Sonntag, 8. September 2019
Blick zurück: Wie sehr sich doch das Geschlechter-Verhältnis zum Positiven verändert hat!
Es ist schon komisch: Seitdem wir in einer neuen, größeren Wohnung leben, scheint plötzlich alles zu funktionieren. Was hatte ich Probleme, den Fernseher mit dem Internet zu verbinden! Mit Wlan, das ging gar nicht (obwohl der Router im selben, winzigen Wohnzimmer stand), ich musste bei Bedarf eine Strippe durch den Raum zum Router ziehen, um den Empfang von youtube und netflix (sowie unseres bevorzugten anderen streaming-Dienstes) zu ermöglichen. Jetzt im neuen Wohnzimmer geht das auf einmal.

Natürlich sieht alles noch pottenhässlich aus: das Sofa viel zu klein für den großen Raum, der Fernseher steht provisorisch in einem leeren weißen Billy-Regal und scheppert mit Billig-Ton, da er sich, wo er steht, nicht an die Anlage anschließen lässt. Aber ansonsten:

Gestern Abend musste ich nur das WLAN-Passwort eingeben und schon konnte ich mir die ersten beiden Folgen von „When they see us“ (auf die Serie war ich schon lange neugierig) in aller Seelenruhe reinziehen. Und heute zum Bügeln stellte ich fest, dass mit 1 -2 Steckerverbindungen auch der Plattenspieler problemlos über die Anlage lief. Ich kramte ein paar Scheiben raus und …

… damit komme ich zu meinem eigentlichen Thema: Ich hörte electra, zum ersten Mal seit zehn oder zwanzig Jahren. „Einmal ich, einmal du ...“, den Song mochte ich zu DDR-Zeiten sehr. Jetzt, beim Wiedeerhören, befremdete mich das Lied doch sehr: diese Mischung aus Uralt-Patriarchalismus (selbstverständlich näht die Freundin ihrem Freund die fehlenden Knöpfe ans Hemd) und männlicher Weicheierei (die hohen Kastratenstimmen) -irgendwie schrill und daneben. Ja, sicher, das mag auch dem Spießertum des Texters Kurt Demmler geschuldet sein (verwiesen sei auf die vergleichsweise freie, emanzipatorische Rolle der Frau bei „Paul und Paula“ von Plenzdorf, der allerdings auch ein widerständigerer Charakter war als Demmler), aber dennoch ….

Andererseits: Im Westen sah es nicht besser aus. Neulich sah ich mal wieder „Der amerikanische Freund“ - dabei begeisterte mich der Blick auf Hamburg, meine jetzige Heimatstadt, Ecken, die ich täglich sehe, wie sie sich verändert haben, wie sie damals aussahen, und dann auch noch in solch exquisiter Kameraarbeit. Was darin allerdings an story und insbesondere an Mann-Frau-Interaktion zu sehen war, da schweigen wir mal lieber drüber - kein Ruhmesblatt für Wim Wenders.

Allerdings muss man sagen, dass der Westen in der Lage war, vorwärts zu gehen, auch den machismo der 68er (wie er sich in Wenders` Film manifestiert) hinter sich zu lassen. Im Osten hat electra noch bis 2015 existiert, und was mir youtube zum Thema zuerst anbietet, ist eine unerträglich verschlagerte Version von „Einmal ich, einmal, du ….“. Irgendwie kann man verstehen, dass die Kinder der electra-Fans dann dumpfe Nazis wurden.

Mal als Vergleich: Wie elegant liest sich das bei meinem derzeitigen Lieblingsautor Gert Loschütz! Ein Erzählstrang in „Ein schönes Paar“, den ich besonders mag, handelt von der Ex-Freundin des Ich-Erzählers. Er hatte (wie im electra-Song) gehofft, die ständig Männerwechselnde von ihrer Manie befreien können, derjenige zu sein, welcher … – und es auf seine Weise geschafft: In seinen Armen begriff sie, dass sie lesbisch ist. Und blieb im Weiteren (nun mit weiterhin wechselnden, allerdings weiblichen Sexualpartnern) seine zuverlässige, treue Freundin. Was für eine schöne Idee!

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