Mittwoch, 1. Juni 2011
Im Falladahaus, Teil 3
Zwei Tage später – ich war wieder mit dem Müll unterwegs – blieb ich im Flur stehen. Irgendetwas war anders. Aber natürlich: das Abendlicht. Das eine Flurfenster ging nach Westen, und es war ja die Stunde vor dem Sonnenuntergang. Ich setzte den Mülleimer ab und ging zum Fenster. Die Sonne war schon fast hinter den Dächern verschwunden, die Himmelsfarbe wechselte von flirrendem Blau allmählich zu Rot. Ich lehnte mich ins Fenster und sah nach draußen. Da hörte ich Frau Jordan die Treppe hochkommen. Erst wollte ich zu meinem Mülleimer eilen, aber dann blieb ich im Fenster lehnen. Es war schon gut so. Ich drehte mich auch nicht um, als ich hörte, dass sie hinter mir stehen blieb. „Guten Abend, Herr P.!“ sagte sie, und ich spürte, dass sie es nicht dabei bewenden lassen wollte. Da drehte ich mich doch zu ihr, versuchte einige Floskeln über den Mülleimer und die Hausordnung, aber das schien sie nicht zu interessieren. Frau Jordan wollte mir von dem Hausmusikabend am letzten Dienstag erzählen. Ich sah in ihr Gesicht, während sie redete, es schien beinahe orange im Schein der Abendsonne. Es schien mir auch, dass sie mich im Gegenlicht nicht richtig erkennen konnte, jedenfalls kniff sie ihre Augen zusammen und sah suchend umher. „Frau Jordan“, sagte ich, „das ist sehr nett von Ihnen, dass Sie mir davon erzählen, Herr Tomaschek hat auch mir auch schon angeboten, einmal dabei zu sein. Aber bitte seien Sie nicht böse, ich bin doch so unmusikalisch.“. Da machte sie einen Schritt nach vorn und legte mir die Hand auf den Unterarm. „Sie müssen doch gar nicht singen, wenn Sie nicht wollen, Herr P.! Aber es ist so unheimlich, wie Sie immer so stumm an uns vorhuschen. Wir machen uns einfach Sorgen.“ Was sollte ich dazu sagen? Nun half es ja nichts mehr – ich musste beim nächsten Mal auch erscheinen.

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