Freitag, 25. Juli 2008
Shani Katayun: Augen in Teheran
Was wirklich schön ist an meiner Arbeit (Deutsch-Unterricht für Ausländer), ist, dass man so viel von der Welt erfährt, ohne seinen engsten Umkreis verlassen zu müssen: Vor ein paar Wochen sagte mir eine iranische Kollegin zwischen Tür und Angel: "ich habe einen Roman geschrieben." Ich war ganz baff, und schon aus Kollegen-Solidarität kaufte ich ihn. Dann las ich ihn - und er war eine echte Entdeckung. Hier meine Rezension -für alle, die jenseits des professionellen Mainstreams spannendes Lesefutter suchen:

Dieser Roman hat eher die Qualitäten eines Berichts: in künstlerischer Hinsicht bescheiden, dafür aber gut und flüssig geschrieben – und faszinierend durch seine Lebensechtheit. Wer mehr über den Iran wissen will, als aus den Politikteilen unserer Tageszeitungen ersichtlich ist, sollte zu diesem Buch greifen. Man erlebt eine Diktatur, in der politische Unfreiheit Hand in Hand mit westlichem Lebensstil und stockkonservativen Familientradition geht. (Eine „Emanzipation der Miniröcke“ nennt das die Autorin: Miniröcke sind üblich, Zwangsverheiratungen auch.) Außerdem gibt es eine echte Befreiungsbewegung (die islamistische), die autoritär und reaktionär ist; einen Freiheitshelden (kommunistisch), der seine Freundin benutzt und bevormundet; einen deutschen Journalisten (liberal und weltoffen), der insgeheim nur das Geld liebt ... und zwischen all dem drei Schwestern, die immer wieder betrogen werden: im Namen der islamischen Tradition, im Namen des Kommunismus, im Namen der westlichen Freiheit – kurz: im Namen der Männer. Traurig.

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