Sonntag, 24. Februar 2019
„Flughunde“ (Beyer/ Lust) - graphic novel und Politschmonzette
Habe gestern/ heute das nächste Buch von meinem Lesestapel konsumiert. Vorweg das Positive: Das Buch ist wirklich gut gezeichnet, manchmal etwas textlastig, häufig aber doch so, dass in meinem Kopf, Stimmungen, Töne, Bilder (auch über das Gezeichnete hinaus) entstanden – wirklich eindrucksvoll, bewegend. Aber doch nicht geistig anregend, und das liegt eindeutig an der klischeehaften Geschichte. Der mystisch klingende Titel „Flughunde“ führt ganz in die Irre, hier ist nichts mystisch, wir haben es mit dem üblichen Nazikitsch zu tun – der treffendere Titel wäre „Goebbels Kinder oder Der Mitläufer im Führerbunker“.
Da gibt es also einen versponnenen Wissenschaftler, der so versponnen ist, dass er rein gar nichts von der Wirklichkeit um sich herum mitkriegt (über diese Ausreden hat sich schon Billy Wilder in „1,2,3“ lustig gemacht: „Ich hab bei der U-Bahn gearbeitet, ich hab gar nicht gemerkt, was oben los war.“), aber von dem irgendwie mit ihm befreundeten Goebbels vor der Front in ein SS-Menschenversuchs-Projekt gerettet wird (dieser Umstand immerhin scheint mir realistisch), bei dem er mit schweren innerlichen Skrupeln aber doch ziemlich aktiv mitmacht. Irgendwann landet er im Führerbunker und fungiert dort als Stimme des Menschlichen, vor allem für die Goebbels-Kinder, insbesondere die älteste, Helga. Helga und die Kinder müssen natürlich sterben, er aber entkommt, entkommt auch der Bestrafung nach 45, wird alt, erinnert sich, voller Reue.
Das ist nun wirklich der typischste Schuldverdrängungskitsch: Natürlich muss es das Leiden im Führerbunker sein, die Leiden der Zigtausenden in den anderen Bunkern, die machen sich nicht so gut, da haben wir ja das Tragische der Schuld nicht so schön dramatisch. So wollen wir den Mann sehen: als schuldlos in Schuld Geratenen – aber bitte auf der höchsten Führungsebene. Und gibt es etwas Schöneres als Gegenstück zu ihm als eine Frau, die sterben muss? Ja, gibt es: ein pubertierendes Mädchen, eine Frau im Werden. Weshalb wir in der Erzählung aufs Genaueste über Brustwarzen, Schamlippen und Hymen dieses Mädchens informiert werden.
„Und das wiederholt sich doch nochmal auf einer anderen Ebene“, meinte meine Frau, als ich ihr nach dem Zuklappen des Buches berichtete: „Es ist eine geschickte und talentierte Zeichnerin, die die hier die Männergeschichte des männlichen Autors kolportiert.“ War mir gar nicht aufgefallen. Aber so ist es – weshalb ich mir erlaube, diese Rezension nicht unter dem Thema „Rezensionen“, sondern unter „Genderfragen“ abzulegen.

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