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Mittwoch, 9. Juli 2008
Heute Abend halb sechs
damals, 23:30h
Heute hatte ich Schlussdienst und musste zu Feierabend beim anderen Haus vorbeiradeln und nachgucken, ob alles zu ist. Normalerweise kann ich ja einfach Herrn T. anrufen, der sowieso da sitzt (fast als einziger, da die Mietung Ende Juli endet). Aber heute war ich so spät dran, dass T. natürlich schon Feierabend gemacht hatte und niemand mehr ans Telefon ging. Also peste ich schnell noch persönlich durch die überwiegend leerstehenden Räume, fand auch noch ein offenes Fenster, und der Kopierer war auch noch an.
Dennoch merkwürdige Stimmung in den Räumen, wenn man so der letzte ist. Ich beeilte mich, wieder runterzukommen zum Ausgang und zu meinem Fahrrad. Da ist im Erdgeschoss ein Kindergarten und durch die Glastür sah ich, dass noch zwei bis drei Dreijährige übermüdet um die telefonierende Erzieherin herumpurzelten. Halb sechs! Das tat mir weh!. Ich frage mich, welcher Job es rechtfertigt, die Kinder so lange wegzugeben. Ein gut bezahlter kann es wohl kaum sein.
Dennoch merkwürdige Stimmung in den Räumen, wenn man so der letzte ist. Ich beeilte mich, wieder runterzukommen zum Ausgang und zu meinem Fahrrad. Da ist im Erdgeschoss ein Kindergarten und durch die Glastür sah ich, dass noch zwei bis drei Dreijährige übermüdet um die telefonierende Erzieherin herumpurzelten. Halb sechs! Das tat mir weh!. Ich frage mich, welcher Job es rechtfertigt, die Kinder so lange wegzugeben. Ein gut bezahlter kann es wohl kaum sein.
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Donnerstag, 3. Juli 2008
Aufarbeitung mentaler Defizite
damals, 00:36h
Als ich Kind war, wohnte ich in Potsdam und der Heilige See lag keine 200m zu unserm Zuhause entfernt. Natürlich gingen wir im Sommer baden.
Wir wohnten auf der Parkseite des Sees und hatten die Wahl: entweder verbotenerweise einfach innerhalb des Parks ins Wasser zu gehen – dann aber Vorsicht vor der „Parkeule“ und die Sachen möglichst im Gebüsch versteckt – oder die Benutzung der öffentlichen Badestelle am Parkausgang, wo es kein Gras gab, stattdessen pubertierende Jugendliche, vor denen man natürlich Angst hatte.
Die jährlich zu absolvierende Mutprobe bestand darin, einmal über den See zu schwimmen. Weg von den Jugendlichen, über den weiten, tiefen See. Am andern Ufer gab es Wassergrundstücke mit Bootsstegen, auf denen man sich vor dem Rückweg stolz und frierend ausruhen konnte. Mutprobe übrigens nicht nur wegen der Entfernung, sondern auch weil der See stank. Wasserschlucken machte keinen Spaß.
Später kam ich dann selber in die Pubertät, was bis Mitte Zwanzig andauerte und meinen Aktionsradius erweiterte: Ich habe dann in vielen branden- und mecklenburgischen Seen gebadet, und überall traf ich wieder auf dieselben zwei Probleme: die Jugendlichen lärmten und die Seen stanken.
Dann kam das Jahr 1989 und ich wurde erwachsen. Ich ging nach Westdeutschland – Günter Jauch und seinesgleichen kauften sich Villen am Heiligen See.
Jetzt wohne ich in Hamburg, im biederen Bahrenfeld, und radle jeden Morgen an der einen Seite in die reichen Viertel an der Alster rein und an der anderen Seite wieder raus. Nachmittags den gleichen Weg wieder zurück, und wenn ich Zeit und Muße hab, nehm den Weg an der schönen Aussicht - nein, natürlich französisch, wie mans für vornehm hielt, als die Straße bebaut wurde: an der Bellevue entlang, der zwei Minuten länger dauert.
Und da passierte es, gestern, als ich an den Joggern und Seglern vorbeifuhr: Der vertraute Geruch zog mir wieder in die Nase – die Alster stank, nicht anders als eben ein x-beliebiger Binnensee in der deutschen Provinz stinkt.
Und zu Hause – Kinderlärm: Mein Sohn war mit den „großen Jungs“ unten im Vorgarten der Nachbarn unterwegs. Nun sind die zwischen vier und zehn und pubertieren noch lange nicht. Aber unsere Nachbarn – sie Hippie und er Albaner – verwandeln jetzt schon ihren Vorgarten in ein lautes Paradies: mit Plantschbecken, Grill und Kicker, ungeachtet der Straßenkreuzung, von der aus ihnen das ganze Viertel zuguckt. Und die Haustür ist seit Wochen tagsüber nicht mehr abgeschlossen. Dass manchmal Fahrräder geklaut werden, nun, damit muss man leben.
Also, wenn das so ist, wenn die Alster stinkt und Bahrenfeld lebt, dann soll mein Kleiner in die Pubertät kommen und die Nachbarjungen auch: Ich freu mich drauf.
Wir wohnten auf der Parkseite des Sees und hatten die Wahl: entweder verbotenerweise einfach innerhalb des Parks ins Wasser zu gehen – dann aber Vorsicht vor der „Parkeule“ und die Sachen möglichst im Gebüsch versteckt – oder die Benutzung der öffentlichen Badestelle am Parkausgang, wo es kein Gras gab, stattdessen pubertierende Jugendliche, vor denen man natürlich Angst hatte.
Die jährlich zu absolvierende Mutprobe bestand darin, einmal über den See zu schwimmen. Weg von den Jugendlichen, über den weiten, tiefen See. Am andern Ufer gab es Wassergrundstücke mit Bootsstegen, auf denen man sich vor dem Rückweg stolz und frierend ausruhen konnte. Mutprobe übrigens nicht nur wegen der Entfernung, sondern auch weil der See stank. Wasserschlucken machte keinen Spaß.
Später kam ich dann selber in die Pubertät, was bis Mitte Zwanzig andauerte und meinen Aktionsradius erweiterte: Ich habe dann in vielen branden- und mecklenburgischen Seen gebadet, und überall traf ich wieder auf dieselben zwei Probleme: die Jugendlichen lärmten und die Seen stanken.
Dann kam das Jahr 1989 und ich wurde erwachsen. Ich ging nach Westdeutschland – Günter Jauch und seinesgleichen kauften sich Villen am Heiligen See.
Jetzt wohne ich in Hamburg, im biederen Bahrenfeld, und radle jeden Morgen an der einen Seite in die reichen Viertel an der Alster rein und an der anderen Seite wieder raus. Nachmittags den gleichen Weg wieder zurück, und wenn ich Zeit und Muße hab, nehm den Weg an der schönen Aussicht - nein, natürlich französisch, wie mans für vornehm hielt, als die Straße bebaut wurde: an der Bellevue entlang, der zwei Minuten länger dauert.
Und da passierte es, gestern, als ich an den Joggern und Seglern vorbeifuhr: Der vertraute Geruch zog mir wieder in die Nase – die Alster stank, nicht anders als eben ein x-beliebiger Binnensee in der deutschen Provinz stinkt.
Und zu Hause – Kinderlärm: Mein Sohn war mit den „großen Jungs“ unten im Vorgarten der Nachbarn unterwegs. Nun sind die zwischen vier und zehn und pubertieren noch lange nicht. Aber unsere Nachbarn – sie Hippie und er Albaner – verwandeln jetzt schon ihren Vorgarten in ein lautes Paradies: mit Plantschbecken, Grill und Kicker, ungeachtet der Straßenkreuzung, von der aus ihnen das ganze Viertel zuguckt. Und die Haustür ist seit Wochen tagsüber nicht mehr abgeschlossen. Dass manchmal Fahrräder geklaut werden, nun, damit muss man leben.
Also, wenn das so ist, wenn die Alster stinkt und Bahrenfeld lebt, dann soll mein Kleiner in die Pubertät kommen und die Nachbarjungen auch: Ich freu mich drauf.
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Freitag, 27. Juni 2008
Schon wieder Politik ...
damals, 15:00h
Heute ist mein Zu-Hause-sitz-und-Korrigier-Tag und ich lese Arbeiten über den "Verbrecher aus verlorner Ehre" (Schiller) und die "Verlorene Ehre der Katharina Blum" (Böll).
Da erfährt man einiges darüber, wie junge Menschen so denken.
Zunächst: "Pflichten des Staatsbürgers" anhand Schiller:
Christian ist ein Mörder, der sich seiner Hinrichtung und somit der Gesellschaft entzieht.
Und dann: "Zusammenhang von Aussehen und politischer Meinung" anhand Böll:
Katharina Blum ist nicht dick, aber eher konservativ.
Wahrscheinlich ist Katharina Blums auch mein Dilemma, da ich aufgrund genetischer Veranlagung und stressiger Lebensumstände im gesetzten Alter immer noch dünn bin, im Herzen aber konservativ empfinde. Ich würde glatt als Künstler/ Linker/ Szenetyp durchgehen, würde ich nicht die "Neue Zürcher Zeitung" lesen und lieben.
Da erfährt man einiges darüber, wie junge Menschen so denken.
Zunächst: "Pflichten des Staatsbürgers" anhand Schiller:
Christian ist ein Mörder, der sich seiner Hinrichtung und somit der Gesellschaft entzieht.
Und dann: "Zusammenhang von Aussehen und politischer Meinung" anhand Böll:
Katharina Blum ist nicht dick, aber eher konservativ.
Wahrscheinlich ist Katharina Blums auch mein Dilemma, da ich aufgrund genetischer Veranlagung und stressiger Lebensumstände im gesetzten Alter immer noch dünn bin, im Herzen aber konservativ empfinde. Ich würde glatt als Künstler/ Linker/ Szenetyp durchgehen, würde ich nicht die "Neue Zürcher Zeitung" lesen und lieben.
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Mittwoch, 28. Mai 2008
Heute mal Politik:
damals, 22:16h
Eben gucke ich Tagesschau - und als erste Meldung kommt, dass nun der endgültige Beweis gefunden sei für Gysis Stasi-Tätigkeit als IM. Für wie blöd müssen die den Fernsehzuschauer denn halten?!
Erstens versteht sich von selbst, dass der prominenteste Oppositionellen-Anwalt der DDR ständig beruflich mit der Stasi zu gehabt hat. Ob bzw. inwieweit er sich dabei moralisch korrekt verhalten hat, lässt sich anhand der simplen Frage "IM -ja oder nein?" ganz sicher nicht beantworten.
Zweitens sind seit Lothar de Maiziere schon reihenweise Prominente ausgerechnet dann als IM enttarnt worden, wenn sie dem politischen Gegener zu sehr in die Quere gekommen sind - bzw. wie de M. ihre Schuldigkeit getan hatten.
Drittens frage ich mich, wieso das die erste Meldung ist? Ist denn in Deutschland sonst nichts passiert - geschweige denn in der Welt?
Ich glaube eher, der deutsche Politikbetrieb dreht sich mal wieder umgeheuer um sich selber und sein Berliner Zentrum ... Köhler oder Schwan? Ich find sie eigentlich beide ganz nett. Die Linke betrügerisch? Natürlich -mindestens ebenso wie die anderen Parteien ... Sind das nicht alles ziemlich unerhebliche Fragen, wenn man sich dafür interessiert, was in Deutschland so passiert?
Erstens versteht sich von selbst, dass der prominenteste Oppositionellen-Anwalt der DDR ständig beruflich mit der Stasi zu gehabt hat. Ob bzw. inwieweit er sich dabei moralisch korrekt verhalten hat, lässt sich anhand der simplen Frage "IM -ja oder nein?" ganz sicher nicht beantworten.
Zweitens sind seit Lothar de Maiziere schon reihenweise Prominente ausgerechnet dann als IM enttarnt worden, wenn sie dem politischen Gegener zu sehr in die Quere gekommen sind - bzw. wie de M. ihre Schuldigkeit getan hatten.
Drittens frage ich mich, wieso das die erste Meldung ist? Ist denn in Deutschland sonst nichts passiert - geschweige denn in der Welt?
Ich glaube eher, der deutsche Politikbetrieb dreht sich mal wieder umgeheuer um sich selber und sein Berliner Zentrum ... Köhler oder Schwan? Ich find sie eigentlich beide ganz nett. Die Linke betrügerisch? Natürlich -mindestens ebenso wie die anderen Parteien ... Sind das nicht alles ziemlich unerhebliche Fragen, wenn man sich dafür interessiert, was in Deutschland so passiert?
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Mittwoch, 14. Mai 2008
Jörgs Geschichte, letzter Teil
damals, 23:58h
Einmal will er mich gar nicht mehr sehen, sondern liegt nur da mit seinem Teddy im Arm und schüttelt den Kopf. Ich bin wütend. Geh raus und streife durch das dunkle, kalte Elmshorner Innenstadt, die schon wie tot daliegt, obwohl die Geschäfte noch offen haben. Irgendwo schütt ich zwei Bier, die den Frust dämpfen und mich redselig machen: Ich steh dann noch eine Viertelstunde an seinem Bett und schwatze irgendwelchen Blödsinn, ohne Punkt und Komma. Da sieht Jörg mir doch zu und lächelt und bettet sich, als ich gehe, gemütlich zum Einschlafen.
Eines Morgens ein Anruf aus Elmshorn: Das Fieber würde jetzt gar nicht mehr runtergehen und ob ich noch mal kommen könne und ich sollte mir schon mal Gedanken machen über die Beerdigung. Es ist kurz vor Weihnachten. Jörg ist nur noch ein Schatten, der den Kopf wegdreht, als ich mich nähere. Ich bin völlig gelähmt und weiß nicht, was ich tun soll. Wenn es zuende geht, sollen sie mich anrufen. Aber da bin grad zu Hause bei den Eltern, meine Mutter geht ans Telefon, ich bin unterwegs. Und bei dem zweiten Anruf am andern Morgen schlaf ich noch. Nachher stehen meine Mutter und meine Schwester heulend in der Küche: „Jörg ist tot.“
Ich hätte es gern gehabt, daß er in Hamburg beerdigt wird. Aber das bezahlt das Sozialamt nicht. Also Elmshorn, das er nicht kennt, nie wahrgenommen hat. Am Tag der Beerdigung - eine Feier gibt es mangels Angehöriger nicht - verpaß ich den Zug, wahrscheinlich ist mir alles zu viel. Jedenfalls treffe ich ein, als der Sarg schon in der Erde ist, drei Friedhofsgärtner sind mit Schaufeln und einem Minibagger am Zubuddeln. Im Hintergrund dröhnt die Autobahn. Eine „stille Beerdigung“, ein namenloses Gräberfeld am Arsch der Welt.
Also, falls ihr mal in der Gegend seid - Jörg liegt auf dem städtischen Friedhof von Elmshorn in Kölln-Reisik, Grabfeld F, Abteilung IV, GrabNr. 83. Und grüßt ihn von mir, er erinnert sich bestimmt.
Eines Morgens ein Anruf aus Elmshorn: Das Fieber würde jetzt gar nicht mehr runtergehen und ob ich noch mal kommen könne und ich sollte mir schon mal Gedanken machen über die Beerdigung. Es ist kurz vor Weihnachten. Jörg ist nur noch ein Schatten, der den Kopf wegdreht, als ich mich nähere. Ich bin völlig gelähmt und weiß nicht, was ich tun soll. Wenn es zuende geht, sollen sie mich anrufen. Aber da bin grad zu Hause bei den Eltern, meine Mutter geht ans Telefon, ich bin unterwegs. Und bei dem zweiten Anruf am andern Morgen schlaf ich noch. Nachher stehen meine Mutter und meine Schwester heulend in der Küche: „Jörg ist tot.“
Ich hätte es gern gehabt, daß er in Hamburg beerdigt wird. Aber das bezahlt das Sozialamt nicht. Also Elmshorn, das er nicht kennt, nie wahrgenommen hat. Am Tag der Beerdigung - eine Feier gibt es mangels Angehöriger nicht - verpaß ich den Zug, wahrscheinlich ist mir alles zu viel. Jedenfalls treffe ich ein, als der Sarg schon in der Erde ist, drei Friedhofsgärtner sind mit Schaufeln und einem Minibagger am Zubuddeln. Im Hintergrund dröhnt die Autobahn. Eine „stille Beerdigung“, ein namenloses Gräberfeld am Arsch der Welt.
Also, falls ihr mal in der Gegend seid - Jörg liegt auf dem städtischen Friedhof von Elmshorn in Kölln-Reisik, Grabfeld F, Abteilung IV, GrabNr. 83. Und grüßt ihn von mir, er erinnert sich bestimmt.
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Dienstag, 13. Mai 2008
Jörgs Geschichte, Teil 5
damals, 19:12h
Es kommt, wie es kommen muß: Auch der Psychologe verliert die Geduld, und da in Elmshorn grad ein Platz frei ist, fällt die Entscheidung schnell. Die Überfahrt findet statt an einem Montagnachmittag, damit ich dabei sein kann. Die Krankenwagenfahrer sind nett und gut gelaunt, helfen beim Sachenschleppen und hätten auch Jörg, der sich gar nicht bewegt, auf ihre Schultern genommen, wenn die die Aktion überwachende Schwester nicht sofort eingegriffen hätte: „Herr Heuer kann selber laufen.“ Er will es bloß nicht. Daß er einfach seine Beine nicht mehr bewegt, ist sein letzter Widerstand.
Die Fahrt geht kreuz und quer durch Hamburg, aus dem Fahrerhaus ertönen laute Oldies. Jörg wird munter: lauscht nach der Musik, linst neugierig aus dem Fenster. Sein Hamburg. Als ich sage: „Jetzt weiß ich gar nicht mehr, wo wir sind.“ lacht er ganz wie früher: „Aber ich.“ Dann kommt bald die Autobahn und irgendwann Elmshorn.
Für mich sind es Abenteuertouren. Der Herbst wird kühler, nasser und schöner, ich fahr über die Dörfer und bei Wischhafen mit der Elbfähre, egal wie das Wetter ist. Wenn ich dann ins „Haus Flora“ eintrete in Elmshorn, läuft mir die Nase. Jörg sitzt immer im Speisesaal vor einer leeren Tasse Kaffee. Da sitzt er den ganzen Tag, versichern die Schwestern, und zu allem, was darüber hinausgeht, und sei es nur Waschen und Klogang, müsse er jeden Tag wieder mühsam überredet werden. Als ich ihm den CD-Player mit seiner Lieblings-CD bringe, die wir im Krankenhaus vergessen hatten, nimmt er die Scheibe in die Hand und betrachtet sie versonnen. Die schillernden Regenbogenfarben auf der Rückseite interessieren ihn. Musikhören will er nicht. Ein andermal bring ich ihm ein „Kleines-Arschloch“-Buch, weil ihm doch Lesen zu anstrengend ist. Er freut sich, weil er Comics immer gemocht hat. Aber dann muß er lange mit der Lesebrille hantieren, und die Spruchblasen muß ich ihm trotzdem noch vorlesen, es ist einfach zu mühsam. Nach langem Fragen erfahre ich, daß er doch noch einen Wunsch hat: noch mal in seiner Wohnung nach dem Rechten sehen, vielleicht eine Pflanze mitnehmen für Elmshorn. Aber zum Bahnfahren ist er schon zu schwach, und ein Auto hab ich nicht. Die Pfleger sagen, daß ihn in zwei Wochen ein Krankenwagen mitnehmen könne, der sowieso fährt. Daraus werden dann drei Wochen, und da ist er schon bettlägerig und kann nicht mit.
Die Fahrt geht kreuz und quer durch Hamburg, aus dem Fahrerhaus ertönen laute Oldies. Jörg wird munter: lauscht nach der Musik, linst neugierig aus dem Fenster. Sein Hamburg. Als ich sage: „Jetzt weiß ich gar nicht mehr, wo wir sind.“ lacht er ganz wie früher: „Aber ich.“ Dann kommt bald die Autobahn und irgendwann Elmshorn.
Für mich sind es Abenteuertouren. Der Herbst wird kühler, nasser und schöner, ich fahr über die Dörfer und bei Wischhafen mit der Elbfähre, egal wie das Wetter ist. Wenn ich dann ins „Haus Flora“ eintrete in Elmshorn, läuft mir die Nase. Jörg sitzt immer im Speisesaal vor einer leeren Tasse Kaffee. Da sitzt er den ganzen Tag, versichern die Schwestern, und zu allem, was darüber hinausgeht, und sei es nur Waschen und Klogang, müsse er jeden Tag wieder mühsam überredet werden. Als ich ihm den CD-Player mit seiner Lieblings-CD bringe, die wir im Krankenhaus vergessen hatten, nimmt er die Scheibe in die Hand und betrachtet sie versonnen. Die schillernden Regenbogenfarben auf der Rückseite interessieren ihn. Musikhören will er nicht. Ein andermal bring ich ihm ein „Kleines-Arschloch“-Buch, weil ihm doch Lesen zu anstrengend ist. Er freut sich, weil er Comics immer gemocht hat. Aber dann muß er lange mit der Lesebrille hantieren, und die Spruchblasen muß ich ihm trotzdem noch vorlesen, es ist einfach zu mühsam. Nach langem Fragen erfahre ich, daß er doch noch einen Wunsch hat: noch mal in seiner Wohnung nach dem Rechten sehen, vielleicht eine Pflanze mitnehmen für Elmshorn. Aber zum Bahnfahren ist er schon zu schwach, und ein Auto hab ich nicht. Die Pfleger sagen, daß ihn in zwei Wochen ein Krankenwagen mitnehmen könne, der sowieso fährt. Daraus werden dann drei Wochen, und da ist er schon bettlägerig und kann nicht mit.
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Montag, 12. Mai 2008
Jörgs Geschichte, Teil 4
damals, 22:49h
In den folgenden Wochen wird es dringlich, es geht ihm so weit gut, das Krankenhaus will ihn loswerden. Der Psychologe beharkt Jörg, ich auch. Alles, was ich zu hören bekomme, ist, daß er nicht in ein Heim will. Aber auch keinen Pflegedienst. „Fremde Leute laß ich nicht in meine Wohnung - Martin, wenn du vielleicht ...?“ Aber wie denn, aus fünfzig Kilometer Entfernung, ohne Auto. Ja, wenn ich noch in Hamburg wohnen würde. Er schickt mich in die Wohnung, Blumen gießen - es sind ja nur zehn Minuten zu Fuß. Dort finden sich schon Spuren des Pflegedienstes: ein halbvoller Müllsack, Reinigungssachen, gebrauchte Aids-Handschuhe. Wohl etwas übertrieben, denke ich. Es ist gespenstisch.
Jörg lebt jetzt praktisch unter der Drohung: Wenn er nicht bald seinen Willen demonstriert, noch einmal ein eigenständiges Leben zu führen, morgens aufzustehen wie ein normaler Mensch und dann seinen Interessen nachzugehen, dann kommt die Einweisung ins Heim. Also verläßt er jetzt tagsüber sein Bett im Krankenhaus. Wenn ich komme, sitzt er meistens bei den anderen mobilen Patienten in der Fernsehecke, hält sich die Ohren zu und liest Zeitung. Einmal gelingt es mir nicht mehr, seine Aufmerksamkeit zu erringen. Er sieht mich nur groß an und kehrt dann zu seiner „Morgenpost“ zurück. Nach der letzten Seite fängt er von vorne an. Die Mitpatienten, dankbar über die Abwechslung, verfolgen meine Bemühungen mit fröhlichen Kommentaren, etwa in dem Sinne, daß an den sowieso keiner mehr rankommt. Ich fliehe, nämlich zu Claudia, die neuerdings in St. Pauli wohnt und bei der ich mich ausheulen kann. Drei Stunden später geh ich noch mal ins Tropeninstitut, da liest er immer noch dieselbe Zeitung. Ich gebe auf.
Jörg lebt jetzt praktisch unter der Drohung: Wenn er nicht bald seinen Willen demonstriert, noch einmal ein eigenständiges Leben zu führen, morgens aufzustehen wie ein normaler Mensch und dann seinen Interessen nachzugehen, dann kommt die Einweisung ins Heim. Also verläßt er jetzt tagsüber sein Bett im Krankenhaus. Wenn ich komme, sitzt er meistens bei den anderen mobilen Patienten in der Fernsehecke, hält sich die Ohren zu und liest Zeitung. Einmal gelingt es mir nicht mehr, seine Aufmerksamkeit zu erringen. Er sieht mich nur groß an und kehrt dann zu seiner „Morgenpost“ zurück. Nach der letzten Seite fängt er von vorne an. Die Mitpatienten, dankbar über die Abwechslung, verfolgen meine Bemühungen mit fröhlichen Kommentaren, etwa in dem Sinne, daß an den sowieso keiner mehr rankommt. Ich fliehe, nämlich zu Claudia, die neuerdings in St. Pauli wohnt und bei der ich mich ausheulen kann. Drei Stunden später geh ich noch mal ins Tropeninstitut, da liest er immer noch dieselbe Zeitung. Ich gebe auf.
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Freitag, 9. Mai 2008
Jörgs Geschichte, Teil 3
damals, 21:37h
Einmal paßt mich der Krankenhauspsychologe ab, bittet mich in mein Zimmer und läßt mich erstmal erzählen. Ihm scheint die Geschichte zu gefallen, wie wir uns kennengelernt haben trotz aller Unterschiedlichkeit. „Das ist ja schön, wie Sie sich da einfach gefunden haben.“ Dann erzählt er mir, was wirklich ansteht: Anderthalb Jahre Lebenserwartung hat der Mensch durchschnittlich nach dem Ausbruch von Aids, und für Jörg zählt die Zeit (was ich nicht wußte, obwohl ich es mir hätte zusammenreimen können) seit der schlimmen Lungenentzündung vor einem Jahr. Nun gut, es können auch schon mal drei Jahre werden, aber mehr ist sehr unwahrscheinlich. Auf seinen nahen Tod müßt ich mich gefaßt machen. Natürlich ist die nächste Frage, wie diese Monate aussehen könnten. Also wenn es weiter so rasant bergauf geht wie im Moment, meint der Psychologe, könnte er noch mal für eine Zeit nach Hause, ein Pflegedienst könnte täglich nach ihm sehen. Danach wäre ein Pflegeheim angebracht, es gibt da ein Haus in Elmshorn, das recht gut sein soll, da es überwiegend für jüngere Leute da ist.
Jörg selbst ist das Thema Zukunft nicht sehr lieb, von selbst spricht er nicht drüber. Und ich bin befangen. Der Psychologe meint ja, ich solle ihm einfach was erzählen, eine kleine Aufmunterung, ein Gespräch jede Woche, mehr müßte ich gar nicht tun, das wäre schon sehr viel. Aber wie, wenn er mich bloß noch mit großen Augen anstarrt, der von uns beiden immer derjenige mit den großen Sprüchen gewesen ist, und ich derjenige, der seine neuen Theorien beurteilen und seine neu erfundenen Gerichte probieren mußte? Da Jörg nichts sagt, fällt auch mir wenig ein. Was interessieren meine Schulgeschichten? Außerdem ist er ewig müde, antwortet einsilbig, nach einer Stunde spätestens mag er gar nicht mehr sprechen, manchmal dreht er plötzlich einfach den Kopf weg und macht die Augen zu. Und ich bin immer leicht beleidigt, schließlich bin ich eine gute Stunde mit dem Moped unterwegs gewesen durch den kalten Herbst, und der Rückweg im Dunkeln steht mir noch bevor. Die Sache bedrückt mich, ich schaff es einfach nicht, den Fröhlichen zu spielen.
„Sie müssen wissen“, sagt der Psychologe, „daß er stirbt. Sterben ist kein plötzliches Ereignis, sondern ein Prozeß, der sehr lange dauern kann. Er ist einfach nicht mehr der Mensch, den Sie kannten - das können Sie auch nicht verlangen - sondern er zieht sich langsam zurück auf immer einfachere Lebensfunktionen.“
Einmal, als ich gerade gehe, treff ich den Psychologen auf dem Flur, auch er in Eile. „Aber Ihnen geht´s soweit gut?“ fragt er im Vorübergehen. Ich bestätige. „Ja, man sieht’s.“ Dann steh ich in der dunklen Bernhard-Nocht-Straße und heule. Und weiß gar nicht, ob um mich oder um Jörg.
Jörg selbst ist das Thema Zukunft nicht sehr lieb, von selbst spricht er nicht drüber. Und ich bin befangen. Der Psychologe meint ja, ich solle ihm einfach was erzählen, eine kleine Aufmunterung, ein Gespräch jede Woche, mehr müßte ich gar nicht tun, das wäre schon sehr viel. Aber wie, wenn er mich bloß noch mit großen Augen anstarrt, der von uns beiden immer derjenige mit den großen Sprüchen gewesen ist, und ich derjenige, der seine neuen Theorien beurteilen und seine neu erfundenen Gerichte probieren mußte? Da Jörg nichts sagt, fällt auch mir wenig ein. Was interessieren meine Schulgeschichten? Außerdem ist er ewig müde, antwortet einsilbig, nach einer Stunde spätestens mag er gar nicht mehr sprechen, manchmal dreht er plötzlich einfach den Kopf weg und macht die Augen zu. Und ich bin immer leicht beleidigt, schließlich bin ich eine gute Stunde mit dem Moped unterwegs gewesen durch den kalten Herbst, und der Rückweg im Dunkeln steht mir noch bevor. Die Sache bedrückt mich, ich schaff es einfach nicht, den Fröhlichen zu spielen.
„Sie müssen wissen“, sagt der Psychologe, „daß er stirbt. Sterben ist kein plötzliches Ereignis, sondern ein Prozeß, der sehr lange dauern kann. Er ist einfach nicht mehr der Mensch, den Sie kannten - das können Sie auch nicht verlangen - sondern er zieht sich langsam zurück auf immer einfachere Lebensfunktionen.“
Einmal, als ich gerade gehe, treff ich den Psychologen auf dem Flur, auch er in Eile. „Aber Ihnen geht´s soweit gut?“ fragt er im Vorübergehen. Ich bestätige. „Ja, man sieht’s.“ Dann steh ich in der dunklen Bernhard-Nocht-Straße und heule. Und weiß gar nicht, ob um mich oder um Jörg.
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Dienstag, 6. Mai 2008
Jörgs Geschichte, Teil 2
damals, 22:37h
Am nächsten Tag. Jörg sieht schon besser aus, spricht aber immer noch nicht. Ich werde zur behandelnden Ärztin gebeten. Wir sitzen in einem engen Zimmerchen voll medizinischer Geräte. Sie ist ungefähr so alt wie ich, blond mit einem runden Gesicht, sehr gutaussehend und spricht einen südlichen Dialekt. „Und Sie sind der Freund?“ - „?“ - „... ich meine, der Partner.“ Die Verwechslung ist mir peinlich Ihr nicht. Sie erklärt sachlich, was los ist, daß er wirklich nicht sprechen kann. Toxoplasmose, heißt das und ruft irgendwelche Lähmungen hervor. Er hatte mal wieder die vorbeugenden Medikamente nicht genommen, und dann muß es wohl ganz plötzlich gekommen sein. Wie es weitergeht, könne keiner voraussagen: ob und wie weit er sich erholt. Zum Schluß frage ich sie, wo sie herstammt. Sie lacht. „Aus München.“
Einmal die Woche fahr ich jetzt immer hin, meistens dienstags, da paßt es mir ganz gut. „Ach, ich gucke meistens aus dem Fenster“, erzählt er mir (dann nach ein paar Tagen medikamenten-Einnahme war die Sprache natürlich wieder da), „z. B. die Lampen da auf dem Astra-Schild am Brauereihochhaus, weißt du, daß die sich gestern von der Mitte nach oben bewegt haben irgendwie? Ich würd auch gern wissen, was eigentlich auf dem Bild da drüben an der Wand drauf ist. Ich finde, es sieht aus wie Donald Duck.“ In Wirklichkeit ist ein Stilleben mit Blumen.
Einmal die Woche fahr ich jetzt immer hin, meistens dienstags, da paßt es mir ganz gut. „Ach, ich gucke meistens aus dem Fenster“, erzählt er mir (dann nach ein paar Tagen medikamenten-Einnahme war die Sprache natürlich wieder da), „z. B. die Lampen da auf dem Astra-Schild am Brauereihochhaus, weißt du, daß die sich gestern von der Mitte nach oben bewegt haben irgendwie? Ich würd auch gern wissen, was eigentlich auf dem Bild da drüben an der Wand drauf ist. Ich finde, es sieht aus wie Donald Duck.“ In Wirklichkeit ist ein Stilleben mit Blumen.
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Jörgs Geschichte, Teil 1
damals, 13:14h
Wochentags am Nachmittag mit dem Moped in Hamburg. Ich hab nicht viel Zeit, muß in die StUB wegen Fachliteratur für meine 11. Klasse in Geschichte. Aber zwei Stunden für Jörg sind schon drin - ich hab über einen Monat nichts von ihm gehört. Ich kauf zwei Astra an meinem alten Kiosk in der Silbersackstraße - sie kosten immer noch nur 1,65. Jörg reagiert nicht auf das vereinbarte Zeichen: dreimal Klingeln, auch beim zweiten Mal nicht. Von seinen Ausflügen ist er doch sonst abends immer wieder da. Zumal jetzt, wo er nicht mehr radfahren kann. Als ich grad das Moped wieder abschließe, öffnet sich die Tür. Im ersten Moment erkenn ich ihn gar nicht: das Gesicht eingefallen, die Augen tief in die Höhlen zurückgetreten. Unter dem Bademantel und den Jogginghosen skeletthaft abgemagerte Füße. Solche Menschen hab ich bisher nur in Dokumentarfilmen über KZs gesehen. Er muß sich die halbe Treppe zur Wohnung mühsam am Geländer hochhangeln. Plumpst wortlos in einen Sessel im Wohnzimmer. Ich bin verwirrt, sage irgendwelche Floskeln. Dann: „Willst du nicht sprechen oder kannst du nicht?“ Bei Jörg weiß man nie. Er lächelt höhnisch. Ich mach vor Verlegenheit erstmal die Biere auf. Jörg hat enorme Mühe, die Flasche zu halten, ist aber offensichtlich glücklich über das Bier. Ich trinke und überleg dabei, was eigentlich los ist. Offenbar hat er lange nichts zu sich genommen. Ich erinnere mich an seine Resignation. Vielleicht wollte er einfach sterben, als er merkte, daß es schlimmer wird, und ich bin ihm dazwischengekommen.
„Ich brauch noch was zu essen.“ sag ich „Soll ich dir was mitbringen?“ Seine Augen leuchten. Ich nehm den Schlüssel und lauf los zur Reeperbahn. Was ist zu tun? Auf jeden Fall kann ich ihn heut abend nicht alleinlassen. Also Marina anrufen und sagen, daß ich morgens nicht zum Kollegiumsausflug komme. Erst in der dritten Kneipe kann ich telefonieren. Marina nicht zu Hause. Ich ruf Olaf an: „Ruf Marina an, sag, daß ich nicht kommen kann - ein Freund liegt im Sterben.“ Er ist so verwirrt wie ich. Jetzt Essen kaufen. Giros für mich, aber was kann Jörg überhaupt kauen? Ein Straßenverkäufer bietet Salzbrezeln an, maßlos teuer, aber was solls.
Jörg ist ziemlich enttäuscht über die Brezel, weitergetrunken hat er auch nicht, er konnte die Flasche nicht mehr halten. Gierig guckt er auf mein Giros. Also lauf ich in die Küche und schneid ihm die Hälfte von dem Zeug schön in kleine Stücke auf einen Teller und brings ihm. Jetzt kann er auch die Gabel nicht mehr halten. Als ich ihn füttern will, wehrt er ab, dann siegt der Hunger, und ich kann einiges reinstopfen. Dann treff ich Vorbereitungen für die Nacht. Hol die Gästematratze für mich. Sein Bett ist eingepißt, ich bezieh es neu und bring ich ihn ins Bett. Liege noch ewig wach und denke nach. Kein vernünftiger Gedanke außer: das Bier - was wenn er wieder einpinkelt? Gott sei Dank hör ich, wie er sich irgendwann zum Klo schleppt.
Morgens ist mir klar, daß ich doch einen Krankenwagen holen muß. Ich meine, ich kann ihn doch nicht einfach sterben lassen, auch wenn er es vielleicht will und nur weil er Krankenhäuser haßt. Natürlich frag ich ihn, ob das in Ordnung ist. Er nickt.
Die Leute vom Rettungswagen sind unmöglich: „Aber das ist doch ein Pflegefall, kein Notfall! Den dürfen wir nicht mitnehmen.“ - „Aber was soll ich mit ihm machen. Ich muß heut mittag nach Hause. Ich kann ihn doch nicht hier liegenlassen.“ Die Leute haben die Idee, im Zimmer nach der Adresse seines Arztes zu suchen, finden sie auch, aber der Arzt ist im Urlaub, und es läuft nur der Anrufbeantworter. Auf mein Betteln erklären sie sich bereit, ins Hafenkrankenhaus zu fahren, vielleicht daß die was mit ihm anfangen können. Und so ist es auch: Das Hafenkrankenhaus weiß, daß drei Häuser weiter im Tropeninstitut eine Aids-Ambulanz ist. Wir fahren hin, und es stellt sich heraus, daß Jörg dort in der Kartei steht und aufgenommen werden kann. Die Rettungsleute werfen ihn mit nacktem Unterkörper auf ein Bett dort, die Bettdecke nehmen sie wieder mit. Und ich verschwinde unter Zurücklassung meiner Telefonnummer sowie des Versprechens, morgen wiederzukommen. In Harburg komm ich grad noch rechtzeitig zur Geschichtsexkursion, wo mich Armin und Olaf löchern, was eigentlich los gewesen ist.
„Ich brauch noch was zu essen.“ sag ich „Soll ich dir was mitbringen?“ Seine Augen leuchten. Ich nehm den Schlüssel und lauf los zur Reeperbahn. Was ist zu tun? Auf jeden Fall kann ich ihn heut abend nicht alleinlassen. Also Marina anrufen und sagen, daß ich morgens nicht zum Kollegiumsausflug komme. Erst in der dritten Kneipe kann ich telefonieren. Marina nicht zu Hause. Ich ruf Olaf an: „Ruf Marina an, sag, daß ich nicht kommen kann - ein Freund liegt im Sterben.“ Er ist so verwirrt wie ich. Jetzt Essen kaufen. Giros für mich, aber was kann Jörg überhaupt kauen? Ein Straßenverkäufer bietet Salzbrezeln an, maßlos teuer, aber was solls.
Jörg ist ziemlich enttäuscht über die Brezel, weitergetrunken hat er auch nicht, er konnte die Flasche nicht mehr halten. Gierig guckt er auf mein Giros. Also lauf ich in die Küche und schneid ihm die Hälfte von dem Zeug schön in kleine Stücke auf einen Teller und brings ihm. Jetzt kann er auch die Gabel nicht mehr halten. Als ich ihn füttern will, wehrt er ab, dann siegt der Hunger, und ich kann einiges reinstopfen. Dann treff ich Vorbereitungen für die Nacht. Hol die Gästematratze für mich. Sein Bett ist eingepißt, ich bezieh es neu und bring ich ihn ins Bett. Liege noch ewig wach und denke nach. Kein vernünftiger Gedanke außer: das Bier - was wenn er wieder einpinkelt? Gott sei Dank hör ich, wie er sich irgendwann zum Klo schleppt.
Morgens ist mir klar, daß ich doch einen Krankenwagen holen muß. Ich meine, ich kann ihn doch nicht einfach sterben lassen, auch wenn er es vielleicht will und nur weil er Krankenhäuser haßt. Natürlich frag ich ihn, ob das in Ordnung ist. Er nickt.
Die Leute vom Rettungswagen sind unmöglich: „Aber das ist doch ein Pflegefall, kein Notfall! Den dürfen wir nicht mitnehmen.“ - „Aber was soll ich mit ihm machen. Ich muß heut mittag nach Hause. Ich kann ihn doch nicht hier liegenlassen.“ Die Leute haben die Idee, im Zimmer nach der Adresse seines Arztes zu suchen, finden sie auch, aber der Arzt ist im Urlaub, und es läuft nur der Anrufbeantworter. Auf mein Betteln erklären sie sich bereit, ins Hafenkrankenhaus zu fahren, vielleicht daß die was mit ihm anfangen können. Und so ist es auch: Das Hafenkrankenhaus weiß, daß drei Häuser weiter im Tropeninstitut eine Aids-Ambulanz ist. Wir fahren hin, und es stellt sich heraus, daß Jörg dort in der Kartei steht und aufgenommen werden kann. Die Rettungsleute werfen ihn mit nacktem Unterkörper auf ein Bett dort, die Bettdecke nehmen sie wieder mit. Und ich verschwinde unter Zurücklassung meiner Telefonnummer sowie des Versprechens, morgen wiederzukommen. In Harburg komm ich grad noch rechtzeitig zur Geschichtsexkursion, wo mich Armin und Olaf löchern, was eigentlich los gewesen ist.
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Weiter mit Resteverwertung
damals, 13:10h
Es ist doch zum Kotzen, ich arbeite ständig, um gerade mal das Nötigste zu verdienen! Und selbst ein harmloses Hobby wie dieses Blog kann nicht adäquat mit Texten bestückt werden, weil ich keine Zeit hab, auch nur irgendwas Sinnvolles zu schreiben. Daher erstmal weiter mit Resteverwertung. Auf meinem Computer liegt im Ordner "Alte Texte" noch ein Bericht über das Sterben von meinem Freund Jörg. Er war mein Nachbar in meinem ersten Hamberger Jahr 1990, und wir blieben befreundet, auch als ich dann wegzog.
Jörg hatte durch Drogensucht alles verloren, war aus einer Thearapieeinrichtung abgehauen und hatte als Obdachloser mit noch funktionierendem Hirn schnell eine kleine Sozialwohnung in St. Pauli bekommen. Dort lebte er zurückgezogen und HIV-positiv und wurde immer kauziger. Als er starb (das war Mitte der neunziger, es gab noch die D-Mark und das Hafenkrankenhaus), wohnte ich in Stade bei Hamburg. Er war 42 Jahre. Um seinen Namen der Vergessenehit zu entreißen, habe ich ihn nicht geändert. Er hieß wirklich Jörg Heuer.
Jörg hatte durch Drogensucht alles verloren, war aus einer Thearapieeinrichtung abgehauen und hatte als Obdachloser mit noch funktionierendem Hirn schnell eine kleine Sozialwohnung in St. Pauli bekommen. Dort lebte er zurückgezogen und HIV-positiv und wurde immer kauziger. Als er starb (das war Mitte der neunziger, es gab noch die D-Mark und das Hafenkrankenhaus), wohnte ich in Stade bei Hamburg. Er war 42 Jahre. Um seinen Namen der Vergessenehit zu entreißen, habe ich ihn nicht geändert. Er hieß wirklich Jörg Heuer.
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Montag, 24. März 2008
Orhan Pamuks "Istanbul" - So müsste man schreiben können!
damals, 23:20h
Meine Bekanntschaft mit Orhan Pamuk verdanke ich dem Feuilleton. Das war entzückt von seinem Roman „Schnee“, für den er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekam. Pamuk passte hervorragend ins Bild: Wer sonst könnte einem die rückständige Türkei erklären als ein liberaler Intellektueller, der tatsächlich von da stammt, jedoch schon als Jugendlicher im heimischen Istanbul eine amerikanische Schule besuchte und später in New York lebte?
Auch mich lockte „Schnee“, versprach der Roman laut der Rezensionen doch orientalische Exotik ebenso wie literarische Bezüge auf Kafka und Tonio Kröger, die meine engste literarische Heimat darstellen. Ich wagte es, das Buch neu, teuer und gebunden zu kaufen – und sollte nicht enttäuscht werden. Das wurde schon auf den ersten zwanzig Seiten klar. Da begibt sich die Hauptfigur auf eine umständliche, langatmig beschriebene Busreise in die winterliche Osttürkei, und es passiert nichts, außer dass man verzaubert wird. Das passiert langsam, unspektakulär, ganz ohne fantasymäßigen Thrill – das Abenteuer heißt ja auch Gegenwart ...
Aber ich will nicht abschweifen. Ich habe „Schnee“ (wirklich der beste Roman, den ich in den letzten zehn Jahren gelesen habe) nur erwähnt, um verständlich zu machen, wie ich auf „Istanbul“, sein nächstes Buch, wartete. Eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein essayistisches Buch über die eigene Heimatstadt, also ein Text aus einem eher niedrigen, allenfalls journalistischen Genre, ähnlich großartig sein sollte wie ein richtiger Roman.
Understatement ist allerdings gerade der Trick des Buches. Pamuk beginnt, indem er ganz banal über seine Kindheit erzählt, über vorpubertäre Allmachtsphantasien eines weichen Kindes aus gutem Hause – und das Ganze auch noch mit Schnappschüssen aus dem Familienalbum illustriert. Im Folgenden wechseln Familienanekdötchen mit essayistischen Berichten über Istanbulansichten des 19. Jahrhunderts oder Lokalgrößen des Istanbuler Kulturlebens von anno dazumal. Einmal versteigt er sich sogar zu einer Beschreibung der speziell Istanbuler Melancholie in Form einer seitenlangen Aufzählung trauriger Dinge.
Erst nach 200 Seiten, der Hälfte des Buches, wenn alle politikfixierten Leser unweigerlich vergrault sind, lässt er die Katze aus dem Sack: Natürlich war das nicht naiv, sondern sehr bewusst politisch, dass er die finanziellen Verhältnisse seiner Familie, ihre konkreten Lebensgewohnheiten und Ansichten offen darlegt. Und es war auch kein sentimentales Sich-Verlieren, wenn er die malerischen Brände von alten Holzpalästen breit ausmalte, die er als Kind erlebt hat, oder die Autofahrten der Familie an den Bosporus. Er erzählt exemplarisch von sich: „So funktioniert das Leben bei uns.“ – um aufzuklären, nicht um irgendjemanden zu denunzieren (wie Aufklärung heute ja oft missverstanden wird). Die spielerischen Ausflüge in die Kulturgeschichte nutzt er dabei elegant, um historisch wie sozial über das Fallbeispiel seiner Familie hinauszuweisen.
In der zweiten Hälfte des Buches wird diese aufklärerische Absicht wie gesagt offensichtlich, so sehr sogar, dass sie auch in die Kapitelüberschriften Eingang findet: „Eroberung oder Fall? Die Türkisierung Konstantinopels“ oder gleich darauf „Religion“. Immer aber verankert er allgemeinere Aussagen im eigenen Erleben. Zum Beispiel erwähnt er unter „Türkisierung“ zwar die Zwänge des NATO-Mitglieds Türkei und ihrer Regierung in den fünfziger Jahren angesichts der Zypernkrise, ihr Schwanken zwischen Kuschen vor dem Westen und heimlicher Aufhetzung der eigenen Bevölkerung. Aber das ist nicht das Thema, das ist nur notwendige Hintergrundinformation. Das Thema ist, was dann tatsächlich in Istanbul los war und was er erlebt hat: die antigriechischen Pogrome. Oder er schildert seine pubertätstypischen Verrenkungen in Bezug auf die Religion (Wie streng soll man den Ramadan einhalten?), und plötzlich spürt man, das ist ja gar nicht allein sein Problem, das ist ja die Widersprüchlichkeit der ganzen Gesellschaft in religiösen Dingen.
Und überhaupt: „Fremd in einer ausländischen Schule“ heißt eine der schönsten Kapitelüberschriften. Aber wer ist hier gemeint? Orhan Pamuk oder Istanbul? Oder die ganze Türkei? Für diese mehrdeutigen Überschriften liebe ich dieses Buch. Denn sie zeigen den Sinn, den es überhaupt hat, über Politik nachzudenken: Ich lebe in der Welt, und deshalb möchte ich wissen, wie sie ist. Und was ich herausgefunden habe, das will ich auch sagen.
In Vorbereitung dieses Textes las ich in der Wikipedia, und da stand, dass manche Leser Pamuks kritische Ausführungen über die Türkei zum Anlass nahmen zu sagen: Na also, und so ein Land will nun in die EU. Was für ein Denkfehler! Dass wir keine solchen Bücher wie „Schnee“ oder „Istanbul“ haben, das liegt doch nicht daran, dass es in unserm Land nichts zu kritisieren gäbe – es liegt daran, dass wir keinen Orhan Pamuk haben!
Mir jedenfalls ist der Mann ein Vorbild: Er lässt sich nicht davon beirren, dass seine Aussagen (von seinen Befürwortern wie von seinen Gegnern) natürlich politisch missbraucht werden. Und lässt sich davon auch nicht hinreißen, sich in irgendwelche politischen Kämpfe einzuordnen. Sondern bleibt bei sich. Die letzte Kapitelüberschrift in „Istanbul“ lautet: „Ein Gespräch mit meiner Mutter: Geduld, Vorsicht, Kunst“.
Auch mich lockte „Schnee“, versprach der Roman laut der Rezensionen doch orientalische Exotik ebenso wie literarische Bezüge auf Kafka und Tonio Kröger, die meine engste literarische Heimat darstellen. Ich wagte es, das Buch neu, teuer und gebunden zu kaufen – und sollte nicht enttäuscht werden. Das wurde schon auf den ersten zwanzig Seiten klar. Da begibt sich die Hauptfigur auf eine umständliche, langatmig beschriebene Busreise in die winterliche Osttürkei, und es passiert nichts, außer dass man verzaubert wird. Das passiert langsam, unspektakulär, ganz ohne fantasymäßigen Thrill – das Abenteuer heißt ja auch Gegenwart ...
Aber ich will nicht abschweifen. Ich habe „Schnee“ (wirklich der beste Roman, den ich in den letzten zehn Jahren gelesen habe) nur erwähnt, um verständlich zu machen, wie ich auf „Istanbul“, sein nächstes Buch, wartete. Eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein essayistisches Buch über die eigene Heimatstadt, also ein Text aus einem eher niedrigen, allenfalls journalistischen Genre, ähnlich großartig sein sollte wie ein richtiger Roman.
Understatement ist allerdings gerade der Trick des Buches. Pamuk beginnt, indem er ganz banal über seine Kindheit erzählt, über vorpubertäre Allmachtsphantasien eines weichen Kindes aus gutem Hause – und das Ganze auch noch mit Schnappschüssen aus dem Familienalbum illustriert. Im Folgenden wechseln Familienanekdötchen mit essayistischen Berichten über Istanbulansichten des 19. Jahrhunderts oder Lokalgrößen des Istanbuler Kulturlebens von anno dazumal. Einmal versteigt er sich sogar zu einer Beschreibung der speziell Istanbuler Melancholie in Form einer seitenlangen Aufzählung trauriger Dinge.
Erst nach 200 Seiten, der Hälfte des Buches, wenn alle politikfixierten Leser unweigerlich vergrault sind, lässt er die Katze aus dem Sack: Natürlich war das nicht naiv, sondern sehr bewusst politisch, dass er die finanziellen Verhältnisse seiner Familie, ihre konkreten Lebensgewohnheiten und Ansichten offen darlegt. Und es war auch kein sentimentales Sich-Verlieren, wenn er die malerischen Brände von alten Holzpalästen breit ausmalte, die er als Kind erlebt hat, oder die Autofahrten der Familie an den Bosporus. Er erzählt exemplarisch von sich: „So funktioniert das Leben bei uns.“ – um aufzuklären, nicht um irgendjemanden zu denunzieren (wie Aufklärung heute ja oft missverstanden wird). Die spielerischen Ausflüge in die Kulturgeschichte nutzt er dabei elegant, um historisch wie sozial über das Fallbeispiel seiner Familie hinauszuweisen.
In der zweiten Hälfte des Buches wird diese aufklärerische Absicht wie gesagt offensichtlich, so sehr sogar, dass sie auch in die Kapitelüberschriften Eingang findet: „Eroberung oder Fall? Die Türkisierung Konstantinopels“ oder gleich darauf „Religion“. Immer aber verankert er allgemeinere Aussagen im eigenen Erleben. Zum Beispiel erwähnt er unter „Türkisierung“ zwar die Zwänge des NATO-Mitglieds Türkei und ihrer Regierung in den fünfziger Jahren angesichts der Zypernkrise, ihr Schwanken zwischen Kuschen vor dem Westen und heimlicher Aufhetzung der eigenen Bevölkerung. Aber das ist nicht das Thema, das ist nur notwendige Hintergrundinformation. Das Thema ist, was dann tatsächlich in Istanbul los war und was er erlebt hat: die antigriechischen Pogrome. Oder er schildert seine pubertätstypischen Verrenkungen in Bezug auf die Religion (Wie streng soll man den Ramadan einhalten?), und plötzlich spürt man, das ist ja gar nicht allein sein Problem, das ist ja die Widersprüchlichkeit der ganzen Gesellschaft in religiösen Dingen.
Und überhaupt: „Fremd in einer ausländischen Schule“ heißt eine der schönsten Kapitelüberschriften. Aber wer ist hier gemeint? Orhan Pamuk oder Istanbul? Oder die ganze Türkei? Für diese mehrdeutigen Überschriften liebe ich dieses Buch. Denn sie zeigen den Sinn, den es überhaupt hat, über Politik nachzudenken: Ich lebe in der Welt, und deshalb möchte ich wissen, wie sie ist. Und was ich herausgefunden habe, das will ich auch sagen.
In Vorbereitung dieses Textes las ich in der Wikipedia, und da stand, dass manche Leser Pamuks kritische Ausführungen über die Türkei zum Anlass nahmen zu sagen: Na also, und so ein Land will nun in die EU. Was für ein Denkfehler! Dass wir keine solchen Bücher wie „Schnee“ oder „Istanbul“ haben, das liegt doch nicht daran, dass es in unserm Land nichts zu kritisieren gäbe – es liegt daran, dass wir keinen Orhan Pamuk haben!
Mir jedenfalls ist der Mann ein Vorbild: Er lässt sich nicht davon beirren, dass seine Aussagen (von seinen Befürwortern wie von seinen Gegnern) natürlich politisch missbraucht werden. Und lässt sich davon auch nicht hinreißen, sich in irgendwelche politischen Kämpfe einzuordnen. Sondern bleibt bei sich. Die letzte Kapitelüberschrift in „Istanbul“ lautet: „Ein Gespräch mit meiner Mutter: Geduld, Vorsicht, Kunst“.
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