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Samstag, 5. Mai 2007
Armeezeit, Teil 12
damals, 00:46h
Im Sommer wurden bei einer Schrankkontrolle persönliche Aufzeichnungen von mir gefunden und beschlagnahmt – die kleinen Alltagskizzen, die inzwischen schon zu einer richtigen Textsammlung angewachsen waren und die ich meinem Vater als Büchlein zum Geburtstag schenken wollte. Da die Schrankkontrolle vom Stab angeordnet und durchgeführt worden war, entschied sich mein Kompaniechef, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern nach ganz oben zu melden, an die Regimentsleitung. Sicher ist sicher, damit war er aus der Verantwortung und aus dem Schneider. Und ich wurde eines Tages vor den Parteichef des Regiments gerufen, einen Mann, den ich sonst wahrscheinlich nie persönlich zu Gesicht bekommen hätte.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich im Vorzimmer von Oberstleutnant Knaf darauf wartete, hereingerufen zu werden. Es war sonnig und still; das Radio, ein einfaches, fest in der Wand verschraubtes Gerät für den Massenempfang wie in den Mannschafträumen, spielte „Tausendmal berührt ...". Das Lied lief damals überall, aber ich hatte zum ersten Mal die Muße, auf den Text zu hören, und begann es richtig zu mögen. Knaf selbst hatte etwas Opahaftes mit seiner Halbglatze und seinem Idealismus. Er zeigte Verständnis für meine schriftstellerischen Ambitionen, auch wenn er deren Folgen nicht billigte. Von einer Bestrafung wolle er absehen, auch im Hinblick auf die Naivität meiner Jugend, ich solle mich aber künftig bemühen, positivere Texte über den Armeealltag zu schreiben, ihm diese vorlegen, und wer weiß, vielleicht könnten sie dank seines Einflusses in der „Nationalen Volksarmee" erscheinen. Etwas in mir lächelte - die „Nationale Volksarmee", das Wurstblatt, das überall herumlag und das keiner las, es sei denn um der unerträglichen Langeweile Herr zu werden - aber andererseits immerhin: eine Veröffentlichung. Dass ich einmal etwas veröffentlichen würde, davon hatte ich bisher kaum zu träumen gewagt. Ich war Schüler gewesen, irgendein Gymnasiast, und nicht der einzige, der Einsen im Aufsatz schrieb. Das eigene Geschreibsel gedruckt zu sehen, dazu gehörte mehr, das war mir klar. Und vielleicht sogar dies: hier zu stehen in dem sauberen Büro in der Regimentsleitung, während die anderen schon wieder mit öligen Lappen um die Kanone standen und gegen die Langeweile kämpften. Immerhin schien mein Vergehen mehr zu bedeuten als die Saufereien und unerlaubten Entfernungen meiner Kameraden: Es war eine Begnadigung durch die Regimentsleitung wert.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich im Vorzimmer von Oberstleutnant Knaf darauf wartete, hereingerufen zu werden. Es war sonnig und still; das Radio, ein einfaches, fest in der Wand verschraubtes Gerät für den Massenempfang wie in den Mannschafträumen, spielte „Tausendmal berührt ...". Das Lied lief damals überall, aber ich hatte zum ersten Mal die Muße, auf den Text zu hören, und begann es richtig zu mögen. Knaf selbst hatte etwas Opahaftes mit seiner Halbglatze und seinem Idealismus. Er zeigte Verständnis für meine schriftstellerischen Ambitionen, auch wenn er deren Folgen nicht billigte. Von einer Bestrafung wolle er absehen, auch im Hinblick auf die Naivität meiner Jugend, ich solle mich aber künftig bemühen, positivere Texte über den Armeealltag zu schreiben, ihm diese vorlegen, und wer weiß, vielleicht könnten sie dank seines Einflusses in der „Nationalen Volksarmee" erscheinen. Etwas in mir lächelte - die „Nationale Volksarmee", das Wurstblatt, das überall herumlag und das keiner las, es sei denn um der unerträglichen Langeweile Herr zu werden - aber andererseits immerhin: eine Veröffentlichung. Dass ich einmal etwas veröffentlichen würde, davon hatte ich bisher kaum zu träumen gewagt. Ich war Schüler gewesen, irgendein Gymnasiast, und nicht der einzige, der Einsen im Aufsatz schrieb. Das eigene Geschreibsel gedruckt zu sehen, dazu gehörte mehr, das war mir klar. Und vielleicht sogar dies: hier zu stehen in dem sauberen Büro in der Regimentsleitung, während die anderen schon wieder mit öligen Lappen um die Kanone standen und gegen die Langeweile kämpften. Immerhin schien mein Vergehen mehr zu bedeuten als die Saufereien und unerlaubten Entfernungen meiner Kameraden: Es war eine Begnadigung durch die Regimentsleitung wert.
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