Samstag, 14. Februar 2015
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damals, 13:32h
Als letzten Herbst das leidige Weihnachten nahte, glaubte ich eine gute Idee zu haben: Ich legte eine Bücherliste an und ließ mich daraus beschenken. Fühlte sich im ersten Augenblick gut an. Ich hatte zu Jahresbeginn einen Stapel Bücher da liegen und stöberte nach, mit welchem ich beginne.
Sprachlich am schönsten war „Wolkenfern“ von Joanna Bator. Das nahm ich mir zuerst vor und legte mich genüsslich rein in die ihre poetisch funkelnden Boshaftigkeiten. Erst nach hundert Seiten dämmerte mir, dass da so eine lesbisch wirkende Ideologie dahintersteckt, die den Männern als solchen die Alleinschuld für alles und insbesondere die Irrungen der deutschen Geschichte vor 1945 zuschiebt. Das schmälerte meine Begeisterung dann doch und bald blieb ich stecken.
Das nächste Buch auf dem Stapel war „Das Ende der Arbeiterklasse“ (herrlicher Titel) von Aurélie Filippetti. Ich hatte irgendwann beim Autofahren im Deutschlandfunk daraus vorlesen gehört und wusste, dass es wunderbar pathetisch ist. Beim Lesen ging mir das aber schnell auf die Nerven. Das leicht Überzogenene an dem Pathos mochte ich zwar. Aber leider war es gar nicht so überzogen und leicht schon gar nicht, eher von marxistisch-machohafter Schwerfälligkeit: überall geschichtliche Katastrophen und finstere kapitalistische Mächte, nirgends Lebendigkeit, stattdessen Terror, Kampf und vorzugsweise bittere Niederlagen.
Nee, dann doch lieber das nächste probieren: „Pfaueninsel“ von Thomas Hettche. Das klappte ich aber am schnellsten wieder zu, maßlos enttäuscht darüber, dass es sich bei diesem historischen Roman, der im 19. Jahrhundert auf der Pfaueninsel spielt, tatsächlich um einen gepflegten historischen Roman aus dem Milieu des preußischen Königshofes handelt. Wie hatte ich auch auf die Idee kommen können, nur weil die Pfaueninsel ein wunderschöner Ort ist, dass ich in einem Buch über die Pfaueninsel von dem üblichen Historienkram verschont bleibe?!
Zum Glück kam dann mein Freund T. mit dem neuen Sven Regener daher, den er grad ausgelesen hat, und der ist wirklich schön. Regener nörgelt ebenso umher wie Joanna Bator, wesentlich banaler sogar, aber eben unbekümmert alltäglich und sehr nah dran an dem Leben, das wir nunmal alle leben. Da fühlt man sich zu Hause bei sich selbst (wenn z. B. der Nutzen von Esoterik, den ich meinen Freunden auch hier so oft vergeblich zu erklären suche, in anderthalb Sätzen auf den Punkt gebracht wird).
Schön auch die Beobachtung, wie die Karl Schmidts und Frank Lehmanns vor 1989 in Schwarz-Weiß, wie die Helden in einem Schwarz-Weiß-Film, gelebt haben. Kann ich nur bestätigen. War auf der Ost-Seite auch so. Nicht umsonst schmunzeln T. und ich gern über die Gleichartigkeit von „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“, wobei ich die natürlich „Sonnenallee“ etwas erheiternder finde, er als Wessi „Herr Lehmann“. Also jedenfalls jetzt, was die Filme betrifft (dass der Roman „Herr Lehmann“ besser ist als „Am anderen Ende der Sonnenallee“, das dürfte klar sein).
Also: diese schwarz-weißen 80er. Was Ost und West dabei unterscheidet, ist, dass es bei uns (bei mir jedenfalls) deprimäßiger zuging. Dass man sich mit dem echten Konflikten ausweichenden Jugend-Schluri-Leben nicht als Held fühlte, sondern so albern, wie man war. Auch bei uns wurde diese furchtbare schlumheimerische Installationskunst à la Eimer auf Stuhl fabriziert, wurden diese affig poesielosen Gedichte im Sascha-Anderson-Stil verfasst. Nur fand ich das damals schon blöd, während hier Fluxus immer noch in Ehren ist.
Einfach arbeiten gehen ist doch da das mindeste, was man besser machen kann, für mich jedenfalls fühlt sich das so an. Und ich habe den Eindruck, Karl Schmidt sieht das ähnlich.
Sprachlich am schönsten war „Wolkenfern“ von Joanna Bator. Das nahm ich mir zuerst vor und legte mich genüsslich rein in die ihre poetisch funkelnden Boshaftigkeiten. Erst nach hundert Seiten dämmerte mir, dass da so eine lesbisch wirkende Ideologie dahintersteckt, die den Männern als solchen die Alleinschuld für alles und insbesondere die Irrungen der deutschen Geschichte vor 1945 zuschiebt. Das schmälerte meine Begeisterung dann doch und bald blieb ich stecken.
Das nächste Buch auf dem Stapel war „Das Ende der Arbeiterklasse“ (herrlicher Titel) von Aurélie Filippetti. Ich hatte irgendwann beim Autofahren im Deutschlandfunk daraus vorlesen gehört und wusste, dass es wunderbar pathetisch ist. Beim Lesen ging mir das aber schnell auf die Nerven. Das leicht Überzogenene an dem Pathos mochte ich zwar. Aber leider war es gar nicht so überzogen und leicht schon gar nicht, eher von marxistisch-machohafter Schwerfälligkeit: überall geschichtliche Katastrophen und finstere kapitalistische Mächte, nirgends Lebendigkeit, stattdessen Terror, Kampf und vorzugsweise bittere Niederlagen.
Nee, dann doch lieber das nächste probieren: „Pfaueninsel“ von Thomas Hettche. Das klappte ich aber am schnellsten wieder zu, maßlos enttäuscht darüber, dass es sich bei diesem historischen Roman, der im 19. Jahrhundert auf der Pfaueninsel spielt, tatsächlich um einen gepflegten historischen Roman aus dem Milieu des preußischen Königshofes handelt. Wie hatte ich auch auf die Idee kommen können, nur weil die Pfaueninsel ein wunderschöner Ort ist, dass ich in einem Buch über die Pfaueninsel von dem üblichen Historienkram verschont bleibe?!
Zum Glück kam dann mein Freund T. mit dem neuen Sven Regener daher, den er grad ausgelesen hat, und der ist wirklich schön. Regener nörgelt ebenso umher wie Joanna Bator, wesentlich banaler sogar, aber eben unbekümmert alltäglich und sehr nah dran an dem Leben, das wir nunmal alle leben. Da fühlt man sich zu Hause bei sich selbst (wenn z. B. der Nutzen von Esoterik, den ich meinen Freunden auch hier so oft vergeblich zu erklären suche, in anderthalb Sätzen auf den Punkt gebracht wird).
Schön auch die Beobachtung, wie die Karl Schmidts und Frank Lehmanns vor 1989 in Schwarz-Weiß, wie die Helden in einem Schwarz-Weiß-Film, gelebt haben. Kann ich nur bestätigen. War auf der Ost-Seite auch so. Nicht umsonst schmunzeln T. und ich gern über die Gleichartigkeit von „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“, wobei ich die natürlich „Sonnenallee“ etwas erheiternder finde, er als Wessi „Herr Lehmann“. Also jedenfalls jetzt, was die Filme betrifft (dass der Roman „Herr Lehmann“ besser ist als „Am anderen Ende der Sonnenallee“, das dürfte klar sein).
Also: diese schwarz-weißen 80er. Was Ost und West dabei unterscheidet, ist, dass es bei uns (bei mir jedenfalls) deprimäßiger zuging. Dass man sich mit dem echten Konflikten ausweichenden Jugend-Schluri-Leben nicht als Held fühlte, sondern so albern, wie man war. Auch bei uns wurde diese furchtbare schlumheimerische Installationskunst à la Eimer auf Stuhl fabriziert, wurden diese affig poesielosen Gedichte im Sascha-Anderson-Stil verfasst. Nur fand ich das damals schon blöd, während hier Fluxus immer noch in Ehren ist.
Einfach arbeiten gehen ist doch da das mindeste, was man besser machen kann, für mich jedenfalls fühlt sich das so an. Und ich habe den Eindruck, Karl Schmidt sieht das ähnlich.
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Dienstag, 20. Januar 2015
Wasserstandsmeldung
damals, 23:17h
Minus 800! Und das zehn Tage, bevor die Gehälter kommen! Mir war ja klar, dass es knapp wird, jetzt im berühmten Januarloch. Aber so schlimm? Warum schaffen wir es nie? Ich hatte ja in meinem Leben schonmal wenig Geld, sehr wenig Geld und auch mal gar kein Geld, jetzt ist es "einigermaßen" - das Problem bleibt das gleiche, ganz unabhängig vom monatlichen Limit: Es reicht nie!
Die Familien Quandt, Albrecht und Oetker werden mir sicher zustimmen.
Die Familien Quandt, Albrecht und Oetker werden mir sicher zustimmen.
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Dienstag, 25. November 2014
Aus dem Leben meiner Schüler: Freiwilliger Arier-Nachweis
damals, 00:16h
Einer meiner Schüler – er stammt klischeehafterwiese aus der ostdeutschen Provinz – hatte neulich schon Aufsehen erregt, da er sich als begeisterter Anhänger der schwachsinnigen Reichsbürgeridee outete. Jetzt haben ihm seine rechten Freunde wohl einen neuen Blödsinn eingeflüstert: Der Vermerk „deutsch“ im Pass reiche nicht aus, um ihn juristisch sattelfest als wahrhaften Deutschen auszuweisen. Er ist mit Herkunftsnachweisen zu den Behörden gegangen, wurde zu seiner Enttäuschung an die Ausländerbehörde verwiesen (wo er doch Deutscher ist!) und hat dort für 25 Euro einen Schrieb erhalten, der ihm sein Deutschsein ausreichend nachweist. Wohin einen doch verbohrter Nationalismus bringen kann!
Allerdings gibt es diesen natürlich auch auf der anderen Seite des Behördentresens : Ein anderer Schüler (er trägt einen etwas osteuropäisch klingenden Nachnamen) erzählte in diesem Zusammenhang von der Auseinandersetzung mit einem Beamten des Ortsamtes, der blöde Bemerkungen über seine vermeintlich erschlichene deutsche Staatsangehörigkeit machte.
So oder so: Die Rechten lieben offenbar Pässe und gestempelte Bescheinigungen, misstrauen dem Gegenüber und der eigenen Identität.
Allerdings gibt es diesen natürlich auch auf der anderen Seite des Behördentresens : Ein anderer Schüler (er trägt einen etwas osteuropäisch klingenden Nachnamen) erzählte in diesem Zusammenhang von der Auseinandersetzung mit einem Beamten des Ortsamtes, der blöde Bemerkungen über seine vermeintlich erschlichene deutsche Staatsangehörigkeit machte.
So oder so: Die Rechten lieben offenbar Pässe und gestempelte Bescheinigungen, misstrauen dem Gegenüber und der eigenen Identität.
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Mittwoch, 29. Oktober 2014
Wie die Menschen, so die Katzen ...
damals, 23:37h
... z. B. glotzt unsere gern schnurrend auf Bildschirme und schläft wohl auch mal davor ein .. nein, mal im Ernst:
Es ist schon verblüffend, wie doch die Tiere zu den Menschen passen. Bei Cassie, der engagierten christlichen Mutter aus der bremischen Diaspora, ist es natürlich ein irgendwo aufgelesener Straßenkater, der so sehr in die – etwas größere – Kleinfamilie integriert wird, dass dort auch die Menschenkinder grundsätzlich als Tiger bezeichnet werden. Bei Frau Morphine, Single, Großstädterin, Clubgängerin, weiß man gar nicht, woher manchmal diese Katzen auftauchen, die sich für ein paar Wochen in ihrer Wohnung einnisten und dann wieder spurlos verschwinden.
Wieder anders ist es bei meinem Schwager, der im Einfamilienhaus wohnt mit Frau, zwei Kindern, Meerschweinchen, Hand und natürlich auch Katze. Hier hat die Katze eine ebenso klare Herkunft wie auch Zukunft. Und einmal durfte sie auch Junge bekommen, dieses Frühjahr. Denn die Kinder wünschten sich das und es wurde ihnen und ihr auch genehmigt. Mit drei Monaten – das entspricht etwa dem Alter, in dem Menschenkinder in die sozialen Systeme von Kindergarten oder Schule gegeben werden – wurden die Kleinen weggeben, zumeist in die Nachbarschaft verschenkt. Zu Hause blieb nur eines der Kätzchen, natürlich ein Kater, Vincent mit Namen: Es sind immer die Jungs, die bei der Mama bleiben. Vincent ist jetzt halbwüchsig. Vincent wird schon lang nicht mehr gesäugt, stattdessen tritt er die Mama (die das geduldig erträgt), frisst ihr das Futter weg. Deshalb gibt es neuerdings endlich getrennte Näpfchen für die beiden.
Eine seiner Schwestern, Lilly, kam zu uns. Anfangs litt sie am Stockholm-Syndrom und liebte mich besonders, denn ich habe sie über 300 km Autobahn zu uns geholt, allein, nur einen Finger konnte ich der zu Tode Geängstigten in den Käfig stecken, unter latenter Gefährdung des Straßenverkehrs. Dann aber stellte sie sich schnell auf die Bedingungen hier ein: Wir sind zwei Erwachsene, berufstätig, und ein schulpflichtiges Kind in einer Mietwohnung (1. Etage) in der Großstadt. Der Vorgarten vor dem Haus gehört den Leuten unten bzw. deren Katze. Also ist Lilly ab Viertel vor Acht allein in der Wohnung, mindestens bis um zwei. In die verbleibenden Nachmittag- und Abendstunden (wenn endgültig das Licht ausgeht, legt auch sie sich zur Ruhe – in eins der Betten) muss sie Schmusestunden, Spiel mit den Menschen und Rausgehabenteuer reinbekommen. Also nimmt sie, was sie kriegen kann. Das Treppenhaus hat sie sich schnell erobert. Aber auch in den Garten mit der dicken roten Katze wagt sie sich allein – weil wir ihr klargemacht haben, dass die Haus- und Wohnungstür nicht ewig zu Katzenfluchtzwecken offen bleiben kann (bei uns in der Gegend wird gern geklaut und kalt wird es jetzt auch). Und wir Menschen sind stolz auf ihre Selbstständigkeit, als wäre es ein Menschenkind.
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Mittwoch, 13. August 2014
Schön war er wieder, der Urlaub ...
damals, 01:01h
... wie das Bild von damals junior zeigt. Jetzt bin ich wieder da und werde mich bemühen, mein Blog wiederzubeleben, ab und an etwas zu schreiben, vielleicht wag ich mich sogar an die Kommunikation mit anderen.
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Samstag, 5. April 2014
Ein Event nach meinem Geschmack
damals, 18:03h
Ein großzügiges öffentliches Gebäude aus der Zeit der Industrialisierung, ein bisschen pathetisch die Architektur und noch mehr bürokratisch: Das war schonmal ein guter Anfang. Auf der Freitreppe zum Eingang lauter junge Menschen, offenbar Studenten. Weit offen stehende Tür. Der Hörsaal selbst gefüllt mit Menschen verschiedenen Alters. Gemeinsam erwartete man den Star.
Und der kam pünktlich – und underdressed, wie es sich für einen Star gehört: eine ältere Frau in ollem schwarzen Anorak, mit einem ebensolchem Einkaufsbeutel betrat den Saal, lange, üppig schwarze Haare, dazu ein Großmuttergesicht: Emine Sevgi Özdamar.
Aber zuerst musste natürlich eine Vorgruppe spielen: Ein „Vizepräsident der Universität“ trat auf, der diese Rolle ideal verkörperte: Halbglatze und Anzug, ein gebildeter, offenbar staubtrockener Mensch, der keine Ahnung von der Materie hatte, aber gekonnt ein paar freundliche Grußworte äußerte. Dann die Vertreterin des Sponsors, eine blonde Ische mittleren Alters, die Brille ins offene Haar geschoben – sie bestritt mit ihrem kenntnisreichen, etwas zickigen Vortrag die inhaltliche Einführung. Endlich kam dann die Frau vom Fach dran. Auch sie ging ganz in ihrer Rolle auf: Literaturprofessorin. Geblümtes Kleid, hochgesteckte Haare, große kullerige Augen, eine sanfte und kluge Sprache – und dann hieß sie auch noch „Gutjahr“.
Frau Gutjahr also führte das Gespräch mit Frau Özdamar. Aber so richtig kam sie nicht zum Zuge. Sie wollte immer auf grundsätzliche Fragen kommen: Worum es in Emine Özdamars Texten eigentlich geht, wie ihre Anfänge waren, wie sie sich jetzt positioniert. Özdamar ging auch auf diese Fragen ein, aber vor allem machte sie immer wieder das, was sie am besten kann: erzählen - von den Urinverkäufern in Istanbul, von der unterschiedlichen Benutzungsweise von Gehwegen in Ost- und Westberlin, von den großspurigen Posen ihres Vaters (die sie herrlich nachmachen konnte), ... So wurde es ein echtes Gespräch, keine der beiden Frauen führte das Gespräch, sie führten es miteinander. Und ich fand sie alle beide entzückend.
Als ich am Ende rausging zu meinem Fahrrad, dachte ich zuerst: Guck mal an, keinen Cent bezahlt und doch besser unterhalten worden als bei einem normalen Kinobesuch. Aber das war es gar nicht. Es war ein Gruß aus einer anderen Welt, aus der Welt der Heimatlosen, der ich auch entstamme. Emine Sevgi Özdamar gehört nach eigener Aussage auch zu den Menschen, die sich in der Eisenbahn am wohlsten fühlen, zwischen den Orten. Aus dieser Sicht erzählt sie und das macht ihre Erzählungen so schön, so berührend. Ich lebe längst hier. Aber das, das war ein Gruß aus der Heimat.
Und der kam pünktlich – und underdressed, wie es sich für einen Star gehört: eine ältere Frau in ollem schwarzen Anorak, mit einem ebensolchem Einkaufsbeutel betrat den Saal, lange, üppig schwarze Haare, dazu ein Großmuttergesicht: Emine Sevgi Özdamar.
Aber zuerst musste natürlich eine Vorgruppe spielen: Ein „Vizepräsident der Universität“ trat auf, der diese Rolle ideal verkörperte: Halbglatze und Anzug, ein gebildeter, offenbar staubtrockener Mensch, der keine Ahnung von der Materie hatte, aber gekonnt ein paar freundliche Grußworte äußerte. Dann die Vertreterin des Sponsors, eine blonde Ische mittleren Alters, die Brille ins offene Haar geschoben – sie bestritt mit ihrem kenntnisreichen, etwas zickigen Vortrag die inhaltliche Einführung. Endlich kam dann die Frau vom Fach dran. Auch sie ging ganz in ihrer Rolle auf: Literaturprofessorin. Geblümtes Kleid, hochgesteckte Haare, große kullerige Augen, eine sanfte und kluge Sprache – und dann hieß sie auch noch „Gutjahr“.
Frau Gutjahr also führte das Gespräch mit Frau Özdamar. Aber so richtig kam sie nicht zum Zuge. Sie wollte immer auf grundsätzliche Fragen kommen: Worum es in Emine Özdamars Texten eigentlich geht, wie ihre Anfänge waren, wie sie sich jetzt positioniert. Özdamar ging auch auf diese Fragen ein, aber vor allem machte sie immer wieder das, was sie am besten kann: erzählen - von den Urinverkäufern in Istanbul, von der unterschiedlichen Benutzungsweise von Gehwegen in Ost- und Westberlin, von den großspurigen Posen ihres Vaters (die sie herrlich nachmachen konnte), ... So wurde es ein echtes Gespräch, keine der beiden Frauen führte das Gespräch, sie führten es miteinander. Und ich fand sie alle beide entzückend.
Als ich am Ende rausging zu meinem Fahrrad, dachte ich zuerst: Guck mal an, keinen Cent bezahlt und doch besser unterhalten worden als bei einem normalen Kinobesuch. Aber das war es gar nicht. Es war ein Gruß aus einer anderen Welt, aus der Welt der Heimatlosen, der ich auch entstamme. Emine Sevgi Özdamar gehört nach eigener Aussage auch zu den Menschen, die sich in der Eisenbahn am wohlsten fühlen, zwischen den Orten. Aus dieser Sicht erzählt sie und das macht ihre Erzählungen so schön, so berührend. Ich lebe längst hier. Aber das, das war ein Gruß aus der Heimat.
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Donnerstag, 13. März 2014
Offene Worte eines Amazon-Rezensenten
damals, 12:58h
Hier ein kleines Fundstück von der amazon-Seite: Welch tiefe Erkenntnisse doch herauskommen, wenn ein Auftrags-Rezensent beginnt, offen zu reden. Oder wie erklären Sie sich das?
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Samstag, 21. September 2013
Was macht Miss Juni im Dezember?
damals, 16:10h
Auf diese Frage von Bernd Begemann erhielt ich kürzlich eine Antwort, und zwar von einem deutschen Soldaten: „Wir haben einfach verschiedene Zeitschriftenvertriebe angeschrieben und behauptet, dass wir hier in Afghanistan den „Playboy“ nicht bekommen würden. Binnen Kurzem kamen mehrere Pakete mit großen Stapeln übrig gebliebener Magazine. Wir haben sie an die Amerikaner verkauft und den Erlös der Familie eines gefallenen Kameraden übergeben.“
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Samstag, 8. Juni 2013
Männer-Jammern, die hundertste: „You can leave your hat on“
damals, 16:07h
Ich hatte heute eine Wartezeit zu absolvieren, unter Musikbeschallung, und musste Joe Cocker Randy Newmans Lied „You can leave your hat on“ singen hören. Meine Güte! Joe Cocker fand ich mal toll, Randy Newman auch. Aber das – war einfach nur ätzend.
Wenn ich mich rückblickend besinne, fällt mir auf, dass ich die beiden aus demselben Grund toll fand: wegen ihres gebrochenen Machotums. An Joe Cocker mochte ich die unbeholfene, beinah dysfunktional wirkende Vulgarität (seine berühmten krampfhaften Verrenkungen beim Singen), die am Beginn seiner poppigen Phase in den achtziger Jahren eigentlich noch besser (weil kühler begleitet) wirkte. Und an Randy Newman liebte ich das Gebrochene seiner fetten Südstaaten-Mentalität, den Witz, mit dem er seine Verwunderung über die eigene Haltung zum Ausdruck brachte. Auch ich fühlte mich so als Jugendlicher: als verhinderter Macho.
Inzwischen sind wir alle in die Lebensphase eingetreten, die man „erwachsen“ nennt. Joe Cocker hat seine Verkorkstheit so weit kommerziell repariert, dass er als bürgerlich angesehener Voll-Macho durchgehen kann. Randy Newman schreibt, soweit ich höre, Filmmusik, und hat sich also auf die angestammte Branche seiner Familie besonnen. Und ich höre keine Musik mehr. So pflegt jeder seine Minimallösungen.
Wenn ich mich rückblickend besinne, fällt mir auf, dass ich die beiden aus demselben Grund toll fand: wegen ihres gebrochenen Machotums. An Joe Cocker mochte ich die unbeholfene, beinah dysfunktional wirkende Vulgarität (seine berühmten krampfhaften Verrenkungen beim Singen), die am Beginn seiner poppigen Phase in den achtziger Jahren eigentlich noch besser (weil kühler begleitet) wirkte. Und an Randy Newman liebte ich das Gebrochene seiner fetten Südstaaten-Mentalität, den Witz, mit dem er seine Verwunderung über die eigene Haltung zum Ausdruck brachte. Auch ich fühlte mich so als Jugendlicher: als verhinderter Macho.
Inzwischen sind wir alle in die Lebensphase eingetreten, die man „erwachsen“ nennt. Joe Cocker hat seine Verkorkstheit so weit kommerziell repariert, dass er als bürgerlich angesehener Voll-Macho durchgehen kann. Randy Newman schreibt, soweit ich höre, Filmmusik, und hat sich also auf die angestammte Branche seiner Familie besonnen. Und ich höre keine Musik mehr. So pflegt jeder seine Minimallösungen.
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Dienstag, 26. Februar 2013
Getäuscht
damals, 19:15h
Bei uns in der Nähe, wo die ollste Gegend ist, da, wo früher der Schlecker drin war, tat sich plötzlich etwas. Junge Leute richteten die Räume her, dann kamen Möbel: Schreibtische, Bücherregale, ein altes Sofa, tags darauf eine Unmenge Bücher und Aktenordner und schöne Kissen für Sofa und Stühle. Die Szenerie wirkte hippieesk und lebendig und ich wurde sehr neugierig, was hier wohl passiert.
Zwei Tage später: Filmscheinwerfer! Ich war maßlos enttäuscht. Im Internet erfuhr ich, dass hier neue Folgen für "Der Dicke" gedreht werden, das übliche Vorabend-Gutmenschen-Fernsehen.
Inzwischen sieht es wieder trist aus. Das echte Leben ist wahrscheinlich nicht so schön.
Zwei Tage später: Filmscheinwerfer! Ich war maßlos enttäuscht. Im Internet erfuhr ich, dass hier neue Folgen für "Der Dicke" gedreht werden, das übliche Vorabend-Gutmenschen-Fernsehen.
Inzwischen sieht es wieder trist aus. Das echte Leben ist wahrscheinlich nicht so schön.
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