Sonntag, 2. April 2023
Ich nehme es als Bestätigung meines Vorurteils
Ich lese mal wieder ein Sachbuch, und es begeistert mich: "Transithandel" von Lea Haller. Da erfährt man so viele überraschende, aufschlussreiche Dinge, und manchmal bestätigt es auch Dinge, die ich irgendwie geahnt habe - zum Beispiel, dass die neoliberale "Deregulierung" gar keine Deregulierung ist, die uns hilflos irgendwelchen naturgegebenen Marktkräften überlässt, sondern einfach eine andere Art von Regulierung, da ja schließlich jede Art von Handel und Markt nach irgendwelchen Vereinbarungen "konfiguriert" sein muss (wie es Haller nennt), sonst könnte ja gar kein Geschäft zustande kommen.

Oder eben heute Morgen im Bett, als ich das inhaltlich interessante, aber gedanklich dünne "Essay und Diskurs" im Radio ausschaltete und lieber zum Buch griff:

In meiner naiven Art habe ich die Ökonomie schon lange für so etwas Ähnliches gehalten wie den Marxismus-Leninismus in meiner ostdeutschen Jugendzeit: eine Hilfswissenschaft, bestellt die herrschenden Verhältnisse zu legitimieren - und also ein Gebiet, von dem man sich möglichst fernhält.

Haller zeigt historische Zusammenhänge auf, die meine private Abneigung stützen: "Timothy Mitchel hat gezeigt, dass das Konzept einer abgeschlossenen Sphäre, die man 'die Wirtschaft' nennt, erst in den Jahren zwischen 1930 und 1950 aufgekommen ist, insbesondere im Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Möglich war das durch die radikale Umstellung vom Energierträger Kohle - einem begrenzten Rohstoff, dessen Abbau und Transport arbeitsintensiv waren und der deshalb die Entstehung nationaler Demokratien befördert hatte - auf den Energieträger Öl. Ö ist flüssig und scheinbar unbegrenzt vorhanden, weshalb 'die Wirtschaft' auf einmal als etwas Abstraktes vorstellbar wurde, das losgelöst von der politischen Sphäre exisitert. Dieser Prozess ging Hand in Hand mit dem Aufstieg der Wirtschaftswissenschaften zur relevanten Instanz steuerungspolitischer Extertise."

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