus dem Autofenster hängend – zum Container am Rand der Landstraße zu transportieren.
Im Moment aber findet ein Umschwung statt, eine Kommerzialisierung, die in anderen Teilen Griechenlands schon vor zehn bis zwanzig Jahren stattgefunden hat. Im nächsten Sommer soll in der nächsten Bucht eine Beach-Bar entstehen. So wie der Balkanrock eines Abends, als wir vom Baden zurückkamen, plötzlich überwummert wurde von Technobeats aus einem schwarzen Audi, die zugehörigen jungen Männer (Griechen) versuchten mit verklemmten Tanzbewegungen, das Decken des abendlichen Campingtischs zum Event hochzustilisieren – ungelenk wie unsere halblegale Beach-Bar, die mit ihren Frappés und Strohsonnenschirmen vergeblich versuchte, den gemischten Badebetrieb ins jugendlich Hippe zu wenden – aber natürlich auch kein Klo hatte. Professionell dagegen war der große Campingplatz (mit Parkplatz, Supermarkt und sanitären Einrichtungen), der die Freitag- und Samstagnächste hindurch die ganze Gegend überdröhnte, so dass wir noch drei Kilometer weiter nicht schlafen konnten.

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Dienstag, 14. Oktober 2008
Griechenland, Teil 5
Entsprechend übermüdet saßen wir an unserem Tag in S. am Strand, wo wir nach Cafébesuch und Motorradausleihe erst gegen Mittag eintrafen. Es war knallig heiß und die mitgebrachte Strandmuschel (von Jacko-o, dem Reiche-Leute-Kinder-Versandhaus, mit Lichtschutzfaktor 50!) die einzige Rettung. Während Frau und Kind sich in der Hitze vergnügte, döste ich in der Muschel. Und die folgenden Nächte wechselten wir (das hatten die freundlichen Gastgeber ausdrücklich angeboten) in den Wohnwagen der Eltern.
Natürlich ging das nicht mehr, als die selbst für ein paar Tage eintrafen, kutschiert von ihrer Tochter, die auch einen Tag blieb, uns einmal um die Halbinsel fuhr und uns ein Dorf zeigte, wo ich zum ersten Mal den Eindruck hatte, richtig in Griechenland zu sein, wie man es sich vorstellt: ein abgelegenes Bergdorf, ab 1970 endgültig verlassen, jetzt wird es wiederbesiedelt, ist richtig in Mode gekommen, als Hochzeitsort, auch als Ziel von Reisebussen. Die Häuschen werden nach strengen staatlichen Vorgaben restauriert von reichen Leuten, überwiegend Deutschen, und werden nur im Sommer als Ferienhäuschen benutzt.
F. kescherte uns auch auf, als es Ärger gab mit der Strandmuschel. Die Betreiber der Beach-Bar mochten sie nicht dulden. Auf unsere Nachfrage, wieso, diese wäre doch eine „public beach“, entgegneten sie: Ja, das wäre ja auch nicht von ihnen, sondern wäre Auflage der Polizei. Unsere Strandmuschel wäre als Zelt zu betrachten und Zelten hier verboten. Letzteres zweifellos richtig, wenn auch absurd, war doch der ganze Abhang über Bucht mit verbotenen, aber tolerierten Zelten von Wildcampern übersät. Es war schon klar, dass es um etwas anderes ging – ein günstiges Klima zu schaffen für Jugendliche, die ihre Drinks kaufen, im Gegensatz zu weitgehend konsumresistenten Familien wie uns.

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Sonntag, 12. Oktober 2008
Griechenland, Teil 4
Wir sahen die beiden zwei Tage später wieder, als sie uns in den sieben Kilometer kurvige Küstenstraße entfernten Ort mitnahmen. Wir saßen dort noch eine Weile in einem Café; wie es X. gelang, unbemerkt die Zeche zu bezahlen, ist mir unbegreiflich, dann leistete er noch Übersetzungsdienste beim Ausleihen eines Motorrads für mich. Dabei war das eigentlich gar nicht nötig, das Broken English des Verleihers reichte völlig aus, meine ängstlichen Fragen zu beantworten. Über die Bedienung des Geräts belehrte er mich mit den Worten „You know how to drive.“, über die Tankfüllung informierte er sich mit einem kurzen Blick hinein: halb voll, und so sollte ich ihn auch zurückbringen. Und den gekappten Tacho kommentierte er mit der Bemerkung, die Polizei in Griechenland nähme das nicht so genau.
Hier ist es an der Zeit, etwas über uns zu sagen. Claudia sehnt sich immer in ferne, vorzugsweise warme Länder, ich möchte nirgendwohin, wo ich keinen Bezug zu habe, möglichst persönlicher oder kultureller Art. Und Geld für einen richtigen Urlaub haben wir auch nicht. Was lag also näher, als den Vorschlag unserer netten Nachbarn F. und A. und auf dem Grundstück ihrer Eltern (bzw. Schwiegereltern) zu zelten. Sicher, Zelten, das haben wir beide seit vielen Jahren nicht gemacht und auch keine Sehnsucht danach, da wir eher stille Menschen sind, gern ruhig schlafen und auch dem robusten Charme von Globetrotter-Ausrüstungen wenig abgewinnen können. Aber wir wussten von Eltern aus dem Bekanntenkreis, dass das wohl die einzige kostengünstige Möglichkeit kinderfreundlichen Urlaubs ist.
Nun war das hier ja auch Luxuszelten mit eigenem Klo und Gasherd. Aber trotzdem waren die ersten beiden Nächte hart. Die laute Musik vom Zeltplatz in der Nähe wurde vom Dröhnen vorbeisausender Autos (je später, desto schneller und lauter) übertönt und wenn um vier Uhr morgens Stille im Menschenleben eintrat, blieb das Gekläff der Hunde vom Nachbarn, das Tag und Nacht nicht aussetzte. Aber so ist es wohl in südlichen Ländern, selbst das Grillenzirpen ist hier doppelt so laut wie daheim.

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Freitag, 10. Oktober 2008
Griechenland, Teil 3
Dann waren wir da, auf dem riesigen Grundstück ihrer Eltern auf der Chalchidiki: ein aufgebockter Wohnwagen, eine wellblechüberdachte, offene Küchenzeile, daneben Palmen in Plastikfässern und darüber Pinien dahinter Olivenbäume und Gemüsefelder. Die Mutter hatte schon reisgefüllte Kürbisblüten vorbereitet, die jetzt in die Pfanne kamen, der Vater erklärte uns, wie die Elektropumpe funktioniert und was wir dann gießen sollten mit Hilfe eines weit verzweigen Gummischlauchsystems, an das auch die großen Tanks für Küche und Klo angeschlossen waren. „Wasser“, sagte er stolz, „darum wurden schon Kriege geführt. Denkt nur an die Golan-Höhen!“
Die Straße vor dem Gartentor war leider stärker, als das F. wohl noch aus ihrer Jugendzeit in Erinnerung hatte, von heulenden Automotoren bestimmt, und die nur fünf Gehminuten entfernte Badebucht, eine türkisblaue Wunderschönheit von karibischer Exotik, wurde – seit zwei Jahren, wie F. berichtete – dominiert von einer Beach-Bar mit Strohsonnenschirmen und lauter Reggae- und Soulmusik. „Die betreibt der Neffe vom Bürgermeister, da kann man nichts machen.“
Dann fuhren sie und ihre Eltern, es war Sonntag Nachmittag, zurück nach Thessaloniki mit den beiden Opels. Wir blieben zurück mit einem Kühlschrank voller Essen und bereiteten uns zur ersten Nachtruhe auf der Chalkidiki. Als es am nächsten Vormittag vor dem Tor hupte, stand da ein alter, schwarzer Mercedes, am Steuer S., der Nachbar, weißes T-Shirt, schwarzer Schnauzer, rote Baseballkappe, und fragte, ob er uns mit in den Ort nehmen sollte. Das war uns zu schnell. Wir verabredeten uns für den Nachmittag bei ihm. Das Nachbargrundstück betrat man durch ein offen stehendes Tor. Auf einem Hügel stand ein einfaches, flach gestrecktes, überwiegend einstöckiges Haus mit einer riesigen Terrasse, und auf der Terrasse stand X., der Besitzer, ein alter Mann mit braungebranntem, nacktem Oberkörper und schulterlangen, zottigen, weißen Haaren, und breitete zum Willkommen die Arme aus.
Wir saßen dann in dem herrlich schattigen Wohnraum, der fast das ganze Haus ausfüllte. X., der schon von unserer Ankunft gehört hatte, fragte, was wir trinken wollen, und S. ging in die nur durch eine halbe Wand abgetrennte Küche und bereitete alles, während X. sich uns in einem Englisch-Niederländisch-Deutsch-Mix widmete. Ab und zu übersetzte X. ein paar Brocken für S., der nur Griechisch konnte und stumm dabei saß. Wir erfuhren, dass X. als Gastarbeiter in Deutschland gearbeitet, aber erst nach seiner Rückkehr in die Heimat reich geworden war, durch Autohandel, dass er viele Länder bereist hat und dass seine Familie – Frau, Kinder, Enkel – in Holland wohnt, wo er auch die Winter verbringt. Und nächste Woche kommen alle in sein griechisches Haus in die Sommerferien. Dafür gab es einen extra Gästetrakt mit zwei Räumen und Bad neben der Terrasse. X. selbst wohnte in zwei winzigen Räumen an der Stirnseite des Hauses, mit Blick auf den Artosberg am anderen Ufer der Bucht. Sein Schlafzimmer so schmucklos wie das von S. im Stockwerk darunter, im Wohnzimmer ein Schreibtisch mit Büchern und Familienfotos. Und im Treppenhaus Fotos vom nackten X. als Sonnenanbeter. Ein Original.

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Montag, 6. Oktober 2008
Griechenland, Teil 2
Am nächsten Morgen ging es wieder per Auto weiter auf die Chalkidiki, zum Wochenendgrundstück ihrer Eltern. Im Auto erzählte F. von griechischer Geschichte. Endlich begriff man mal, wie Griechen sich fühlen. Das klassische Griechenland Winckelmanns spielte dabei weniger eine Rolle, eher Alexander, der Große, (und sein Vater) als Einiger der Griechen – und natürlich Byzanz, das tausendjährige Reich, in dem Griechisch gesprochen wurde.
Das Auto sauste durch die Hitze, und F. erzählte davon, wie neuen Datums das jetzige Griechenland ist: eine Monarchie seit 1916, entstanden im Zuge des Ersten Weltkriegs, und von der allerneuesten Nationenerfindung in der Gegend, nämlich Mazedonien, ein Name, der von Alexander her eigentlich eher zu Griechenland gehört. „Was spricht man eigentlich in Mazedonien?“ versuchte ich mit typisch deutscher Logik (Nation = Sprache) das balkanesische Kuddelmuddel zu ordnen. „Teils albanisch, teils serbokroatisch.“ Also doch ein idiotisch abgesplittertes Überbleibsel des gewesenen Ganzen, das jetzt die Nähe zu Griechenland als Strohhalm ergreift. Ich verstand das griechische Unbehagen, das nicht nur der Religion wegen mit den Serben sympathisiert. Auch weil man als Luftkorridor für die amerikanischen Militärflugzeuge in den Nahen und Mittleren Osten herhalten muss – „Eine der am meisten befahrenen Luftschleusen Europas!“ – auch wegen der amerikanischen Unterstützung der griechischen Militärdiktatur der Siebziger, wegen der F. überhaupt in Deutschland geboren wurde. Ich verstand das, wie ich Peter Handke verstehe, den F. als Zeugen ihre Skepsis aufrief: mit Sympathie und Respekt und einer Art klebrigen Widerwillen.

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Freitag, 3. Oktober 2008
Griechenland, Teil 1
Wir hatten Robert, unseren vierjährigen Sohn, von seinen Großeltern abgeholt, wo er die erste Ferienwoche verbracht hatte, und fuhren alle zusammen auf der alten Sputnikstrecke nach Schönefeld zum Flughafen. Bezahlen musste niemand, weil die Automaten kaputt waren. Die Frau, die im Auftrag der BVB statistische Daten über Fahrkarten und Reiseziele erfragte, hatte Schwierigkeiten, ihre Formulare zu füllen. Es war ziemlich voll, meine Frau überließ mir den einzigen freien Fensterplatz im Waggon und setzte sich anderswo. „Große Jungs gucken gern aus dem Fenster.“ meinte der Mann, der mir gegenüber saß, und dann wandten wir den Blick nach draußen, auf grasüberwucherte Bahnsteige und eintönige Kiefernwälder. „Auch eine schöne Ecke.“ sagte der Mann.
Der Billigflieger brachte uns mit einer Stunde Verspätung ruhig und sicher über Alpen und Balkan hinweg, Der Imbiss kostete 15,55 €, und im Abenddämmer segelte das Flugzeug über die Bucht von Thessaloniki und setzte auf der kurzen Landebahn auf.
F. holte uns ab, mit einem ziemlich müden Budschi im Arm, dem einjährigen Sohn, den sie mit A., unserem Hamburger Nachbarn, hat. Wir packten unsere Sachen in ihr Auto, eines der Autos ihrer Eltern (beides uralte Opels), und fuhren zu ihr. Auf er Fahrt erzählte sie – „A. muss ja nicht alles wissen.“ – von der Wiederbegegnung mit einem griechischen Exfreund, den sie wohl immer noch spannend, aber immer noch unangenehm fand, und von ihrem Krankenhaus, wie es sie nervt, wie da kreuz und quer gevögelt wird während der Nachtschichten - „Man traut sich ja gar nicht mehr, irgendeine geschlossene Tür aufzumachen.“ – und wie die Frauen mit gefüllten Schminkkoffern zur Schicht erscheinen. In diesen Worten, in F.s Eingesogen- und Abgestoßensein von ihrer Heimatkultur, funkelte mir das fremde Land entgegen, während durchs offene Autofenster die immer noch drückend warme Luft des letzten Abenddämmers hereinströmte, zusammen mit dem bunten Geblinker fremdsprachiger Werbetafeln (das griechische Alphabet war ich natürlich zu faul gewesen, vollständig zu lernen) – mehr sah man nicht von Thessaloniki.

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Nach langer Zeit zurück
In diesem Blog war lange Pause - erstens gab es dieses Jahr endlich mal wieder einen Urlaub, und dann war der Computer kaputt. Genau genommen ist er es immer noch, aber nachdem vier Computerexperten sich ausgetobt haben, kann ich ihn unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen immerhin benutzen. Deshalb soll es jetzt endlich mit Texten weitergehen.

Und zwar mit etwas ganz Banalem: Urlaubsbericht. Um die immer fragile innere Beziehung zu meiner Frau zu stärken, hatte ich vorgeschlagen, dass wir im Urlaub parallel Tagebuch führen. Sie fand das gut, und das Ergebnis ist großartig: Während es in der weiblichen Version vornehmlich um die Farbe des Meeres und eine symbolische Reise zu sich selbst geht, beinhaltete der männliche Part die Themen "Nörgeln" und "Sachliche Information". Zusammengebunden und mit ein paar Urlaubsschnappschüssen versehen möcht ich daraus eine kleine Brochüre basteln.
Hier im Blog dürfen natürlich nur meine Texte stehen - vielleicht gefallen sie Euch trotz der wie gesagt einseitigen Sicht.
Apropos einseitig: Was ich da Politisches über Mazedonien schreibe, ist ganz ausdrücklich einseitig. Ich hatte kurz nach dem Urlaub eine hochinteressante, auch nicht ganz sachliche Arbeit über "Die albanische Frage in Mazedonien" zu korrigieren und weiß also schon einiges über das Thema. Ich wollte aber nicht verfälschen und bewusst nur schreiben, was ich vor Ort erfuhr. Nur so ergibt sich ein echtes Bild, finde ich.
Viel Spaß dabei!

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Freitag, 25. Juli 2008
Shani Katayun: Augen in Teheran
Was wirklich schön ist an meiner Arbeit (Deutsch-Unterricht für Ausländer), ist, dass man so viel von der Welt erfährt, ohne seinen engsten Umkreis verlassen zu müssen: Vor ein paar Wochen sagte mir eine iranische Kollegin zwischen Tür und Angel: "ich habe einen Roman geschrieben." Ich war ganz baff, und schon aus Kollegen-Solidarität kaufte ich ihn. Dann las ich ihn - und er war eine echte Entdeckung. Hier meine Rezension -für alle, die jenseits des professionellen Mainstreams spannendes Lesefutter suchen:

Dieser Roman hat eher die Qualitäten eines Berichts: in künstlerischer Hinsicht bescheiden, dafür aber gut und flüssig geschrieben – und faszinierend durch seine Lebensechtheit. Wer mehr über den Iran wissen will, als aus den Politikteilen unserer Tageszeitungen ersichtlich ist, sollte zu diesem Buch greifen. Man erlebt eine Diktatur, in der politische Unfreiheit Hand in Hand mit westlichem Lebensstil und stockkonservativen Familientradition geht. (Eine „Emanzipation der Miniröcke“ nennt das die Autorin: Miniröcke sind üblich, Zwangsverheiratungen auch.) Außerdem gibt es eine echte Befreiungsbewegung (die islamistische), die autoritär und reaktionär ist; einen Freiheitshelden (kommunistisch), der seine Freundin benutzt und bevormundet; einen deutschen Journalisten (liberal und weltoffen), der insgeheim nur das Geld liebt ... und zwischen all dem drei Schwestern, die immer wieder betrogen werden: im Namen der islamischen Tradition, im Namen des Kommunismus, im Namen der westlichen Freiheit – kurz: im Namen der Männer. Traurig.

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Freitag, 18. Juli 2008
Achtung, Wiederholung: "Das Leben der Anderen"
Aus gegebenem Anlass (Lady Woodstock hat nachgefragt) äußere ich mich nochmal zum "Leben der Anderen" (hier mein erster Text dazu: http://damals.blogger.de/stories/751508/.)

Als der Film rauskam und dank massiven Werbeeinsatzes und prominenter Besetzung gleich überall im Gespräch war, wurde Donnersmarck in einer Talk Show von dem Schauspieler Henry Hübchen massiv angegriffen. In diesem Zusammenhang schrieb ich einen Kommentar in dem Blog von Herrn Donnersmarck, aus dem ich hier zitiere:

Viele Menschen, auch aus meinem Bekanntenkreis, haben „Das Leben der anderen“ mit Rührung und Begeisterung gesehen – während mich der Film genervt hat, aggressiv gemacht hat.
Zwar ist Ihre Analyse der späten DDR meines Erachtens rein sachlich völlig richtig. Insofern kann ich mich als geborener DDR-Bürger in die Reihe der von Ihnen aufgerufenen Zeitzeugen einordnen. Dass Ihnen hier und da kleine historischen Fehler unterlaufen sind, wie das Feuilleton an diversen Stellen anmerkte, finde ich gar nicht so schlimm. Gut fand ich, wie genau in Ihrem Film die miefig-spießige Atmosphäre in der DDR der 80er Jahre getroffen und reproduziert wird. Nur: Wieso diese klischeehafte und eindimensionale Charakterzeichnung aller Figuren mit Ausnahme der Hauptfigur? „Da hätte ich mir auch nen >Tatort< ansehen können.“ meinte ein (westdeutscher) Bekannter nach dem Kinobesuch achselzuckend.
Und er hatte Recht: der aufrechte Intellektuelle in der unvermeidlichen Lederjacke, die geniale, aber verführbare Künstlerin (die als femme fatale natürlich am Ende unter die Räder kommen muss), der gefräßige und brutale Minister, ... das war schon schwer erträglich.
Natürlich ist solche Vereinfachung künstlerisch erlaubt, z. B. eben im „Tatort“: um eine im Kern richtige Gesellschaftsanalyse für den Sonntagabend tauglich zu machen, auf dass sie jedermann nach dem Abendbrot noch leichthin konsumieren kann. Oder weil es dem Regisseur gar nicht auf die Figuren ankommt, sondern auf irgendetwas anderes. Ich fragte mich, was Ihnen so wichtig war, dass Sie dafür einen Großteil des filmischen Geschehens zur „rührseligen Politschmonzette“ vereinfacht haben, wie Henry Hübchen richtig anmerkte.
Ging es Ihnen um das Ins-Bild-Setzen einer masochistischen Ohnmachtsfantasie? Um Mitgefühl für einen Spitzel, der menschliche Gefühle entwickelt (was normal und verständlich ist), sie aber nicht haben darf, der auch mal Schicksal spielen will wie seine mächtigen Chefs und dann die Folgen zu spüren bekommt – und nicht, nicht mal im Ansatz, begreift, dass das ganze Spiel mies ist, egal für wen man Partei ergreift? Er ist übrigens großartig geschildert, wie er mit seinem Wägelchen geduckt durch die Straßen läuft und Werbezeitungen verteilt und sich vermutlich ziemlich selbst bemitleidet. Genau so laufen sie noch heute rum in den neuen Bundesländern, diese miesen kleinen Würstchen, die uns regiert haben! Und glauben, sie wären die eigentlichen Opfer.
Oder wollten Sie einfach einen hollywoodtauglichen Film mit möglichst deutschem Sujet herstellen? Wofür ja die unangenehm kommerzielle und sicher sehr teure Werbekampagne für den Film spricht. (Wer hat die eigentlich bezahlt?)
Da muss man doch mit Hübchen daran erinnern, dass die Welt nicht so eindimensional ist, wie diese Stasi-Typen (und auch dieser Film) sie sehen. Wir waren Menschen und wir konnten (natürlich zu selten, natürlich nur manchmal) lachen über das Lächerliche und verachten, was verachtenswert ist. Die Machtbesessenheit dieses Systems und seiner Erfüllungsgehilfen, natürlich gab es die, aber ist sie das wirklich Erinnernswerte an der DDR?
Ich finde, bei der Übersetzung von DDR in Hollywood ist ein entscheidender Fehler unterlaufen: Die Logik, mit der in der DDR Angst erzeugt wurde, wurde exakt nachgebaut und überliefert – die Angst (und auch der Mut) derer, die diese Logik zu erdulden hatten, ist unter lauter Kitsch verschwunden.
Es mag sein, dass ich jetzt zu viel hineingesehen habe in Ihren Film, der ja nur ein Unterhaltungsfilm sein will. Aber immerhin, es ist ein Kinofilm, ein gefeierter, und der Bundestag ist auch schon da gewesen. Ach, hätten Sie doch lieber mit Fernsehen angefangen! (Irgendein Feuilleton berichtete, Sie hätten der Versuchung Fernsehregie widerstanden, um auf die Chance zum großen Kinofilm zu warten.) Hätten Sie das Ganze tatsächlich als „Tatort“ realisiert – es wäre sicher einer der besseren geworden. Und Sie hätten danach den Kopf und das Herz frei gehabt, um einen wirklichen, ein großen Kinofilm zu drehen.

Na ja, um mal zu zeigen, wie dieses Sujet "in echt" statt in Oscar-Manier geschildert werden kann, zitiere ich den zu Unrecht vergessenen Bernd Jentzsch:

Stoßgebet

Wenn einer wegwill und noch kein Greis ist, weder Dienstreisender noch Sportler, kein Kundschafter der heiligen Sache, dem stehe bei der Allmächtige der Vogelfreien, der achte auf seine geächtete Hand, die das unterschrieb, ich will hier raus, der hat sein Urteil gefällt, der darf nicht mehr sein in Lohn und Brot, ein Querulant unter Tausenden zu Abertausenden, in die Korrektionsanstalt mit dem, nach Waldheim, Bautzen, Hoheneck, nach Cottbus in die Dunkelzelle, singen lernen, verpfeifen, verraten und verkauft, der Verkauf der Landeskinder nach Hessen, Kopf um Kopf, der ist verlassen von allen guten Geistern und
stolpert vor die Kameras, die ersten Schüsse im Jenseits Schnappschüsse, Allmächtiger, mit aller Macht, dem stehe bei.

1978

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