Freitag, 8. März 2019
Fundstück
Zu den Kindespflichten gehört es, ab und an die Eltern zu besuchen, mit ihnen beim Essen oder vor dem Fernseher rumzusitzen und zwischendurch den Haushalt auf Vordermann zu bringen, zumindest ansatzweise, zumindest soweit möglich. Das Schöne daran ist, dass ich beim Aufräumen jedes Mal unweigerlich auf Artefakte stoße, die schlagartig die Gefühlslage von damals wieder aufrufen, als ich hier noch wohnte:



Nicht dass mein Leben damals besser gewesen wäre, es ist nur der Zauber der Jugend und der weite Abstand zu ihr, der diese Gefühle sich so süß anfühlen lässt. Aber dennoch ist es so.

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Anfangs
hatte ich meine Cassetten auch mit römischen Ziffern durchnummeriert, aber jenseits der 30 war mir das Ge-ixe zuviel.

Die seltsam-sentimentalen Aufwallungen beim Hören der Musik von anno Tobak kenne ich auch ganz gut. Von The Wall habe ich vor allem noch "Comfortably Numb" mit dem sensationellen Schluss-Solo im Ohr.

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Ich auch. Aber auch in die Weinerlichkeit von "Good Bye Cruel World" habe ich mich oft und gern vergraben.
Bis zur Nummer 30 bin ich bei den Kassetten übrigens nie vorgedrungen, da ich mit 17 Jahren auf ein Tonbandgerät umstieg, das hatte unter DDR-Bedingungen die deutlich bessere Tonqualität, auch die Bänder waren nicht so teuer.

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Wir waren früher, egal ob hüben oder drüben, alle Kassette.

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Meine meisten Freunde auch. Aber der Vater eines Klassenkameraden hatte ein Rundfunkgeschäft und verkaufte selbst reparierte Ausschussware aus der Tschechoslowakei an ausgewählte Stammkundschaft. Ich empfand mich plötzlich als was Besseres.

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Und Spotify und das Zeug war am Sonntag-Abend die Hitparade, schön mit Aufnehmen und dieser unglaublichen Freude, wenn dann dein Lied kam oder ein Neueinsteiger. Heute ist immer alles griffbereit im Übermaß. Das warten müssen hatte schon was. Als wir noch Kassette machten, warteten wir eigentlich immer auf irgendwas. Wird hinterm Vorhang wohl nicht anders gewesen sein. Wenngleich unsere Welt als Vorstellung die auf uns wartete wohl etwas größer war, nee breiter angelegt. Aber vom Prinzip her nicht viel anders. Aug gewisse Art und Weise warte ich heute noch.

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Das Warten müssen, hatte tatsächlich etwas. Egal, ob man am Radio mitschnitt - damals quatschten die guten Moderatoren auch nicht rein (vielleicht sogar wegen der Hörer drüben?) - oder sich das Geld für eine LP zusammensparen musste.

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da könnte ihnen dieses feature gefallen.

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In der Tat.

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Den mitgelieferten Texten auf den Innencovern des Doppelalbums verdanke ich einen Großteil meiner heutigen Englischkenntnisse (den Rest dem Weißen Album und Sgt. Peppers von den Beatles).

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Ossi-Nachteil
... jetzt verstehe ich besser, weshalb ich schlechter Englisch spreche als alle meine westdeutschen Bekannten.

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Viele meiner Lieblingsbands druckten keine Liedtexte auf die Innencover. Die älteste Freundin und ich verbrachten als 14-Jährige viele Stunden damit, die Texte von Cheap Trick-Alben abzuhören und aufzuschreiben - und Wörter im Wörterbuch zu suchen. So lernten wir Englisch (und durch den AFN). Eine Reihe dieser Texte könnte ich heute noch mitsingen.

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Darauf wäre ich mit 14 nicht verfallen - vielleicht war mein Popmusikhören zu sehr gegen meine bildungsbürgerliche Herkunft ausgerichtet, als dass ich da so rational hätte rangehen können. Und auch bei "The Wall", das ja eindeutig eine Geschichte erzählt, hab ich da nicht so genau nachgefragt, eigentlich gar nicht (dass es bei "Good bye, cruel world" um Selbstmord geht, musste mir erst mein neunmalkluger Bruder erzählen). Als ich neulich las, wie der Neil-Young-Fan Navid Kermani dessen Songs offenbar auch textlich genau nimmt, war mir das peinlich, denn wie gesagt: Mir ist das nie eingefallen. Wirklich übersetzt habe ich erst, als mir gedruckte Texte vorlagen: die von Emily Dickinson.

Aber noch heute fällt es mir schwer. Noch unschlüssig, wem ich zur Europawahl meine Stimme geben soll, stieß ich schon vor Monaten auf einen Briefwechsel zwischen Sven Giegold und Yanis Varoufakis. Ich hab Wochen gebraucht, eh ich mich traute, ihn dann wirklich durchzulesen.

Aber vielleicht hat das tatsächlich weniger mit Ost-West zu tun: Auch Alexander Block, dessen Gedichte ich mit 17 - 20 über alles liebte, hab ich nie versucht, im Original zu lesen - sondern lediglich die Übersetzungen verglichen (wobei mir auffiel, dass Sarah Kirsch, die ich als eigene Lyrikerin gar nicht mag, die besten geliefert hat).

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Vom Hundertsten ins Tausendste
Hier ein kleiner Acht-Zeiler, der seit damals zu meinen Lieblingsgedichten überhaupt gehört.

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Oh, wir haben die Texte gar nicht ins Deutsche übersetzt, sondern die englischen Liedtexte abgehört und aufgeschrieben. Nur verstanden wir nicht immer alles und mussten erst austüfteln, welches Wort das nun sein könnte und wie sich das schreibt, da mussten wir dann das Wörterbuch wälzen. Ab und zu blieben auch Lücken, weil wir es nicht herausbekamen. Ich erinnere mich, dass ich zehn Jahre später mal wegen einer Stelle eine englische Freundin meiner jüngeren Schwester fragte, aber auch sie verstand es nicht genau und war sich nicht sicher. Heute findet man das alles online.

Mit russischen Songs habe ich das einige Jahre später auch nochmals versucht, aber dazu waren meine Schulkenntnisse zu gering, man braucht dafür schon halbwegs ordentliche Grundkenntnisse - mit den Vokabeln, mit denen Mascha ihrem Großvater vom Land die "Wohnung mit allen Annehmlichkeiten" zeigt, kam man dabei nicht weit (bis zur Lektion mit der legendären Traktoristin haben wir es meiner Erinnerung nach nie geschafft). Außerdem machte es allein nicht so viel Spaß.

Vielleicht lag es auch gar nicht so sehr an Ihrer bildungsbürgerlichen Herkunft - die gilt für mich auch - sondern eher daran, dass es noch viel mühsamer war, Casetten vor- und zurückzuspulen als mit dem Tonarm exakt die richtige Stelle zu treffen, wenn man sie sich zum vierten oder fünften Mal anhören musste.

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Das Gedicht von Alexander Block kannte ich noch nicht, vielen Dank!

Zu Varoufakis vielleicht ein andermal mehr.

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