Montag, 23. Juli 2007
Briefe 7 und 8
* 10.8., von Antje
Es bedarf eines moralischen Aufschwungs, um solcher Verzagtheit Herr zu werden.
(Chr. Wolf)
Lieber Martin!
Ich muß Dich leider enttäuschen und kann Deine Anfrage nur negativ beantworten. Meine Eltern kehrten von ihrer Reise in den Westen des Landes nicht wieder in "die Heimat" zurück. Mein Freund der sich auch auf Tour durch den Wilden Westen befindet, wird sich dort entscheiden. Meine Entscheidung steht noch aus. Entschuldige, jetzt hat der Stift versagt. Die Hauptentscheidung fällt natürlich mit J.'s Ausbleiben. Denn auch bei mir macht sich Hoffnungslosigkeit breit, obwohl man mir betrieblicherseits ab Sept. '9o ein Studium angeboten hat und die Arbeit in der Galerie eigentlich auch Spaß macht ... Die ständig-neuen Meldungen entmutigen zusehends. Wer bleibt denn eigentlich noch hier. Urlaub fällt im gröBeren Sinne erst mal flach, obwohl er so nötig wäre. Die Post bitte an die Hausburgstr. senden. Bei Dir sieht es also auch nicht so rosig aus. Ist Dein Mädel schon auf und davon? Furchtbar, überall nur noch dies eine Thema, bliblublablabla, wer hätte das alles gedacht, je erwartet. Was soll werden?
Meine Schwester bekommt zu alledem auch noch ein Kind, der Vater wird auch fahren. Unsere Reise zur Nichte wurde abgelehnt, weil sie einen Treff mit Personen erwarten, die das Land unberechtigt verlassen haben. Was haben wir mit der Entscheidung der Eltern zu tun. Natürlich werden wir eine Eingabe loslassen. Sonst auf einem anderen Weg Versuche starten. Warten, warten, warten auf Godot
Liebe Grüße
von Antje

* 24.8., von Jana
Mein lieber Martin!
Dein Brief aus dem fernen Litauen kam soeben an, und ich will gleich antworten, da ich momentan untätig rumsitze und schwitze, traue mich nicht, unter die Dusche zu gehen, weil es dann klingeln könnte - ich warte auf Antje R., die vielleicht doch nicht erscheint ..., habe sie in der vergangenen Woche in Bln. besucht; nach ihrem verworrenen Brief mußte ich nach dem Rechten schauen und fand eine supernervöse, überreizte Antje, kein Wunder bei ihrer Situation - der Geliebte kommt nun auch nicht wieder! Ich weiß, Ausreisethematik ist ein Thema und damit keins für Dich. Doch du fragst nach meinem Befinden. Und hier liegt der Hund begraben! Es geht mir miserabel; ich verkrafte bald diese vielen Abschiede nicht mehr. Beim gestrigen Telefonat mit R. machte mir ihre Stimme großen Mut. Nach einwöchigem Aufenthalt in Westberlin weilt sie wieder im provinziellen P., und mir fiel ein Stein vom Herzen, ein Stein der Erleichterung, denn Man weiß ja heutzutage nie ...

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