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Montag, 16. Januar 2023
"Ein simpler Eingriff" von Yael Inokai
damals, 09:34h
Jetzt hab ich mal einen Roman von der ganz jungen Generation gelesen. Der Name der Autorin war mir schon da und dort begegnet, und neulich im Buchladen lag da ihr Buch, ich hab reingelesen – und war gleich ganz angetan von der kühlen, eleganten, präzisen Sprache, die sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern der Geschichte ihren Lauf lässt.
Inhaltlich geht es um eine Krankenschwester, die kaserniert in einem Schwesternwohnheim lebt und im Krankenhaus bei Gehirnoperationen assistiert, die brutal, neuartig und insgesamt wenig erfolgreich sind, um es gelinde zu sagen. Langsam emanzipiert sie sich von dieser Funktionswelt – privat durch die Liebesgeschichte mit ihrer Zimmerkameradin, beruflich, indem sie zunehmend ihre Verantwortung wahrnimmt, die Götter in Weiß hinterfragt und zu einem Gegengewicht zu ihnen wird; am Ende befreit sie mit ihrer Freundin eine Patientin.
Das Geschehen wird historisch nicht konkret verortet, aber der schmerzhaft treffend beschriebene Leistungs- und Funktionswahn, das Unterdrücken der Individualität, die technokratische Arroganz weisen schon ziemlich deutlich in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, zumal ja auch die mysteriösen Hirnoperationen nicht zufällig an die Lobotomie erinnern, die diesem Geist und dieser Epoche entsprungen ist.
Überraschend, ja fast atemberaubend fand ich den Kunstgriff der Autorin, in diese eiskalte Technokratenwelt eine Ich-Erzählerin zu setzen, die mit der Feinfühligkeit eines heute im Überfluss der ersten Welt lebenden jungen Menschen die Lage peilt, feinste Machtdifferenzen erspüren kann und bis ins kleinste Gesten wie das Anheben einer Kaffeetasse richtig zu deuten weiß. Man fragt sich geradezu, weshalb sie sich nicht schon viel früher aus diesem plumpen, brutalen Apparat verabschiedet hat. Und noch mehr fragt man sich, woher sie ihre Sensibilität hat – aus ihrer zeittypisch unsensiblen Kinderstube (die ebenfalls recht treffend skizziert wird) kann es jedenfalls nicht sein.
Vor allem aber frage ich mich, warum ich hier an einem Text rumnörgle, der mich doch beeindruckt hat. Na, eben deshalb: Beeindruckt hat er mich, aber nicht auf seine Seite gezogen. Ich komm von der anderen, der romantischen Seite, ich mag die menschenfreundliche Spötterei eines Frank Schulz, die philosophische Melancholie eines Orhan Pamuk, die kratzbürstige Einsamkeit einer Judth Hermann – da bin ich zu Hause. Den disziplinierten, klug komponierten, fein, doch kühl und präzise gearbeiteten Text von Inokai kann ich bestaunen, mögen kann ich ihn nicht.
Inhaltlich geht es um eine Krankenschwester, die kaserniert in einem Schwesternwohnheim lebt und im Krankenhaus bei Gehirnoperationen assistiert, die brutal, neuartig und insgesamt wenig erfolgreich sind, um es gelinde zu sagen. Langsam emanzipiert sie sich von dieser Funktionswelt – privat durch die Liebesgeschichte mit ihrer Zimmerkameradin, beruflich, indem sie zunehmend ihre Verantwortung wahrnimmt, die Götter in Weiß hinterfragt und zu einem Gegengewicht zu ihnen wird; am Ende befreit sie mit ihrer Freundin eine Patientin.
Das Geschehen wird historisch nicht konkret verortet, aber der schmerzhaft treffend beschriebene Leistungs- und Funktionswahn, das Unterdrücken der Individualität, die technokratische Arroganz weisen schon ziemlich deutlich in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, zumal ja auch die mysteriösen Hirnoperationen nicht zufällig an die Lobotomie erinnern, die diesem Geist und dieser Epoche entsprungen ist.
Überraschend, ja fast atemberaubend fand ich den Kunstgriff der Autorin, in diese eiskalte Technokratenwelt eine Ich-Erzählerin zu setzen, die mit der Feinfühligkeit eines heute im Überfluss der ersten Welt lebenden jungen Menschen die Lage peilt, feinste Machtdifferenzen erspüren kann und bis ins kleinste Gesten wie das Anheben einer Kaffeetasse richtig zu deuten weiß. Man fragt sich geradezu, weshalb sie sich nicht schon viel früher aus diesem plumpen, brutalen Apparat verabschiedet hat. Und noch mehr fragt man sich, woher sie ihre Sensibilität hat – aus ihrer zeittypisch unsensiblen Kinderstube (die ebenfalls recht treffend skizziert wird) kann es jedenfalls nicht sein.
Vor allem aber frage ich mich, warum ich hier an einem Text rumnörgle, der mich doch beeindruckt hat. Na, eben deshalb: Beeindruckt hat er mich, aber nicht auf seine Seite gezogen. Ich komm von der anderen, der romantischen Seite, ich mag die menschenfreundliche Spötterei eines Frank Schulz, die philosophische Melancholie eines Orhan Pamuk, die kratzbürstige Einsamkeit einer Judth Hermann – da bin ich zu Hause. Den disziplinierten, klug komponierten, fein, doch kühl und präzise gearbeiteten Text von Inokai kann ich bestaunen, mögen kann ich ihn nicht.
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