Sonntag, 27. Mai 2018
Lästerei des Tages: Was heißt das eigentlich – „professionell“?
Wie Sie sicher wissen, unterrichte ich jugendliche Flüchtlinge, mit dem Ziel, sie fit zu machen für die Ausübung eines Berufs. Entsprechend durchzieht unser Curriculum die Mahnung, berufliche Inhalte zu vermitteln, Berufsvokabular zu lehren, typische berufliche Abläufe (Anträge stellen, Telefonieren, geschäftliche Briefe schreiben, ...) – mit mäßigem Erfolg. Mir kommt es manchmal vor, als wollten wir Leuten die Fingernägel maniküren, die sich die Hände nicht gewaschen haben, weil sie dachten, sie könnten in Deutschland gutes Geld verdienen, wenn sie helfen, den Garten umzugraben – und noch nicht begriffen haben, dass man in Deutschland nur gutes Geld verdienen kann, wenn man juristisch wasserdicht nachweist, dass man den Garten gar nicht umgraben kann.
Vorgestern „Praktische Prüfung“ in einem Hotel: Der Schüler soll den Frühstückswagen für den nächsten Tag vorbereiten: Es geht darum, die vielfältigen Quarke, Müslis, Salate und Getränke in neue Gefäße umzutopfen, damit man sie am nächsten Tag nochmal als frisch anbieten kann. „Warum haben Sie diese Aufgabe für die Prüfung gewählt?“ – „Das hat der Chef vorgeschlagen.“ – „Ist das Joghurt, was Sie da nachfüllen?“ Der Prüfling schaut angestrengt auf das Etikett des Eimers, wo aber aus Werbegründen das entscheidende Wort nicht so einfach zu entdecken ist. „Was bringen Sie zuunterst in die neue Schale, das von heute oder das Nachfülllebensmittel aus dem Eimer?“ – „Das ist egal.“ (Der Chef im Hintergrund schüttelt den Kopf.) Am Ende ist der Wagen fertig, schön mit Folie abgedeckt, aber es schwimmt eine Fliege im Orangensaft, an einer Schüssel klebt Quark. Der Prüfling hat das Prinzip nicht verstanden: Der Kunde darf nicht sehen, dass es Schummel ist.
Soweit die Lästerei des Tages, positive Beispiele folgen, wenn ich bessere Laune habe.

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