Sonntag, 31. Januar 2010
Besserwessi und Stasityp
Ich bin kürzlich beim Rumdaddeln im Netz auf eine Seite gestoßen, auf der man sich als Online-Rezensent für wissenschaftliche Literatur melden kann, gegen Erhalt des Rezensionsexemplars. Das erschien mir, als Reminiszenz an alte Doktorandenzeiten, reizvoll und ich hab es ausprobiert und eine Aufsatzsammlung über ostdeutsche Befindlichkeiten rezensiert. Ich hatte auch geplant, sie auch hier einzustellen, mich dann aber doch dagegen entschieden, damit ich hier in Ruhe ablästern kann (ohne Namen zu offenbaren).
Denn es war schon interessant, wer so einen Sammelband herausgibt – und damit auch die öffentliche Meinung zum Thema Ostdeutschland mitbestimmt. Offenbar wächst da zusammen, was zusammen gehört – ein Besserwessi und eine rote Socke fungieren in trauter Harmonie als Editoren.
Der Wessi ein Hans Dampf in allen Gassen: Er hat ein erstes Fach studiert, in einem zweiten promoviert und sich in einem dritten habilitiert. Mitglied in diversen Forschungsprojekten und -gremien. Publikationsliste bis zum Abwinken, die einzelnen Publikationen meist zusammen mit jeweils mehreren Mitautoren. Aber die ordentliche Professur, die fette Stelle, die gabs erst 1991 im Beitrittsgebiet – der typische Besserwessi.
Und nun der Ossi: Berufsausbildung mit Abitur in der ostdeutschen Provinz und dann ab in die Hauptstadt. Diverse ungelernte Jobs, daneben freier Autor (was immer das bedeuten mag im publikationstechnisch totalüberwachten Ostberlin). Ab 1986 (dem Jahr, ab dem auch die Stasi ihre V-Leute, OibEs genannt, verstärkt unter die Künstler schickte) auch eine eigene Galerie, ausgerechnet in Berlin-Lichtenberg (also wer das noch für Underground und Opposition hält, muss ganz doof sein). 1989 natürlich politisch äußerst aktiv und Autor für die „Junge Welt“. Danach in den Neunzigern die zweite Karriere: Politik-Studium mit Promotion und schneller Aufstieg in kulturpolitischen Gremien der neuen Bundeshauptstadt, natürlich immer auf festen Angestellten-Posten, man ist ja sicherheitsorientiert als Ostdeutscher – jedenfalls wenn man eine rote Socke ist und die entsprechenden Kontakte hat.
Ich kann sie einfach nicht leiden, diese Netzwerker und Bescheidwisser. Aber ich frag mich auch, weshalb ich immer wieder ihr Milieu aufsuche und mich dann ärgere.

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