Freitag, 18. Juli 2008
Achtung, Wiederholung: "Das Leben der Anderen"
damals, 15:34h
Aus gegebenem Anlass (Lady Woodstock hat nachgefragt) äußere ich mich nochmal zum "Leben der Anderen" (hier mein erster Text dazu: http://damals.blogger.de/stories/751508/.)
Als der Film rauskam und dank massiven Werbeeinsatzes und prominenter Besetzung gleich überall im Gespräch war, wurde Donnersmarck in einer Talk Show von dem Schauspieler Henry Hübchen massiv angegriffen. In diesem Zusammenhang schrieb ich einen Kommentar in dem Blog von Herrn Donnersmarck, aus dem ich hier zitiere:
Viele Menschen, auch aus meinem Bekanntenkreis, haben „Das Leben der anderen“ mit Rührung und Begeisterung gesehen – während mich der Film genervt hat, aggressiv gemacht hat.
Zwar ist Ihre Analyse der späten DDR meines Erachtens rein sachlich völlig richtig. Insofern kann ich mich als geborener DDR-Bürger in die Reihe der von Ihnen aufgerufenen Zeitzeugen einordnen. Dass Ihnen hier und da kleine historischen Fehler unterlaufen sind, wie das Feuilleton an diversen Stellen anmerkte, finde ich gar nicht so schlimm. Gut fand ich, wie genau in Ihrem Film die miefig-spießige Atmosphäre in der DDR der 80er Jahre getroffen und reproduziert wird. Nur: Wieso diese klischeehafte und eindimensionale Charakterzeichnung aller Figuren mit Ausnahme der Hauptfigur? „Da hätte ich mir auch nen >Tatort< ansehen können.“ meinte ein (westdeutscher) Bekannter nach dem Kinobesuch achselzuckend.
Und er hatte Recht: der aufrechte Intellektuelle in der unvermeidlichen Lederjacke, die geniale, aber verführbare Künstlerin (die als femme fatale natürlich am Ende unter die Räder kommen muss), der gefräßige und brutale Minister, ... das war schon schwer erträglich.
Natürlich ist solche Vereinfachung künstlerisch erlaubt, z. B. eben im „Tatort“: um eine im Kern richtige Gesellschaftsanalyse für den Sonntagabend tauglich zu machen, auf dass sie jedermann nach dem Abendbrot noch leichthin konsumieren kann. Oder weil es dem Regisseur gar nicht auf die Figuren ankommt, sondern auf irgendetwas anderes. Ich fragte mich, was Ihnen so wichtig war, dass Sie dafür einen Großteil des filmischen Geschehens zur „rührseligen Politschmonzette“ vereinfacht haben, wie Henry Hübchen richtig anmerkte.
Ging es Ihnen um das Ins-Bild-Setzen einer masochistischen Ohnmachtsfantasie? Um Mitgefühl für einen Spitzel, der menschliche Gefühle entwickelt (was normal und verständlich ist), sie aber nicht haben darf, der auch mal Schicksal spielen will wie seine mächtigen Chefs und dann die Folgen zu spüren bekommt – und nicht, nicht mal im Ansatz, begreift, dass das ganze Spiel mies ist, egal für wen man Partei ergreift? Er ist übrigens großartig geschildert, wie er mit seinem Wägelchen geduckt durch die Straßen läuft und Werbezeitungen verteilt und sich vermutlich ziemlich selbst bemitleidet. Genau so laufen sie noch heute rum in den neuen Bundesländern, diese miesen kleinen Würstchen, die uns regiert haben! Und glauben, sie wären die eigentlichen Opfer.
Oder wollten Sie einfach einen hollywoodtauglichen Film mit möglichst deutschem Sujet herstellen? Wofür ja die unangenehm kommerzielle und sicher sehr teure Werbekampagne für den Film spricht. (Wer hat die eigentlich bezahlt?)
Da muss man doch mit Hübchen daran erinnern, dass die Welt nicht so eindimensional ist, wie diese Stasi-Typen (und auch dieser Film) sie sehen. Wir waren Menschen und wir konnten (natürlich zu selten, natürlich nur manchmal) lachen über das Lächerliche und verachten, was verachtenswert ist. Die Machtbesessenheit dieses Systems und seiner Erfüllungsgehilfen, natürlich gab es die, aber ist sie das wirklich Erinnernswerte an der DDR?
Ich finde, bei der Übersetzung von DDR in Hollywood ist ein entscheidender Fehler unterlaufen: Die Logik, mit der in der DDR Angst erzeugt wurde, wurde exakt nachgebaut und überliefert – die Angst (und auch der Mut) derer, die diese Logik zu erdulden hatten, ist unter lauter Kitsch verschwunden.
Es mag sein, dass ich jetzt zu viel hineingesehen habe in Ihren Film, der ja nur ein Unterhaltungsfilm sein will. Aber immerhin, es ist ein Kinofilm, ein gefeierter, und der Bundestag ist auch schon da gewesen. Ach, hätten Sie doch lieber mit Fernsehen angefangen! (Irgendein Feuilleton berichtete, Sie hätten der Versuchung Fernsehregie widerstanden, um auf die Chance zum großen Kinofilm zu warten.) Hätten Sie das Ganze tatsächlich als „Tatort“ realisiert – es wäre sicher einer der besseren geworden. Und Sie hätten danach den Kopf und das Herz frei gehabt, um einen wirklichen, ein großen Kinofilm zu drehen.
Na ja, um mal zu zeigen, wie dieses Sujet "in echt" statt in Oscar-Manier geschildert werden kann, zitiere ich den zu Unrecht vergessenen Bernd Jentzsch:
Stoßgebet
Wenn einer wegwill und noch kein Greis ist, weder Dienstreisender noch Sportler, kein Kundschafter der heiligen Sache, dem stehe bei der Allmächtige der Vogelfreien, der achte auf seine geächtete Hand, die das unterschrieb, ich will hier raus, der hat sein Urteil gefällt, der darf nicht mehr sein in Lohn und Brot, ein Querulant unter Tausenden zu Abertausenden, in die Korrektionsanstalt mit dem, nach Waldheim, Bautzen, Hoheneck, nach Cottbus in die Dunkelzelle, singen lernen, verpfeifen, verraten und verkauft, der Verkauf der Landeskinder nach Hessen, Kopf um Kopf, der ist verlassen von allen guten Geistern und
stolpert vor die Kameras, die ersten Schüsse im Jenseits Schnappschüsse, Allmächtiger, mit aller Macht, dem stehe bei.
1978
Als der Film rauskam und dank massiven Werbeeinsatzes und prominenter Besetzung gleich überall im Gespräch war, wurde Donnersmarck in einer Talk Show von dem Schauspieler Henry Hübchen massiv angegriffen. In diesem Zusammenhang schrieb ich einen Kommentar in dem Blog von Herrn Donnersmarck, aus dem ich hier zitiere:
Viele Menschen, auch aus meinem Bekanntenkreis, haben „Das Leben der anderen“ mit Rührung und Begeisterung gesehen – während mich der Film genervt hat, aggressiv gemacht hat.
Zwar ist Ihre Analyse der späten DDR meines Erachtens rein sachlich völlig richtig. Insofern kann ich mich als geborener DDR-Bürger in die Reihe der von Ihnen aufgerufenen Zeitzeugen einordnen. Dass Ihnen hier und da kleine historischen Fehler unterlaufen sind, wie das Feuilleton an diversen Stellen anmerkte, finde ich gar nicht so schlimm. Gut fand ich, wie genau in Ihrem Film die miefig-spießige Atmosphäre in der DDR der 80er Jahre getroffen und reproduziert wird. Nur: Wieso diese klischeehafte und eindimensionale Charakterzeichnung aller Figuren mit Ausnahme der Hauptfigur? „Da hätte ich mir auch nen >Tatort< ansehen können.“ meinte ein (westdeutscher) Bekannter nach dem Kinobesuch achselzuckend.
Und er hatte Recht: der aufrechte Intellektuelle in der unvermeidlichen Lederjacke, die geniale, aber verführbare Künstlerin (die als femme fatale natürlich am Ende unter die Räder kommen muss), der gefräßige und brutale Minister, ... das war schon schwer erträglich.
Natürlich ist solche Vereinfachung künstlerisch erlaubt, z. B. eben im „Tatort“: um eine im Kern richtige Gesellschaftsanalyse für den Sonntagabend tauglich zu machen, auf dass sie jedermann nach dem Abendbrot noch leichthin konsumieren kann. Oder weil es dem Regisseur gar nicht auf die Figuren ankommt, sondern auf irgendetwas anderes. Ich fragte mich, was Ihnen so wichtig war, dass Sie dafür einen Großteil des filmischen Geschehens zur „rührseligen Politschmonzette“ vereinfacht haben, wie Henry Hübchen richtig anmerkte.
Ging es Ihnen um das Ins-Bild-Setzen einer masochistischen Ohnmachtsfantasie? Um Mitgefühl für einen Spitzel, der menschliche Gefühle entwickelt (was normal und verständlich ist), sie aber nicht haben darf, der auch mal Schicksal spielen will wie seine mächtigen Chefs und dann die Folgen zu spüren bekommt – und nicht, nicht mal im Ansatz, begreift, dass das ganze Spiel mies ist, egal für wen man Partei ergreift? Er ist übrigens großartig geschildert, wie er mit seinem Wägelchen geduckt durch die Straßen läuft und Werbezeitungen verteilt und sich vermutlich ziemlich selbst bemitleidet. Genau so laufen sie noch heute rum in den neuen Bundesländern, diese miesen kleinen Würstchen, die uns regiert haben! Und glauben, sie wären die eigentlichen Opfer.
Oder wollten Sie einfach einen hollywoodtauglichen Film mit möglichst deutschem Sujet herstellen? Wofür ja die unangenehm kommerzielle und sicher sehr teure Werbekampagne für den Film spricht. (Wer hat die eigentlich bezahlt?)
Da muss man doch mit Hübchen daran erinnern, dass die Welt nicht so eindimensional ist, wie diese Stasi-Typen (und auch dieser Film) sie sehen. Wir waren Menschen und wir konnten (natürlich zu selten, natürlich nur manchmal) lachen über das Lächerliche und verachten, was verachtenswert ist. Die Machtbesessenheit dieses Systems und seiner Erfüllungsgehilfen, natürlich gab es die, aber ist sie das wirklich Erinnernswerte an der DDR?
Ich finde, bei der Übersetzung von DDR in Hollywood ist ein entscheidender Fehler unterlaufen: Die Logik, mit der in der DDR Angst erzeugt wurde, wurde exakt nachgebaut und überliefert – die Angst (und auch der Mut) derer, die diese Logik zu erdulden hatten, ist unter lauter Kitsch verschwunden.
Es mag sein, dass ich jetzt zu viel hineingesehen habe in Ihren Film, der ja nur ein Unterhaltungsfilm sein will. Aber immerhin, es ist ein Kinofilm, ein gefeierter, und der Bundestag ist auch schon da gewesen. Ach, hätten Sie doch lieber mit Fernsehen angefangen! (Irgendein Feuilleton berichtete, Sie hätten der Versuchung Fernsehregie widerstanden, um auf die Chance zum großen Kinofilm zu warten.) Hätten Sie das Ganze tatsächlich als „Tatort“ realisiert – es wäre sicher einer der besseren geworden. Und Sie hätten danach den Kopf und das Herz frei gehabt, um einen wirklichen, ein großen Kinofilm zu drehen.
Na ja, um mal zu zeigen, wie dieses Sujet "in echt" statt in Oscar-Manier geschildert werden kann, zitiere ich den zu Unrecht vergessenen Bernd Jentzsch:
Stoßgebet
Wenn einer wegwill und noch kein Greis ist, weder Dienstreisender noch Sportler, kein Kundschafter der heiligen Sache, dem stehe bei der Allmächtige der Vogelfreien, der achte auf seine geächtete Hand, die das unterschrieb, ich will hier raus, der hat sein Urteil gefällt, der darf nicht mehr sein in Lohn und Brot, ein Querulant unter Tausenden zu Abertausenden, in die Korrektionsanstalt mit dem, nach Waldheim, Bautzen, Hoheneck, nach Cottbus in die Dunkelzelle, singen lernen, verpfeifen, verraten und verkauft, der Verkauf der Landeskinder nach Hessen, Kopf um Kopf, der ist verlassen von allen guten Geistern und
stolpert vor die Kameras, die ersten Schüsse im Jenseits Schnappschüsse, Allmächtiger, mit aller Macht, dem stehe bei.
1978
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lady woodstock,
Freitag, 18. Juli 2008, 16:30
Chapot
Lieber Damals, mit bleibt die Spucke weg.
Was für eine haarscharfe Analyse. Da kann ich als jemand, der das nicht miterlebt hat, bei vielen Punkten einfach nur lesen und die Informationen aufnehmen, und dabei Ihre gekonnte Schreibe bewundern.
Ob das Leben der anderen "bloß" eine rührende Politschmonzette ist, vermag ich auch nicht zu beurteilen. Rührend, na klar, das ist ein erlaubtes stilistisches Mittel um die Kinokassen zu füllen, wie Sie sehr scharfsinnig bemerken. Dass dabei ausgerechnet die Opfer den Klischees zum Opfer fallen ;-) ist schade, aber ich glaube der Idee des Filmes ist es nicht wirklich abträglich und diese Schablonisierung erleichtert auf jeden Falle den Ahnungslosen wie mir, den Wessis, auch der jüngeren Generation das Verständnis ihrer Figuren.
Bei einem Punkt möchte ich Ihnen auf jeden Fall inbrünstig zustimmen.
...Er ist übrigens großartig geschildert, wie er mit seinem Wägelchen geduckt durch die Straßen läuft und Werbezeitungen verteilt und sich vermutlich ziemlich selbst bemitleidet. Genau so laufen sie noch heute rum in den neuen Bundesländern, diese miesen kleinen Würstchen, die uns regiert haben! Und glauben, sie wären die eigentlichen Opfer...
Ja!
Genau so erlebe ich sie auch heute noch. Zum Teil agitieren sie sogar ganz unverhohlen für ihre ehemalige Sache, als wäre es eine gute Sache gewesen.
Wie einen Tatort habe ich den Film auf jeden Fall nicht empfunden - aber das liegt vielleicht daran, dass ich kein Opfer war. Für mich enthielt der Film vor allem viele neue Informationen über die Methoden der Stasi, ihre Denke, ihre Machtstrukturen. Den korrupt-korpulenten Politiker fand ich übrigens kein bisschen überzeichnet, solche Typen gab und gibt es wirklich "sogar" im Westen.
Schöne Grüße und danke, dass Sie den Beitrag noch einmal veröffentlicht haben und auch danke für Ihre Buchempfehlung in meinem Blog. Auf Bald
Was für eine haarscharfe Analyse. Da kann ich als jemand, der das nicht miterlebt hat, bei vielen Punkten einfach nur lesen und die Informationen aufnehmen, und dabei Ihre gekonnte Schreibe bewundern.
Ob das Leben der anderen "bloß" eine rührende Politschmonzette ist, vermag ich auch nicht zu beurteilen. Rührend, na klar, das ist ein erlaubtes stilistisches Mittel um die Kinokassen zu füllen, wie Sie sehr scharfsinnig bemerken. Dass dabei ausgerechnet die Opfer den Klischees zum Opfer fallen ;-) ist schade, aber ich glaube der Idee des Filmes ist es nicht wirklich abträglich und diese Schablonisierung erleichtert auf jeden Falle den Ahnungslosen wie mir, den Wessis, auch der jüngeren Generation das Verständnis ihrer Figuren.
Bei einem Punkt möchte ich Ihnen auf jeden Fall inbrünstig zustimmen.
...Er ist übrigens großartig geschildert, wie er mit seinem Wägelchen geduckt durch die Straßen läuft und Werbezeitungen verteilt und sich vermutlich ziemlich selbst bemitleidet. Genau so laufen sie noch heute rum in den neuen Bundesländern, diese miesen kleinen Würstchen, die uns regiert haben! Und glauben, sie wären die eigentlichen Opfer...
Ja!
Genau so erlebe ich sie auch heute noch. Zum Teil agitieren sie sogar ganz unverhohlen für ihre ehemalige Sache, als wäre es eine gute Sache gewesen.
Wie einen Tatort habe ich den Film auf jeden Fall nicht empfunden - aber das liegt vielleicht daran, dass ich kein Opfer war. Für mich enthielt der Film vor allem viele neue Informationen über die Methoden der Stasi, ihre Denke, ihre Machtstrukturen. Den korrupt-korpulenten Politiker fand ich übrigens kein bisschen überzeichnet, solche Typen gab und gibt es wirklich "sogar" im Westen.
Schöne Grüße und danke, dass Sie den Beitrag noch einmal veröffentlicht haben und auch danke für Ihre Buchempfehlung in meinem Blog. Auf Bald
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haruwa,
Dienstag, 23. Dezember 2008, 14:59
"Das Leben der Anderen"
Vor kurzem habe ich diesen international außerordentlich berühmt gewordenen deutschen Film nun auch erstmals gesehen. Wie Du weißt verbindet mich biografisch unmittelbar nichts mit der DDR - deshalb habe ich ihn auch mit dem Blick des historiografisch etwas bewanderten Außenstehenden gesehen. Ich muss zugeben, ich kann die Kritik etwa von Henry Hübchen nicht ganz nachvollziehen. Sie erinnert mich allzu sehr an die Kritik jener Sorte von Historikern, die einem Film immer vorzuwerfen pflegen, er enthalte keinen Fußnotenapparat mit Quellenverweisen. Film ist nun aber Kunst, nicht Wissenschaft. Film ist vor allem Fiktionalität!
Melodramatik? Sicherlich. Zum Glück. Nichts Schlimmeres als ein Plot, politisch und historisch korrekt, aber menschlich so anrührend wie ein toter Fisch in der Bratpfanne!
"Tatort"? Vielleicht. Schließlich sind einige der besten Filme, die überhaupt jemals in Deutschland gedreht wurden, "Tatorte".
Allerdings: Schon Ulrich Mühe in der Rolle des in jeder Beziehung herunter kommenden Stasi-Offiziers ist es wert, dass man sich den Film anschaut. Wie da einer vom allmächtigen autoritären - mit Verlaub - Scheißer zum geradezu körperlich geduckten Kleinstbürger degeneriert. Einem Kleinstbürger, dem man zum Schluss glauben möchte, er habe dazu gelernt. Und bei dem man trotzdem schon rein körperlich fatalerweise zu spüren meint, die Entwicklung könnte auch wieder retour gehen - sobald man ihm erneut das Oberkommando über einen Schreibtisch und eine Uniform anvertrauen würde. Sei es nun im Namen des Sozialismus oder im Namen der freien Welt oder im Namen Preußens oder in wessen Namen auch immer...
Über das recht lebensnahe Porträt des verfetteten Politbonzen, der als solcher auch keine genuine Erscheinung des real existierenden Sozialismus der DDR war bzw. ist, würde ich im Übrigen auch nicht den Stab brechen. Genau so und genau so eindimensional in ihrer ganzen Existenz waren zu allen Zeiten nur allzu viele unter den Herrschenden dieser Erde. Das kann man sogar wissenschaftlich belegen. Dieser Typ von Machtmensch mit seiner skrupellosen Intrigenwirtschaft konnte sich in einem autoritären politischen System wie dem der DDR leider nur besonders unkontrolliert austoben.
Zu den anderen Hauptrollen und dem Plot des Films wäre sicherlich auch noch Einiges zu sagen, was nicht nur negativ ist (besonders hervorzuheben wäre in meinen Augen z.B. auch Sebastian Koch in der Rolle des Schriftstellers, der vergeblich den Spagat zwischen Systemkonformität und Intellektualität versucht).
Jedenfalls möchte ich vor einer Kritik warnen, die filmische Inszenierungen historischer Räume und Personen mit Anforderungen überfrachtet, die prinzipiell gar nicht erfüllt werden können. Die Mehrdimensionalität dort einfordert, wo selbst in der Drehbuchvorlage, nämlich im richtigen Leben, keine aufzufinden ist. Mit einer so hyperkritischen Lupe übersieht man nämlich schnell die historiografischen Verdienste eines filmischen Kunstwerks, wie es hier in meinen Augen unzweifelhaft vorliegt.
So, und nun bin ich schon mal sehr gespannt darauf, ob die neueste Stauffenberg-Inszenierung mit Tom Cruise in der Hauptrolle wirklich so hundsmiserabel schlecht ist wie DER SPIEGEL diese Woche wieder einmal als erster zu wissen meint. Oder ob es noch Sinn macht, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Frohe Weihnachten!
Melodramatik? Sicherlich. Zum Glück. Nichts Schlimmeres als ein Plot, politisch und historisch korrekt, aber menschlich so anrührend wie ein toter Fisch in der Bratpfanne!
"Tatort"? Vielleicht. Schließlich sind einige der besten Filme, die überhaupt jemals in Deutschland gedreht wurden, "Tatorte".
Allerdings: Schon Ulrich Mühe in der Rolle des in jeder Beziehung herunter kommenden Stasi-Offiziers ist es wert, dass man sich den Film anschaut. Wie da einer vom allmächtigen autoritären - mit Verlaub - Scheißer zum geradezu körperlich geduckten Kleinstbürger degeneriert. Einem Kleinstbürger, dem man zum Schluss glauben möchte, er habe dazu gelernt. Und bei dem man trotzdem schon rein körperlich fatalerweise zu spüren meint, die Entwicklung könnte auch wieder retour gehen - sobald man ihm erneut das Oberkommando über einen Schreibtisch und eine Uniform anvertrauen würde. Sei es nun im Namen des Sozialismus oder im Namen der freien Welt oder im Namen Preußens oder in wessen Namen auch immer...
Über das recht lebensnahe Porträt des verfetteten Politbonzen, der als solcher auch keine genuine Erscheinung des real existierenden Sozialismus der DDR war bzw. ist, würde ich im Übrigen auch nicht den Stab brechen. Genau so und genau so eindimensional in ihrer ganzen Existenz waren zu allen Zeiten nur allzu viele unter den Herrschenden dieser Erde. Das kann man sogar wissenschaftlich belegen. Dieser Typ von Machtmensch mit seiner skrupellosen Intrigenwirtschaft konnte sich in einem autoritären politischen System wie dem der DDR leider nur besonders unkontrolliert austoben.
Zu den anderen Hauptrollen und dem Plot des Films wäre sicherlich auch noch Einiges zu sagen, was nicht nur negativ ist (besonders hervorzuheben wäre in meinen Augen z.B. auch Sebastian Koch in der Rolle des Schriftstellers, der vergeblich den Spagat zwischen Systemkonformität und Intellektualität versucht).
Jedenfalls möchte ich vor einer Kritik warnen, die filmische Inszenierungen historischer Räume und Personen mit Anforderungen überfrachtet, die prinzipiell gar nicht erfüllt werden können. Die Mehrdimensionalität dort einfordert, wo selbst in der Drehbuchvorlage, nämlich im richtigen Leben, keine aufzufinden ist. Mit einer so hyperkritischen Lupe übersieht man nämlich schnell die historiografischen Verdienste eines filmischen Kunstwerks, wie es hier in meinen Augen unzweifelhaft vorliegt.
So, und nun bin ich schon mal sehr gespannt darauf, ob die neueste Stauffenberg-Inszenierung mit Tom Cruise in der Hauptrolle wirklich so hundsmiserabel schlecht ist wie DER SPIEGEL diese Woche wieder einmal als erster zu wissen meint. Oder ob es noch Sinn macht, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Frohe Weihnachten!
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damals,
Freitag, 2. Januar 2009, 14:42
Genau das meine ich!
"Die Mehrdimensionalität dort einfordert, wo selbst in der Drehbuchvorlage, nämlich im richtigen Leben, keine aufzufinden ist": Genau das ist es, was mich ärgert -wenn man genau hinguckt, gibt es keine Eindimensionalität, im richtigen Leben schon gar nicht. In der DDR so wenig wie in irgendeinem Land, in irgendeiner Zeit. Historische Urteile mögen eindeutig ausfallen und sind ja auch berechtigt. Aber ich liebe das Leben, weil es so vielgestaltig ist. Und eindimensionale Filme kann ich nicht ausstehen.
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damals,
Samstag, 22. August 2015, 15:26
"Den korrupt-korpulenten Politiker fand ich übrigens kein bisschen überzeichnet, solche Typen gab und gibt es wirklich "sogar" im Westen." An diesen Satz von Lady Woodstock musste ich noch oft denken und ich bin inzwischen sicher: Solche Typen gibt nicht "sogar", sondern vor allem im Westen. Ich glaube, diese Dreistigkeit im Verein mit Gelassenheit, die legen eher alte Eliten an den Tag, die deren Großväter schon etwas zu sagen hatten und die sicher sind, dass auch ihre Enkel noch wichtige Leute sein werden. Oder die zumindest sicher sind, dass sie und ihre Familie von dieser Gruppe aufgenommen wurden. Deshalb fand ich diesen Stasi-Minister so falsch: Ihm fehlte der Geruch "von unten", den die Ost-Elitäre, ob nun sympathsich oder unsympahtisch, alle an sich hatten: Stasi-Minister Mielke kam von ganz unten, aus der Arbeiterschaft, er hat als Partei-Body-Guard und Polizisten-Mörder angefangen, sein Stellvertreter Wolf war des Sohn eines jüdischen Arztes und Schriftstellers, kam also auch nicht gerade aus einer alten Familie, und wurde geprägt durch eine Funktionärslaufbahn in der Sowjetunion. Egientlich wüsste ich keinen DDR-Politiker, der irgendwie zu dem dicken Minister aus dem "Leben der Anderen" passen könnte (BRD-Promis würden mir dagegen einige einfallen).
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