Dienstag, 14. Mai 2013
Ein traditioneller Familienroman, brillant erzählt (Meine Rezension zu Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so)
Der Roman beginnt damit, dass die Person stirbt, um die sich im Folgenden fast alles dreht: der Vater einer westafrikanischen Einwandererfamilie in den USA. Dieser Vater, ein talentierter Chirurg, hat die Familie vor Jahren verlassen, ist zurückgegangen nach Ghana. Er ignoriert in dieser ersten Szene die deutlichen Vorzeichen eines Herzinfarkts und stirbt morgens im Garten seines selbstentworfenen Hauses, während seine neue, junge Frau noch schläft.
Auf der Suche nach dem Warum entfaltet die Autorin dann in Rückblenden, Reflexionen und Abschweifungen ein atmosphärisch dichtes und psychologisch äußerst stimmiges Portrait der ganzen Familie: des jungen Immigrantenpaares aus Ghana/Nigeria, das die eigenen Wurzeln abschneidet, um den amerikanischen Traum zu leben – er als fleißiger, immer beherzt und engagiert handelnder und daher erfolgreicher Arzt, sie als seine kluge Partnerin, die sich beruflich zurücknimmt, um sich um die Kinder der Vorzeigefamilie zu kümmern: Olu, der als erster Sohn ganz nach dem Vater kommt, die eher kreativ-künstlerischen Zwillinge Kehinde und Taiwo sowie das Nesthäkchen Sadie.
Als der Vater aufgrund einer Intrige mit rassistischem Unterton (das wirtschaftliche Überleben des Krankenhauses erforderte ein Bauernopfer, da fiel die Wahl schnell auf ihn, den Schwarzen) entlassen wird, bricht sein amerikanischer Traum zusammen, er verlässt die Familie, bald auch die USA und beginnt in seiner alten Heimat ein neues Leben.
Im zweiten Teil des Romans finden die inzwischen erwachsenen, in alle Winder verstreuten Kinder und die Mutter anlässlich des Begräbnisses wieder zusammen – und vor allem finden sie Erlösung im Angesicht ihrer Wurzeln, ihrer Heimat, der vom Urgroßvater erbauten Hütte der Großeltern. Das ist weder originell noch gänzlich kitschfrei, aber solide und glaubhaft zuende geführt.
Natürlich – der letzte Satz deutet es an – fand ich im zweiten Teil des Romans manches etwas künstlich, etwas zu perfekt arrangiert, und trotzdem: Auch hier gibt es immer wieder Szenen, die mich begeistern: kluge, eindringliche, immer empathische Schilderungen von Menschen und dem, was ihnen zustößt. Manchmal ist das nur interessant, da einfach zuzuhören (z. B. wenn die ostasiatischen Immigranten mit den afrikanischen konkurrieren), öfter anrührend (z. B. wenn die junge Geliebte eines Professors sich geist- und wortreich darüber selbst belügt, warum sie das tut), manchmal treibt es einem (mir jedenfalls) die Tränen in die Augen (z. B. wenn die kluge, alte Ghanaerin, die so gut wie nie zur Schule gehen durfte, ihren Sohn zum Studium in die USA abreisen sieht – voll Stolz, dass sich nun ihr Lebenstraum erfüllt, und gleichzeitig verzweifelt, weil sie weiß, sie sieht ihn nie wieder).
Insgesamt ein unbedingt empfehlenswertes Buch: etwas konventionell in der Konzeption, aber wunderbar reich in der erzählerischen Ausführung.
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So, und damit solls gut sein: Denn das, was ich hier mit meiner zarten Kritik angedeutet habe, das ist mehr eine Ahnung: Irgendwas passt mir da nicht an der Konstruktion der Handlung – aber so ganz hab ich’s noch nicht kapiert. Denn auch da, wo es mir nicht gefällt, ist das Buch außerordentlich klug – so ganz geknackt hab ich das noch nicht. Vielleicht komme ich darauf zurück.

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