Sonntag, 4. November 2007
"An die Grenze" - Teil 3: Unter Grenzern
Das soll nicht heißen, dass mein Vater ein Oppositioneller gewesen wäre. Auch er spielte seine Rolle im System und versuchte, für seinen Sohn eine möglichst ehrenvolle (also auch ideologieferne) Karriere anzuschieben – wie es auch der Vater im Film tat und mit ihm vermutlich ziemlich viele Väter dieser Welt. Am Beginn einer solchen Karriere stand der richtige Studienplatz. Als der meinige „hintenrum“ organisiert wurde, erreichte meinen Vater die inoffizielle Information: „Also, freiwillig zum Reserveoffizier müsste er sich schon melden, wenn er schon nicht drei Jahre zur Armee geht.“ Ich tat wie geheißen. Als ich später aus Schule und Elternhaus entlassen wurde, nämlich direkt in die Armee, erübrigte sich diese Verpflichtung, da die Staatsmacht meine Sympathie für „Staatsfeinde“ (Originalton Oberstleutnant Knaf)) erkannte und dankend auf meine Bereitschaft mitzumachen verzichtete (vgl. Armeezeit, Teil 21).
Was das alles mit den Grenzern zu tun hat? Ganz einfach: Als ich später doch noch studieren durfte, musste ich wie jeder Student für einen Monat als Reservist zur Armee. Alle meine Kommilitonen waren Reserveoffiziere und kamen in eine andere Einheit. Ich fand mich wieder in einer Einheit, die fast nur aus ehemaligen Grenzern bestand – denn die wurden aus irgendwelchen Gründen nie Reserveoffiziere. Unter den Kameraden meiner Stube war übrigens kein einziger begeisterter Anhänger des DDR-Systems (von denen es doch in jeder Schulklasse immerhin 2 – 3 gab), alle waren brave, ordentliche, rechtschaffene Menschen.
Als abends Erinnerungen an den Postendienst ausgetauscht wurden, erzählte einer: „Eines Abends wurde urplötzlich der ganze Dienstplan umgeschmissen. Wir kriegten frei, und Stasi-Truppen zogen auf. In der Nacht gab es einen erfolgreichen Grenzdurchbruch ... da haben die sicher einen Spion rübergeschleust ...“ – „Weißt du was“, erwiderte ein anderer, „genau dasselbe ist bei uns auch mal passiert. Da hab ich nie mir was gedacht dabei ...“
Es ist schon richtig, dass Grenzsoldaten, wenn sie erstmal da standen im Postenbereich, so ziemlich in der Zwickmühle waren – in einer „No-win“-Situation, wie Kolditz sagte. Eine Wahlmöglichkeit hatten sie aber immer noch: Sie konnten die Augen offen halten und begreifen, was geschah – oder ohne nachzudenken das Ganze über sich ergehen lassen. Was im äußersten Fall auch hieß, wie befohlen einen Menschen zu erschießen.

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