Sonntag, 19. April 2009
Mal wieder die NZZ
(VORSICHT: METATEXT - ERST VERSTÄNDLICH NACH LEKTÜRE DES ANGEGEBENEN LINKS)

Wenn ich diesen Text hier einstelle, ohne meinen Obertitel „Damals bei den Analphabeten“ zu ändern, ist das natürlich meiner Hoffnung zu verdanken, dass ich die titelgebende Serie in absehbarer Zeit fortführe. Aber vielleicht ist auch ein bisschen Spott dabei.
Denn ich möchte über die Zeitungen schreiben, die dieser Tage alle eine Biografie über Fritz Bauer, den Initiator des Auschwitz-Prozesses, ankündigen. Und doch ist meine Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung, mal wieder die, die die schönste Rezension geliefert hat:
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/buchrezensionen/pflicht_zum_ungehorsam_1.2380698.html
Mit welcher Noblesse, welcher Klarheit und Zurückhaltung hier den üblichen Geschichtsklischees entgegen gearbeitet wird: Es beginnt schon gleich mit der Feststellung, dass Fritz Bauer ein guter Ankläger war, weil er kein typischer Ankläger war – ihm ging’s um Aufklärung, nicht um die Jagd an sich.
Besonders gefallen hat mir der vorsichtige Hinweis darauf, wie gefährlich es ist, Fritz Bauer als Helden zu stilisieren, der an einem irgendwie konservativen oder antisemitischen Umfeld oder Zeitgeist gescheitert sei. Natürlich ist da was Wahres dran. Aber die Ungenauigkeit solcher Vorstellungen deckt die Täter und macht tatsächliche Strukturen unsichtbar. „Die Mörder haben Namen und Adresse!“ sagte einst Brecht. Und der Wahrheit näher kommt nur, wer fair und konkret ist - wie dieser wunderschöne Text.
...
Sehr wohltuend so etwas - in einer Gesellschaft, in der sich – um mal zwei populäre Beispiele zu nennen - ein Albert Speer (dank Joachim Fest) bis in den „Untergang“ als irrender Idealist verkaufen kann, während Gustav Gründgens ganz selbstverständlich als Mephisto gilt (dank Klaus Mann, der nun wirklich irrender Idealist war) ... oder in einer Gesellschaft, in der zur Zeit gerne davon gefaselt wird, dass die 1968 an allem Schuld ist; 1968, das ja wohl mit Fritz Bauer und Willy Brandt anfängt (und nicht mit der RAF); 1968, das ja wohl nicht auf den Haaren von Rainer Langhans und Brüsten von Uschi Obermeier basiert, sondern auf den Ideen von Rudi Dutschke ... aber ich komme vom Thema ab und mache daher lieber Schluss für heute.

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Dienstag, 10. März 2009
Wie besiegt man die Religion?
Eine Kollegin schickte mir einen Link (inzwischen schon nicht mehr auf der Startseite bei „Aktuelles“: http://www.bmi.bund.de/cln_104/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2009/03/islamischer_Religionsunterricht.html?nn=303936): Es ging darum, wie Schäuble staatlichen Islamunterricht befürwortet. Ich blieb aber erst mal bei den Bildern der Startseite hängen: diesem grässlichen schwarzen Bundespolizeihubschrauber und darunter Schäubles verkniffenes Gesicht. Ja, klar, dachte ich mir – so denken die sicher:
Religion – das ist was für Weicheier, ebenso wie die grünen Uniformen für die Polizei. Schwarz müssen sie sein! Schwarz wie Batman oder unsere amerikanischen Kollegen. Und schwarz muss auch die Religionspädagogik sein. Denn Religiosität darfs nicht geben in der Religion. Das hat lange genug gedauert in Deutschland, bis wirs endlich geschafft haben: über hundert Jahre staatlicher Religionsunterricht, verbeamtete Religionslehrer, verbeamtete Pfarrer und Militärgeistliche. Aber jetzt ist es so weit: Kein Schwein geht mehr in die Kirche. Und das wäre doch gelacht, wenn wir das mit den Moslems nicht auch hinkriegen: Sie sollen ihn kriegen, ihren staatlichen Religionsunterricht, bis sie das Wort „Mohammed“ nicht mehr hören können!

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Dienstag, 25. November 2008
Aus dem Nähkästchen geplaudert ...
In der Politik sind immer die Details interessant. Ich hatte dienstlich einen Text zu lesen über die Ökonomisierung des sozialen Bereichs. War inhaltlich aber mau: Als Fazit kam nur heraus, dass jetzt im sozialen Bereich gespart wird, was zu Einbußen bei der Qualität der geleisteten Arbeit führt. Wer hätte das gedacht?!
Aber es gab ein interessantes Detail: Irgendwo am Rande wurde bemerkt, dass Sozialarbeiter ja zu allem Überdruss auch noch zusätzlichen Stress dadurch hätten, dass ihre Klienten einen „Karrieresprung“ gemacht hätten – „von Bedürftigen zu Kunden“ – wobei zu bedenken sei, dass diese aufgrund psychischer Einschränkungen ja auch nicht immer souverän reagierten.
Das kann man wohl sagen! Letzte Woche haben sich zwei erwachsene Frauen vor der Tür unserer Schule geprügelt; heute hatte ich eine Aussprache mit Herrn L., der nicht mehr zum Kurs kommen will, weil Frau M. sagt, dass er stinkt. Der reinste Kindergarten!
Aber wie dem auch sei: Das sind meine Kunden und ich bin kein Erzieher. Muss nur mit dafür sorgen, dass alles so weit möglich reibungslos läuft. Wenn mir jetzt jemand kommt und will das alte patriarchale System zurück, wo er schön von oben behütet und beschützt wird (z. B. mit ausreichend Gehalt), auf dass er auch nach unten schön behüten und beschützen kann und dabei ungeheuer wichtig sein – das macht mich aggressiv.
Ich finde die Entwicklung gut, bei der Bedürftige endlich auch als Erwachsene akzeptiert werden, so gestresst und neurotisch sie auch immer sein mögen. Ich hab auch keinen erzieherischen Impetus, meine Teilnehmer zu besseren Menschen machen zu wollen. Ich verkaufe eine Dienstleistung und fertig.
Diese Idee ist das Erfischende und Schöne an dem System, das allgemein mit dem Namen „Agenda 2010“ assoziiert wird. Es herrscht wirklich ein anderer Geist in den Einwanderer-Sprachkursen („Integrationssprachkurse“), die 2005 erfunden wurden - vergleicht man sie mit den herkömmlichen Arbeitslosen-Sprachkursen für Migranten („Maßnahmen“, wie sie entlarvenderweise heißen): Interesse, Orientierung an der Sache bei den Sprachkursen – Kontrolle, Dumpfheit bei den Maßnahmen.
Dass der Staat für die neuen, frischen Kurse lächerlich geringe Summen zahlt und dass deshalb jede Sprachschule möglichst viele der alten, tendenziell sinnlosen, aber besser bezahlten Arbeitsamts- und Arge-Maßnahmen an Land ziehen muss, das ist eine andere Sache.
Das ist wohl normal, dass bei Reformen immer gleich mit versucht wird, gewohnheitsmäßige Privilegien der jeweils Wehrlosesten abzuschaffen. Wer aber jetzt „Weg von der Agenda 2010 und zurück zu den guten, alten patriarchalen Strukturen!“ fordert, der vergisst, dass er vielleicht diese Strukturen, nie aber die Privilegien zurück bekommen wird.
Zum Papa-Kohl-Sozialstaat führt kein Weg zurück, Gott sei Dank! Was wir dadurch an Freiheit gewinnen, sollten wir festhalten; was wir dadurch an Lebensstandard verlieren, müssen wir wieder einklagen. Wenn mir bloß einer sagen könnte, wie!

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Mittwoch, 9. Juli 2008
Heute Abend halb sechs
Heute hatte ich Schlussdienst und musste zu Feierabend beim anderen Haus vorbeiradeln und nachgucken, ob alles zu ist. Normalerweise kann ich ja einfach Herrn T. anrufen, der sowieso da sitzt (fast als einziger, da die Mietung Ende Juli endet). Aber heute war ich so spät dran, dass T. natürlich schon Feierabend gemacht hatte und niemand mehr ans Telefon ging. Also peste ich schnell noch persönlich durch die überwiegend leerstehenden Räume, fand auch noch ein offenes Fenster, und der Kopierer war auch noch an.
Dennoch merkwürdige Stimmung in den Räumen, wenn man so der letzte ist. Ich beeilte mich, wieder runterzukommen zum Ausgang und zu meinem Fahrrad. Da ist im Erdgeschoss ein Kindergarten und durch die Glastür sah ich, dass noch zwei bis drei Dreijährige übermüdet um die telefonierende Erzieherin herumpurzelten. Halb sechs! Das tat mir weh!. Ich frage mich, welcher Job es rechtfertigt, die Kinder so lange wegzugeben. Ein gut bezahlter kann es wohl kaum sein.

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Freitag, 27. Juni 2008
Schon wieder Politik ...
Heute ist mein Zu-Hause-sitz-und-Korrigier-Tag und ich lese Arbeiten über den "Verbrecher aus verlorner Ehre" (Schiller) und die "Verlorene Ehre der Katharina Blum" (Böll).
Da erfährt man einiges darüber, wie junge Menschen so denken.

Zunächst: "Pflichten des Staatsbürgers" anhand Schiller:
Christian ist ein Mörder, der sich seiner Hinrichtung und somit der Gesellschaft entzieht.

Und dann: "Zusammenhang von Aussehen und politischer Meinung" anhand Böll:
Katharina Blum ist nicht dick, aber eher konservativ.


Wahrscheinlich ist Katharina Blums auch mein Dilemma, da ich aufgrund genetischer Veranlagung und stressiger Lebensumstände im gesetzten Alter immer noch dünn bin, im Herzen aber konservativ empfinde. Ich würde glatt als Künstler/ Linker/ Szenetyp durchgehen, würde ich nicht die "Neue Zürcher Zeitung" lesen und lieben.

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Mittwoch, 28. Mai 2008
Heute mal Politik:
Eben gucke ich Tagesschau - und als erste Meldung kommt, dass nun der endgültige Beweis gefunden sei für Gysis Stasi-Tätigkeit als IM. Für wie blöd müssen die den Fernsehzuschauer denn halten?!
Erstens versteht sich von selbst, dass der prominenteste Oppositionellen-Anwalt der DDR ständig beruflich mit der Stasi zu gehabt hat. Ob bzw. inwieweit er sich dabei moralisch korrekt verhalten hat, lässt sich anhand der simplen Frage "IM -ja oder nein?" ganz sicher nicht beantworten.
Zweitens sind seit Lothar de Maiziere schon reihenweise Prominente ausgerechnet dann als IM enttarnt worden, wenn sie dem politischen Gegener zu sehr in die Quere gekommen sind - bzw. wie de M. ihre Schuldigkeit getan hatten.
Drittens frage ich mich, wieso das die erste Meldung ist? Ist denn in Deutschland sonst nichts passiert - geschweige denn in der Welt?
Ich glaube eher, der deutsche Politikbetrieb dreht sich mal wieder umgeheuer um sich selber und sein Berliner Zentrum ... Köhler oder Schwan? Ich find sie eigentlich beide ganz nett. Die Linke betrügerisch? Natürlich -mindestens ebenso wie die anderen Parteien ... Sind das nicht alles ziemlich unerhebliche Fragen, wenn man sich dafür interessiert, was in Deutschland so passiert?

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