Montag, 15. Februar 2010
"Gegenüber brennt noch Licht", ein Roman von Jens Wonneberger
Dieses Blog verkommt langsam zum Rezensionsblog, so ereignisfrei, so dumpf ist mein Leben. Meine Frau schreckte mich gestern Abend mit der Frage: „Ist alles in Ordnung?“ aus dem beginnenden Schlaf, weil sie mein Wegschieben und meine Depression gespürt hatte, die mir durch ihre Rückfrage erst bewusst wurde ...
Ich verdanke die Bekanntschaft mit Jens Wonneberger eigentlich Uwe Tellkamp. Denn dem hat man kürzlich nachgewiesen, dass eine meiner absoluten Lieblingsstellen aus dem „Turm“ eigentlich von Jens Wonneberger verfasst wurde. Die Konsequenz für mich: Den musst du lesen. Also besorgte ich mir seinen aktuellen Roman.
Das Grundthema von „Gegenüber brennt noch Licht“ stammt von Heimito von Doderer. Der hat nämlich vor einigen Jahrzehnten einen kleinen Roman namens „Die erleuchteten Fenster“ geschrieben, in dem ein pensionierter Amtsrat akribisch seine Spanner-Tätigkeit am abendlichen Großstadtfenster dokumentiert. Glücklicherweise verwandeln sich seine voyeuristischen Lüste im Laufe des Romans in reales Liebesgeschehen, es kommt zur „Menschwerdung des Amtsrates Julius Zihal“. Ich hab das Buch in meiner Doktorandenzeit gelesen, da mein Doktorvater ein Doderer-Fan war. Fand es brilliant geschrieben, auch witzig, leider auch ein bisschen spießig.
Auch Wonneberger schreibt über einen Beamten als Spanner, allerdings alles andere als spießig. Sein Stil erscheint auf den ersten Blick eher ein bisschen mainstream: Ich-Erzähler, spannend, kühl und genau – wie sie eben heute alle schreiben. Der Plot ist sehr überlegt konstruiert, auch die überraschende Wendung nach zwei Dritteln (goldener Schnitt!) fehlt nicht.
Aber zunächst zum Inhalt: Ein Herr Plaschinski, auch nicht mehr der Jüngste, lebt als Single einsam in seiner Dresdner Wohnung und nimmt „mit Hilfe eines Zeißes“ (Chr. Morgenstern) am Leben seiner Nachbarn im Haus gegenüber teil, alle Ereignisse werden penibel protokolliert. Tagsüber ist er ein ebenso exakter Beamter der Rentenversicherungsanstalt, hat zwei mehr oder weniger ätzende Kollegen und neuerdings auch eine hübsche, aber unterkühlte Kollegin. Und während sich am Tage langsam eine Liaison mit dieser verklemmten, eleganten Anna-Sophie anbahnt, wird es auch abends am Fenster spannender: Zwar findet seine heimliche Verehrung für eine der Nachbarinnen ein abruptes Ende, nachdem er ihr zufällig in der Realität und in knallbunten Jogginghosen begegnet – eine herrlich peinliche Szene. Dafür öffnet sich aber endlich ein seit Wochen abgedecktes Fenster in der Nachbarwohnung – und sichtbar wird Herr Zimmermann, der Plaschinski vor einiger Zeit bei einem Dienstaufenthalt in der Provinz vor angetrunkenen Neonazis rettete, mit denen er offensichtlich unter einer Decke steckte. Was Zimmermann hier in Dresden treibt, riecht ebenfalls sehr nach brauner Untergrundtätigkeit, kann aber vom Fenster gegenüber nicht völlig durchschaut werden. Am Ende verschwindet Zimmermann, Anna-Sophie hält Einzug in Plaschinskis Wohnung und der Ordner mit den Spanner-Protokollen wird vorerst zur Seite gepackt.
Eine runde Geschichte, wie gesagt. Was sie für mich aus dem Durchschnitt heraushebt, zu etwas Besonderem macht, ist zunächst mal ein persönlicher Gleichklang: Die Art Melancholie und emotionale Kontaktschwäche wie Plaschinski schlepp ich auch mit mir rum, und so wie Wonneberger – stilistisch unauffällig, aber sehr fein in der Beobachtung und hintersinnig in den Andeutungen – würde ich auch schreiben, wenn ichs könnte: Der Mann beschreibt ein sächsisches Provinzstädtchen, böse und trocken, satirisch zugespitzt und doch genau und treffend und beendet die Beschreibung mit folgenden Worten: „Ich habe mich angesichts der Ödnis oft gefragt, was die Menschen hier machten, was ich hier machte, ich habe mich gefragt, was die Menschen eigentlich auf dieser Welt machten.“ Super!
Oder die ganze Geschichte mit Anna-Sophia, die ihn aus der Perversion errettet, erretten kann, da sie selbst alles andere als psychisch auf dem Posten ist. Ganz herrlich die Schilderung ihrer Wohnung in einer besseren Dresdner Gegend, in der sich überhöhter Anspruch und die Armseligkeit des Single-Daseins auf so ergreifende Weise begegnen. Kennt sicher jeder von uns, solche Wohnungen.
Großartig fand ich auch den Erzählstrang um den Neonazi. Da war einfach alles drin: die allgegenwärtige Angst vor den besoffenen Horden in der ostdeutschen Provinz und deren Kumpanei mit den ansässigen Kneipenwirten (das stimmt, da könnt ich auch eine Geschichte zu beisteuern, und wahrscheinlich nicht nur ich), die merkwürdige Rolle des normalbürgerlichen Anführers Zimmerman inklusive V-Mann-Verdacht, die aggressive Fremdenfeindlichkeit der Normalbevölkerung (der Kunde, der in Plaschinski aufgrund seines Namens einen Polen vermutet und sofort ausfallend wird).
Und nicht zuletzt war auch der Schluss wunderbar elegant. Wie da einfach diverse Erzählstränge unaufgelöst bleiben und die Errettung Plaschinskis durch Anna-Sophie unvollständig, dieses „Alles wird besser, doch nie wieder gut“ – das war einfach lebensecht und darum umso bewegender.
Kurz: Ein ganz und gar nicht genialisches Buch (im Gegensatz zu Tellkamp), eher bodenständiges Handwerk mit Seele. Und eine beeindruckende Feinfühligkeit in der Beobachtung und im Bau der Geschichte. Was will man mehr?!

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Sonntag, 14. Februar 2010
Wieder gehört: eine alte Kassette
Erinnert sich noch jemand an Billy Bragg, den englischen Folk-Punker mit Working-Class-Hero-Attitüde? Er begegnete mir gestern, als ich eine alte Lieblingskassette beim Autofahren hörte (das Auto ist komischerweise der einzige Ort, wo sich nicht nur ein Kassettenrekorder befindet, sondern dieser auch noch benutzt wird).
Es ist ja komisch, wenn man über Musik so unvermittelt in die eigene Vergangenheit gerät. Plötzlich war ein altes Pubertätsdilemma wieder da: Ich war ja Ende der siebziger bis Anfang der neunziger Jahre im entsprechenden Alter (ja, so lange dauert eine Pubertät, hierzulande!), und da war Punk die entscheidende Musikrichtung, die entscheidende Lebenshaltung. Aber ich konnte Punk nicht leiden. Mit siebzehn ließ ich mir die Haare wachsen, während mein Kumpel C. sie sich kurz schor. Ich liebte Cat Stevens, Blues und die Dire Straits und wusste, dass ich total veraltet und damit (als DDR-Jugendlicher) auch unnötig systemnah war: Immerhin hatte ich gegen den Kitsch von „Karussell“ zwar politisch-moralische (wegen Pannach und Renft), aber keine musikalischen Vorbehalte.
Und so hörte ich eben allein zu Hause meine Liedermacher, einsam schmachtend – und gestern verwundert über mich selbst: Bettina Wegner und Joan Baez (das ist ja unerträglich, wie konnte ich das nur mögen?!), Bob Dylan und Wolf Biermann (na, immerhin) und den oberpeinlichen Konstantin Wecker. Danach kam André Heller. Merkwürdigerweise kann ich dem im Gegensatz zu Wecker immer noch etwas abgewinnen: Das ist zwar Schwachsinn, aber unbekümmert ehrlich. Und seine kindlich verspielte Androgynität ist allemal moderner als das Macho-Gehabe des gewöhnlichen männlichen Liedermachers.
Die zweite Kassettenseite hab ich wohl ein paar Jahre später bespielt. Das finden sich Tracy Chapman – und eben Billy Bragg. Ich erinnere mich meiner Begeisterung für Tracy Chapman – und der Ablehnung, die ich wegen ihr erfuhr (allenfalls „She`s got a ticket“ war gesellschaftlich akzeptiert, da es als Ausreiser-Lied gehört wurde, was es ja auch ist). Warum hab ich Tracy Chapman so lange vergessen?
Na, und Billy Bragg, das war der Kompromiss: der Liedermacher als Punk. Zum ersten Mal vernommen hab ich seine Musik live, beim „Festival des Politischen Liedes“, ich glaub, ich war damals Soldat – ein verstörendes Erlebnis. Es war eine Gemeinschaftsveranstaltung, bei der nach zwei – drei Liedern eine Gruppe jeweils die nächste ablöste. Das meiste war exotisch-fokloristisch (was man heute Weltmusik nennt) und gefiel mir nicht sonderlich, aber um mich herum die begeistert tanzenden, häufig ausländisch aussehenden Menschen (sogar Schwarze!) machten das mehr als wett – ich genoss das internationale Flair (so wie ich später in Studentenzeiten so manche Goran-Bregovic-CD über mich ergehen ließ – um der Linken und Osteuropäer wegen, die auf ihn standen). Dann betrat Billy Bragg die Bühne, ein junger, dünner Mann im T-Shirt, allein mit seiner E-Gitarre, und machte einen Höllenlärm. Die Tänzer blieben verstört stehen und ich stand mit offenem Mund. Bragg war offenbar belustigt über die Reaktion und machte fröhlich weiter. Ich war beeindruckt.
Später begegnete mir seine Musik noch öfter. Zunehmend beeindruckte mich die noble Haltung dieses Menschen, dessen punkige Seite ich bald als Antihaltung gegen Kitsch begriff und akzeptierte. Wirklich gemocht habe ich sie nie.
Wie gestern Abend dieses Konzert „KlangRaum St.Petri“, in das ich geriet: Sphärenklänge und ein paar Gedichte, zelebrierend vorgetragen im Chorraum einer Kirche. Das Etikett „Esoterik“ drängte sich auf (mir so unangenehm wie „Punk“) – aber es war wie bei Billy Bragg. Man spürte schon nach einigen Minuten die Echtheit und vornehme Hingabe („Spiritualität“ nennt man das heute normalerweise). Hut ab vor solchen Leuten!
Aber die Musik mag ich trotzdem nicht. Ich bleib beim musikalischen Mainstream, bei Tracy Chapman und Cat Stevens. Auch wenn er heute anders heißt.

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Sonntag, 31. Januar 2010
Besserwessi und Stasityp
Ich bin kürzlich beim Rumdaddeln im Netz auf eine Seite gestoßen, auf der man sich als Online-Rezensent für wissenschaftliche Literatur melden kann, gegen Erhalt des Rezensionsexemplars. Das erschien mir, als Reminiszenz an alte Doktorandenzeiten, reizvoll und ich hab es ausprobiert und eine Aufsatzsammlung über ostdeutsche Befindlichkeiten rezensiert. Ich hatte auch geplant, sie auch hier einzustellen, mich dann aber doch dagegen entschieden, damit ich hier in Ruhe ablästern kann (ohne Namen zu offenbaren).
Denn es war schon interessant, wer so einen Sammelband herausgibt – und damit auch die öffentliche Meinung zum Thema Ostdeutschland mitbestimmt. Offenbar wächst da zusammen, was zusammen gehört – ein Besserwessi und eine rote Socke fungieren in trauter Harmonie als Editoren.
Der Wessi ein Hans Dampf in allen Gassen: Er hat ein erstes Fach studiert, in einem zweiten promoviert und sich in einem dritten habilitiert. Mitglied in diversen Forschungsprojekten und -gremien. Publikationsliste bis zum Abwinken, die einzelnen Publikationen meist zusammen mit jeweils mehreren Mitautoren. Aber die ordentliche Professur, die fette Stelle, die gabs erst 1991 im Beitrittsgebiet – der typische Besserwessi.
Und nun der Ossi: Berufsausbildung mit Abitur in der ostdeutschen Provinz und dann ab in die Hauptstadt. Diverse ungelernte Jobs, daneben freier Autor (was immer das bedeuten mag im publikationstechnisch totalüberwachten Ostberlin). Ab 1986 (dem Jahr, ab dem auch die Stasi ihre V-Leute, OibEs genannt, verstärkt unter die Künstler schickte) auch eine eigene Galerie, ausgerechnet in Berlin-Lichtenberg (also wer das noch für Underground und Opposition hält, muss ganz doof sein). 1989 natürlich politisch äußerst aktiv und Autor für die „Junge Welt“. Danach in den Neunzigern die zweite Karriere: Politik-Studium mit Promotion und schneller Aufstieg in kulturpolitischen Gremien der neuen Bundeshauptstadt, natürlich immer auf festen Angestellten-Posten, man ist ja sicherheitsorientiert als Ostdeutscher – jedenfalls wenn man eine rote Socke ist und die entsprechenden Kontakte hat.
Ich kann sie einfach nicht leiden, diese Netzwerker und Bescheidwisser. Aber ich frag mich auch, weshalb ich immer wieder ihr Milieu aufsuche und mich dann ärgere.

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Samstag, 23. Januar 2010
Mein Freitagabend: Glücklich mit Andres Veiel
Heute Morgen bei der Arbeit (der Unterricht selbst war wie immer super, Entspannung pur) stellt sich heraus, dass – nachdem ich eine Woche nicht im Unterricht gewesen bin – schon wieder zwei Personen Schwund zu verzeichnen sind. Scheiße!
Der Abend aber war aber gut. Meine Frau zwar verabschiedete sich schon gegen acht – nachdem sie unser Kind ins Bett gebracht hatte, nahm sie für 15 min mit der Küche vorlieb, eh sie ins Bett ging. Ich sah mit T., meinem freitagabendlichem Gast, fern, und zwar auf meinen Wunsch Andres Veiel. „Oh, nein“, sagte T., „bei deinen billigen Computerlautsprechern ...“ Aber dann gelang es mir, nicht nur den Beamer an den Pc, sondern auch den Pc an die Anlage anzuschließen!
Zu Weihnachten hab ich nämlich eine Andres-Veiel-DVD-Kollektion geschenkt bekommen, von meiner Frau und meinen Geschwistern, das hatte ich mir gewünscht. „Die Überlebenden“ kannte ich schon und nominierte ihn zum besten Dokumentarfilm „ever“. „Black Box BRD“ hab ich damals im Kino gesehen und war erst etwas irritiert, die linken Klischees nicht bestätigt zu sehen, dann aber begeistert.
„Die Spielwütigen“ endlich heute Abend. Ein Film über vier Bewerber an der Schauspielschule „Ernst Busch“. Unglaublich, wie exakt ein Schwabe den Autoritätswahn der ossihaften Preußen ins Bild setzen kann. Ganz zu schweigen von der Sensibilität, mit der er (ohne in irgendeiner Weise denunziatorisch zu sein) mit zwei, drei kleinen Einstellungen verdeutlicht, welche Rolle die Ängste oder Überzeugungen der Eltern für den Erfolg der Kinder haben.
Ein Beamer, eine Flasche Wein, eine Packung Salzstangen und interessierter Mitgucker machten mein Glück perfekt ... so dachte ich, als T. gegen Mitternacht nach Hause ging und ich das Kabelgewirr wieder rückgängig machte und den letzten Rest Wein austrank.
Dass S. dann um Viertel nach zwölf noch anrief mit der traurigen Nachricht, dass sein Vater tot ist, und wir dann noch stundenlang besprachen, was in seiner und meiner Familie so alles schief gegangen ist, nun, das gehört auch dazu. Ein schöner Freitagabend. Ich hoffe nur, meine Frau morgen wiederzusehen.

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Dienstag, 5. Januar 2010
Littell "Die Wohlgesinnten" - Verriss á la Dennis Scheck
Oh, die Weihnachtsgeschenke! Da habe ich nun Littells „Die Wohlgesinnten“ bekommen, über die ich durch das Feuilleton schon eindringlich informiert wurde: die ultimative Biografie eines Nazi-Täters aus der Ich-Perspektive.. Und auch da war ich schon nicht sicher, ob ich das wirklich lesen will. Was tut man nun? Der erste Blick geht auf die Seitenzahl: 1300 Seiten, also mehrere Monate meiner knapp bemessenen Abend-Bett-Lese-Stunden. Gut, dann erstmal oberflächliche Kurzkritik à la Denis Scheck:
Die ersten Seiten kommen hochtrabend, prätentiös daher, was ich ja mag: Es macht neugierig. Als nach zehn Seiten allerdings immer noch keine Geschichte losgegangen war, wurde ich unruhig und ging über zum Schluss: Da werden auf den letzten Seiten offenbar zwei treue Freunde der Hauptfigur erst gegeneinander ausgespielt, dann vom Protagonisten umgebracht, 1945 in Berlin. Die Szene spielt in der Gegend des Zoologischen Gartens, ausgebrochene Raubtiere begutachten die Leichen. Direkt aus „Underground“ übernommen, ist mein erster Gedanke. Gut, und wie sieht`s in der Mitte aus: Überall, wo ich hinblättere, begegne ich Dienstgraden, Telefonaten per Feldtelefon, Machtkämpfen und Kameradschaft – lauter Landserroman-Szenen. Das mag dem Sujet geschuldet sein, sag ich mir – such dir mal eine private Szene, vielleicht wird`s da literarischer: Tatsächlich finde ich kurz darauf etwas, was mit einer Frau, irgendwie mit Liebe zu tun zu haben scheint. Nochmal rückwärtsblättern, um die ganze Szene zu verstehen: Da ist es also seine Schwester, die er begehrt, mit der er ein historisches Folterkammermuseum besucht, wo er sich mit ihr einschließen lässt, sie auf ihren Wunsch hin in die Guillotine spannt und – gegen ihren Wunsch – anal fickt. Das war mir echt zu fett: Wenn Liebe denunziert werden soll, dann wohl am besten durch das Inzest-Motiv, und, um ganz sicher zu gehen, mit einer gehörigen Portion Sado-Maso plus Frauenverachtung.
Wer schreibt denn so ein Zeug? Ich gucke (schon ziemlich entnervt) in die Biografie und erfahre, dass er ausgerechnet 2008 ein „Georgisches Tagebuch“ geschrieben hat. Wer hat ihn denn da hin geschickt? frage ich mich und leg das Buch endgültig zur Seite.
Und wie, um noch eins draufzusetzen, erfahre ich am Folgetag in der Buchhandlung meines Schwagers, dass sein Vater Autor von Spionageromanen ist. Na, ich danke! Frau Heidenreich soll mir mal erklären, was sie an so einem Buch eigentlich lesenswert findet.

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Sonntag, 22. November 2009
Was für ein Lotterleben!


Ist schon ein paar Jahre alt, das Bild - aber immer noch schön.

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Dienstag, 10. November 2009
Kleiner Nachtrag
Da bin ich gestern wohl in die Falle getappt und in den Gedenktagschor mit eingestimmt. Na ja.
Dabei wäre noch ganz anderer Ereignisse zu gedenken. An den 9. November 1938 erinnert sich ja noch der eine oder andere. Der 9. Novembr 1918 dagegen scheint ganz vergessen. Ist den Deutschen ihre Demokratie so unwichtig, dass sie gar nicht mal mehr wissen, wo und wann sie ihren Anfang nahm? Vielleicht bewahrheitet sich einfach der Spruch von George Orwell, dass 1937 die Geschichte stehenblieb - offenbar gilt das auch umgekehrt: Ereignisse vor 1937 entschwinden aus unserem Geschichtsbild. Oder liegt es daran, dass die Demokratiewerdung Deutschlands nicht ganz ohne Peinlichkeiten abging? Aber der 9.11.38 ist doch noch viel peinlicher für die Deutschen! Und auch 1989 gab es weniger Helden, als gemeinhin behauptet wird. Dies in Erinnerung rufen und am eigenen Beispiel demonstrieren sollte mein Text.
Und damit Schluss mit der Gedenkerei!

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Anekdoten aus dem Untergangsjahr der DDR, Teil 2
Zurück in (Ost-)Deutschland war nicht nur die ganze DDR in Aufruhr, es war auch der Ausreiseantrag meiner Freundin genehmigt, ihr DDR-Pass ungültig, aber die beantragte Einreise nach Großbritannien blieb ihr versagt, da sie kein EU-Bürger war. Und ohne diese traute sie sich nicht, die „einmalige Ausreise“ zu wagen, sondern versuchte, es irgendwie legal hinzukriegen.
Am 7. Oktober wollten wir beide uns um die Ecke noch Kuchen für den Nachmittagskaffee holen und gerieten in eine absolut schräge Situation: Bereitschaftspolizisten kamen in breiter Front die Fußgängerzone herunter und drängten Demonstranten zurück, während gleichzeitig klammheimlich Seitenstraßen abgeriegelt wurden. Aus der schreckerstarrten Menge (sowas hatte bisher kein DDR-Bürger erlebt) rief ein einzelner Mann: „Ihr Kommunistenschweine!“, ein Wort, das ich überhaupt noch nie gehört hatte. Ein Agent provocateur, da war ich mir ganz sicher. „Kein guter Ort.“ murmelte meine Freundin. Wir zogen uns zurück zum Kaffeetrinken. Den Rest kann man in Geschichtsbüchern nachlesen.
Dann kam der 9. November und dann war meine Freundin fort. Wir hatten verabredet, uns im Frühjahr in Hamburg zu treffen. Ich las begeistert Arno Schmidt und bewarb mich in Hamburg um ein Lehrerstudium. Ein ganz normaler Westdeutscher wollte ich werden.
Die letzten Wochen in Greifswald: Ja, ich nahm an Demonstrationen teil, das war ja irgendwie moralische Pflicht. Aber es interessierte mich nicht. An der Uni meldete ich mich ordentlich ab. Mein Professor H., bei dem ich in einer Studenten-AG mitgearbeitet hatte, jammerte, als ich mich verabschiedete: „Da hat man immer alles getan für die Partei. Und jetzt lassen sie einen so im Stich!“ Ich konnte wenig Mitgefühl aufbringen. Meine Institutschefin, vor der ich mich nun wirklich etwas schämte – immerhin hatte ich meinen Studienplatz auch ihrem geschickten Taktieren zu verdanken – die meinte nur: „Das machst du richtig! Mein Tochter traut sich ja nicht.“ Und Prof Z., der einzige, in dessen Lehrveranstaltungen wir immer begeistert gingen, verkündete in der letzten Vorlesung vor den Weihnachtsferien, dass er im Januar zu seiner Tochter in den Westen ziehen und sich dort zur Ruhe setzen werde.
Zu Silvester war ich allein in Potsdam, in der Wohnung meiner Eltern. Ich glotzte Fernsehen, aber irgendwann ging ich doch raus. Lief hoch zum Schloss Sanssouci auf die Terrasse, von wo alle immer das Feuerwerk begucken. Und wurde errettet: Irgendein Mädchen küsste mich um Mitternacht und nahm mich mit auf eine Party in der Gregor-Mendel-Straße. Eine leer stehende Gründerzeit-Villa, vermutlich ein besetztes Haus. Es lief, soweit ich mich erinnere, Punkmusik, jedenfalls war es laut und voll. Am Buffet musste man bezahlen, mit Ost- oder mit Westgeld, als Umrechnung war 1:4 angesetzt. Als es draußen hell wurde und drinnen ruhig, traf ich meine Gönnerin wieder. Und nun? war die Frage. „Also, ich gehe jetzt.“ sagte ich. „Wohin denn?“ fragte sie. „In die Sch.-Straße“ Sie wollte sich ausschütten vor Lachen. Und hatte Recht. In der Sch.-Straße bin ich nur noch ein paar Tage geblieben, dann ging ich weg, nach Hamburg. Aber auch in Hamburg blieb ich nicht lange. Das mit dem normalen Wessi, das wurde nichts. Arno Schmidt flog in die Ecke, ich las wieder E.T.A. Hoffmann. Aber das ist eine andere Geschichte.

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Montag, 9. November 2009
Anekdoten aus dem Untergangsjahr der DDR, Teil 1
Also, mein 1989 – heute ist doch ein guter Tag, darüber zu schreiben, wie mich Stubenzweig so nett bat. Wie schon erwähnt, lief ja in dem Jahr mein privates 1989, so dass ich auf die gesellschaftlichen Vorgänge wenig achten konnte: Seit Ende 88 hatte eine Freundin, die einen Ausreiseantrag mit zumindest nicht ganz schlechten Chancen auf Bewilligung hatte. Sie wollte nichts als endlich weg und ich wusste nicht, was ich wollte. Dass wir zusammen waren, ergab keinen Sinn – da wir inzwischen verheiratet sind, aber uns immer noch nicht einig, was damals eigentlich passiert ist, kann ich diese spannende Geschichte hier noch nicht erzählen. Stattdessen hier ein paar absurde Erinnerungssplitter aus dem Untergangsjahr eines todkranken Staats.
Auf den ersten Blick schien alles ziemlich relaxed. Ich war Student des Elitefachs Kunstwissenschaft in Greifswald und hatte als solcher wenig zu tun. Ich erinnere an einen normalen Dienstagmorgen, mal wieder kein Unterricht (wir hatten 9 obligatorische Semesterwochenstunden in diesem Jahr), ich kam mit Brötchen vom Bäcker und begegnete in der Wiesenstraße Knut P., der mir nur lachend zurief: „Wie du studierst, möchte ich mal Urlaub haben!“ Aber besonders werktätig war er ja auch nicht. Er war Dresdner, Anfang 88 plötzlich in G. aufgetaucht und im Hauptberuf Oppositioneller. Verwickelte alle in wilde Diskussionen über die anstehenden Veränderungen. Kannte die Leute von „Frieden und Menschenrechte“ in Berlin und besaß tatsächlich einige Hefte der furchtbar verbotenen Zeitschrift „Grenzfall“, die er mir lieh und die ich mit großen Augen durchlas. In einem Heft konnte man den Originaltext des geheimen Zusatzprotokolls vom Hitler-Stalin-Pakt nachlesen (Vereinbarung über die Teilung Polens). Nach offizieller DDR-Lesart gab es diesen Text gar nicht, obwohl jeder historisch Interessierte (vom Hörensagen) seinen Inhalt kannte.
Als ich Februar über die Semesterferien zu meiner Freundin fuhr, bat er mich um den Schlüssel zu meiner Wohnung. Er müsse täglich mit einer Hausdurchsuchung rechnen, bräuchte einen unverdächtigen Raum, wo er Sachen lagern könnte. Ich fühlte mich moralisch verpflichtet zu helfen. Als er mit dem Schlüssel fort war, kam die Angst: Was, wenn er jetzt doch ein Spitzel ist? Immerhin hatte er erzählt, dass sein Vater im NVA-Oberkommando in Straußberg arbeite und er sich mit diesem immer noch gut verstehe. Also durchforstete ich mein Zimmer und nahm alles, was verdächtig sein könnte, mit in die Ferien. Gott sei Dank passierte nichts. Obwohl sich nach der Wende herausstellte, dass Knut doch bei der „Firma“ gewesen war.
Als ich März zurückkam, unternahm ich den zaghaften Schritt, mein vermeintliches Elfenbeinturmdasein aufzugeben. Ich begann zusätzlich zur Kunstwissenschaft Pädagogik zu studieren. Ich wollte Lehrer werden, aus dem diffusen Wunsch heraus, an den deutlich spürbar kommenden Veränderungen teilzunehmen. Meine Kommilitonen (besonders die Lehrer-Studenten selbst) schüttelten den Kopf: Pädagogik, das Knebelfach für die Proleten des Uni-Betriebs – da musste man doch raus-, nicht reinkommen! Der Institutsleiter der Pädagogik jedenfalls empfing mich persönlich und entwickelte mit mir einen Studienplan. Meine Kunst-Institutsleiterin vermutete hinter meinem rätselhaften Treiben einen besonders cleveren Karriere-Schachzug meines Vaters für mich. Und ich saß endlich in einem langweiligen Pädagogikseminar und sinnierte über die Schrägheit der Situation.
Im August war ich im Studentensommer „beim großen Bruder“ („Besuchen Sie die Sowjetunion, solange sie noch steht.“). Eigentlich wurde ja für solchen Auslandseinsatz nur zugelassen, wer schon einen Sommer im Inland geschafft hatte. Aber 1989 wurde das nicht mehr so eng gesehen, (das Interesse an der Sowjetunion und damit die Anmeldungszahlen für die Fahrt begannen schon zu bröckeln). Unser Einsatzort war Vilnius, wo wir bei Ausgrabungen in der Innenstadt halfen. Die Intention war offensichtlich der archäologische Nachweis, dass die Stadt Vilna weder weder russisch noch polnisch, sondern von je her die Hauptstadt eines litauischen Großreichs gewesen sei. Wenn wir abends in die Innenstadt kamen, floss der Alkohol in Strömen (trotz Gorbatschows Verbot), überall gab es antirussische Demonstrationen, wurden Wehrdienstausweise verbrannt, bildete man eine Menschenkette in Erinnerung an die Okkupation durch Stalin.
Das war spannend, befriedigte aber nicht meine Russland-Sehnsucht. Also schwänzte ich einen Tag und trampte zusammen mit einem Kommilitonen nach Minsk, was immerhin schonmal Weiß-Russland war. Die litauischen Kollegen belächelten unser Vorhaben: „Minsk? Eto ,gorod geroi‘!“ (Das ist eine „Heldenstadt“!). so war es auch, grausig: Noch nie zuvor hatte ich so weit in den Himmel ragende Stalinbauten gesehen, dazwischen Brachland. Und jede Menge alte Opas, die Batterien von Orden auf ihren Anzügen spazieren trugen. Nach Minsk mitgenommen wurden wir übrigens von einem litauischen Ehepaar, dessen männliche Hälfte die Arbeit als Elektriker in einem staatlichen Reperaturbetrieb schwänzte: Seine Frau hatte aus von Polen erworbenem Stoff Bikinis genäht, die nun in Minsk verkauft werden sollten. Von den Einnahmen sollten Kacheln für das Bad im eigenen Häuschen erworben werden.
Echtes Russland sahen wir später doch noch: Die abschließenden Rundreise führte uns durch Leningrad, wie St. Petersburg damals noch hieß. An einem Straßenkiosk gegenüber dem Studentenwohnheim, in dem wir übernachteten, wurde schon ab morgens grässlich schmeckendes billiges Bier ausgeschenkt, und meine Kommilitonin Kathrin, die sich „Kascha“ nannte (wie die russische Armensuppe) und mit der mich ein kleiner Flirt verband, begegnete bei unserer Abfahrt auf dem Bahnhof einem um Essen bettelnden Menschen – sie brach in Tränen aus und war lange nicht zu beruhigen ...

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Sonntag, 25. Oktober 2009
Familiäre Belastungen
Da wollte ich doch mal nur schnell im Internet nachgucken, wer neuer Innenminister (und damit mein neuer Auftraggeber) wird: Da heißt der Mann Thomas de Maizière, sein Vater war Wehrmachtsgeneral und nach dem Krieg Generalinspekteur der Bundeswehr, sein Onkel Rechtsanwalt und hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter, und dessen Sohn, Lothar de Maizière, kommt also auch nicht aus dem Nirgendwo.
Wenn man das so liest, kann man ja wirklich froh sein, dass man selbst aus einer halbswegs anständigen Familie stammt.

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Sonntag, 18. Oktober 2009
Sarrazin hat Recht: Wir haben ein Problem mit integrationsunwilligen Bevölkerungsschichten!
Also, ich hab das jetzt, wie immer, wenn ich die medialen Banalitäten konsumiere, nur flüchtig wahrgenommen, aber hat Sarrazin nicht gesagt, dass Teile der Oberschichten in Deutschland regelrecht integrationsunwillig sind? Dass sie nicht oder nur kontraproduktiv am Wirtschaftskreislauf teilnehmen? Und dass man diesen Leuten, da sie nicht mit Geld umgehen können, auch möglichst keins mehr in die Hand geben sollte, sondern nur Sachleistungen?
Recht hat er! Diese Leute, die sich am Steuern-Zahlen nicht beteiligen; die ihre Kinder der Schulpflicht entziehen, indem sie sie auf ominöse Privatschulen oder Internate schicken – kurz, die nicht am Leben unserer Gesellschaft teilnehmen, es sei denn, indem sie es durch ihr Unvermögen, mit Geld umzugehen, gefährden. Die sind gefährlich!
Ich finde auch, dass Manager-Boni nicht mehr als Geldleistung ausgezahlt werden dürften! Allenfalls als Sachleistung: Kita-Gutscheine, S-Bahn-Monatskarten, ein Deutsche-Bahn-Gutschein für die 2. Klasse, ein Jahresabo der Öffentlichen Bücherhallen – da gäbe es schon einiges, diese Verirrten wieder in unsere Gesellschaft zu integrieren.

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