Freitag, 10. Oktober 2008
Griechenland, Teil 3
Dann waren wir da, auf dem riesigen Grundstück ihrer Eltern auf der Chalchidiki: ein aufgebockter Wohnwagen, eine wellblechüberdachte, offene Küchenzeile, daneben Palmen in Plastikfässern und darüber Pinien dahinter Olivenbäume und Gemüsefelder. Die Mutter hatte schon reisgefüllte Kürbisblüten vorbereitet, die jetzt in die Pfanne kamen, der Vater erklärte uns, wie die Elektropumpe funktioniert und was wir dann gießen sollten mit Hilfe eines weit verzweigen Gummischlauchsystems, an das auch die großen Tanks für Küche und Klo angeschlossen waren. „Wasser“, sagte er stolz, „darum wurden schon Kriege geführt. Denkt nur an die Golan-Höhen!“
Die Straße vor dem Gartentor war leider stärker, als das F. wohl noch aus ihrer Jugendzeit in Erinnerung hatte, von heulenden Automotoren bestimmt, und die nur fünf Gehminuten entfernte Badebucht, eine türkisblaue Wunderschönheit von karibischer Exotik, wurde – seit zwei Jahren, wie F. berichtete – dominiert von einer Beach-Bar mit Strohsonnenschirmen und lauter Reggae- und Soulmusik. „Die betreibt der Neffe vom Bürgermeister, da kann man nichts machen.“
Dann fuhren sie und ihre Eltern, es war Sonntag Nachmittag, zurück nach Thessaloniki mit den beiden Opels. Wir blieben zurück mit einem Kühlschrank voller Essen und bereiteten uns zur ersten Nachtruhe auf der Chalkidiki. Als es am nächsten Vormittag vor dem Tor hupte, stand da ein alter, schwarzer Mercedes, am Steuer S., der Nachbar, weißes T-Shirt, schwarzer Schnauzer, rote Baseballkappe, und fragte, ob er uns mit in den Ort nehmen sollte. Das war uns zu schnell. Wir verabredeten uns für den Nachmittag bei ihm. Das Nachbargrundstück betrat man durch ein offen stehendes Tor. Auf einem Hügel stand ein einfaches, flach gestrecktes, überwiegend einstöckiges Haus mit einer riesigen Terrasse, und auf der Terrasse stand X., der Besitzer, ein alter Mann mit braungebranntem, nacktem Oberkörper und schulterlangen, zottigen, weißen Haaren, und breitete zum Willkommen die Arme aus.
Wir saßen dann in dem herrlich schattigen Wohnraum, der fast das ganze Haus ausfüllte. X., der schon von unserer Ankunft gehört hatte, fragte, was wir trinken wollen, und S. ging in die nur durch eine halbe Wand abgetrennte Küche und bereitete alles, während X. sich uns in einem Englisch-Niederländisch-Deutsch-Mix widmete. Ab und zu übersetzte X. ein paar Brocken für S., der nur Griechisch konnte und stumm dabei saß. Wir erfuhren, dass X. als Gastarbeiter in Deutschland gearbeitet, aber erst nach seiner Rückkehr in die Heimat reich geworden war, durch Autohandel, dass er viele Länder bereist hat und dass seine Familie – Frau, Kinder, Enkel – in Holland wohnt, wo er auch die Winter verbringt. Und nächste Woche kommen alle in sein griechisches Haus in die Sommerferien. Dafür gab es einen extra Gästetrakt mit zwei Räumen und Bad neben der Terrasse. X. selbst wohnte in zwei winzigen Räumen an der Stirnseite des Hauses, mit Blick auf den Artosberg am anderen Ufer der Bucht. Sein Schlafzimmer so schmucklos wie das von S. im Stockwerk darunter, im Wohnzimmer ein Schreibtisch mit Büchern und Familienfotos. Und im Treppenhaus Fotos vom nackten X. als Sonnenanbeter. Ein Original.

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