Sonntag, 31. Oktober 2010
Der Kongo als Kriegsschauplatz – TV-Drama mit Jörg Schüttauf
Neulich kam ein TV-Drama mit dem Titel „Kongo“. Es sollte um den Bundeswehreinsatz 2006 dort gehen, „TV Spielfilm“ war begeistert und irgendeinen Filmpreis gab es auch. Ich war neugierig (dass die Bundeswehr im Kongo war, hatte ich gar nicht mitgekriegt – 2006 hatte ich grad andere Probleme als regelmäßig die Nachrichten zu verfolgen). Ich nahm den Film auf und kam vor ein paar Tagen endlich dazu, ihn zu gucken.
Über den Kongo war aber leider nichts zu erfahren, was über das banalste Stammtischwissen hinausgeht. Natürlich hatte man irgendwo einen Kurzdialog über den kongolesischen Rohstoffreichtum im Dienste der 1. Welt in das Drehbuch montiert, ebenso wie ein paar Hinweise auf mystisches Denken bei den Eingeborenen, die wohl Lokalkolorit und Rückständigkeit andeuten sollten. Der Kommandeur der Truppe ließ auch einen vagen Halbsatz über den Grund für den Einsatz fallen. Relevanz für die Handlung hatte das alles nicht. Für die waren bloß die Kindersoldaten und Rebellen wichtig, da ja in einem TV-Drama immer irgendjemand den Part des Bösen übernehmen muss.
Überhaupt die Handlung: durchaus fesselnd, aber nach Schema F gestrickt – ein Selbstmord, dessen Hintergründe vertuscht werden, eine Ermittlerin als Heldin (jung, hübsch, Oberleutnant), ihre Gegenspieler zwei Machos, von denen der eine den guten und der andere den bösen Bullen darstellt, am Ende scheitert die Idealistin tragisch und der böse Bulle mindert seine Schuld, indem er mit männlich-entschiedenem Einsatz das Schlimmste verhindert. Afrika, sofern es außerhalb des Militärlagers existierte, bildete den passenden Hintergrund aus Naturschönheit und armen Opfern (teilweise bemitleidenswert, teilweise gefährlich verstrickt, in jedem Fall aber: fremd, nicht vertrauenswürdig).
Ich, der etwas über den Kongo und, was die Deutschen dort so getrieben haben, erfahren wollte, war enttäuscht: Das Ganze hätte genauso gut in Afghanistan oder sonstwo spielen können, der Schauplatz inklusive einheimischer Bevölkerung war völlig austauschbar. Wenn irgendetwas echt war an der Geschichte, dann die Nöte der Soldaten, die in eine fremde, feindliche Umgebung und in einen Konflikt, den sie nicht verstehen, geworfen werden. Und tatsächlich – als ich nachgoogelte, erfuhr ich, dass sich der Plot an Motiven „am Hindukusch“ passierter Vorfälle orientiert.
Aber auch, was den Kongo betrifft, wurde ich im Internet fündig. Schon die Erlebnisse von Frau damenwahl hatten in mir ja – wie bei Herrn Stubenzweig – die Frage ausgelöst, was da eigentlich los ist. Eine mir einleuchtende Darstellung der Situation fand ich hier, und die hat mich schwer beeindruckt: Ich erfuhr, dass die heutigen Konflikte nicht nur Nachwehen eines besonders schlimmen Kolonialzeit waren, auch nicht nur Folgen des Mordes am ersten Präsidenten des unabhängigen Kongo durch belgische Söldner oder der darauf folgenden Diktatur durch Mobutu (einer echten Pinochet-Saddam-Figur von US-Gnaden), sondern dass auch im Jahr 2000 wieder ein kongolesischer Präsident durch westliche Geheimnisdienste ermordet wurde. Und dass der besagte Bundeswehreinsatz dazu diente, die Wahl des aktuellen Frankreich-Lieblings abzusichern. Die Führung dieses Militäreinsatzes wollte halt Frankreich aus Prestige-Gründen nicht schon wieder übernehmen - und Deutschland war grade scharf darauf, seine Auslandstruppen international zu etablieren.
So betrachtet war die Entscheidung des Drehbuchautors, die Geschichte im Kongo anzusiedeln, gar nicht schlecht: Wenn er weg wollte von der politisch aufgeheizten Tagesdiskussion um Afghanistan, wenn es darum ging, das Publikum daran zu gewöhnen, dass deutsche Soldaten in x-beliebige Länder der 3. Welt geschickt werden, in Konflikte, von denen sie keine Ahnung haben und auch nicht haben sollen, dann waren die Schauplatzwahl Kongo und das Ausblenden jeglicher gesellschaftlicher Hintergründe sicher eine gute Wahl: einfach professionell. Es gibt nämlich einen Grad an Professionalität, der Volksverdummung gleichkommt.

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Sie haben ja Ihre Wohnung generalüberholt! Hübsch! Und warum zum Teufel habe ich diesen Film verpasst? Wie ärgerlich... .
Was Ihre Ausführungen betrifft: ich glaube nicht, daß Kabila Père von westlichen ermordet wurde, dafür gab es genug Kandidaten im eigenen Land. Richtig ist hingegen das allgemeine Desinteresse in Europa. Ich habe vor einigem Jahr einige Soldaten getroffen, die in Kinshasa waren, und die fanden es schrecklich, weil ihnen der Sinn der Aktion völlig rätselhaft blieb. Kann man auch verstehen - kommt ja nix darüber im Fernsehen.

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Leider hatte ich wieder technische Probleme - aber jetzt funktioniert der Link, Sie können ja nachlesen: Mich hatte überzeugt, dass die Auftraggeberschaft der westlichen Geheimdienste durch "Das Parlament" gemeldet wurde. Ich glaube nicht, dass eine hoch offizielle deutsche Regierungszeitung derlei Vorwürfe kolportiert, ohne sehr deutliche Hinweise zu haben.
Was den Film betrifft, haben Sie übrigens nichts verpasst, jedenfalls in Bezug auf den Kongo: Der Kongo war, wie gesagt, in dem Film nichts als ein Sinnbild für "irgendwo im Dschungel".
Und danke für den Glückwunsch zur Renovierung - ich war auch recht stolz, es nach Jahren endlich gewagt zu haben (das Foto zeigt übrigens meine Frau und meinen Sohn hochsymbolisch am Zusammenfluss von Havel und Elbe).

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Vor etwa zwei Wochen
habe ich bei arte eine Dokumentation über die maßnehmerischen Aktivitäten der Weltbank, überhaupt des Großkapitals im allgemeinen gesehen, in der der Kongo wesentlicher Bestandteil war: Warum das Land nicht hochkommen kann – weil es zwar in die Unabhängigkeit entlassen, aber abhängiger als je zuvor ist, da man ihm Kredite aufgezwängt hat, deren Zinsen sie ärger ausbluten als zu belgischen Blutzeiten, währenddessen die erheblichen Gewinne allesamt in die Kassen der Konzerne fließen, man den Kongo auf diese Weise daran hindert, eine eigene Wirtschaft aufzubauen, man nichts mehr selbst anbaut, sondern nur noch importiert. Und so weiter und so fort. Da braucht's nichtmal (präsidiale) Leiche. Das ist so spannend, da wird mir sogar ein Themenabend zu kurz, so daß ich mir solche Beiträge auch in der dritten Wiederholung anschaue und immer noch neues entdecke.

Solcherlei Fernsehdramatisierungen vermeide ich ohnehin seit langem. Nicht, daß ich übermäßige Angst hätte, wegen dieser professionellen Volksverdummung noch dümmer zu werden. Ich empfinde die Qualität dieser oftmals auch noch preisgekrönten und damit «anspruchsvollen» Gernsehabendfilme schlicht entsetzlich. Wobei ich eines nie herausgefunden habe: Will der gebührenzahlende Zuschauer das tatsächlich so haben, oder kommt das aus den Oberstübchen der hochdenkerischen Programmverantwortlichen? Ich fürchte, es kommt massenhaft aus allen Richtungen. Gesellschaftliche Hintergründe? Und dann auch noch in Verbindung zum Kongo. Also wirklich. Wir sind hier schließlich nicht im Einschaltprogramm. Ein arbeitender Mensch hat ein Recht auf Unterhaltung.

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Sie haben Recht:
Warum zieh ich mir den Blödsinn überhaupt rein - anstatt einer ordentlichen Dokumentation auf arte? Aber ich mag eben nun mal lieber Spielfilme und eigentlich konsumiere ich auch lieber private, individuelle Geschichten.
Ich bin ja auch ein arbeitender Mensch und möchte mich beim 20.15Uhr-Film ein bisschen in den Sessel zurücklehnen. Aber dass ich beim entspannten Gucken offentlich-rechtlicher TV-Dramen den Kopf gleich ganz abschalten soll, das ist mir auch zu öde. Und dann bin ich halt genervt über den verdorbenen Abend und hacke Verrisse in mein Blog.

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