Donnerstag, 7. April 2016
Über die NSU-Filme
In den letzten Tagen liefen drei Fernsehfilme, die den NSU-Krimi zum Thema hatten. Ich hatte mich im Vorfeld gefragt: Gleich drei Filme - ist das nicht ein bisschen viel? Aber das war schon ganz richtig so: Wie sonst soll man dieses monsterhafte Thema (monsterhaft aufgrund des ihm reichlich innewohnenden Bösen, aufgrund der vielen erschreckenden Unklarheiten und seines Reichtums an Abstrusitäten) - wie soll man dieses Thema in 20.15-Uhr-gerechtes Fernsehen überführen? Das ist doch nur möglich, indem man es aufsplittet.
Und so gab es eben verschiedene Arten von Kitsch - für jede Zielgruppe etwas. Zunächst den Kitsch in der Tradition des Milieufilms, bei dem die NSU-Terroristen im Grunde Opfer der Umstände sind. Entsprechend wird Beate Zschäpes Unterschichtenherkunft in den Mittelpunkt gestellt. Da kommen die Linken dann aus dem Westen und sind nur was für Gymnasiasten und brave Bürger - die Rechten kommen dagegen ganz eigenständig aus besagter Unterschicht und ihre Gewalttätigkeit kommt aus der Verzweiflung.
Als Nächstes gab es dann den Migrantenkitsch in 68er-Tradition, der alles ideologisch begründet und den NSU letztendlich als Produkt einer sowieso schon latent rechten deutschen Gesellschaft ansieht. Das ging natürlich nur, wenn man das ossihafte Opfer Michele Kiesewtter weglässt.
Na, und heute endlich den Kitsch der Aufrichtigkeit, der ganz im Gegenteil zum zweiten Teil die rechtsradikalen Tendenzen in den Behörden herunterspielte und stattdessen den Thüringer Verfassungsschutz einfach als arrogant, fahrlässig und dekadent-westdeutsch darstellte und ihm einen aufrechten Polizisten gegenüberstellte mit dem Gesicht von Florian Lukas.
Da hatten sie mich. Das ist der Kitsch, bei dem ich schwach werde, gebannt vor dem Fernseher sitze und alles glaube. War der Film nun wirklich dichter an der Wahrheit oder nur dichter an der Wahrheit, für die ich mich interessiere? Mein Bauch jedenfalls sagte "Stimmt! Ich verstehe." (da war ja sogar der mysteriöse Auto-Tod des Heilbronner Polizeiinformanten glaubhaft, sinn- und effektvoll in die Handlung eingebunden), mehr als bei der etwas spiegel-tv-mäßigen Doku von Stefan Aust, die hinterher kam.

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Ich habe keinen davon gesehen, habe vorhin aber mitten in einem Interview mit einer Thüringer Landtagsabgeordneten der Linken - zugleich Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses - im Deutschlandradio eingeschaltet. Das, was ich davon noch hörte, war interessant.

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Jetzt ist das Interview online.

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Danke für den Hinweis (ich hatte das Interview heute Mittag jedenfalls noch nicht im Netz gefunden) - ich kann Frau König nur zustimmen, insbesondere was die Vereinfachung betrifft, das Böse auf "den Verfassungsschutz" zu reduzieren. Natürlich ist da viel Wahres dran, aber so überspitzt ist das natürlich Kitsch - genau wie im ersten Teil, wo die Verfassungschützer ja grundsätzlich von den rechten V-Leuten übertölpelt werden - auch daran ist viel Wahres, in der Vereinfachung aber stimmt es eigentlich nicht. (Das bewusst falsch und verschwörungstheoretisch eingesetzte Motiv mit der Autoverbrennung am Schluss von Teil 3 fand ich dennoch gut, auch wenn es in Wirklichkeit ziemlich sicher nicht der Verfassungsschutz gewesen ist - das "Böse" aber wars, da bin ich sicher, und das ist hier nunmal auf das Etikett "Verfassungsschutz" reduziert - was dazu führte, dass der Film zwar faktisch ziemlich unzutreffend, atmosphärisch aber stimmig wurde.) Insgesamt fand ich überhaupt, dass sich die drei Teile recht gut ergänzen: indem sie ihre Vereinfachungen (die ich in meinem Post vielleicht zu sehr betont habe) gegenseitig relativieren.
Dass ich persönlich den letzten Film am meisten mochte, liegt vielleicht daran, dass ich bei einem so politischen Thema eine tatorthafte Sprödigkeit eben angemessener fand als die eher künstlerische Herangehensweise des ersten und zweiten Teils.
Ähnlich wie neulich beim Thema Fritz Bauer - auch da fand ich den künstlerisch anspruchsvollen "Der Staat gegen Fritz Bauer" doch etwas zu betulich, den spröden Fernsehspielthriller "Die Akte General" dagegen irgendwie treffender.
Oder bei Agatha Christie, wo die simplen Schwarz-Weiß-Streifen mit Magaret Rutherford immer noch funktionieren, während die opulenten 70er-Jahre-Verfilmungen ("Tod am Nil" etc.) heute doch eher nerven ...
... und jetzt muss ich enden mit meinen Abschweifungen, sonst endet mein Kommentar noch wie die Texte vom Schizophrenisten, die ich zwar sehr schätze, aber nie schaffe zuendezulesen, weil ich mich grundsätzlich in ihnen verhedderere.

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Ich fand das Interview morgens und mittags auch noch nicht online, das erschien wohl erst später.

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