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Dienstag, 6. April 2010
Die untote Ossi (Filmkritik zu "Yella")
damals, 21:40h
Es gibt ein schönes Denkmal für den deutschen Autorenfilmer, und zwar ist das die Figur, die Florian Lukas in „Good bye, Lenin“ verkörpert: ein eigenbrötlerischer Bastler und Spinner, der amerikanische Filme liebt und zu Hause originelle und abstruse Filmideen verwirklicht.
Ein solcher Film ist mir mal wieder begegnet: kein großes Kino, dazu sind die Bilder zu simpel, mitunter bringen linke Ideologismen den Dialog zum Holpern und die symbolisch eingesetzten Soundeffekte wirken auch manchmal ein bisschen künstlich. Man spürt dem Film das Selbstgebastelte an. Dafür hat er aber auch alle Vorteile des Selbstgebastelten: Er ist originell, klug, teilweise richtig raffiniert. Nirgends mainstream, keine Minute langweilig (und außerdem sind die Schauspieler wirlich professionell).
Ich spreche von „Yella“, einem Film von Christian Petzold aus dem Jahr 2007. Ich sehne mich schon lang nach dem Film. Immerhin ist er vom Regisseur von „Innere Sicherheit“ und er spielt teilweise in Wittenberge, in der ostdeutschen Provinz – zwei Gründe, die reflexartig Sehnsucht in mir auslösen.
Yella (was für ein exotischer Name in so einer banalen Gegend) lebt in Wittenberge. Es ist Frühling, man sieht leere Straßen, leere Häuser, frisches Grün und kann Yella nur zu gut verstehen, die die gescheiterte Firmengründung und den von Wessis übertölpelten Ex-Freund zurücklassen will, um im sprichwörtlich hässlichen Hannover ein neues Leben zu beginnen. Aber ebendieser Exfreund stürzt sich und sie mit dem Auto von einer Brücke in die Elbe und fortan stolpert sie (nach dem Vorbild des herrlichen amerikanischen B-Movies „Karneval der Seelen“) als Untote durch Westdeutschland, betrügt als Assistentin eines Finanzgauners so geistesabwesend wie cool irgendwelche Investoren und wird verfolgt vom Geist ihres Exfreunds. Und natürlich muss sie ihm endlich ins Totenreich folgen.
Aber anders als die Hauptfigur aus „Karneval der Seelen“, die einfach leben will und sich deshalb dem Tod verweigert, versteht man bei Yella nicht so recht, was sie in der Welt der Lebenden eigentlich noch sucht. Lebendigkeit jedenfalls kann es nicht sein, wie magisch ist sie angezogen vom Finanzmilieu, in dem emotionslos und mit falschen Gesten um Werte gepokert wird, die es gar nicht gibt. Super erkannt vom Regisseur: Es ist ein Milieu der Untoten. Toter als diese Geschäftsverhandlungen ist eigentlich nur noch eins: der Schemen des Exfreunds Ben, wenn er schattenhaft in ihrem Hotelzimmer erscheint und von einer Normalo-Ehe fabuliert: „Ich werde wieder arbeiten gehen, als Installateur. Wir nehmen uns eine Wohnung. Du kannst doch so hübsch einrichten.“
Was will Yella in dieser Zombie-Welt, in der sie sich wahrhaft traumwandlerisch behauptet? Man wird den Verdacht nicht los, dass es um Rache geht, ein eher todessüchtiger als lebensbejahender Grund. Darauf deutet hin, dass ihr die Erkenntnisse aus dem Wittenberger Konkurs-Erlebnis die Idee zu ihrem ersten Trick auf dem West-Parkett verhelfen. Ein zweiter Hinweis: Ihr letzter Geschäftsgegner hat eine Ehefrau und ein Zuhause, die dem von Yellas erstem Hannoveraner Chef zum Verwechseln ähneln. Der Hannoveraner hatte Yella persönlich aufs Gemeinste entwürdigt. Sein Dessauer Nachahmer oder Wiedergänger, obwohl persönlich eher sympathisch, wird von ihr stellvertretend in den Tod getrieben (herrlich: Burkhard Klausner als Wasserleiche). Erst damit scheint ihr Auftrag erfüllt und sie kann von Ben nach Wittenberge und in den Tod heimgeholt werden.
Das leuchtet ein, erzähllogisch wie auch politisch: Nicht Helmut Kohl, sondern Günter Krause, nicht Wolfgang Schäuble, sondern Lothar de Maizière trafen der Hass und die Verachtung der Ostdeutschen. „Yella“ analysiert eindringlich, wie diese ostdeutschen Untoten entstanden sind - egal ob sie nun zur depressiven Untergruppe gehören wie ich (phlegmatisch und jammerfreudig) oder zur umtriebig aktiven wie Kai Pflaume oder Angela Merkel (handwerklich perfekt, aber affekt- und seelenlos).
Unbeantwortet bleibt aber die Frage, warum eigentlich der westdeutsche Kapitalismus so zombiehaft agiert. Es gibt eine Szene, da entführt Yella ihren Chef und Räuberhauptmann an den Ort ihres Todes, die Wittenberger Elbbrücke. Der Zuschauer erzittert, und tatsächlich öffnet der Wessi hier endlich seine Seele. Und es zeigt sich – eine Geschäftsidee.
Diese schreckliche Leere war der schlimmste Moment in dem Film. Und ehrlich gesagt: Ich glaube ihn nicht. Sollte der westdeutsche Geschäftsmann wirklich so hohl und seelenlos sein, wie das linkes Feindbild und neoliberales Selbstverständins einträchtig behaupten?! Dann wäre er ja auch ein Untoter und es müsste eine Elbbrücke geben, von der er einst gestürzt ist. Hm. Die Seele der westdeutschen Nachkriegselite ist offenbar noch nicht enträtselt.
Ein solcher Film ist mir mal wieder begegnet: kein großes Kino, dazu sind die Bilder zu simpel, mitunter bringen linke Ideologismen den Dialog zum Holpern und die symbolisch eingesetzten Soundeffekte wirken auch manchmal ein bisschen künstlich. Man spürt dem Film das Selbstgebastelte an. Dafür hat er aber auch alle Vorteile des Selbstgebastelten: Er ist originell, klug, teilweise richtig raffiniert. Nirgends mainstream, keine Minute langweilig (und außerdem sind die Schauspieler wirlich professionell).
Ich spreche von „Yella“, einem Film von Christian Petzold aus dem Jahr 2007. Ich sehne mich schon lang nach dem Film. Immerhin ist er vom Regisseur von „Innere Sicherheit“ und er spielt teilweise in Wittenberge, in der ostdeutschen Provinz – zwei Gründe, die reflexartig Sehnsucht in mir auslösen.
Yella (was für ein exotischer Name in so einer banalen Gegend) lebt in Wittenberge. Es ist Frühling, man sieht leere Straßen, leere Häuser, frisches Grün und kann Yella nur zu gut verstehen, die die gescheiterte Firmengründung und den von Wessis übertölpelten Ex-Freund zurücklassen will, um im sprichwörtlich hässlichen Hannover ein neues Leben zu beginnen. Aber ebendieser Exfreund stürzt sich und sie mit dem Auto von einer Brücke in die Elbe und fortan stolpert sie (nach dem Vorbild des herrlichen amerikanischen B-Movies „Karneval der Seelen“) als Untote durch Westdeutschland, betrügt als Assistentin eines Finanzgauners so geistesabwesend wie cool irgendwelche Investoren und wird verfolgt vom Geist ihres Exfreunds. Und natürlich muss sie ihm endlich ins Totenreich folgen.
Aber anders als die Hauptfigur aus „Karneval der Seelen“, die einfach leben will und sich deshalb dem Tod verweigert, versteht man bei Yella nicht so recht, was sie in der Welt der Lebenden eigentlich noch sucht. Lebendigkeit jedenfalls kann es nicht sein, wie magisch ist sie angezogen vom Finanzmilieu, in dem emotionslos und mit falschen Gesten um Werte gepokert wird, die es gar nicht gibt. Super erkannt vom Regisseur: Es ist ein Milieu der Untoten. Toter als diese Geschäftsverhandlungen ist eigentlich nur noch eins: der Schemen des Exfreunds Ben, wenn er schattenhaft in ihrem Hotelzimmer erscheint und von einer Normalo-Ehe fabuliert: „Ich werde wieder arbeiten gehen, als Installateur. Wir nehmen uns eine Wohnung. Du kannst doch so hübsch einrichten.“
Was will Yella in dieser Zombie-Welt, in der sie sich wahrhaft traumwandlerisch behauptet? Man wird den Verdacht nicht los, dass es um Rache geht, ein eher todessüchtiger als lebensbejahender Grund. Darauf deutet hin, dass ihr die Erkenntnisse aus dem Wittenberger Konkurs-Erlebnis die Idee zu ihrem ersten Trick auf dem West-Parkett verhelfen. Ein zweiter Hinweis: Ihr letzter Geschäftsgegner hat eine Ehefrau und ein Zuhause, die dem von Yellas erstem Hannoveraner Chef zum Verwechseln ähneln. Der Hannoveraner hatte Yella persönlich aufs Gemeinste entwürdigt. Sein Dessauer Nachahmer oder Wiedergänger, obwohl persönlich eher sympathisch, wird von ihr stellvertretend in den Tod getrieben (herrlich: Burkhard Klausner als Wasserleiche). Erst damit scheint ihr Auftrag erfüllt und sie kann von Ben nach Wittenberge und in den Tod heimgeholt werden.
Das leuchtet ein, erzähllogisch wie auch politisch: Nicht Helmut Kohl, sondern Günter Krause, nicht Wolfgang Schäuble, sondern Lothar de Maizière trafen der Hass und die Verachtung der Ostdeutschen. „Yella“ analysiert eindringlich, wie diese ostdeutschen Untoten entstanden sind - egal ob sie nun zur depressiven Untergruppe gehören wie ich (phlegmatisch und jammerfreudig) oder zur umtriebig aktiven wie Kai Pflaume oder Angela Merkel (handwerklich perfekt, aber affekt- und seelenlos).
Unbeantwortet bleibt aber die Frage, warum eigentlich der westdeutsche Kapitalismus so zombiehaft agiert. Es gibt eine Szene, da entführt Yella ihren Chef und Räuberhauptmann an den Ort ihres Todes, die Wittenberger Elbbrücke. Der Zuschauer erzittert, und tatsächlich öffnet der Wessi hier endlich seine Seele. Und es zeigt sich – eine Geschäftsidee.
Diese schreckliche Leere war der schlimmste Moment in dem Film. Und ehrlich gesagt: Ich glaube ihn nicht. Sollte der westdeutsche Geschäftsmann wirklich so hohl und seelenlos sein, wie das linkes Feindbild und neoliberales Selbstverständins einträchtig behaupten?! Dann wäre er ja auch ein Untoter und es müsste eine Elbbrücke geben, von der er einst gestürzt ist. Hm. Die Seele der westdeutschen Nachkriegselite ist offenbar noch nicht enträtselt.
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