Sonntag, 5. Mai 2019
Beim Lesen alter Liebesliteratur
Ich lese gerade aus der Grabbelkiste erworben eine vor einigen Jahrzehnten erschienene Anthologie mit Liebesgeschichten und -gedichten("Wiedersehen mit der Liebe", Kreuz-Verlag 1991). Schon interessant, sich mal was ein bisschen Veraltetes anzugucken . Da gibt es eine Erzählung von Hermann Kesten, „Gabriel und Giulia“. Es geht um zwei ihren jeweiligen Partnern untreue Eheleute, die sich aus einem irgendwie noch komplexerem System gegenseitigen Betrugs entwinden und aus diesem Verrat ein Begehren füreinander generieren. Aber natürlich, nach der Liebesnacht verrät der Mann auch seine neue Liebe, indem er sie wiederum verlässt.

Wie lächerlich, dieses Sich-Berauschen am Verrat, das so typisch ist für das 20. Jahrhundert! Natürlich gibt es Verrat, und der ist schmerzhaft für den Verratenen. Aber das geht vorüber. Auf der anderen Seite gibt es dann auch Treue. Die ist schmerzhaft für den Treuen, wenn er der Versuchung widersteht. Und das geht ebenso schnell vorüber. Es gibt wirklich Wichtigeres, Interessanteres, Erregenderes.

Aber seien wir nicht zu überheblich! Eine andere Lächerlichkeit dieses 20. Jahrhunderts, jedenfalls seiner 2. Hälfte, nämlich die Manie, alles und jedes in ökonomische Beziehungen umzurechnen („Die auf Widerruf gestundete Zeit“ usw.), die treiben wir im Moment ja gerade auf die Spitze. Was werden künftige Generationen den Kopf schütteln über unsere Blödheit!

... comment

 
Typisch nur für das 20. Jahrhundert?
Also ich empfinde das Thema des Verrats als ein absolut zeitloses Thema. Es gibt im Leben wohl kaum etwas Existenzielleres, als den Verlust eines geliebten Menschen. Man mag dies als Verrat, Untreue, Betrug oder einfach als etwas Unausweichliches bezeichnen, aber fast immer hat dies einen Erdrutsch der Gefühle zur Folge. Und meinem Empfinden nach sind die Morde, die von Verlassenen begangen werden, zahlreicher als früher (was natürlich auch noch andere Gründe hat).

... link  

 
Ohne Zweifel ist das ein zeitloses Thema. Aber es gibt die verunsichertes Zeiten, die auf Kampf, auf Misstrauen aus sind aus der Angst/ Unsicherheit heraus (und dazu gab es ja im 20. Jahrhundert genug Anlass), in denen der Verrat als selbsterfüllende Prophezeiung oft schon vorweggenommen wird - und dann gibt es sattere, friedlichere Zeiten, in denen man auch den Verrat gelassener nehmen kann. Ihre letzte Bemerkung scheint ja anzudeuten, dass diese satten Zeiten bei uns wieder vorbei sind, dass wieder härter, böser auf Niederlagen reagiert wird.

... link  


... comment
 
"Was werden künftige Generationen den Kopf schütteln über unsere Blödheit!"

Das sage ich auch immer (unter dem Vorbehalt, dass es noch zukünftige Generationen geben wird - vielleicht sind wir ja sogar so blöd, dass wir selbst das vermasseln)...

... link  


... comment
<