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Samstag, 24. November 2018
So war das, Teil 7
damals, 20:14h
Der nächste Tag war ein ganz normaler Dienstag, ich hatte Frühdienst und kaum drei Stunden geschlafen. Aber es ging gut. Ich fand schnell in die Routine und freute mich, dass ich meinen Job beherrschte, auch mit Kopfschmerzen und Kater. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, richtig zu sein in dieser Arbeit, in die ich aus Not geraten war. Am Nachmittag löste mich Knut ab. Auch er war längst nicht mehr bei den Ereignissen vom Vortag, er erzählte wieder einmal von neuen Verhaftungen in Berlin. Er meinte, dass sich Günter Kunert dazu geäußert hätte und ob wir nicht im Friedenskreis auch etwas schreiben sollten, einen Protestbrief oder so. "Lass uns am Mittwoch reden.", sagte ich ausweichend. - "Morgen ist Mittwoch." - "Ich weiß." - "Was ist los, Mario, hast du den Wein nicht vertragen? Aus dir wird nie ein echter Revoluzzer." Knut ließ sein trompetenhaftes Lachen erschallen und boxte mir in die Brust. "Nein, alles okay. Genieß den Feierabend. Erik und ich haben schon aufgeräumt."
Das hatten sie tatsächlich, die Wohnung sah tadellos aus. Aber trotzdem konnte ich mich nicht schlafen legen. Ich fing an, meine Sachen durchzugehen. Da war ganz viel, das konnte einfach weg: Bücher, Aufzeichnungen, auch Klamotten. Ich bekam mein Abschlusszeugnis in die Hand. Die Aufzeichnungen aus dem Nietzsche-Kurs bei der Jungen Gemeinde schmiss ich weg. Was man im Kopf hat, muss man nicht in Ordnern sammeln. Am Ende hatte ich zwei große Kartons und einen Berg Wäsche beisammen. Ich räumte alles auf den Flur und dann legte ich mich doch noch schlafen.
Ich erwachte davon, dass Erik fluchte. "Was ist denn hier los?! Da kommt ja kein Mensch mehr durch." Er klopfte. "Mario! Bist du da?" Ich rappelte mich hoch und machte Licht, es war bereits dunkel. Ich fühlte mich benommen, versuchte, erstmal wieder die Orientierung zu bekommen. Als ich aus dem Zimmer kam, stand Erik in der Küche und goss Tee auf. "Mensch, Mario!", sagte er, als er mich hereinkommen sah, "Wir hatten so schön aufgeräumt. Was hast du denn vor?! Willst du ausziehen?" - "Eigentlich ja", murmelte ich verschlafen. Erik wurde blass. Aber er sagte nichts. "Trinkst du einen Tee mit?“, fragte er dann.
Es wurde ein seltsames Gespräch, vielleicht das erste wirklich persönliche, das wir geführt haben, denke ich jetzt manchmal im Nachhinein. Erik erzählte mir von seinen ersten Begegnungen mit mir, wie es ihm erst nur darum gegangen war, eine Wohnmöglichkeit außerhalb des Studentenwohnheims zu finden, und wie sich dann, als er bei mir wohnte, allmählich eine Idee eines anderen Lebens entwickelt hatte. Wie er es spannend gefunden hatte, irgendwie abseits des staatlichen Plans zu leben. „Natürlich war mir klar, was der Staat mit mir vorhat und wozu er mir diesen Studienplatz bezahlt, und natürlich passte mir das nicht, aber weißt du, so wie du, sein Leben einfach wegschmeißen, das wollte ich auch nicht.“
Er erzählte mir dann auch von seiner geheimen Verbindung mit Johanna, von der wir doch alle instinktiv wussten und die wir unausgesprochen akzeptierten. Was mich erstaunte, war, dass das nicht nur eine Affäre war, dass die beiden Pläne hatten, dass sie planten, den Abschluss zu machen, aber nicht daran dachten, wie vorgeschrieben ins Werk zu gehen. Und dass sie auch schon wussten, wie sie sich aus der Berufsverpflichtung rausmogeln konnten und was sie danach machen wollten. „Und du willst also auch weg von Merseburg?“, schloss Erik seine Beichte. Was sollte ich darauf sagen? „Das kann man nicht so sagen.“, antwortete ich ihm, „Ich weiß nicht. Ich fühl mich einfach nicht mehr wohl. Du hast gesagt, ich schmeiß mein Leben weg ...“ - „Stopp, Mario, das seh ich doch längst anders, weißt du, ich meine, zum Beispiel gestern, so eine Party, das ist jetzt nicht mehr nur deine Wohnung, das ist ... – ohne dich wär das doch ...“ - „Danke für die Blumen, aber irgendwie – das passt nicht mehr. Aber mach dir keine Sorgen, ich kündige jetzt nicht einfach und lass dich ohne Meldeadresse. Und Knut auch nicht.“
Das hatten sie tatsächlich, die Wohnung sah tadellos aus. Aber trotzdem konnte ich mich nicht schlafen legen. Ich fing an, meine Sachen durchzugehen. Da war ganz viel, das konnte einfach weg: Bücher, Aufzeichnungen, auch Klamotten. Ich bekam mein Abschlusszeugnis in die Hand. Die Aufzeichnungen aus dem Nietzsche-Kurs bei der Jungen Gemeinde schmiss ich weg. Was man im Kopf hat, muss man nicht in Ordnern sammeln. Am Ende hatte ich zwei große Kartons und einen Berg Wäsche beisammen. Ich räumte alles auf den Flur und dann legte ich mich doch noch schlafen.
Ich erwachte davon, dass Erik fluchte. "Was ist denn hier los?! Da kommt ja kein Mensch mehr durch." Er klopfte. "Mario! Bist du da?" Ich rappelte mich hoch und machte Licht, es war bereits dunkel. Ich fühlte mich benommen, versuchte, erstmal wieder die Orientierung zu bekommen. Als ich aus dem Zimmer kam, stand Erik in der Küche und goss Tee auf. "Mensch, Mario!", sagte er, als er mich hereinkommen sah, "Wir hatten so schön aufgeräumt. Was hast du denn vor?! Willst du ausziehen?" - "Eigentlich ja", murmelte ich verschlafen. Erik wurde blass. Aber er sagte nichts. "Trinkst du einen Tee mit?“, fragte er dann.
Es wurde ein seltsames Gespräch, vielleicht das erste wirklich persönliche, das wir geführt haben, denke ich jetzt manchmal im Nachhinein. Erik erzählte mir von seinen ersten Begegnungen mit mir, wie es ihm erst nur darum gegangen war, eine Wohnmöglichkeit außerhalb des Studentenwohnheims zu finden, und wie sich dann, als er bei mir wohnte, allmählich eine Idee eines anderen Lebens entwickelt hatte. Wie er es spannend gefunden hatte, irgendwie abseits des staatlichen Plans zu leben. „Natürlich war mir klar, was der Staat mit mir vorhat und wozu er mir diesen Studienplatz bezahlt, und natürlich passte mir das nicht, aber weißt du, so wie du, sein Leben einfach wegschmeißen, das wollte ich auch nicht.“
Er erzählte mir dann auch von seiner geheimen Verbindung mit Johanna, von der wir doch alle instinktiv wussten und die wir unausgesprochen akzeptierten. Was mich erstaunte, war, dass das nicht nur eine Affäre war, dass die beiden Pläne hatten, dass sie planten, den Abschluss zu machen, aber nicht daran dachten, wie vorgeschrieben ins Werk zu gehen. Und dass sie auch schon wussten, wie sie sich aus der Berufsverpflichtung rausmogeln konnten und was sie danach machen wollten. „Und du willst also auch weg von Merseburg?“, schloss Erik seine Beichte. Was sollte ich darauf sagen? „Das kann man nicht so sagen.“, antwortete ich ihm, „Ich weiß nicht. Ich fühl mich einfach nicht mehr wohl. Du hast gesagt, ich schmeiß mein Leben weg ...“ - „Stopp, Mario, das seh ich doch längst anders, weißt du, ich meine, zum Beispiel gestern, so eine Party, das ist jetzt nicht mehr nur deine Wohnung, das ist ... – ohne dich wär das doch ...“ - „Danke für die Blumen, aber irgendwie – das passt nicht mehr. Aber mach dir keine Sorgen, ich kündige jetzt nicht einfach und lass dich ohne Meldeadresse. Und Knut auch nicht.“
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