Mittwoch, 14. Mai 2008
Jörgs Geschichte, letzter Teil
Einmal will er mich gar nicht mehr sehen, sondern liegt nur da mit seinem Teddy im Arm und schüttelt den Kopf. Ich bin wütend. Geh raus und streife durch das dunkle, kalte Elmshorner Innenstadt, die schon wie tot daliegt, obwohl die Geschäfte noch offen haben. Irgendwo schütt ich zwei Bier, die den Frust dämpfen und mich redselig machen: Ich steh dann noch eine Viertelstunde an seinem Bett und schwatze irgendwelchen Blödsinn, ohne Punkt und Komma. Da sieht Jörg mir doch zu und lächelt und bettet sich, als ich gehe, gemütlich zum Einschlafen.

Eines Morgens ein Anruf aus Elmshorn: Das Fieber würde jetzt gar nicht mehr runtergehen und ob ich noch mal kommen könne und ich sollte mir schon mal Gedanken machen über die Beerdigung. Es ist kurz vor Weihnachten. Jörg ist nur noch ein Schatten, der den Kopf wegdreht, als ich mich nähere. Ich bin völlig gelähmt und weiß nicht, was ich tun soll. Wenn es zuende geht, sollen sie mich anrufen. Aber da bin grad zu Hause bei den Eltern, meine Mutter geht ans Telefon, ich bin unterwegs. Und bei dem zweiten Anruf am andern Morgen schlaf ich noch. Nachher stehen meine Mutter und meine Schwester heulend in der Küche: „Jörg ist tot.“

Ich hätte es gern gehabt, daß er in Hamburg beerdigt wird. Aber das bezahlt das Sozialamt nicht. Also Elmshorn, das er nicht kennt, nie wahrgenommen hat. Am Tag der Beerdigung - eine Feier gibt es mangels Angehöriger nicht - verpaß ich den Zug, wahrscheinlich ist mir alles zu viel. Jedenfalls treffe ich ein, als der Sarg schon in der Erde ist, drei Friedhofsgärtner sind mit Schaufeln und einem Minibagger am Zubuddeln. Im Hintergrund dröhnt die Autobahn. Eine „stille Beerdigung“, ein namenloses Gräberfeld am Arsch der Welt.
Also, falls ihr mal in der Gegend seid - Jörg liegt auf dem städtischen Friedhof von Elmshorn in Kölln-Reisik, Grabfeld F, Abteilung IV, GrabNr. 83. Und grüßt ihn von mir, er erinnert sich bestimmt.

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Also, ich habe jetzt einmal ein paar Entrys gelesen und entschuldige mich für meine Barschheit. Was ihren aidskranken Bekannten betrifft, haben Sie das ziemlich cool und emotionslos beschrieben, woran auch ihre Tränen, die Sie hin und wieder fliesen ließen, nicht viel änderten. Was die Fernsehproduktionen betrifft, so gibt es da wohl in Deutschland eine Art Filmmafia, die mit immer gleichen Darstellern versucht, spektakulär zu wirken. Das kann man garnichtmehr anschauen. Am Schlimmsten war da die Neuverfilmung der Schatzinsel. Weiter zurück bin ich beim Lesen noch nicht gekommen. Weiß auch nicht, ob ich das noch will, weil Sie zwar anschaulich, aber auch ein wenig suggestiv schreiben und ich hab es nicht so gern, wenn ich beim Lesen so nebenbei emotional gesteuert werden soll.

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@Filmmafia:
Nicht, dass ich diese Branche über Gebühr in Schutz nehmen wollte, aber meistens wird dieser Bombastkram mit den ewiggleichen Besetzungen von den Produktionsfirmen in der Erwartung projektiert, dass Fernsehsender, Verleiher und Zuschauer das sehen wollen. Und das Zeug, was es ins Fernsehen schafft, muss ebendort ja noch abgenickt und durchgewunken werden von Programmverantwortlichen. Von daher erscheint es mir ein wenig verkürzt und einseitig, das ganze Elend nur auf der Produzentenseite zu verorten.

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