Dienstag, 17. Mai 2022
Zweimal Kino
Mit den Lehrer-Kollegen war ich in "Eingeschlossene Gesellschaft", einem Film von Sönke Wortmann nach einem Drehbuch von Jan Weiler. Das lässt ja schon das Schlimmste befürchten, und so war es dann auch: die Klischees so verstaubt, dass sich niemand angegriffen fühlen muss, die Gags so platt, dass jeder mitlachen kann. Was sich Lehrer halt eben gern angucken: einen Film, in dem die Welt eine überschaubare, seit Jahrzehnten bekannte Struktur aufweist.

Das macht man halt mit, aus Kollegialität, sagte ich mir, hielt mich für etwas Besseres und ging privat in den Film, auf dessen Erscheinen man als Kinoliebhaber schon seit Wochen wartet: "Rabyie Kurnaz gegen gegen George W. Bush". Aber wieder Fehlanzeige. Zwar war die Hauptdarstellerin großartig, blieb aber eingesperrt in einem eher sentimentalen Film. Kaum zu glauben, dass dafür derselbe Regisseur (und dieselbe Drehbuchautorin) verantwortlich sein sollen wie für den außerordentlichen "Gundermann".

Na ja, sagte ich mir, vielleicht liegts daran, dass der dem damaligen Film zugrundeliegende reale Gerhard Gundermann eine ziemlich widersprüchliche Figur gewesen ist - da ist Potential für eine differenzierte Ausgestaltung - während der Stoff des neuen Films, der Fall Kurnaz, so eine eindeutige und himmelschreiende Ungerechtigkeit darstellt, dass ein Filmemacher schon verlockt sein kann, seiner berechtigten Empörung nachzugeben und simpel, geradeaus und undifferenziert zu erzählen. Der Ton macht eben die Musik: Wenn die Bremer Kurnazfamilie ohne weitere Ausdifferenzierung einfach eben mal so hinskizziert wird mit ein bisschen Türkenfolkore, wenn die Anwalts- und Prozessgeschichte so langatmig dargestellt wird, wie sie in der Realität vermutlich auch gewesen ist, dann wird das nichts.

Ein kleines Detail fiel mir auf: Der Regisseur hat einen Cameo-Auftritt als Mitglied des Supreme Courts, der Geoge W. Bush wegen Guantanamo zurechtweist. Aber ein Filmregisseur soll nicht richten. Das steht ihm nicht zu und das kann er vermutlich auch nicht so gut. Er soll erzählen, differenziert und genau. Denn das kann Andreas Dresen.

(... solange ihm nicht nicht die leidige Politik dazwischenfunkt. Wie z.B. auch in "Willenbrock", einem seiner wenigen nicht so guten Filme, in dem er die Teufelsfigur eines russischen Mafioso aus der literarischen Vorlage von Christoph Hein flugs in die eines väterlichen Freunds umdeutet. Und ja, ich weiß, dass Dresen auch Laienrichter am brandenburgischen Verfassungsgericht ist. Das ist Politik, soll er machen, warum nicht? Aber er möge das bitte nicht in seine Filme reintragen.)

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