Montag, 26. Dezember 2022
Übersetzungsprobleme
Auf dem Gabentisch lag auch Michelle Obamas neues Buch. Ich habe vorhin darin geblättert und stieß auf folgende Stelle:



Wieso kann Obama unbekümmert von Rasse sprechen, ins Deutsche übersetzt werden kann das aber nicht? Ja, ich weiß, ich kenne das Argument: "Sowas wie Rasse gibts überhaupt nicht." Den Weihnachtsmann gibts aber auch nicht, und trotzdem käme niemand auf die Idee, dass sein Name nur noch auf Englisch genannt werden dürfe.

Und wenn jetzt jemand meint, das läge daran, dass die Vorstellung vom Weihnachtsmann halt eine schöne Idee sei, die Vorstellung von der Existenz von Rassen aber eine überhaupt nicht schöne - nun, dann hat er natürlich Recht, unterliegt aber der Illusion, Voldemort würde aufhören zu existieren, wenn wir nur vermeiden, seinen Namen auszusprechen.

Obama spricht ein real existierendes Problem an (nämlich dass es Menschen gibt, die von anderen anhand angeblicher Rassemerkmale ein- und abgestuft werden), und ihre Mahnung könnte auch für Deutsch Sprechende von Bedeutung sein. Wenn man das nicht mehr beim Namen nennt oder nur auf Englisch, betreibt man Augenwischerei, befördert Rassismus durch Wegsehen.

Meine Frau meinte dazu nur: "Ach, deshalb hat das Buch fünf Übersetzer, wenn die sich um solchen Blödsinn kümmern müssen. Ich hatte mich schon gewundert."

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Vielleicht ging es bei race ums Wettrennen, wer die Übersetzung am schönsten verkorkst?

fünf Übersetzer

Erinnern Sie sich an das Ding vor 3-4(?) Jahren, als die deutsche Übersetzung der Gedichte einer englischsprachigen Autorin vor der Veröffentlichung niedergebrüllt wurde? Da war die Vollprofi-Übersetzerin zwar zufällig vom zugelassenen Geschlecht, aber offenbar war ihre Hautfarbe nicht mit den Wünschen des Straßengebrülls konform. Danach gab es eine Art Kommission aus 4 oder 5 Übersetzpersonen, und es war sichergestellt, dass passende Hautfarbe, Geschlecht und wer weiß was an Bord waren. Das wird super. Da kriegt man sofort Lust, kein Buch zu kaufen.

Haben Sie beim Obamabuch Zugang zum Original? Der Satz in Ihrem Bild ist ersichtlich durch kein Lektorat gegangen: Das Selbstvertrauen von Gelegenheitsautoren ist verblüffend.

So ein Satzungetüm schmeichelt niemandem, der am Zusammenlöten des Satzes beteiligt war.

Großartig die 30000 km zwischen Subjekt und Prädikat. Gelegentliche Schreiber lieben so was, wenn sie was Besonderes fabrizieren wollen. Und das ist offensichtlich gelungen. Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

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Das mit dem verunglückten Satz ist mir gar nicht aufgefallen. Aber Recht haben Sie - ich habe keinen Zugang zum Originaltext, aber es ist mir schwer vorstellbar, dass der Satz auch auf im Englischen so vermurkst ist. Vermutlich ist es wie bei dem Gedicht, das Sie erwähnen, und der Verlag hat bei der Übersetzung gedacht: Michelle Obama, da lassen wir sicherheitshalber keinen professionellen Übersetzer ran, lieber ein paar Politikwissenschaftler.

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Ich habe nochmal über den Satz nachgedacht: Also ich finde, wir brauchen das englische Original gar nicht - es liegt doch auf der Hand, dass die ellenlange Aufzählung als rhetorisches Mittel eingesetzt ist, und ebenso liegt auf der Hand, dass sie im Original höchstwahrscheinlich nicht in der Mitte des Satzes lag, da ja die Wortfolge in englischen Sätzen doch etwas anderen Regeln folgt ...

Ich gebe auch gerne zu, dass ich Obamas erstes Buch, ihre Autobiografie, zumindest teilweise, mit viel Spaß gelesen habe - ich fand es halt spannend, etwas über Schwarze im Chikago der 70er Jahre zu erfahren (ich wusste da nichts drüber, USA ist jetzt nicht mein Hauptinteressengebiet) und ich mochte ihre lebendige, empathische, manchmal etwas impulsive Art zu erzählen, und erst als es nach 100 Seiten richtig mit Politik losging, wurde es mir allmählich langweilig und ich habs beiseite gelegt. Da neue Buch sagt mir dagegen nichts.

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Bei den Amis ist Race and ethnicity offensichtlich eine geläufige Redewendung, die darüber hinaus auch so was wie eine verwaltungstechnische Bewandtnis hat.* Die Redewendung wird (bis jetzt) unaufgeregt bis staubtrocken verwendet.

Wenn man es im Deutschen staubtrocken will, gäbe es zwei Übersetzungen, die ok sind, ohne sich dabei einen abzubrechen: 1) man übersetzt die Floskel Race and ethnicity mit Ethnische Herkunft und aus die Maus oder 2) man übersetzt wörtlicher als Rasse und Herkunft o.ä. und macht eine Fußnote, dass das unter Umständen blöd klingt, aber im Amerikanischen eine festgefügte Redewendung ist.

*vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Race_and_ethnicity_in_the_United_States

Übrigens liegen im Netz PDFs vom Originaltext rum. Das schlimme Wortverbrechen im Ausschnitt, das stundenlange Warten auf das erste Verb, haben die 5 Übersetzer verbrochen. Das Original ist gnädiger mit dem Leser und knallt das perceived gleich hinter those of us raus.
"But for those of us who are perceived as different — whether due to our race, ethnicity, body size, gender, queerness, disability, neurodivergence, or in any number of other ways, in any number of combinations — these feelings don't just come and go; they can be acute and unrelenting. Living with them takes a lot of work. Trying to understand what causes them and what to do about them can be daunting, to say the least."

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Das hab ich mir doch gedacht! Danke, dass Sie sich auf die Suche gemacht haben, sodass die Sache klar erkennbar ist.

Auch den Hinweis auf "race and ethniticy" finde ich interessant: wie hier offenbar ein trockener Behördenbegriff emotionalisiert wird - durch das Weglassen von "and" und den Einbau in eine lange Aufzählungsreihe - und wie er in der Übersetzung dann wiederum zu Ideologie-Chinesisch wird, das sich selbst ein Bein stellt. Sehr aufschlussreich.

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"Und wenn jetzt jemand meint, das läge daran, dass die Vorstellung vom Weihnachtsmann halt eine schöne Idee sei, die Vorstellung von der Existenz von Rassen aber eine überhaupt nicht schöne …"

Naja, manche könnten auch am Weihnachtsmann viel zu kritisieren finden (viel zu männlich, zu wenig genderfluid, wahrscheinlich auch hetero, viel zu wenig "inklusiv" also…).

Und was wäre jetzt nochmal so schlimm daran, wenn es "Rassen" (= Ähnlichkeitsgruppen?) tatsächlich gäbe?
Das frag ich mich schon seit längerem. In unserer vielfaltsbesoffenen Zeit müsste das doch eigentlich ein Grund zum Feiern sein. Schließlich hätte man dann eine Dimension mehr, um die Vielfalt zu preisen. Rassenvielfalt als ein Grund zum Feiern und Frohlocken, ein Geschenk der Natur, die genau diesen Plan immer weiter verfolgt: Die (menschliche, tierische und pflanzliche) Schöpfung noch vielfältiger, noch feiner differenziert, zu machen. Deshalb gab sie uns den "Ähnlichkeitstrieb" mit...

Der Mensch hat ganz offensichtlich Angst vor Kategorien, Schubladen und Abgrenzungen. Das heißt, er hat ein fundamentales Problem mit seinem eigenen Verstand. Einmal traumatisiert – z.B. durch Hitler oder die vielen anderen Negativbeispiele – kann er eine simple Sache nicht mehr positiv einfärben und denkt immer zwanghaft negativ.

In meinem Hirn ist Positivität und rassenübergreifende Liebe möglich, "obwohl" ich dazu tendiere, das Konzept der Rasse zu bejahen. Als Ähnlichkeitsgruppen springen sie uns alle ins Auge. Und ein gewisser "Ähnlichkeitstrieb" wirkt in allen von uns. Hinzu kommt, dass Ähnlichkeit das fundamentalste Ordnungsprinzip überhaupt ist. (Fast) Alles, was wir in unserer Welt aus Raum und Materie für "gleich" halten, ist in Wahrheit nur genügend ähnlich.

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Was an dem Konzept der Rasse so schlimm ist? Nun, dass es zur Herabsetzung von Menschengruppen erfunden und auch lange benutzt wurde und - noch schlimmer - auch heute noch ausschließlich in diesem Sinne genutzt wird.

Daran ist nichts bejahenswert. Gar nichts, und auch nicht in verdünnter Form.

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Seltsam. In meinem Hirn ist Positivität (und andererseits Wertungsfreiheit) hinsichtlich "Rasse" möglich. In Ihrem scheinbar nicht. So sehr nicht, dass Sie Ihren Standpunkt absolut setzen… "ausschließlich in diesem Sinne" kann nur stimmen, wenn Sie mein Hirn (und viele andere) aus der Gleichung rausnehmen.

Letztlich ist das ein Streit um Worte. Die Wirklichkeit ist, wie sie ist. Von mir aus kann ich auf das Wort Rasse verzichten. Was sagen wir stattdessen? Ethnie? (passt nicht ganz, denn hier ist auch die Kultur noch beigemischt.)

In der Medizin kann man auf solche Einordnungen nicht verzichten. Japaner, Europäer, Schwarze, Weiße, Männer, Frauen – alles Menschengruppen, die andere Krankheitsschwerpunkte haben.

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Ich finde, dass Sie unzulässig/unsauber argumentieren.

Sehen Sie sich mal die Definitionen von "Rasse" bei Wikipedia oder bei spektrum.de an. Dort dreht sich alles um den formalen Bedeutungsgehalt dieses Wortes. Ich finde diese Sachlichkeit wichtig. Einfach zu sagen, dass der Begriff "ausschließlich" abwertend gemeint ist, ist einfach nicht zutreffend.

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Ja, Sie haben Recht: Bei Wikipedia wird dasselbe, was ich gesagt habe, sachlicher formuliert (schließlich ist das hier ein privates Blog): dass der Begriff "Rasse" in Bezug auf Menschen seit fast 100 Jahren nicht mehr verwendet wird, da er wissenschaftlich überholt ist. Was Wikipedia vornehm verschweigt, nur diskret andeutet, dass manche Sprecher diese Konvention bewusst ignorieren, und das sind eben Rassisten.

Und ja, ich war nicht sachlich, sondern durchaus genervt - genervt, weil Sie mir als "Positivität" hinstellen wollen, dass Sie Liebesbeziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft für möglich halten. Also, ich bitte Sie, das ist nicht nur möglich, sondern vielfache Realität, ja Normalität, an vielen Orten dieser Welt und auch in meiner privaten Umgebung.

Ich war auch genervt, weil wir diesen Streit um Worte schon einmal hatten, damals ging es um "völkisch". Und auch das ist Realität, dass beide Begriffe ("völkisch" und "Menschenrasse") Signalwörter für rechtsextreme Gesinnung sind - und zwar sowohl für Menschen, die diese Gesinnung ablehnen, als auch für Menschen, die sich gegenseitig mithilfe dieser Wörter in ihrer Gesinnung bestätigen. Und nun unternehmen Sie allerhand Überlegungen, um zu erklären, weshalb man die Begriffe auch anders verstehen kann. Natürlich kann man das. Man wird dann nur von 99% der Menschen missverstanden.

Es gibt eine Geschichte von Peter Bichsel über einen Mann, der es unsinnig findet, einen Tisch als "Tisch" zu bezeichnen. Er will lieber "Stuhl" dazu sagen. Und solange der Mann nur mit sich selbst redet, funktioniert das auch ...

Ich weiß nicht, warum Ihnen das so wichtig ist. Ich kann nur vermuten (korrigieren Sie mich, wenns nicht stimmt), dass Sie aus irgendwelchen Gründen - Herkunft, Freunde oder was weiß ich - eine emotionale Nähe zu rechtsextremem Gedankengut verspüren, das Sie selbst gar nicht (mehr?) vertreten, in dem Sie aber begrifflich zu Hause sind. Wenn dem so sein sollte - lassen Sie los! (Wie oft hab ich in meinem Leben ideologische oder begriffliche Gewohnheiten abgelegt, meist ohne es zu merken, manchmal auch unter Schmerzen!) Man kann ein unnütz gewordenes Wort auch einfach mal in aller Stille begraben - so wie es die deutsche Sprachgemeinschaft vor 100 Jahren mit der "Menschenrasse" getan hat.

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Nein. Aus meiner Perspektive habe und hatte ich keinerlei "Nähe" zu Rechtsextremisten.
Eher sehe ich mich als "leidenschaftlichen Philosophen", der eine besondere Schwäche für Themen hat, um die andere einen großen Bogen machen. Wenn andere um den heißen Brei herum reden, versuche ich mitten hinein zu springen. (Nur insofern dann eine "Nähe")
Für einen Philosophen zählt immer nur die Wahrheit und es gehört daher auch zu den Tugenden eines Philosophen, sich abzuhärten und auch die Abgründe des Menschen in voller Klarheit zu sehen (häufig durch Selbstbeobachtung; man findet sie in sich selbst). Der Normalsterbliche dagegen ist hier häufig sehr tugendlos und versucht, sich die Wirklichkeit an vielen Ecken und Enden schönzureden. Ist es nicht wirklich albern - und feige? und würdelos? -, wie die Menschen ihre Voldemort-Themen haben und Angst vor bloßen Worten haben? Und Angst vor Wahrheiten, d.h. Angst vor der Wirklichkeit?

Nahtlos an diesen Lebensstil, den ich pflege, schließt sich dieser Aspekt an: Ich bin ein Ausdrucksfetischist. Ausdruck ist für mich wie ein Lebenselixier. Wie oft habe ich schon Wort-Kreationen gefeiert. Worte sind kostbar für den Geist. Wirklich kostbar. Daraus folgt: Wenn mir einer ein Wort wegnehmen will, dann nehme ich ihm diesen Akt wirklich übel. Das ist für Sie vielleicht nicht nachvollziehbar, aber das bereitet mir wirklich schlechte Laune. Vielleicht sollte ich ein Extra-Wort für die eigene Menschenart kreieren, die ich darstelle: "Logophile" oder so. Vielleicht werden wir ja mal als legitime Minderheit mit unseren besonderen mentalen Bedürfnissen gesellschaftlich anerkannt. Weil wir so sind, wie wir sind, stoßen wir andere öfter mal vor den Kopf.

Ein Argument, das bei mir niemals zählt, ist die Behauptung, dass bestimmte Worte "Signalwörter" sind, mit denen irgendwelche Gruppen irgendwelche finsteren Bekenntisrituale begehen. Diesen Teil der Realität blende ich aus, denn er interessiert mich nicht und er betrifft mich nicht. Mich interessiert in meiner philosophischen Arbeit immer nur der denotative Anteil eines Wortes. Dies ist der kostbare Teil, der bedeutungstragende Teil, der Teil, mit dem man arbeiten kann und der ein kleiner aber feiner Baustein sein kann in dem Streben nach Welt-Verstehen. Die Worte "Rasse" und "völkisch" können Sie mir nur ausreden, wenn Sie mir nachweisen, dass man damit an der Wirklichkeit vorbeigreift, also dass das Gemeinte in der Wirklichkeit gar nicht existiert.



Und dann gibt es noch diesen Aspekt: Ich bin äußerst empfindlich gegenüber Gruppenzwängen (weswegen ich mich auch für einen fundamentalistischen Antifaschisten halte - ). Die kleinste Dosis davon und ich schalte auf Widerstand. Daher kann ich diesem Zeitgeist mit all seiner Moralhysterie, die zwangsläufig zu Gruppenzwängen führt, nicht viel abgewinnen. Früher einmal war "Negerkuss" ein harmloses Wort mit positiven Assoziationen. Nach dreißig Jahren Moralhysterie soll es nun ein böses Wort geworden sein. Ich weigere mich, das alles einfach so mitzumachen. Diese Mechanismen sehe ich teilweise auch am Werk bezüglich des Wortes "Rasse".



Und dass Michelle Obama das Wort "race" benutzt, stört Sie nicht?

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PS
Ich habe kein Problem damit, wenn man den Mittelfinger als eine Art "Signalwort" benutzt, denn damit geht keinerlei Ausdrucksverlust einher. Der Mittelfinger hat keinerlei Bedeutung, noch nichtmal "Arschloch" oder "Hurensohn". Hier gilt einfach nur die Konvention, dass das ein schlimmer Finger ist, und dass wir uns damit gegenseitig beleidigen.
Auch kann ich mit Leichtigkeit auf den Satz "Arbeit macht frei" verzichten; ich kann ja einfach sagen: "Arbeit befreit", wenn ich diese Wahrheit ausdrücken möchte.

Aber überall, wo durch Wortverbote oder Wortschmähungen ein Ausdrucksverlust entsteht, fühle ich mich quasi in meinen (Philosophen-)Menschenrechten verletzt. Das nenne ich Geistfeindlichkeit. Daher hänge ich immernoch an dem Wort "völkisch". Wer es mir wegnehmen will, muss für einen Ersatz sorgen, der absolut gleichwertig ist. Der Ersatz muss genauso griffig und genauso leicht verständlich sein. Dann kooperiere ich gerne.

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Niemand kann Ihnen ein Wort wegnehmen oder verbieten. Selbstverständlich können Sie Wörter benutzen, wie Sie wollen. Was Sie allerdings nicht können, ist, deren Bedeutung eigenmächtig festzulegen. Wenn in dem Wort "Negerkuss" ein kleiner hässlicher Beiklang, den vor Jahrzehnten kaum jemand beachtet hat, übermächtig wird aufgrund aktuell veränderter Lebensumstände im Land der Sprecher, dann können Sie die Entwicklung bedauern - umkehren können Sie sie nicht. Denn Wörter bedeuten das, was die Mehrheit der Sprecher unter ihnen versteht.

Ich weiß, es gibt naive Menschen, die glauben, man könne Rassismus beseitigen, indem man das Wort "Rasse" nicht mehr ausspricht. Das halte ich für Blödsinn, und deshalb habe ich den Post ja ursprünglich verfasst. Ich finde es sehr gut, wenn Michelle Obama - oder das Grundgesetz - das Wort "Rasse" benutzen, um die Diskriminerung von Menschen mithilfe des Rasse-Konzepts deutlich zu kennzeichnen.

(Hier ein Beispiel, in dem ich so etwas tue und das Wort "völkisch" benutze, das ist mir nicht "verboten", ich bezeichne damit einfach die Denkrichtung, die sich seit über 100 Jahren so bezeichnet: https://damals.blogger.de/stories/1807163/)

Im Übrigen: Was Sie Moralhysterie nennen, gibt es nicht erst seit 30 Jahren, das gibt es schon immer, und es ist keinesfalls hysterisch: Menschen reagieren aus moralischen Gründen auf Diskriminierungen, indem Sie ihr Verhalten (und manchmal leider auch nur ihren Sprachgebrauch) ändern. Das ist normal. Oder kämen Sie auf die Idee, Frauen ab sofort wieder Weiber zu nennen, weil Sie die (inzwischen jahrhundertealte) "Moralhysterie" der Frau-Sager ablehnen - mit der Begründung: "Also, für mich hat das Wort Weib keinen negativen Klang, für mich ist es ganz wertfrei."?

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A) "Die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Rasse gehört leider immernoch zum Alltag."

B) "Die Rassenvielfalt auf diesem Planeten ist etwas Großartiges."

Satz A ist für Sie ok? Satz B gefällt Ihnen nicht? - Eigentlich suggerieren doch beide, dass es "Rassen" gibt.



C) "Weib", "weiblich"

Die geistigen Moden kommen und gehen. Vielleicht wird das Wort "Weib" in 100 Jahren wieder etabliert sein. Und vielleicht beginnt diese Rehabilitierung damit, dass ein paar Individuen einfach mal ganz naiv damit anfangen.
"Weiblich" und "Weiblichkeit" jedenfalls klingen in meinen Ohren nur positiv.



Und Sie sehen wirklich keine Moralkrankheit / Moralhysterie in unserer Zeit? Für mich scheint es offensichtlich: Der Kern unserer Moralität ist krank, dafür gibt es eifrige Kompensationsbestrebungen auf der Oberfläche. Daher ja auch diese Fixierung auf die Sprache. Dort ist Moral und Anstand scheinbar am billigsten zu haben.

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zu A: Menschenrassen gibt es so wenig wie den Weihnachtsmann: Das ist aber ziemlich irrelevant, solange es die Idee von Menschenrassen gibt und sich Menschen entsprechend verhalten und bestimmte Menschen aufgrund dessen diskriminieren. (Auch unsere nur gedachte Vorstellung von der Existenz des in Wirklichkeit nicht existenten Weihnachtsmanns hat ja konkrete Auswirkungen auf unsere Lebenswirklichkeit.)

Zu C: Mir scheint, Sie blenden hier einen gebräuchlichen Bedeutungsaspekt des Wortes aus.

Aber das mögen Sie anders sehen, ebenso wie ich Ihre Haltung zu Moral nicht nachvollziehen kann, ich habe auch nicht verstanden, ob es Ihrer Meinung nach nun zu viel oder zu wenig oder die falsche Moral gibt oder worin sonst die "Krankheit" bestehen soll. Aber egal, so oder so ist offensichtlich, dass wir uns nicht verstehen, sprachlich wie inhaltlich. Belassen wirs doch dabei.

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Sie geben zu früh auf. Aber das ist Ihre Enscheidung. Ich war gerade mitten in Überlegungen, anstatt "Rasse" in Zukunft nur noch "Phänotyp" zu sagen... :-)

Das mit der Moral: Sie ist zu "hektisch". Zu oberflächlich. Zu sehr im Reich der Sprache wütend anstatt im Reich des täglichen, praktischen Handelns. Zu verlogen. Zu ängstlich. Zu intolerant. Zu gewaltsam. Zu gekünstelt. Zu fies zu ihren Kritikern. Zu gleichschaltend. -- Die Gedankenfreiheit büßt unter ihr ein gewisses Quantum ein. Auch die Ehrlichkeit und die bloße Fähigkeit zur Ehrlichkeit. Mit zuviel Moral nimmt auch immer die Denktiefe in der Gesellschaft ab.

Im Grunde ein sehr altes Thema. Scheinheilige und Scheinheiligkeit hat es schon immer gegeben. Ein Symptom übermäßigen Konformitätsdrucks durch eine (über)fordernde Moral.

Zur Zeit wird von oben her versucht, das Gendern in der Geselllschaft durchzudrücken (an Schulen, an Universitäten, in den Medien des ÖRR). Und das ziemlich undemokratisch -- was im Grunde gar nicht anders sein kann; denn Moral, die Prinzipien von Gut und Böse, ist von seinem Wesen her nichts Demokratisches. Wer einmal die "Erkenntnis" hat, dass etwas gut ist, der wird zugleich immer auch ein Soldat dieses Guten. -- Die Moral achtet Demokratie vielleicht als ein gutes Prinzip für andere, aber für sich selbst hat sie keine Toleranz für irgend eine Gegenmeinung.

Dies mal als ein Beispiel für zuviel Moral. Und wieder ein Beispiel dafür, dass sich die Moral auch zusehr in die Sprache einmischt.



Was ich vielleicht die ganze Zeit sagen wollte / sagen will:

Was wäre denn so schlimm daran, wenn wir in einem Universum leben würden, in dem es Menschenrassen gibt? Müsste dies notwendig schlechter sein für die Menschen?
Die Rassenidee in unseren Köpfen wäre in einem solchen Fall gerechtfertigt -- und? Müsste uns das stören? Kann Liebe nicht auch über diese Grenzen hinwegfließen?
Wenn man einen finsteren Geist im Menschen voraussetzt, denn wird in dessen Händen natürlich auch alles automatisch schlecht.

Ok. Man kann Leuten, die heute an "Rassen" glauben wollen, leicht unterstellen, dass sie finstere Motive haben. Aber bisher denke ich immernoch, dass die "Rassenidee" nicht an jeder Stelle der Wirklichkeit unzutreffend ist. Ich kann das auch noch genauer ausführen, aber vielleicht rede ich da lieber in meinem eigenen Blog weiter, wenn Sie hier keine Lust mehr haben.

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PS
Ein weiteres Beispiel für zuviel Moral an der falschen Stelle; zuviel Antirassismus; zuviel Panik in der Moral: Ein Moderator verliert seinen Job, weil er Japan als Land der Sushis bezeichnet.

Die Überreiztheit der heutigen Moralkultur ist für mich offensichtlich. Sehen Sie das wirklich anders?

https://www.t-online.de/sport/fussball/bundesliga/id_89645124/joerg-dahlmann-nicht-okay-und-nicht-fair-kommentor-reagiert-auf-sky-aus.html

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Ich würde meinen, "Rasse" ist genauso wie "Nation" oder "Volk" ein Konstrukt des 18./19. Jahrhunderts mit sehr schädlichen Auswirkungen. Die zugrundelegenden Konzepte existieren in Reinform schlicht und einfach nicht. Was es realiter gibt, sind Individuen und (Selbst-)Zuschreibungen zu solchen Oberbegriffen, meist mit dem Ziel, Andere auszuschließen (bzw. zu "exkludieren").

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Ganz richtig: Es sind nur Konstrukte - und überdies veraltet. Das Wichtige finde ich, dass man sich der negativen Auswirkungen bewusst wird, sie reflektiert. Wenn sich zum Beispiel 2 Menschen als Freunde bezeichnen, dann ist das auch nur ein Konstrukt (das kann niemand nachmessen), und es dient (neben den positiven Aspekten) ganz sicher auch dazu, die anderen aus der Freundschaft auszuschließen. Das sollte man nie vergessen.

(Bei der Rasse allerdings vermag ich anders als bei der Freundschaft jetzt keine positiven Aspekte zu erkennen.)

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