Freitag, 12. März 2021
Historiker-Demenz
Parkspaziergang mit meiner dementen Mutter. Da sagt sie: "Und hier ist damals der Kaiser langgeritten. Meine Eltern haben gesagt: Mach einen Knicks, das ist der Kaiser! Und da hab ich einen Knicks gemacht." So kann es enden, wenn man ein Leben lang die Aussagen der anderen, die Überlieferungen der Älteren wichtiger nimmt als sich selbst.



"Und was ist das hier?", fragt sie später mit Blick auf den Wohnzimmertisch, wo die FAZ herumliegt, "Die neue Weltordnung? Na, das machst du dann!"

Ich werd mir Mühe geben.

... comment

 
Was Sie zum Ausdruck bringen wollen, ist dass Ihre Mutter sich Erinnerungen angeeignet hat, die gar nicht auf ihren realen eigenen Erlebnissen beruhen? Vielleicht sollten Sie dies nicht so hart beurteilen als Resultat der Überbewertung der Werte anderer. Bei vielen alternden Menschen vermischen sich Erinnerungen. Schon Freud schuf ja den Begriff der "Erinnerungsumwandlung" (nicht zwangsläufig als Alterserscheinung, sondern generell). Unser Erinnerungsvermögen ist nicht perfekt, was ja schon daran deutlich wird, dass wir Negatives gern ausradieren oder aber auch lebenslang so darauf fixiert bleiben, als wäre es immer gegenwärtig.

Ich finde es aber interessant, dass Ihre Mutter ein kleines Detail einer früheren Welt so erinnert, als hätte sie es selbst erlebt. Ihre Mutter reist dabei ja regelrecht aus ihrer Zeit heraus. Im Grunde der Gegensatz des Vergessens, indem zusätzliche Lebenserinnerungen erschaffen werden.

... link  

 
Es war auch gar nicht meine Absicht, das hart zu beurteilen - es hat mich eher zum Schmunzeln gebracht.
Ihre Idee, das als Zeitreise aufzufassen, finde ich übrigens wunderschön. Sie zeigt, wie beweglich so ein Menschengeist noch ist, auch wenn manches, was unsere rationale Zeit für so wichtig hält, nicht mehr richtig funktioniert.

... link  


... comment
<