Sonntag, 14. Februar 2010
Wieder gehört: eine alte Kassette
damals, 21:12h
Erinnert sich noch jemand an Billy Bragg, den englischen Folk-Punker mit Working-Class-Hero-Attitüde? Er begegnete mir gestern, als ich eine alte Lieblingskassette beim Autofahren hörte (das Auto ist komischerweise der einzige Ort, wo sich nicht nur ein Kassettenrekorder befindet, sondern dieser auch noch benutzt wird).
Es ist ja komisch, wenn man über Musik so unvermittelt in die eigene Vergangenheit gerät. Plötzlich war ein altes Pubertätsdilemma wieder da: Ich war ja Ende der siebziger bis Anfang der neunziger Jahre im entsprechenden Alter (ja, so lange dauert eine Pubertät, hierzulande!), und da war Punk die entscheidende Musikrichtung, die entscheidende Lebenshaltung. Aber ich konnte Punk nicht leiden. Mit siebzehn ließ ich mir die Haare wachsen, während mein Kumpel C. sie sich kurz schor. Ich liebte Cat Stevens, Blues und die Dire Straits und wusste, dass ich total veraltet und damit (als DDR-Jugendlicher) auch unnötig systemnah war: Immerhin hatte ich gegen den Kitsch von „Karussell“ zwar politisch-moralische (wegen Pannach und Renft), aber keine musikalischen Vorbehalte.
Und so hörte ich eben allein zu Hause meine Liedermacher, einsam schmachtend – und gestern verwundert über mich selbst: Bettina Wegner und Joan Baez (das ist ja unerträglich, wie konnte ich das nur mögen?!), Bob Dylan und Wolf Biermann (na, immerhin) und den oberpeinlichen Konstantin Wecker. Danach kam André Heller. Merkwürdigerweise kann ich dem im Gegensatz zu Wecker immer noch etwas abgewinnen: Das ist zwar Schwachsinn, aber unbekümmert ehrlich. Und seine kindlich verspielte Androgynität ist allemal moderner als das Macho-Gehabe des gewöhnlichen männlichen Liedermachers.
Die zweite Kassettenseite hab ich wohl ein paar Jahre später bespielt. Das finden sich Tracy Chapman – und eben Billy Bragg. Ich erinnere mich meiner Begeisterung für Tracy Chapman – und der Ablehnung, die ich wegen ihr erfuhr (allenfalls „She`s got a ticket“ war gesellschaftlich akzeptiert, da es als Ausreiser-Lied gehört wurde, was es ja auch ist). Warum hab ich Tracy Chapman so lange vergessen?
Na, und Billy Bragg, das war der Kompromiss: der Liedermacher als Punk. Zum ersten Mal vernommen hab ich seine Musik live, beim „Festival des Politischen Liedes“, ich glaub, ich war damals Soldat – ein verstörendes Erlebnis. Es war eine Gemeinschaftsveranstaltung, bei der nach zwei – drei Liedern eine Gruppe jeweils die nächste ablöste. Das meiste war exotisch-fokloristisch (was man heute Weltmusik nennt) und gefiel mir nicht sonderlich, aber um mich herum die begeistert tanzenden, häufig ausländisch aussehenden Menschen (sogar Schwarze!) machten das mehr als wett – ich genoss das internationale Flair (so wie ich später in Studentenzeiten so manche Goran-Bregovic-CD über mich ergehen ließ – um der Linken und Osteuropäer wegen, die auf ihn standen). Dann betrat Billy Bragg die Bühne, ein junger, dünner Mann im T-Shirt, allein mit seiner E-Gitarre, und machte einen Höllenlärm. Die Tänzer blieben verstört stehen und ich stand mit offenem Mund. Bragg war offenbar belustigt über die Reaktion und machte fröhlich weiter. Ich war beeindruckt.
Später begegnete mir seine Musik noch öfter. Zunehmend beeindruckte mich die noble Haltung dieses Menschen, dessen punkige Seite ich bald als Antihaltung gegen Kitsch begriff und akzeptierte. Wirklich gemocht habe ich sie nie.
Wie gestern Abend dieses Konzert „KlangRaum St.Petri“, in das ich geriet: Sphärenklänge und ein paar Gedichte, zelebrierend vorgetragen im Chorraum einer Kirche. Das Etikett „Esoterik“ drängte sich auf (mir so unangenehm wie „Punk“) – aber es war wie bei Billy Bragg. Man spürte schon nach einigen Minuten die Echtheit und vornehme Hingabe („Spiritualität“ nennt man das heute normalerweise). Hut ab vor solchen Leuten!
Aber die Musik mag ich trotzdem nicht. Ich bleib beim musikalischen Mainstream, bei Tracy Chapman und Cat Stevens. Auch wenn er heute anders heißt.
Es ist ja komisch, wenn man über Musik so unvermittelt in die eigene Vergangenheit gerät. Plötzlich war ein altes Pubertätsdilemma wieder da: Ich war ja Ende der siebziger bis Anfang der neunziger Jahre im entsprechenden Alter (ja, so lange dauert eine Pubertät, hierzulande!), und da war Punk die entscheidende Musikrichtung, die entscheidende Lebenshaltung. Aber ich konnte Punk nicht leiden. Mit siebzehn ließ ich mir die Haare wachsen, während mein Kumpel C. sie sich kurz schor. Ich liebte Cat Stevens, Blues und die Dire Straits und wusste, dass ich total veraltet und damit (als DDR-Jugendlicher) auch unnötig systemnah war: Immerhin hatte ich gegen den Kitsch von „Karussell“ zwar politisch-moralische (wegen Pannach und Renft), aber keine musikalischen Vorbehalte.
Und so hörte ich eben allein zu Hause meine Liedermacher, einsam schmachtend – und gestern verwundert über mich selbst: Bettina Wegner und Joan Baez (das ist ja unerträglich, wie konnte ich das nur mögen?!), Bob Dylan und Wolf Biermann (na, immerhin) und den oberpeinlichen Konstantin Wecker. Danach kam André Heller. Merkwürdigerweise kann ich dem im Gegensatz zu Wecker immer noch etwas abgewinnen: Das ist zwar Schwachsinn, aber unbekümmert ehrlich. Und seine kindlich verspielte Androgynität ist allemal moderner als das Macho-Gehabe des gewöhnlichen männlichen Liedermachers.
Die zweite Kassettenseite hab ich wohl ein paar Jahre später bespielt. Das finden sich Tracy Chapman – und eben Billy Bragg. Ich erinnere mich meiner Begeisterung für Tracy Chapman – und der Ablehnung, die ich wegen ihr erfuhr (allenfalls „She`s got a ticket“ war gesellschaftlich akzeptiert, da es als Ausreiser-Lied gehört wurde, was es ja auch ist). Warum hab ich Tracy Chapman so lange vergessen?
Na, und Billy Bragg, das war der Kompromiss: der Liedermacher als Punk. Zum ersten Mal vernommen hab ich seine Musik live, beim „Festival des Politischen Liedes“, ich glaub, ich war damals Soldat – ein verstörendes Erlebnis. Es war eine Gemeinschaftsveranstaltung, bei der nach zwei – drei Liedern eine Gruppe jeweils die nächste ablöste. Das meiste war exotisch-fokloristisch (was man heute Weltmusik nennt) und gefiel mir nicht sonderlich, aber um mich herum die begeistert tanzenden, häufig ausländisch aussehenden Menschen (sogar Schwarze!) machten das mehr als wett – ich genoss das internationale Flair (so wie ich später in Studentenzeiten so manche Goran-Bregovic-CD über mich ergehen ließ – um der Linken und Osteuropäer wegen, die auf ihn standen). Dann betrat Billy Bragg die Bühne, ein junger, dünner Mann im T-Shirt, allein mit seiner E-Gitarre, und machte einen Höllenlärm. Die Tänzer blieben verstört stehen und ich stand mit offenem Mund. Bragg war offenbar belustigt über die Reaktion und machte fröhlich weiter. Ich war beeindruckt.
Später begegnete mir seine Musik noch öfter. Zunehmend beeindruckte mich die noble Haltung dieses Menschen, dessen punkige Seite ich bald als Antihaltung gegen Kitsch begriff und akzeptierte. Wirklich gemocht habe ich sie nie.
Wie gestern Abend dieses Konzert „KlangRaum St.Petri“, in das ich geriet: Sphärenklänge und ein paar Gedichte, zelebrierend vorgetragen im Chorraum einer Kirche. Das Etikett „Esoterik“ drängte sich auf (mir so unangenehm wie „Punk“) – aber es war wie bei Billy Bragg. Man spürte schon nach einigen Minuten die Echtheit und vornehme Hingabe („Spiritualität“ nennt man das heute normalerweise). Hut ab vor solchen Leuten!
Aber die Musik mag ich trotzdem nicht. Ich bleib beim musikalischen Mainstream, bei Tracy Chapman und Cat Stevens. Auch wenn er heute anders heißt.
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