Samstag, 3. Januar 2009
Mal wieder Resteverwertung
damals, 18:47h
Auch wenn mein Publikum nicht sehr zahlreich ist, bemühe ich mich doch, es zu unterhalten. Natürlich auch, weil ich mich zu meinem Thema verbreiten will - das weniger und weniger die DDR ist und immer mehr ein Nachdenken über eine Haltung ist, die ich einzunehmen anstrebe und auch in den jeweils rezensierten Filmkunstwerken suche und nicht immer finde: Authentizität, Überwindung von Klischees oder so. Und da ich gerade anhand "Leben der Anderen" mit haruwa über das Klischee vom patriarchgalen Despoten uneins war, hier nun ein älterer Text aus meiner Schublade dazu, der halbwegs autobiografisch, teilweise aber auch nur daherphantasiert und -schwadroniert ist. Viel Spaß damit!
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Dienstag, 23. Dezember 2008
Ein Pamphlet für das Genie
damals, 23:00h
Meine Verbindung zur Welt ist, dass ich manchmal in N3 die Talk Show gucke. Am Freitag kam Heinrich Breloer, um seinen neuen Film zu promoten: „Die Buddenbrooks“, wie Ihr sicher alle wisst. Da war ich doch ziemlich neugierig, den Mann mal zu Gesicht zu bekommen, den ich so überhaupt nicht abkann. Warum so aggressiv? Werdet ihr fragen. Na, wegen „Todesspiel“ von 1997, einem Dokudrama über Hanns Martin Schleyer und die RAF-Terroristen. Ist das Genre des Dokudramas ja eh schon fragwürdig (da Dokudramen Geschehnisse sehr stark interpretieren, diese Distanz zur Wahrheit aber oft nicht entsprechend reflektieren), so war „Todesspiel“ wohl eher Drama als Doku: Wer Schleyer oder die RAF vorher nicht kannte, wusste nach dem Gucken des Films auch nicht mehr, war aber sicher spannend und effektvoll unterhalten. Ich guckte damals mal in den Regalen der Bremer Uni-Bibliothek nach, was die zum Thema Breloer sagten – und traf auf ein Buch von ihm (und Ko-Autor Königstein) über einen lokalhistorischen Fall aus Hamburg – und auch da dasselbe: Verhinderung von historischem Verständnis durch die Anhäufung von historischen Fakten. Und „Die Manns“ war die höchste Verfeinerung dieser Methode: historische Fakten, leicht konsumierbar angemixt mit ausreichend bürgerlichem Leben (für die Zuschauer zum Sich-selber-Wiederfinden), aber auch genügend Homosexualität und Revolte (damit es spannend wird) – und natürlich ausreichend Genie und Kultur, damit wir nicht den Eindruck haben, platten mainstream zu gucken.
Wie dem auch sei – ich war verblüfft, Herrn Breloer selber nett zu finden. Er ist halt ein Kaufmann: ist richtig stolz darauf, mit welcher Disziplin und welchem wirklich professionellen Verhalten er sich in dem ihm neuen, noch etwas fremden Metier des Spielfilm-Regisseurs behauptet – dass er im Gegensatz zu anderen, vielleicht „künstlerischeren“, aber ökonomisch nachlässigeren Regisseuren eben nie „eine Million in den Sand“ setzt, auch nicht bei widrigen Umständen. Begeistert sich an den technischen Finessen, mit denen er es hingekriegt hat, seine Schauspieler in Lübeck ins Buddenbrookhaus gehen zu lassen und dann fast ohne Schnitt in der Diele ebendieses Hauses stehen zu lassen, obwohl es diese Diele seit den Bomben auf Lübeck im 2. Weltkrieg nicht mehr gibt und sie aufwändig im Kölner Studio nachgebaut wurde. Und begeistert sich vor allem für das ökonomische Geschick Thomas Manns, mit dem er seine „Buddenbrooks“ ungekürzt an den Verleger gebracht hat, wohl wissend, dass sie so – als konservative Familiensaga – den größten Erlös versprechen.
Recht hat er. Und sicher ist es nicht verkehrt, mit solcher Haltung an seine Arbeit heranzugehen. Nur ist das nicht meine Welt. An den „Buddenbrooks“ mag ich nicht die historische Präzision um der Präzision willen. Ich mag nicht den Kaufmann Thomas Buddenbrook und seine sentimentalen Gefühle. Ich mag die kleine Novelle, die dem Buddenbrook-Projekt tatsächlich zugrunde liegt: die Geschichte um den zarten Hanno (der unter seinem autoritären Vater Thomas leidet) und seinen Freund Kai Graf Mölln, den stillen Revolutionär und Adeligen des Herzens.
Wenn Thomas Buddenbrook seine Spekulationsgewinne in einer Missernte verliert, kann ich nur schadenfroh lächeln. Und wenn alle ins Kino laufen, die „Buddenbrooks“ ansehen, dann bleib ich zu Hause.
Eine gute Freundin nannte ihren Sohn Hanno. Kai wäre noch besser gewesen. Kai Graf Mölln „mit den staubigen Händen“ und seinem Gutshof, der ein Hühnerhof war. Das Edle ist nicht präzise und perfekt. Und daher meist auch nicht ökonomisch erfolgreich. Perfektion ist Mittelmaß.
Wie dem auch sei – ich war verblüfft, Herrn Breloer selber nett zu finden. Er ist halt ein Kaufmann: ist richtig stolz darauf, mit welcher Disziplin und welchem wirklich professionellen Verhalten er sich in dem ihm neuen, noch etwas fremden Metier des Spielfilm-Regisseurs behauptet – dass er im Gegensatz zu anderen, vielleicht „künstlerischeren“, aber ökonomisch nachlässigeren Regisseuren eben nie „eine Million in den Sand“ setzt, auch nicht bei widrigen Umständen. Begeistert sich an den technischen Finessen, mit denen er es hingekriegt hat, seine Schauspieler in Lübeck ins Buddenbrookhaus gehen zu lassen und dann fast ohne Schnitt in der Diele ebendieses Hauses stehen zu lassen, obwohl es diese Diele seit den Bomben auf Lübeck im 2. Weltkrieg nicht mehr gibt und sie aufwändig im Kölner Studio nachgebaut wurde. Und begeistert sich vor allem für das ökonomische Geschick Thomas Manns, mit dem er seine „Buddenbrooks“ ungekürzt an den Verleger gebracht hat, wohl wissend, dass sie so – als konservative Familiensaga – den größten Erlös versprechen.
Recht hat er. Und sicher ist es nicht verkehrt, mit solcher Haltung an seine Arbeit heranzugehen. Nur ist das nicht meine Welt. An den „Buddenbrooks“ mag ich nicht die historische Präzision um der Präzision willen. Ich mag nicht den Kaufmann Thomas Buddenbrook und seine sentimentalen Gefühle. Ich mag die kleine Novelle, die dem Buddenbrook-Projekt tatsächlich zugrunde liegt: die Geschichte um den zarten Hanno (der unter seinem autoritären Vater Thomas leidet) und seinen Freund Kai Graf Mölln, den stillen Revolutionär und Adeligen des Herzens.
Wenn Thomas Buddenbrook seine Spekulationsgewinne in einer Missernte verliert, kann ich nur schadenfroh lächeln. Und wenn alle ins Kino laufen, die „Buddenbrooks“ ansehen, dann bleib ich zu Hause.
Eine gute Freundin nannte ihren Sohn Hanno. Kai wäre noch besser gewesen. Kai Graf Mölln „mit den staubigen Händen“ und seinem Gutshof, der ein Hühnerhof war. Das Edle ist nicht präzise und perfekt. Und daher meist auch nicht ökonomisch erfolgreich. Perfektion ist Mittelmaß.
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Montag, 15. Dezember 2008
Ein orientalischer Kalauer
damals, 11:22h
Hitler rühmte sich, die Juden mit offenem Wesir bekämpft zu haben.
(hab ich mir nicht ausgedacht, hat wirklich ein Schüler geschrieben)
(hab ich mir nicht ausgedacht, hat wirklich ein Schüler geschrieben)
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Freitag, 5. Dezember 2008
Hat er nicht Recht?
damals, 14:23h
Wir erleben so viel, so hastig und so weihelos-undeutlich. Wir sind kein zuversichtliches Geschlecht, aber wir betasten viel zu viele Dinge; wir reden auch zu laut, zu schnell und von zu vielem; wir sind zur Anmut nicht gesund genug und allzu arm an innerer Musik.
Das schrieb mein Lieblingslyriker Hugo von Hofmannsthal 1892. Und es stimmt immer noch, für uns Blogger sowieso.
Das schrieb mein Lieblingslyriker Hugo von Hofmannsthal 1892. Und es stimmt immer noch, für uns Blogger sowieso.
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Sonntag, 30. November 2008
1. Advent
damals, 20:20h
Im Arbeitszimmer meiner Eltern standen (und stehen) zwei identische Schreibtische aus der Möbelfabrik Hellerau, mit deren Namen und Formenkanon sie Erinnerungen an die Aufbruchzeit der klassischen Moderne verbanden. Der von meiner Mutter immer relativ aufgeräumt, der von meinem Vater ständig überfüllt. Das war weiter kein Problem, denn er arbeitete im Büro, wo seine Sekretärin den Schreibtisch aufräumte. Auch wenn er sonntags was zu schreiben hatte, fuhr er ins Büro.
Ein Problem gab es nur, wenn mein Vater Geburtstag feierte (meine Mutter begann mit Geburtstagsfeiern erst, als die Kinder aus dem Haus warten und sie sich freier fühlte) und die Wohnung aufgeräumt aussehen musste. Er nahm dann meist einen großen Karton, warf den ganzen Schreibtischinhalt rein, schrieb das Datum drauf und ab in den Keller. Wenn die Kiste dann Wochen oder Monate später wieder geöffnet wurde, war das meiste verjährt und konnte getrost weggeworfen werden.
Wie man sieht, habe ich die väterlichen Wertvorstellungen verinnerlicht. Nur dass ich keine Sekretärin habe und in diesem Wust wirklich arbeite. Immerhin hab ich es heute geschafft, mal die Notizen und Kopien aus der Zeit meiner Dissertation wegzuwerfen, die ich sowieso nie wieder lese, vermutlich nicht mal mehr verstehen würde. Ein seltsames Gefühl, die aus elterlichem Ehrgeiz entstandenen Träume vom Wissenschaftler-Leben als zwei Kartons Altpapier im Treppenhaus stehen zu sehen: befreiend, aber auch traurig. Angekommen in der Ärmlichkeit des realen Lebens.
Aus einer der Kisten fiel beim Aufräumen ein kleines Figürchen mit Doktorhut, noch von der Party nach der Verteidigung – das hat sich gleich mein Sohn geschnappt, um es seiner Playmobil-Familie einzuverleiben. Und ich seh ihm dabei zu und konstruier mir aus der harmlosen Handlung ein Familien-Happy-End, das gar nicht stimmt, denn natürlich hätte auch mein Sohn lieber einen Direktor
zum Vater („Stimmt es, du bist der Chef!“ fragte er mich mit leuchtenden Augen, als er mitangehört hatte, wie ich von der Koordinierung dreier kleiner Alphabetisierungskurse erzählte).

Ein Problem gab es nur, wenn mein Vater Geburtstag feierte (meine Mutter begann mit Geburtstagsfeiern erst, als die Kinder aus dem Haus warten und sie sich freier fühlte) und die Wohnung aufgeräumt aussehen musste. Er nahm dann meist einen großen Karton, warf den ganzen Schreibtischinhalt rein, schrieb das Datum drauf und ab in den Keller. Wenn die Kiste dann Wochen oder Monate später wieder geöffnet wurde, war das meiste verjährt und konnte getrost weggeworfen werden.
Wie man sieht, habe ich die väterlichen Wertvorstellungen verinnerlicht. Nur dass ich keine Sekretärin habe und in diesem Wust wirklich arbeite. Immerhin hab ich es heute geschafft, mal die Notizen und Kopien aus der Zeit meiner Dissertation wegzuwerfen, die ich sowieso nie wieder lese, vermutlich nicht mal mehr verstehen würde. Ein seltsames Gefühl, die aus elterlichem Ehrgeiz entstandenen Träume vom Wissenschaftler-Leben als zwei Kartons Altpapier im Treppenhaus stehen zu sehen: befreiend, aber auch traurig. Angekommen in der Ärmlichkeit des realen Lebens.
Aus einer der Kisten fiel beim Aufräumen ein kleines Figürchen mit Doktorhut, noch von der Party nach der Verteidigung – das hat sich gleich mein Sohn geschnappt, um es seiner Playmobil-Familie einzuverleiben. Und ich seh ihm dabei zu und konstruier mir aus der harmlosen Handlung ein Familien-Happy-End, das gar nicht stimmt, denn natürlich hätte auch mein Sohn lieber einen Direktor
zum Vater („Stimmt es, du bist der Chef!“ fragte er mich mit leuchtenden Augen, als er mitangehört hatte, wie ich von der Koordinierung dreier kleiner Alphabetisierungskurse erzählte).

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Freitag, 28. November 2008
Mal wieder ein Kalauer aus meinen Korrekturen ...
damals, 12:41h
Die Beerdigung seiner Tante Frieda ist der nächste Einschnitt sowie ein Auffahrunfall.
-
Ist das nicht schön?
-
Ist das nicht schön?
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Freitag, 3. Oktober 2008
Nach langer Zeit zurück
damals, 00:09h
In diesem Blog war lange Pause - erstens gab es dieses Jahr endlich mal wieder einen Urlaub, und dann war der Computer kaputt. Genau genommen ist er es immer noch, aber nachdem vier Computerexperten sich ausgetobt haben, kann ich ihn unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen immerhin benutzen. Deshalb soll es jetzt endlich mit Texten weitergehen.
Und zwar mit etwas ganz Banalem: Urlaubsbericht. Um die immer fragile innere Beziehung zu meiner Frau zu stärken, hatte ich vorgeschlagen, dass wir im Urlaub parallel Tagebuch führen. Sie fand das gut, und das Ergebnis ist großartig: Während es in der weiblichen Version vornehmlich um die Farbe des Meeres und eine symbolische Reise zu sich selbst geht, beinhaltete der männliche Part die Themen "Nörgeln" und "Sachliche Information". Zusammengebunden und mit ein paar Urlaubsschnappschüssen versehen möcht ich daraus eine kleine Brochüre basteln.
Hier im Blog dürfen natürlich nur meine Texte stehen - vielleicht gefallen sie Euch trotz der wie gesagt einseitigen Sicht.
Apropos einseitig: Was ich da Politisches über Mazedonien schreibe, ist ganz ausdrücklich einseitig. Ich hatte kurz nach dem Urlaub eine hochinteressante, auch nicht ganz sachliche Arbeit über "Die albanische Frage in Mazedonien" zu korrigieren und weiß also schon einiges über das Thema. Ich wollte aber nicht verfälschen und bewusst nur schreiben, was ich vor Ort erfuhr. Nur so ergibt sich ein echtes Bild, finde ich.
Viel Spaß dabei!

Und zwar mit etwas ganz Banalem: Urlaubsbericht. Um die immer fragile innere Beziehung zu meiner Frau zu stärken, hatte ich vorgeschlagen, dass wir im Urlaub parallel Tagebuch führen. Sie fand das gut, und das Ergebnis ist großartig: Während es in der weiblichen Version vornehmlich um die Farbe des Meeres und eine symbolische Reise zu sich selbst geht, beinhaltete der männliche Part die Themen "Nörgeln" und "Sachliche Information". Zusammengebunden und mit ein paar Urlaubsschnappschüssen versehen möcht ich daraus eine kleine Brochüre basteln.
Hier im Blog dürfen natürlich nur meine Texte stehen - vielleicht gefallen sie Euch trotz der wie gesagt einseitigen Sicht.
Apropos einseitig: Was ich da Politisches über Mazedonien schreibe, ist ganz ausdrücklich einseitig. Ich hatte kurz nach dem Urlaub eine hochinteressante, auch nicht ganz sachliche Arbeit über "Die albanische Frage in Mazedonien" zu korrigieren und weiß also schon einiges über das Thema. Ich wollte aber nicht verfälschen und bewusst nur schreiben, was ich vor Ort erfuhr. Nur so ergibt sich ein echtes Bild, finde ich.
Viel Spaß dabei!

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Donnerstag, 3. Juli 2008
Aufarbeitung mentaler Defizite
damals, 00:36h
Als ich Kind war, wohnte ich in Potsdam und der Heilige See lag keine 200m zu unserm Zuhause entfernt. Natürlich gingen wir im Sommer baden.
Wir wohnten auf der Parkseite des Sees und hatten die Wahl: entweder verbotenerweise einfach innerhalb des Parks ins Wasser zu gehen – dann aber Vorsicht vor der „Parkeule“ und die Sachen möglichst im Gebüsch versteckt – oder die Benutzung der öffentlichen Badestelle am Parkausgang, wo es kein Gras gab, stattdessen pubertierende Jugendliche, vor denen man natürlich Angst hatte.
Die jährlich zu absolvierende Mutprobe bestand darin, einmal über den See zu schwimmen. Weg von den Jugendlichen, über den weiten, tiefen See. Am andern Ufer gab es Wassergrundstücke mit Bootsstegen, auf denen man sich vor dem Rückweg stolz und frierend ausruhen konnte. Mutprobe übrigens nicht nur wegen der Entfernung, sondern auch weil der See stank. Wasserschlucken machte keinen Spaß.
Später kam ich dann selber in die Pubertät, was bis Mitte Zwanzig andauerte und meinen Aktionsradius erweiterte: Ich habe dann in vielen branden- und mecklenburgischen Seen gebadet, und überall traf ich wieder auf dieselben zwei Probleme: die Jugendlichen lärmten und die Seen stanken.
Dann kam das Jahr 1989 und ich wurde erwachsen. Ich ging nach Westdeutschland – Günter Jauch und seinesgleichen kauften sich Villen am Heiligen See.
Jetzt wohne ich in Hamburg, im biederen Bahrenfeld, und radle jeden Morgen an der einen Seite in die reichen Viertel an der Alster rein und an der anderen Seite wieder raus. Nachmittags den gleichen Weg wieder zurück, und wenn ich Zeit und Muße hab, nehm den Weg an der schönen Aussicht - nein, natürlich französisch, wie mans für vornehm hielt, als die Straße bebaut wurde: an der Bellevue entlang, der zwei Minuten länger dauert.
Und da passierte es, gestern, als ich an den Joggern und Seglern vorbeifuhr: Der vertraute Geruch zog mir wieder in die Nase – die Alster stank, nicht anders als eben ein x-beliebiger Binnensee in der deutschen Provinz stinkt.
Und zu Hause – Kinderlärm: Mein Sohn war mit den „großen Jungs“ unten im Vorgarten der Nachbarn unterwegs. Nun sind die zwischen vier und zehn und pubertieren noch lange nicht. Aber unsere Nachbarn – sie Hippie und er Albaner – verwandeln jetzt schon ihren Vorgarten in ein lautes Paradies: mit Plantschbecken, Grill und Kicker, ungeachtet der Straßenkreuzung, von der aus ihnen das ganze Viertel zuguckt. Und die Haustür ist seit Wochen tagsüber nicht mehr abgeschlossen. Dass manchmal Fahrräder geklaut werden, nun, damit muss man leben.
Also, wenn das so ist, wenn die Alster stinkt und Bahrenfeld lebt, dann soll mein Kleiner in die Pubertät kommen und die Nachbarjungen auch: Ich freu mich drauf.
Wir wohnten auf der Parkseite des Sees und hatten die Wahl: entweder verbotenerweise einfach innerhalb des Parks ins Wasser zu gehen – dann aber Vorsicht vor der „Parkeule“ und die Sachen möglichst im Gebüsch versteckt – oder die Benutzung der öffentlichen Badestelle am Parkausgang, wo es kein Gras gab, stattdessen pubertierende Jugendliche, vor denen man natürlich Angst hatte.
Die jährlich zu absolvierende Mutprobe bestand darin, einmal über den See zu schwimmen. Weg von den Jugendlichen, über den weiten, tiefen See. Am andern Ufer gab es Wassergrundstücke mit Bootsstegen, auf denen man sich vor dem Rückweg stolz und frierend ausruhen konnte. Mutprobe übrigens nicht nur wegen der Entfernung, sondern auch weil der See stank. Wasserschlucken machte keinen Spaß.
Später kam ich dann selber in die Pubertät, was bis Mitte Zwanzig andauerte und meinen Aktionsradius erweiterte: Ich habe dann in vielen branden- und mecklenburgischen Seen gebadet, und überall traf ich wieder auf dieselben zwei Probleme: die Jugendlichen lärmten und die Seen stanken.
Dann kam das Jahr 1989 und ich wurde erwachsen. Ich ging nach Westdeutschland – Günter Jauch und seinesgleichen kauften sich Villen am Heiligen See.
Jetzt wohne ich in Hamburg, im biederen Bahrenfeld, und radle jeden Morgen an der einen Seite in die reichen Viertel an der Alster rein und an der anderen Seite wieder raus. Nachmittags den gleichen Weg wieder zurück, und wenn ich Zeit und Muße hab, nehm den Weg an der schönen Aussicht - nein, natürlich französisch, wie mans für vornehm hielt, als die Straße bebaut wurde: an der Bellevue entlang, der zwei Minuten länger dauert.
Und da passierte es, gestern, als ich an den Joggern und Seglern vorbeifuhr: Der vertraute Geruch zog mir wieder in die Nase – die Alster stank, nicht anders als eben ein x-beliebiger Binnensee in der deutschen Provinz stinkt.
Und zu Hause – Kinderlärm: Mein Sohn war mit den „großen Jungs“ unten im Vorgarten der Nachbarn unterwegs. Nun sind die zwischen vier und zehn und pubertieren noch lange nicht. Aber unsere Nachbarn – sie Hippie und er Albaner – verwandeln jetzt schon ihren Vorgarten in ein lautes Paradies: mit Plantschbecken, Grill und Kicker, ungeachtet der Straßenkreuzung, von der aus ihnen das ganze Viertel zuguckt. Und die Haustür ist seit Wochen tagsüber nicht mehr abgeschlossen. Dass manchmal Fahrräder geklaut werden, nun, damit muss man leben.
Also, wenn das so ist, wenn die Alster stinkt und Bahrenfeld lebt, dann soll mein Kleiner in die Pubertät kommen und die Nachbarjungen auch: Ich freu mich drauf.
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Dienstag, 6. Mai 2008
Weiter mit Resteverwertung
damals, 13:10h
Es ist doch zum Kotzen, ich arbeite ständig, um gerade mal das Nötigste zu verdienen! Und selbst ein harmloses Hobby wie dieses Blog kann nicht adäquat mit Texten bestückt werden, weil ich keine Zeit hab, auch nur irgendwas Sinnvolles zu schreiben. Daher erstmal weiter mit Resteverwertung. Auf meinem Computer liegt im Ordner "Alte Texte" noch ein Bericht über das Sterben von meinem Freund Jörg. Er war mein Nachbar in meinem ersten Hamberger Jahr 1990, und wir blieben befreundet, auch als ich dann wegzog.
Jörg hatte durch Drogensucht alles verloren, war aus einer Thearapieeinrichtung abgehauen und hatte als Obdachloser mit noch funktionierendem Hirn schnell eine kleine Sozialwohnung in St. Pauli bekommen. Dort lebte er zurückgezogen und HIV-positiv und wurde immer kauziger. Als er starb (das war Mitte der neunziger, es gab noch die D-Mark und das Hafenkrankenhaus), wohnte ich in Stade bei Hamburg. Er war 42 Jahre. Um seinen Namen der Vergessenehit zu entreißen, habe ich ihn nicht geändert. Er hieß wirklich Jörg Heuer.
Jörg hatte durch Drogensucht alles verloren, war aus einer Thearapieeinrichtung abgehauen und hatte als Obdachloser mit noch funktionierendem Hirn schnell eine kleine Sozialwohnung in St. Pauli bekommen. Dort lebte er zurückgezogen und HIV-positiv und wurde immer kauziger. Als er starb (das war Mitte der neunziger, es gab noch die D-Mark und das Hafenkrankenhaus), wohnte ich in Stade bei Hamburg. Er war 42 Jahre. Um seinen Namen der Vergessenehit zu entreißen, habe ich ihn nicht geändert. Er hieß wirklich Jörg Heuer.
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Donnerstag, 14. Februar 2008
Ein Verriss weniger ...
damals, 23:11h
Einen Verriss habe ich ich mir schenken können, weil ich mal wieder zu langsam war: Als ich las, dass im Fernsehen "Das Wunder von Berlin" kommt, ein Film über den Mauerfall mit Heino Ferch und Veronika Ferres, da war es schon einen Tag zu spät. Ich tröstete mich damit, dass mir eigentlich schon nach diesen eben genannten Daten (Titel und Hauptdarsteller) klar war, dass es sich vermutlich um minderwertige Durchschnittsware handelt. Aber man weiß ja nie.
Jetzt lese ich im Arztwartezimmer die (positive) Rezension dazu um Spiegel - und bin froh, dass ich das verpasst habe, schon allein aufgrund des angedeuteten Plots. Da besteht die ganze DDR nur aus schlechten (opportunistischen) und guten (idealistischen) Stasis und ein junger Mann reift bei der NVA zum Mann. Na, ich danke.
Offenbar lebt er noch, der Stalinismus - während hier im Westen die alten Ideologien vergessen sind - und die historischen Fakten gleich mit. Aber dazu der nächste Verriss, der sogleich folgt.
Jetzt lese ich im Arztwartezimmer die (positive) Rezension dazu um Spiegel - und bin froh, dass ich das verpasst habe, schon allein aufgrund des angedeuteten Plots. Da besteht die ganze DDR nur aus schlechten (opportunistischen) und guten (idealistischen) Stasis und ein junger Mann reift bei der NVA zum Mann. Na, ich danke.
Offenbar lebt er noch, der Stalinismus - während hier im Westen die alten Ideologien vergessen sind - und die historischen Fakten gleich mit. Aber dazu der nächste Verriss, der sogleich folgt.
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