Sonntag, 9. August 2020
Arnold Vaatz: Die DDR-Keule schlägt zurück
Sie haben sicher davon gelesen: Arnold Vaatz aus dem Vorstand der CDU hat sich jetzt bei „Tichys Einblick“ darüber beschwert, dass viel zu häufig die Nazikeule geschwungen wird, wenn man den lästigen Lärm skurriler Protestler nicht mehr ignorieren kann. Das mag was dran sein.

Das Schwingen der DDR-Keule in allen möglichen oder unmöglichen Situationen scheint er dagegen gut zu finden – zumindest glaubt er im Verhalten der Polizei bei der Corona-Demo in Berlin ein typisches DDR-Polizei-Verhalten erkannt zu haben. Da staunt man, wie sehr sich bei einem, der es besser wissen müsste, doch die Erinnerung verzerrt.

Das heißt, vielleicht ist es ja gar nicht die Erinnerung, die bei Vaatz verzerrt ist, sondern die aktuelle Wahrnehmung. Bei der berühmt-berüchtigten Chemnitzer Demo 2018 konnte Vaatz jedenfalls überhaupt nur einen Menschen erkennen, der den Hitlergruß gezeigt hat, und der, so verrät er uns, sei ein linker Provokateur gewesen.

Also, dazu fällt mir nichts mehr ein, als nun meinerseits mit der DDR-Keule zu kommen: Denn das kenne ich aus dem Neuen Deutschland von einst noch sehr gut: Wenn die Tatsachen nicht mehr zu leugnen waren, dann mussten es immer geheime Kräfte des politischen Gegners gewesen sein, die das organisiert und und finanziert haben, um die schöne Inszenierung zu verunglimpfen.

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Möglicherweise wurde Herrn Vaatz eine verdorbene Mentholzigarette angeboten.

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Was hat er denn genau gesagt? Dass Sie Vaatz, den verdienten Bürgerrechtler, nicht leiden können, ist rübergekommen.

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Er hat gesagt, dass es nicht gelungen sei, die Chemnitzer Demo als nazi-dominiert hinzustellen, "weil der Hitlergrußzeigende dort vergaß, seine Tätowierung zu verstecken. Sie zeigte ein bei den Linken beliebtes Symbol". Er unterstellt damit erstens, es habe dort nur ein Demonstrant den Hitlergruß gezeigt, und zweitens, dieser eine sei ein Linker gewesen, der sich als Nazi ausgegeben habe, wohl um die Demonstration als nazi-mäßig zu diffamieren.

Mich ärgerte besonders, dass er diese Behauptungen nicht klar aussprach (denn er weiß, dass sie Blödsinn sind), sondern in Form einer dunklen Anspielung auf das Wirken konspirativer Kräfte (sodass man ihm faktisch keiner falschen Behauptung bezichtigen kann). Genauso hat es früher das "Neue Deutschland" praktiziert, wenn es galt, DDR-Oppositionellen eine Steuerung durch "imperialistische Kräfte" zu unterstellen.

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Es ist sauwichtig, zu welchem Zeitpunkt und dem diesem Zeitpunkt entsprechenden Kenntnisstand und was genau zu wem in welchem längeren Kontext gesagt wurde.

Allgemein gesprochen und nicht bewertet, ob Vaatz ein schlimmer Finger ist: Mit Ihrem Ansatz kann man jedem eine reindrehen und als bad man vorführen.

Gossip: Die Person mit dem steifen Arm und dem RAF-Tattoo, um die es oben offenbar ging, war ein verdienter Angehöriger des Säuferadels, der sich dement gesoffen hat. Bei Beginn des Schnellverfahrens gegen ihn hat sein eigener Anwalt das Gericht gebeten, zu vertagen, um als erstes den Geisteszustand des Beschuldigten amtlich prüfen zu lassen.

Die andere Knallcharge mit dem Quadratschädel war ein Berufsverbrecher aus Bremen mit 24 Vorstrafen. Er erhielt für den Hitlergruß sieben Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Kurz vor oder kurz nach der Armgeste lernte er auf der Demo eine Frau kennen, sie haben wenige Tage danach geheiratet ...

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Natürlich sind Zeitpunkt und Kontext wichtig, ebenso wie meine Intention als Schreiber - ob und vor allem warum ich ihm beispielsweise "eine reindrehen" will.
Also: Ich hatte bisher nichts gegen Arnold Vaatz, er war mir nur oberflächlich bekannt als so ein konservativ Bürgerbewegter wie z.B. Gauck oder so. Warum nicht?
Umso mehr hat mich der jetzt von ihm veröffentlichte Text geärgert, denn er scheint mir in eine andere Richtung zu gehen: sich nämlich einzugliedern in eine Propagandastrategie der Neurechten.

Dabei spielen Themensetzung und Wortwahl eine größere Rolle als Fakten: Der Verdacht, die Chemnitzer Hitlergrüßer könnten Linke sein, ist Teil einer neurechten Legendenbildung, die versucht, die Chemnitzer Demo als einen politisch lagerübergreifenden Volksprotest darzustellen und von den eigentlichen Organisatoren abzulenken. Vaatz als Berufspolitiker dürfte das bekannt sein (auch wenn er es aus seiner konservativen Sicht vielleicht anders bewertet).

Ja, Vaatz hat sich auch 2018 schon in die Debatte eingemischt. Einige seiner Argumente damals ("Sachsenbashing", Verurteilung von Mitläufern als Nazis, Akzeptanz frecher Anti-Bullen-Texte auf der Gegendemo) fand ich einleuchtend. Und dass er auf die Maaßen-Lüge von der Manipulation der Chemnitz-Berichterstattung durch die Antifa hereingefallen ist, kann man ja aus der Hitze des Gefechts mit einigem Augenzudrücken auch akzeptieren (immerhin wäre es ja denkbar gewesen, dass der Präsident des Verfassungschutzes gemäß seines Amtes einigermaßen korrekt vorgegangen und sein Spiel mit dem mainstream-Medium BILD einfach ein Ausrutscher aus persönlicher Eitelkeit gewesen ist).

Jetzt, Jahre danach, liegen die Fakten für jeden offen auf dem Tisch (die Organisatoren der Demo sind ebenso bekannt wie Art und Umfang der gewalttätigen Ausschreitungen). Jeder kennt die Lügenstrategie der Neurechten, wir wissen inzwischen auch, dass Maaßen die Legende bewusst und wider besseren Wissens befeuert hat. Wenn Vaatz der Erfolg dieser Lügen politisch grad genehm ist, dann kann er sich ja schmunzelnd freuen und öffentlich dazu schweigen - wenn er sich aber öffentlich einreiht in die Front der Demokratiefeinde, dann darf ich doch wohl ärgrlich sein.

P.S. Apropos Themensetzung: Viel mehr als irgendwelche Hitlergrüße hat mich folgende Szene entsetzt: In den Wochen vor der besagten Demo haben Rechtsradikale in Chemnitz auf einem öffentlichen Platz und Jugendtreff die Ausweise von Jugendlichen kontrolliert und gegebenfalls Platzverweise ausgesprochen.

P.S. 2: Apropos "verdiente Bürgerechtler": So kann man die Sache auch sehen. (und Frank Richter ist alles andere als ein verbohrter Linker).

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