Montag, 12. April 2021
Verriss des Verrisses
Das wird ja ein reines Nörgelblog hier, und wenn ich mal was richtig Schönes erlebt habe, dann kommt mir das erst dann zu Bewusstsein, wenn ich mich im Zusammenhang damit über etwas aufregen kann.

Und zwar über Denis Scheck mal wieder. Scheck ist wunderbar, wenn er sich im bildungsbürgerlichen Literatur-Diskurs so richtig wohlfühlen kann. Ich habe ihn vor einem Jahr live erlebt, im Gespräch mit Heinrich Steinfest, da ging es um Grunde um nichts: um Gedankenspielereien, um Verrücktheiten bei Sinneswahrnehmungen, die beiden klugen Männer warfen sich die Bälle zu - es war eine wahre Freude!

Aber schick Denis Scheck mal in ein Gebiet, in dem sich nicht auskennt - das wird nix. Als er den "Turm" des Emporkömmlings Tellkamp rezensieren sollte, der seine Wahrhaftigkeiten zwischen überangepasstem Kitsch, zwischen Über- und Untertreibungen versteckt, da hat sich der Bürger Scheck gar nicht erst auf die Suche begeben, da fand er, dass das "nach Schweiß" stinkt, und wandte sich naserümpfend ab.

Und jetzt lese ich hier, dass er dort behauptet hat, Deniz Ohde könne nicht denken, ihr fehle jede Intellektualität. Tja, was sagt man dazu? Na ja, so denken wie Denis Scheck, das kann sie wahrscheinlich nicht, sie kommt ja auch aus einem ganz anderem Milieu - aber hingucken, vorurteilsfrei und differenziert hingucken, das kann sie, im Gegensatz zu Scheck. Da kann er sich eine Scheibe abschneiden.

Na ja, vielleicht ist es nicht nur das. Vielleicht ist es auch eine bestimmte psychische Disposition. Wie anders wäre es erklärbar, dass ich, der ich keine Türkin bin und auch nicht aus der Unterschicht komme, dass ich "Streulicht", ihren Debütroman, so identifizierend lesen, ja verschlingen konnte, dass ich in jeder Zeile verstanden habe und mich verstanden fühlte, dass ich - so irrational das ist - beim Lesen eine Genugtuung empfand, dass mal eine von uns auf die Bestsellerlisten klettert? Und mich einfach nur freute, freute?

Oder ist es im Grunde viel einfacher und Deniz Ohde kann einfach nur richtig gut schreiben?

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Na ja, vielleicht soll man auch nicht zu sehr auf Denis Scheck rumhacken - er hats schwer genug: Las heute im Netz von seinem peinlichen "Anti-Kanon" und dem noch peinlicheren "Streiten und Reiten": Da muss er sich noch auf ein Pferd hieven und von Juli Zeh durch die Gegend zotteln lassen, um überhaupt noch gehört zu werden, während ringsum reihenweise die öffentlich-rechtlichen Literaturformate abgewickelt werden. Dass er solche jämmerlichen Verzweiflungstaten nötig hat! Es ist schon ein Trauerspiel, was in unseren Medien so abläuft!

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