Dienstag, 12. Mai 2020
Was mir angesichts der Schlagzeilen so einfällt ...
... einerseits gibts da allerorten die Rede von der "Vernichtung der Existenzen". Aber in der Regel leben diese Existenzen hinterher in der Form einfacher Menschen weiter: für ein Individuum ein nicht zu verachtender Vorteil.

Ich will damit nicht die Dramatik der Situation beschönigen, ich erinnere mich sehr wohl an Zeiten, in denen ich unter drückender Geldnot ziemlich gelitten habe. Da war meine Lebensfreude schon sehr stark eingeschränkt, und manchmal dachte ich mit Blick auf die Bäume, die Wolken, die Welt: "Wie schön könnte das sein, wenn nicht ..." Oder ich traf auf Menschen, mit denen es schön war, da dachte ich noch nichtmal das, sondern genoss es einfach. Die Existenz - das ist etwas weitaus Beglückenderes, Wertvolleres und auch Stärkeres als die berufliche Existenz.

Na, und dann die Angst vor den Fake News. Ja, das ist schlimm, aber auch nicht von historisch einmaliger Bedrohlichkeit. Ich erinnere mich, im Studium gehört zu haben, dass ca. die Hälfte aller mittelalterlichen Urkunden gefälscht ist. Und trotzdem gab es eine funktionierende Gesellschaft, gab es das Vertrauen, das verbindliche Beziehungen möglich machte. Die Leute wussten sich schon zu orientieren, sie hatten dazu die Instanz Gott. Nun wissen wir als Kinder des aufgeklärten Zeitalters, dass auch Gott eine ziemlich unzuverlässige Instanz ist. Aber irgendsowetwas in der Art bräuchten wir, damit unser Verstand nicht in der Flut von Informationen, Halb- und Fehlinformationen und falschen Fährten untergeht.

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Als ob es im Mittelalter keine Fake News gegeben hätte, als ob viele Leute nicht an Hexen, Dämonen, Elfen, Trolle und Zauberei geglaubt hätten. Vereinzelt glaubte man sogar noch, die Erde sei eine Scheibe.

Auch wir werden in unserem vermeintlich aufgeklärten Zeitalter nicht immer genau wissen können, was ist richtig, was ist falsch. Oftmals ist das, was die Faktenchecker den vermeintlichen Fake News entgegensetzen, auch nur Gegenpropaganda. Und selbst wenn Fakten unstrittig sind, kann man sich immer noch über deren Bewertung und Einordnung die Köpfe heißdiskutieren. Die große Herausfoderung unserer Zeit sehe ich deswegen darin, mit einem nicht unerheblichen Rest Unsicherheit und Unwissenheit leben zu lernen. Ganz im Sinne von Descartes, der sagte: Der Zweifel ist aller Weisheit Anfang.

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Genau das meinte ich, die Fake News des Mittelalters, als ich die gefälschten Urkunden erwähnte. Ich hätte auch die Hexen und Dämonen nennen können.

Und ganz richtig ist auch das mit der heutigen Gegenpropaganda - man kann auch mit der Wahrheit lügen.

In manchen Fällen kann man sogar mit der Unwahrheit vergleichsweise richtiger liegen - wenn ich etwa an die Heilertätigkeit von Hexen im Mittelalter denke - faktenseitig war das sicher abstruses Zeug, was die von sich gaben, geholfen hat es aber auch öfter.
Mit Unsicherheit und Zweifeln leben lernen, ist in diesem Durcheinander natürlich nötig, praktisch die Bedingung sine qua non, aber darüber hinaus braucht es auch irgendwie eine Richtschnur, die Entscheidungen in unklarer Lage ermöglicht. Darum ging es mir.

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