Donnerstag, 14. Oktober 2010
Schaut nicht weg! Ein persönliches Zeugnis
„Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein Thema, das die Gesellschaft erschüttert. [...] Stephanie zu Guttenberg ist der festen Überzeugung: Wir alle können etwas tun. Ihr Buch ,Schaut nicht weg!' ist ein Aufruf und ein persönliches Zeugnis.
Frau zu Guttenberg, Sie [...] engagieren sich zum Schutz der Kinder persönlich. Wie kam es dazu?
Als ich angefragt wurde und mich umfassend in das Thema eingelesen habe, war ich schon entsetzt [...] Ich bin auch gut vernetzt und somit in einer optimalen Position, [...] Spenden eintreiben zu können. [...] Und die Möglichkeit, sich in einem [...] professionellen Team dieser Herausforderung zu stellen, war für mich auch ein wichtiger Punkt.“
So weit ein Auszug aus einem Interview mit der Ministergattin aus „lebenswert. körper geist seele“, Ausgabe 2/2010, die mir heute in die Hände fiel. Schon interessant, was Journalisten heutzutage als „ein persönliches Zeugnis“ gilt. Ich meine, ich hab ja nichts dagegen, wenn eine Politikergattin sich irgendwelchen Wohltätigkeitszwecken zuwendet, die grade en vogue sind. Das muss wohl so sein, das war schon vor hundert Jahren so und ist heute auch nicht besser. Aber warum muss solch ein Akt braver, gedankenloser gesellschaftlicher Anpassung immer mit einem Adjektiv versehen werden, das gerade das Gegenteil dessen ausdrückt, was Sache ist?
In den neunziger Jahren, als eine Welle rücksichtsloser Ökonomisierung unser Land überrollte, hat man in einem solchen Fall immer gern von „Verantwortung übernehmen“ gesprochen. Heute, wo die Globalisierung unserer Verhaltensweisen weitgehend abgeschlossen ist, heißt es also: „ein persönliches Zeugnis“ oder gerne auch „authentisch“. Immer das, was gerade absolut nicht da ist. Ob sich in diesen Sprachabsurditäten geheime Sehnsüchte verstecken?

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In diesem Fall
könnten Sie sogar recht haben mit der Vermutung, dass es nicht einfach nur die übliche mediale Mogelpackung ist. Wahrscheinlich hätte die Redaktion tatsächlich gern ein persönliches Zeugnis von der Ministerin entgegengenommen, anstatt dem vorgeschalteten Ministerial-Apparat für die gnädige Zuteilung dieser vorfabrizierten Texthülsen hinten rein kriechen zu müssen.

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Mit Ihrer Deutung holen Sie meinen allgemein kulturkritisch gemeinten Beitrag zurück auf die Ebene konkreter menschlicher Schwächen und Nöte. Tut gut.

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„Immer das, was absolut nicht da ist“ – das stimmt.

Wenn genau diejenigen, denen es einzig und allein um größtmöglichen Gewinn und gute Publicity geht, sich den Anstrich sozialen Engagements geben wollen, wird es einfach nur entsetzlich peinlich. In meiner Berufssparte setzen dann ausgerechnet diese Leute die Phrase „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ in ihre Flyer und Websites. Letztendlich doch gar nicht so falsch, wenn man weiß, dass es sich bei dem „im Mittelpunkt stehenden Menschen“ einfach nur um die eigene Person handelt...

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Das ist eine schöne Deutung dieses verlogenen Spruchs.

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auch politikern und ihrem unbedeutenden anhang wird von pr-machern vorgegeben, was sie zu sagen haben. das "authentische zeugnis" hat doch sicher bloß ein pr-praktikant geschrieben. mein täglich brot: worthülsen basteln. ;)

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Wenn das so ist, dann wollte der Praktikant der Ministerin aber eins auswischen - denn sinngemäß hat er sie ja Folgendes sagen lassen: "Ich bin vom Apparat aufgefordert worden, meinen Namen für eine Sache herzugeben, von der ich zuvor keine Ahnung hatte. Und jetzt sitz ich halt in diesem 'professionellen Team", das die Arbeit macht, während ich dumm dabeisitze."
Apropos Arbeit: Wundern Sie sich nicht über meine späten Kommentare. Angesichts meines Zeitplans dürfte ich mein Blog derzeit nicht mal öffnen - aber Sucht ist Sucht, man tut es ja doch, und beim dritten Öffnen fängt man dann auch an zu tippen ...

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